Der Märtyrerspiegel

Teil II - Kapitel 2.396

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2.396  Ein Brief von Hans Symonß, den er zu Antwerpen im Gefängnisse geschrieben hat, wo er den 13. Sept. 1567 mit drei andern verbrannt worden ist.

Gnade und Friede sei mit dir von Gott unserm Vater und unserm Herrn Jesu Christo; gesegnet sei Gott, der Vater unsers Herrn Jesu Christi, der ein Vater aller Barmherzigkeit und Gott allen Trostes ist, der uns in aller Trübsal tröstet, damit wir auch diejenigen trösten können, die in allerlei Trübsal sind, mit dem Troste, womit wir von Gott getröstet werden, denn gleichwie wir des Leidens Christi viel haben, so werden wir auch durch Christum reichlich getröstet; haben wir aber Trübsal oder Trost, so geschieht uns alles zum Besten und zur Seligkeit. Dieses wünsche ich euch, meine lieben Brüder und Schwestern in dem Herrn, Vincent, Karl, Wilhelm und Hans Symonß, und Tanneken, Vincents Weib, zum herzlichen Gruße in dem Herrn. Dieses schreibe ich, Brüder und Schwestern im Allgemeinen, damit ihr meiner und der Trübsale und der Angst eingedenk sein mögt, die ich in Antwerpen um des Zeugnisses unsers Herrn Jesu Christi willen erlitten habe, und nun, da es Zeit ist, daß ich von euch allen abscheiden soll, Amen.

Ferner, meine lieben Brüder und Schwestern in dem Herrn, wie auch Mithelfer und Nachfolger des Evangeliums, an welchen Gott in dieser Welt große Barmherzigkeit geübt, daß er aus Gnaden seinen Willen offenbart hat; darum, liebe Brüder und Schwestern in dem Herrn, ich bitte euch aus dem Grunde meines Herzens, daß ihr die Gnade Gottes nicht umsonst empfangt, denn er sagt: »Ich habe dich zur angenehmen Zeit erhört, und dir am Tage des Heils geholfen.« Darum, liebe Brüder, lasst uns niemandem ein Ärgernis geben, damit unser Dienst nicht gelästert werde, sondern lasst uns als Diener Gottes uns zeigen, mit großer Geduld, in Not und Ängsten. Deshalb, liebe Brüder, nehmt dieses als eine herzliche Bitte von mir auf, damit ihr eures Rufes wahrnehmen mögt, wodurch ihr zur Heiligkeit gerufen seid, denn er sagt: »Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig.« Desgleichen bitte ich euch auch, erweist doch untereinander die Liebe, solange ihr hier lebt, denn Christus sagt: »Daran erkennt man, daß ihr meine Jünger seid, wenn ihr euch untereinander liebt.« Wenn der eine ein besseres Auskommen hat als der andere, so steht einander bei, und entziehe sich einer nicht dem andern, damit nicht der eine um des andern willen betrübt werde, sondern ermahnt euch untereinander, wenn ihr zusammen kommt, mit dem Gesetze des Herrn, und erinnert euch allezeit der Tage, wo ihr erleuchtet worden seid; wie eifrig wir alle waren, als wir zusammenkamen, um von den großen Wohltaten zu reden, die Gott an uns erwiesen hat, indem er uns von der Macht der Finsternis zu seinem wunderbaren Lichte berufen hat, welches in unsern Herzen aufgegangen ist, wobei wir uns ganz übergeben haben, alle Tage unsers Lebens dem Herrn zu dienen, und uns selbst nicht mehr zu leben.

Ach, liebe Brüder und Schwestern, schreibt das Gesetz des Herrn allezeit in eure Herzen, und stellt euch den Herrn allezeit vor Augen, dient Ihm treulich bis an das Ende eures Lebens; denn wenn etwas Unrichtiges ist, wodurch das Gewissen beschwert ist, mag es auch unbedeutend sein, der Satan sucht alles auf, was er vorbringen kann, damit er uns verführe oder unterdrücke, wozu er oft Veranlassung hat, denn Jakobus sagt: Wir fehlen alle mannigfaltig.

Darum, liebe Brüder und Schwestern, wacht auf, und wandelt rechtschaffen auf euren Füßen, damit ihr allezeit zu dem Evangelium des Friedens, welches uns allein zum Frieden einladet, fertig seid, denn lieblich sind die Füße derer, die den Herrn fürchten; scheidet euch auch nimmermehr von der Gemeinde des Herrn, denn sie ist der Leib Christi, und er ist seines Leibes Heiland. Und obschon bisweilen einige darunter sind, die dem Herrn nicht recht folgen, so denkt dann: Herr! Um eines andern Sünde willen will ich nicht sündigen, denn der Herr hat auch keinen Wohlgefallen an der Menge der Sünden, sondern daß sich ein jeder bekehre, alsdann soll er leben. Ich bitte euch, und alle Brüder und Schwestern in dem Herrn, daß sie es nicht gering achten, ihren Nächsten zu betrüben, es sei mit Worten, Werken oder Kleidertracht; man tut es doch bisweilen, aber man will es nicht tun, und beachtet nicht die Unterdrückung seines Nächsten.

Ach liebe Brüder! Wie wird der Mensch im Gewissen beschwert, wenn man in Haft oder Bande kommt, oder der Herr uns von der Welt nimmt; die Zeit unsers Hierseins ist ja sehr kurz, darum macht eure Lampen fertig, daß, wenn der Bräutigam kommt, ihr nicht nötig habt, Öl zu holen, denn die Türen werden alsdann zugeschlossen. Was hilft es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, und doch an seiner Seele Schaden nimmt? Oder was kann der Mensch geben, damit er seine Seele wieder löse. Darum lasst die Sünde in eurem sterblichen Leibe nicht herrschen, sondern heiligt Gott in euren Herzen, und sagt Dank dem Vater, der euch würdig gemacht hat zum Erbe seiner Heiligen im Lichte. Ach liebe Brüder! Wie gewiss und wahrhaftig ist es, was wir täglich finden, daß es die Wahrheit sei, um deretwillen wir leiden müssen, und wiewohl ich einmal gezweifelt habe, daß es die Wahrheit sein sollte, so werde ich doch täglich mehr und mehr versichert.

Ach, liebe Brüder und Schwestern, bleibt hierbei bis ans Ende, dann wird es euch wohl gehen, und lasst euch nicht durch die Philosophie oder durch lose Verlockung durch eitlen Schein und subtilen Betrug verführen, denn die Menschen sind bald von ihrer Einfalt abgezogen, die sie in Christo haben, indem es eine große Gnade ist, die wir von Gott empfangen haben, daß uns die Wahrheit offenbart worden ist, die vor so vielen Tausenden verborgen liegt. Darum, meine liebe Brüder und Schwestern, denkt jetzt an uns, wie viele Marter wir erlitten, wie oft wir geseufzt, geweint und zu Gott geschrien haben, und wie viel Tränen wir vergossen haben im Gebete zu Gott, daß auch ihr denselben Glauben, worin ihr steht, bis ans Ende behalten mögt.

Ach liebe Brüder, es wird uns so sauer, und der Kelch ist so bitter, den wir trinken müssen. Ach, wie ist mir so bange, bis das Kind geboren ist! Es sind so bittere Wehen, liebe Brüder; ich sage die Wahrheit, man kann es niemandem begreiflich machen, welche Pein es sei, ein Kind zu gebären, als demjenigen, der es erfahren hat; wenn es aber geboren ist, so denkt man nicht mehr an die Pein. Ebenso ist es auch mit mir und meinen Mitgefangenen; wir sind nun in Geburtsnöten; viele Herzenswehen und Beängstigungen des Herzens bemächtigen sich unserer, so daß wir zu Gott um Hilfe rufen müssen, welcher uns auch tröstet, denn er ist ein Gott des Trostes, der alle bedrückte Herzen trösten kann, wie er auch tut; aber ich hoffe, daß die Geburt bald vorüber sein werde, dann werden wir nicht mehr an die Angst und Not denken, auch werden dann alle Tränen, die uns jetzt oft über die Wangen laufen, sodass wir auch bisweilen, wie David, unser Lager mit Tränen netzen, abgewischt werden; denn er ist treu, der es uns verheißen hat. Er wird es auch halten; wir trösten einander kräftig mit des Herrn Verheißungen.

Darum, liebe Brüder und Schwestern, ermahnt einander alle Tage, und seid einander Untertan in der Liebe; ich bitte euch, liebe Brüder und Schwäger in dem Herrn, ja, ich bitte euch, habt Acht auf meine Schwestern, denn ihr seid über sie gesetzt, die Wacht ist euch über sie anbefohlen; liebe Brüder, lebt bei ihnen mit Verstand, wie ich auch das Vertrauen zu euch habe, daß ihr tun werdet! Ich befehle sie euch von Herzen an. Desgleichen ihr Schwestern in dem Herrn und nach dem Fleische, ich bitte euch aus dem Innersten meiner Seele in meinen Banden, die ich um Christi willen erleide, daß ihr eure Männer, die euch der Herr und seine Gemeinde gegeben, um mit ihnen in aller Untertänigkeit und Gehorsam zu leben, in aller Ehrbarkeit ertragen wollt; es geziemt den Weibern, die Männer in Ehren zu halten, denn eine verständige Frau ist ihres Mannes Krone, ebenso wird auch die Frau durch den Mann geehrt und der Mann durch die Frau. Darum bitte ich euch, liebe Schwestern, seid euren Männern mit gutem Willen behilflich, damit ihr eure Männer nicht kleinmütig macht. Ach, wüsste es ein Weib, welche Mühe und Betrübnis sie einem Manne in seiner Arbeit verursachen kann, sie würde sich davor fürchten, wie vor dem Gifte, denn das Weib kann einem Manne in seiner Arbeit Leib und Seele aufzehren. Muntert einander auf in geistigen und zeitlichen Dingen, und hütet euch allezeit vor demjenigen, woraus Betrübnis entstehen kann, denn der Satan ist listig und hat Mittel genug, Streit zu erregen; er umkreist die Menschen wie ein brüllender Löwe, und sucht, welchen er verschlinge. Darum bitte ich euch um des Herrn willen, lasst es euch zu Herzen gehen, was ich euch mit Seufzen schreibe; dieses tue ich, weil ich euch und alle diejenigen von Herzen liebe, die den Herrn fürchten. Ich sage mit Mose, daß ich lieber mit Gottes Kindern Ungemach leiden, als die zeitliche Ergötzlichkeit der Sünden haben will. Haltet euch allezeit zu denen, die Gott fürchten, und bittet, damit euch der Satan nicht überfalle, denn der Herr kommt, wenn man am wenigsten Achtung darauf hat; solches kann ich mit meinen Mitgefangenen wohl sagen. Ich hoffe, der Herr habe es mit uns so verordnet, wir sind nun im Leiden; der allmächtige Gott helfe uns durch, wie ich denn hoffe, daß er tun werde; helft den Herrn für uns bitten, denn das Gebet des Gerechten vermag viel, wenn es von Herzen geht. Ich bitte euch, meine lieben Brüder und Schwestern, habt Acht auf euch selbst; die Zeit ist kurz, und es ist schrecklich in die Hände des Herrn zu fallen; denkt an den Tag, wo ihr erleuchtet worden seid; wie eifrig wir damals waren, in dem Gesetze Gottes zu wandeln; ich hoffe, ihr seid in allem besser unterrichtet, als ich schreiben kann. Ich bitte euch vor allen Dingen, habt den Herrn beständig vor Augen und liebt einander von Herzen; daran wird man erkennen, daß ihr Kinder des Allerhöchsten seid, denn die Liebe bleibt in Ewigkeit, sie vergeht nimmermehr. Seid gastfrei, gedenkt der Gefangenen, tröstet die Betrübten, seid der Armen eingedenk. Ach, wie ruhig macht es das Gewissen eines jeden, der nach seinen Verhältnissen und Kräften gegeben hat; ich wollte wohl, daß ich vielmehr getan hätte.

Hiermit will euch alle dem ewigen allmächtigen Gott anbefehlen; er wolle euch alle, und auch uns arme verlassene Schafe, die wir von allen Menschen ausgesetzt sind, trösten, stärken und kräftig machen, bis an das Ende unsers Lebens, denn es ist nicht am Anfange noch an der Mitte gelegen, sondern, wer bis ans Ende ausharrt, der wird selig. Seht, liebe Brüder, ich gehe voran, und hoffe euch unter dem Altare zu erwarten, wo sie rufen: »Herr, Herr, wie lange richtest du, und rächst nicht unser Blut an denen, die auf Erden wohnen?« Aber der Herr wird um seiner Auserwählten willen die Tage verkürzen; dann wird er sie mit weißen Kleidern kleiden und alle Tränen von ihren Augen abwischen; alsdann werden sie kein Leid mehr sehen, denn es ist in keines Menschen Herz gekommen, was Gott denen bereitet hat, die Ihn lieben. Hiermit nehme ich von euch allen einen ewigen Abschied auf dieser Welt, und danke euch allen für den guten Umgang, den ich in meinem Leben mit euch gehabt habe; vergebt es mir auch, worin ich euch, oder sonst jemanden, betrübt habe; es ist mir von Herzen leid; ich habe die Hoffnung und das Vertrauen zu Gott, daß er es mir vergeben habe, und wenn jemand wäre, der auch mich beleidigt hätte, dem vergebe ich auch von Grund meines Herzens, er sei, wer er wolle. Wir vier, die wir wegen des Zeugnisses Jesu in Banden sind, Hans, Cornelius, Matthäus und Christian lassen euch und alle diejenigen, die den Herrn fürchten, mit dem Frieden des Herrn grüßen, Amen.

Der allmächtige Gott bewahre euch alle vor dem Argen; grüßt meine Mutter, Karl und sein Weib, und Maeyken, die mein Weib bewahrt hat. Nun gute Nacht euch allen; dieses ist mein Testament für euch alle, Vincent, Karl, Neelken, Wilhelm, Hans, und für eure Weiber.

Von mir, Hans Symonß, deinem lieben Bruder, zu Antwerpen auf dem Steine um des Zeugnisses Jesu willen gefangen, Amen.