Der Märtyrerspiegel

Teil II - Kapitel 2.267

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2.267  Joris Wippe, Joostens Sohn, wird zu Dortrecht im Jahre 1558 getötet.

Als Joris Wippe noch in der Finsternis des Papsttums lebte, ist derselbe Bürgermeister zu Meene in Flandern, wo er gebürtig war, gewesen; als er aber nachher zur Erkenntnis des Evangeliums kam, musste er aus dem Lande flüchten, und hat sich zu Dortrecht in Holland häuslich niedergelassen, wo er eine Tuchfärberei angelegt hat. Als er nun eine Zeitlang daselbst gewohnt hatte und anfing bekannt zu werden, so wurde ihm durch das Anhetzen der Feinde der Wahrheit befohlen, zu den Herren in die große Kirche zu kommen. Darüber ist Joris in etwas erschrocken und hat mit einigen Tuchkrämern, für welche er färbte, und welches Leute von Ansehen waren, Rat gehalten, was er tun sollte. Die Leute, welche der Obrigkeit alles Gute zutrauten, haben für ratsam gefunden, daß er hingehen und hören sollte, was sie ihm zu sagen hätten.

Als er nun dahin kam, sind die Herren, da sie ihn sahen, erschrocken und hatten lieber gewollt, daß er ihre Aufforderung für eine Warnung angenommen hätte, um sich heimlich davon zu machen; denn sie waren nicht sehr durstig nach unschuldigem Blute; weil er aber erschienen war, so hat der Schultheiß, als er wieder aus der Kirche gehen wollte, Hand an ihn gelegt, als an einen, der nach des Kaisers Befehl Leib und Güter verschuldet hatte; dieses ist den 28. April 1558 geschehen.

Als er nun gefangen war, haben die Herren allen Fleiß angewandt, um ihn vom Tode zu erretten; er wurde nach Grafen-Haag gesandt, wo der Hof von Holland ist, und daselbst verhört; weil er aber zu Dortrecht gewohnt hatte und daselbst gefangen genommen war, so ist er wieder dahin gesandt, und endlich daselbst getötet worden.

Er hat wegen seiner Freigebigkeit gegen die Armen ein gutes Andenken hinterlassen, denn als er zum Tode verurteilt war, hat es selbst der Scharfrichter mit weinenden Augen beklagt, daß er einen solchen Mann töten müsse, der seinem Weibe und seinen Kindern oft Gutes getan und sie gespeist hatte, und wollte lieber seinen Dienst quittieren, als diesen Mann töten, der ihm und andern so viel Gutes, niemals aber jemanden etwas Böses getan hätte. Endlich ist er in der Nacht in einem mit Wasser angefüllten Weinfasse durch einen der Büttel im Gefängnisse ertränkt worden, welcher nach dem Befehle des Herrn das Scharfrichteramt an ihm verrichtete und ihn rücklings ins Wasser stieß. In solcher Weise hat er dem Herrn sein Leben aufgeopfert, den 1. Oktober, als er 41 Jahre alt war. Tags darauf wurde er auf dem Hochgerichte den Leuten zum Gespötte mit den Beinen an den Galgen aufgehängt, und ist also, wie auch sein Meister, unter die Übeltäter gerechnet worden. Den folgenden Tag wurden einige Übeltäter ausgepeitscht und des Landes verwiesen, in welcher Beziehung der Scharfrichter, nachdem er dieses Amt verrichtet hatte, sagte: Sie haben Christum gekreuzigt und Barnabas losgelassen, womit er dieses Joris Tod noch beklagt hat.

Er hat einige Briefe aus seiner Gefangenschaft geschrieben, von denen uns drei zu Händen gekommen sind, und er hätte wohl deren noch mehr geschrieben, wenn nicht so scharfe Aufsicht über ihn gehalten worden wäre, daß man ihm auch keine Tinte gestattet, weshalb er den letzten Brief an seine Kinder mit Maulbeersaft geschrieben hat.

Nachdem wir in der Schreiberei dieser Stadt das Todesurteil dieses Freundes Gottes, Joris Wippe, lange gesucht und endlich gefunden, auch dasselbe selbst aus dem Buche des Glockenschlags abgeschrieben haben, so halten wir es für angemessen, dasselbe hier beizufügen, damit die Gewissheit des Erzählten von dieses Mannes Tod desto klarer und unumstößlicher erscheinen möge.