Der Märtyrerspiegel

Teil II - Kapitel 2.718

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2.718  Hier folgt ein Brief, den Maeyken Wouters aus dem Gefängnis an ihre Eltern und andere ihrer Glaubensgenossen gesandt hat.

Die überschwängliche Barmherzigkeit Gottes, unseres himmlischen Vaters, durch Jesum Christum, seinen einigen Sohn, unsern Herrn, wünsche ich euch, mein lieber Vater und meine liebe Mutter, Brüder und Schwestern, die ich sehr herzlich liebe, aber unsern himmlischen Vater über alles; denn Er hat mich berufen, daß ich Ihm sein Leiden tragen helfen soll, wie ich Ihn denn oft darum gebeten habe, wenn ich anders dazu würdig wäre. Darum bin ich Ihm mit großer Freude nachgefolgt.

Meine lieben Eltern, meint ja nicht (obgleich ich leiblicher Weise von euch und der Herde Christi geschieden bin), daß mein Bräutigam mich verlassen werde; bedenkt, daß Er gesagt hat: Wenn auch eine Mutter ihr Kind verließe, so will ich meine Auserwählten (die mir mein himmlischer Vater gegeben hat) doch nimmermehr verlassen. Darum werde ich wohl bald erlöst werden, wenn es Ihm gefallen wird. Wenn ihr mich aber mit zeitlichem Gut erlöst, so raubt ihr unserem Bräutigam seine Ehre und glaubt nicht, daß Er mich erlösen werde.

Darum, meine lieben Eltern, betrübt mich nicht mehr damit, die Unkosten zu bezahlen, denn ihr habt mich Tag und Nacht sehr beschwert, indem ich euch so oft habe bitten lassen, daß ihr mich nicht auslösen sollt und ihr mir keine Antwort darüber geschrieben habt.

Darum, meine lieben Eltern, redet doch mit unsern Freunden, damit ich von euch oder von den andern einen tröstlichen Brief empfangen möge, wodurch mir eine große Freude bereitet werden würde; sonst begehre ich keinen Trost von irgendeinem Menschen, sondern allein von unserm himmlischen Vater, der uns versorgen kann.

Ach, liebe Freunde, wenn ich standhaft bliebe in dem, was mir mein himmlischer Vater auflegt, welch einen großen Schatz hoffe ich damit zu sammeln, welcher mir dermaleinst werden wird, worüber ich mich sehr freue! Ach, meine lieben Eltern, ist das nicht eine größere Freude, als wenn ich gegen euren Willen gehandelt hätte, und mit einem Jüngling davon gegangen wäre, wie ihr wohl von andern Dirnen gehört habt? Darum freut euch, und lobt den Herrn in eurem Herzen, weil der Herr mich unwürdigen Menschen dazu würdig gemacht hat, und ihr mich auch zum Preis Gottes auferzogen habt. Bedenkt was noch weiter geschrieben steht, wenn der Herr sagt: Selig seid ihr, wenn man euch um meines Namens willen verfolgt und schmäht; seid fröhlich und getrost, es wird euch im Himmel wohl belohnt werden. Wisst, liebe Eltern, daß ich bei vielen Herren und Obrigkeiten, auch bei den Pfaffen und Jesuiten gewesen bin, die nichts suchten, als meine Seele zu ermorden. Aber der Herr, unser Gott, gab mir Weisheit und Verstand und einen Mund zu reden, wie ich hoffe, daß es unserm lieben Herrn gefallen wird. Sie haben mir auch oft von der ewigen Verdammnis gesagt, und zu mir gesprochen: Wenn du deine Sekte nicht verlässt und nach der heiligen römischen Kirche lebst, wie die ganze Welt tut, so wirst du so wahrhaftig, als Gott in dem ewigen Leben ist, nimmermehr zur Besserung kommen. Da antwortete ich ihnen: Ich zweifle nicht, sondern hoffe, daß wir aus Gnaden die ewige Freude erlangen werden, wenn wir es mit des Herrn Hilfe bis ans Ende bringen. Darauf sagten sie zu mir: Gott hat nichts mit dir zu tun; du bist ein Teufelskind, der Teufel hat dich bei der Gurgel, er wird dich bis ins Feuer hartnäckig machen. Gott hat dich schön erschaffen und nach seinem Bilde gemacht; ist es aber nun nicht zu bejammern, daß du eines schändlichen Todes sterben und dereinst das ewige Feuer ererben musst? Ich sagte zu ihnen, daß ich, wenn es Gott gefiele, lieber sterben als von meinem Glauben abfallen wollte; deshalb bin ich viel lieber heute als morgen bereit; ich will die Menschen nicht fürchten, die doch sterben müssen, sondern ich will viel lieber meinen himmlischen Vater fürchten, der mir das Leben gegeben hat; verliere ich es dann auch (um seinetwillen), so kann Er mir es wiedergeben. Darum sind sie von mir geschieden. Der allmächtige, starke und gewaltige Gott, unser himmlischer Vater, der uns allezeit das Feld erhalten hilft, und diejenigen nicht verlässt, die ihre Hoffnung auf Ihn gesetzt haben und ihren Glauben an Ihn nimmermehr verändern (der Herr, unser Gott, der in dem höchsten Throne der Herrlichkeit sitzt) wolle uns zu Hilfe kommen; Er ist allein würdig Lob und Dank zu nehmen, Ehre und Preis und Segen, von Ewigkeit zu Ewigkeit, Amen.

Hiermit grüße ich meine lieben Eltern, Bruder und Schwester sehr herzlich mit dem Frieden des Herrn. Liebe Freunde, wenn ihr euer Gebet vor den Herrn bringt, so vergesst mich nicht; ich werde euch auch nicht vergessen; der Herr wolle unser Helfer sein, Amen.

Noch einmal grüße ich insbesondere Vater und Mutter, Bruder und Schwester, und ferner alle Gläubigen und Liebhaber der Wahrheit, bittet sämtlich herzlich für mich. So viel als mir der Herr Gnade gegeben hat, hoffe ich meinen Fleiß anzuwenden. Gott sei mit uns allen, Amen.

Diesen Brief habe ich schreiben lassen, als ich um des Zeugnisses der Wahrheit willen in der Stadt Luyk gefangen lag, im Jahre 1595. Ich, Maeyken Wouters, ein schwaches Glied der christlichen Gemeinde, die ich die Malzeichen meines Herrn an meinem Leibe trage; nun, gute Nacht euch allen.