Der Märtyrerspiegel

Teil II - Kapitel 2.509

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2.509  Noch ein Brief von Joost Verkindert, geschrieben aus dem Gefängnisse an seinen Bruder W. und I., sein Weib, den 10. August.

Gnade, Freude, Friede sei von Gott, dem himmlischen Vater, und unserm lieben Herrn Jesu Christo, der uns geliebt und dem Tröster, dem heiligen Geiste, der vom Vater und dem Sohne ausgeht, um alle diejenigen zu trösten, die um seines heiligen Namens willen in Druck und Trübsal sind; welchem sei Preis, Ehre, Herrlichkeit, das Reich, Kraft und Majestät, von Ewigkeit zu Ewigkeit, Amen.

Dieses nebst allen Tugenden Gottes, wünsche ich dir zu einem freundlichen Gruße, mein sehr lieber und werter Bruder W., sowie auch deinem lieben Weibe I. Ich lasse euch wissen, daß es mit mir gegenwärtig noch ziemlich wohl steht, dafür lobe ich den Herrn, und danke ihm für seine große Gnade, die er an mir armem, schwachen und zarten Knechte beweist, wie ich denn auch hoffe, daß ihr noch gesund seid. Ferner lasse ich euch wissen, daß ich in meinen Banden Nachricht empfangen habe, daß Fra. dem Jo. Ca. habe sagen lassen, er solle auf seinen Nutzen bedacht sein; sie wollten auch desgleichen sein. Als Jo. diese Nachricht empfangen, ist er sofort krank geworden, sodass ihm die eine Seite gelähmt und er wahnsinnig geworden ist; weshalb er denn den Abgott eingenommen und empfangen hat; ebenso hat er auch als ein gutes Kind der römischen Kirche die letzte Ölung erhalten, worauf er den 9. August gestorben ist, uns und allen Gottesfürchtigen zur ewigen Warnung. Ach, meine Seele war sehr betrübt, als ich solches hörte; hier geht es, wie Christus spricht: Wer sein Leben zu erhalten sucht, der wird es verlieren. Darum, lieber Bruder und liebe Schwester, laß uns Sorge tragen, daß wir die Gnade Gottes nicht vergeblich empfangen haben, denn jetzt ist die angenehme Zeit; jetzt ist der Tag des Heils; darum laß uns niemandem ein Ärgernis geben, sondern in allen Dingen uns als Diener Gottes beweisen. Ein jeder suche den andern in guten Dingen zu übertreffen, denn, was der Mensch Gutes getan hat, das wird er zwiefältig von dem Herrn wieder empfangen. Darum laß uns allezeit die Worte Christi wahrnehmen und ihnen nachfolgen, wenn er sagt: Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, sondern fürchtet vielmehr den, welcher, nachdem er getötet hat, auch Macht hat, Leib und Seele in die Hölle zu verdammen. Diesen lasst uns (sage ich) scheuen und fürchten; denn vor ihm kann kein gottloses Wesen bestehen, aber es sind ihrer wenige, die es zu Herzen nehmen, gleichwie es von Anfang her gewesen ist, nämlich in den Zeiten des Noah, in welchen nur acht Gerechte waren; desgleichen zu den Zeiten Sodoms, wo nur drei waren, die vor dem Herrn bestehen konnten. So hat auch Gott der Kinder Israel, die doch sein Eigentum waren, nicht geschont, sondern hat sie in der Wüste getötet, sodass von sechsmal hunderttausend nur zwei in das gelobte Land eingegangen sind, nämlich: Josua und Kaleb. Ach, mein lieber Bruder und meine liebe Schwester, wie viele bleiben ihrer nun auch in dieser Weltwüste, wiewohl sie alle durch das Rote Meer erlöst worden sind, nämlich durch das Blut Christi, und darüber müssen wir uns nicht verwundern, denn die Schrift bezeugt, daß diese gegenwärtige Welt um vieler Menschen willen erschaffen worden sei, aber die zukünftige um weniger willen; denn es ist hier eben, wie der Engel dem Esra erzählt, nämlich: Es ist eine Stadt gebaut und gesetzt auf einem ebenen Felde, voll aller Güter; ihr Eingang aber ist enge und an einem jähen Orte, sodass zur rechten Hand ein Feuer ist, zur Linken aber ein tiefes Wasser, es ist aber zwischen dem Feuer und Wasser ein enger Fußsteig, so schmal, daß auf demselben nichts als nur ein einziger Mensch gehen kann; diese Stadt kann auch niemand einnehmen, oder er muss zuvor diese Enge durchwandern.

Ach, mein Bruder, nun sind wir auf dem rechten Wege, der sehr eng ist, welches niemand besser weiß, als derjenige, der darauf versucht worden ist, denn jetzt stehen wir in der Probe; der allmächtige Gott gebe uns seine Gnade, daß wir nicht als Heu, Stroh oder Stoppeln, sondern als Gold, Silber und Edelsteine erfunden werden mögen. Ach, meine lieben Freunde, dem Fleische wird zwar bange, wenn wir aber die schönen Verheißungen, die den Überwindern und Standhaften gegeben sind, betrachten, so wird uns jede Pein versüßt, denn jede Züchtigung, sagt Paulus, wenn sie da ist, dünkt uns nicht Freude, sondern Traurigkeit zu sein; nachher aber wird sie denen eine friedsame Frucht der Gerechtigkeit geben, die dadurch geübt sind. So müssen wir denn nun unsere Trauertage zu Ende bringen, denn wir sind bisweilen wie ein Weib in den Geburtswehen; es kommt so manches harte Wehe über uns, daß wir beinahe unterzugehen scheinen. Darum bittet den Herrn für uns arme schwache Gefangene; wir tun solches auch für euch und alle, die Gott fürchten. Hiermit will ich euch dem gekreuzigten Jesu Christo anbefohlen haben, und dem Worte seiner Gnade, und sage hiermit gute Nacht, meine lieben Brüdern und Schwestern. Grüßt mir alle meine Bekannten mit dem Frieden des Herrn, und auch die Unbekannten, dem Ansehen nach, die doch vor dem Herrn bekannt sind, und seid allezeit der Gefangenen, als Mitgefangene, eingedenk, und haltet allezeit ernstlich an, damit wir einander unter dem Altare finden mögen, Amen.