Der Märtyrerspiegel

Teil II - Kapitel 2.703

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2.703  Ein Testament von Joost Zöllner an seine Tochter.

Wenn du mit Fleiß nach der Wahrheit rufst und darum bittest; wenn du sie wie Silber suchst und nach ihren Schätzen forschst, dann wirst du die Furcht des Herrn vernehmen und Gottes Erkenntnis finden, Spr 2,3–5.

Willst du Gott dienen, so lass es dir ein Ernst sein, damit du Gott nicht versuchst, Sir 18,23.

Seid nicht träge in eurem Vornehmen, sondern brünstig im Geist, fröhlich in der Hoffnung, geduldig in Trübsal, und haltet an im Gebet, Röm 12,11–12.

Forscht in der Schrift, denn ihr meint das Leben darin zu haben, und sie ist es, die von mir zeugt, Joh 5,39

Verflucht sei, der des Herrn Werk nachlässig tut Jer 48,10.

Ich, Joost Zöllner, dein Vater, wurde in Gent gefangen, und in das Saucelet (das ist das Stadtgefängnis) gebracht, auf dem Kornmarkt, des Nachts nach zehn Uhr den 13. Januar 1589 und um des Wortes Gottes und des Zeugnisses Jesu Christi willen. Der Herr wolle mich durch seinen Heiligen Geist bis ans Ende meines Lebens stärken, so wie auch alle diejenigen, die in Nöten sind, sowohl außer als in Banden.

Betgen, dies ist dein Alter, und dient dir zum Andenken. Betgen Zöllner ist den 14. August im Jahre 1574 geboren, Gott stärke dich in Tugenden nach seinem Willen, und wenn ich um des Namens des Herrn willen sterbe, so dient dir der nachfolgende Brief, der an dich geschrieben ist, zu einem Testament und zum Andenken dein lebelang, und wenn ich nicht sterbe, so dient er deinem Herzen zur Erquickung und Unterweisung, damit du dich dazu schicken mögest, den Herrn, deinen Gott, zu fürchten.

Fürchte Gott und halte seine Gebote, denn das kommt allen Menschen zu.

Durch heiligen Glauben und kräftige Triebe,
Der reinen, von üben entzündeten Liebe,
Wie auch durch das Opfer am Kreuze geschlacht’,
Wird Leben und Himmel herwieder gebracht.

Der einige, barmherzige, allmächtige Gott, der reich an Barmherzigkeit und ein Vater der unterdrückten Witwen und Waisen und ein Herrscher aller derer ist, die auf Ihn trauen, wolle dich, meine Tochter und mein Kind, in der Weisheit und Erkenntnis der Wahrheit aufwachsen lassen, damit du den allerhöchsten Gott erkennen und fürchten lernen mögest, der Himmel, Erde, Meer und alle Wasserbrunnen erschaffen und gemacht hat. Das verleihe dir der ewige, allmächtige Vater durch Jesum Christum seinen eingebornen Sohn, unseren Herrn und Heiland, Amen.

Mein liebes Kind Betgen, höre und verstehe mein Wort, im Namen des Herrn an dich geschrieben, lass meine Reden dir zu Herzen gehen und nimm sie, als einen köstlichen Schatz auf, das ist, lerne von deiner Jugend auf den Herrn, deinen Gott, von ganzem Herzen, von ganzer Seele und aus allem Vermögen fürchten, wandle in allen seinen Wegen und diene dem Herrn von ganzem Herzen und von ganzer Seele; halte die Gebote des Herrn deines Gottes, damit es dir wohl gehe im Lande, dann wird dir der Herr seinen reichen Segen geben, nebst allerlei Segen im geistigen Wesen, denn die Gottesfurcht ist ein überfließender Brunnen des ewigen Lebens, der Herz und Geist lebendig macht; er gibt uns auch Lust und Begierde die Worte Gottes zu hören, denn sie stärken den inwendigen Menschen an Seele, Geist und Leib.

Darum, mein liebes Kind, richte dich darnach, damit du von Jugend auf das Böse scheuen und meiden lernst, denn es wird nun bald Zeit sein aufzumerken und zu unterscheiden lernen, was gut und böse ist, denn wer da weiß Gutes zu tun und tut es nicht, dem wird es zur Sünde gerechnet; auch sagt der weise Mann, daß der Geist Gottes nicht in einer boshaften Seele, noch in einem der Sünde unterworfenen Leib wohne. Darum lerne fernerhin die Sünde meiden, wie den Blick der Schlangen; so sei denn mäßig, männlich und ehrbar und meide alle eitle Gesellschaft, die fleischlich und weltlich gesinnt ist, denn die Welt wird vergehen mit all ihrer Lust; wer aber den Willen Gottes tut, bleibt in Ewigkeit. Deswegen habe deinen Umgang mit denen, die den Herrn fürchten und in den Wegen Gottes wandeln, dann wirst du als eine Tochter Sarahs aufwachsen, die dem Herrn angenehm sein wird. Darum, mein Kind, hast du Mangel an Weisheit, so bitte sie von Gott, der sie allen Menschen im Überfluss gibt und niemanden abweist. Aber man muss im Glauben bitten und nicht zweifeln, dann wird sie ihm gegeben werden. Darum bitte den Herrn, deinen Gott, demütig mit gebogenen Knien, und das zwar oft und anhaltend. Wo du gehst, stehst und arbeitest, habe den Herrn allezeit vor Augen, rufe ihn an mit Bitten und Flehen und sage: O Herr, mein Gott, leite mich doch auf deinem Wege, gib mir die Weisheit, die von dem Thron deiner Herrlichkeit kommt, und reinige mich von allen meinen Sünden, damit ich würdig sein möge, ein heiliger Tempel zu werden. Gib mir Gnade, daß ich von Herzen sanftmütig und demütig und klein in meinen eigenen Augen sein möge, damit dein Heiliger Geist in mir wohne und ich aufwachsen möge in deiner heiligen göttlichen Furcht zu meiner Seelen ewigen Seligkeit und zum Lob, zum Preis und zur Ehre deines hohen und anbetungswürdigen Namens. O Herr, stärke mich Elenden, denn ich bin doch nur Staub und Asche. O Herr, erbarme dich meiner und hilf mir ewig, Amen.

Wenn du nun, mein Kind, dich mit deinem Herzen so in aller Demut dem Herrn nahst und Ihm unaufhörlich mit Bitten und Flehen anhängst, so wirst du Ihm wohl gefallen, und Er wird dir die Gottesfurcht und Erkenntnis der Weisheit im Überfluss geben, denn die Furcht Gottes ist ein Baum des Lebens, seine Zweige grünen ewig und seine Früchte sind Gerechtigkeit, Friede und Freude im Heiligen Geist, seine Blätter dienen zur Gesundheit der Heiden; aber niemand isst von diesen Flüchten, als diejenigen, die von Neuem aus Wasser und Geist geboren sind, die den alten Adam mit allen seinen fleischlichen Lüsten durch die Taufe in Christo Jesu begraben haben, die dem Teufel, der Hölle, dem Tod, der Welt mit all ihrem falschen Schein absagen und fortan nach dem heiligen Willen Gottes, des Herrn, wandeln, nebst allen auserwählten Kindern Gottes, deren Namen in das Buch des ewigen Lebens geschrieben sind. Darum fürchte Gott von Herzen, nicht, wie die Welt tut, die da sagen, daß sie Gott kennen, Ihn aber mit den Werken verleugnen, denn sie sind von denen, an welchen Gott ein Gräuel hat, ungehorsam und zu allen guten Werken untüchtig und unbrauchbar. Aber Gott hat sich insbesondere ein heiliges Volk auserwählt, das fleißig ist zu guten Werken, seinen Willen zu tun. Darum muss man über alles, wie ich zuvor gemeldet habe, den Herrn ernstlich fürchten mit demütigem Herzen. Schlecht und recht war Hiob, fürchtete Gott und mied das Arge; denn das Arge meiden, ist Verstand. Darum diene dem Herrn mit Furcht und freue dich mit Zittern, denn die Furcht des Herrn ist der Weisheit Anfang; das ist eine schöne Klugheit, und wer darnach tut, dessen Lob bleibt in Ewigkeit; auch sagte der weise Mann: Die Furcht des Herrn besteht darin, das Arge, die Hoffart, den Hochmut und bösen Weg zu hassen. Wer den Herrn fürchtet, der geht auf der rechten Bahn; wer Ihn aber verachtet, der weicht von seinen Wegen und fällt in die Stricke des Todes, denn wo man in der Furcht Gottes um des Namens des Herrn willen leidet, da ist Reichtum und Ehre; die Furcht des Herrn ist der Weisheit Anfang, und ist allein bei den Gläubigen in des Herzens Grunde; sie wohnt allein bei den auserwählten Frauen, und man findet sie allein bei den Gerechten und Gläubigen. Die Furcht des Herrn ist der rechte Gottesdienst; sie bewahrt und macht das Herz fromm und gibt Freude und Wonne, denn, die den Herrn fürchten, denen wird es wohl gehen, und wenn er Trost bedarf, so wird er vom Herrn gesegnet werden. Die Furcht des Herrn wehrt der Sünde, denn wer ohne Furcht ist, kann Gott nicht gefallen. Darum, mein Kind, wenn es dir wohl geht, so sei wachsam und bleibe fest in der Furcht des Herrn; sei auch nicht stolz, denn stolzer Sinn kommt vor dem Fall.

Darum habe Gott den Herrn allezeit vor Augen in allen deinen Wegen und befleißige dich, Gott zu gefallen mit einem aufrichtigen Gemüt, dann wird Gott mit dir sein und mit deiner Schwachheit Mitleiden haben, auch den Sünden durch die Finger sehen, wenn sie durch Unwissenheit oder Übereilung dich überfallen; aber mutwillig sündigen und widerspenstig sein, ist vor dem Herrn ein Gräuel; denjenigen wird Er nicht ungestraft lassen, der seine Worte so gering achtet. Darum sieh dich vor, daß du kein Sklave der Sünden sein mögest und begib deinen Mund nicht aufs Lügen, denn der Mund, der lügt, tötet die Seele. Von einem Dieb sollte man wohl bessere Hoffnung haben, als von einem lügenhaften Menschen, denn diese werden jedermanns Feinde. Ein lügenhaftes Kind wird allezeit gehasst, und was sie auch reden, so gibt man ihren Reden kein Gehör, und sie sind ein Spott der Menschen. Der Teufel ist ein Lügner von Anfang und ist in der Wahrheit nicht bestanden; darum werden alle Gottlosen Teufelskinder genannt. Wenn sie Lügen reden, so tun sie nach der Art ihres Vaters, des Teufels, welcher allezeit ein Lügner gewesen ist; darum ist er auch aus dem Himmel gestoßen worden. Deshalb, mein Kind, rede allezeit die Wahrheit, denn dieselbe schämt sich nicht, es sei, daß sie für oder wider dich ist. Sage allezeit, wie es sich verhält, denn wenn du dich auch irgendwo vergehst, so wird es dir leichter übersehen, wenn du die Wahrheit redest, als wenn du es mit Lügen zuzudecken suchst, denn lügenhafte Reden kommen bald zum Vorschein und werden offenbar. Alsdann muss der Lügner zur Schmach Schmähworte hören, was vor Gott und Menschen ein Gräuel ist. Darum sagt Paulus: Lügt nicht untereinander, sondern rede ein jeder die Wahrheit von Herzen mit seinem Nächsten, denn die Lügner werden keinen Teil am Reich Gottes haben.

Sieh, mein liebes Kind Betgen, ich habe dir viele schöne köstliche Schätze vorgestellt und das alles zu deiner Ermahnung. Ich bitte dich, du wollest sie doch zu Herzen nehmen und dieselben oft überlesen, damit du dadurch in der Gottesfurcht auferzogen werden mögest. Lass doch meinen Brief (welchen ich mit großer Mühe und Furcht in meiner Gefangenschaft geschrieben habe, fürchtend, es möchte mir unvermutet jemand über den Hals kommen) nicht wie ein totes Gedicht liegen, sondern nimm ihn zu Herzen, denn ein Kind, das seinen Vater liebt, wird auch das lieben, was von seinem Vater kommt, es mit großer Lust oft überlesen und dabei sich der herzlichen Gunst seines Vaters erinnern, denn gleichwie ein Mann, der seine Lust an einem Geldschatz hat, welchen er in seinem Schrank verschlossen hat, denselben oft besieht, überzählt und Pläne mit demselben macht, ebenso wollest du auch diesen oft zur Hand nehmen und überlesen, denn er ist mehr wert, als viele Goldstücke, weil er dich zum Brunnen des Lebens weist, wodurch deine Seele ewig leben wird, wenn du anders der Wahrheit Untertan sein willst. Du bist zwar mein Kind, noch jung, und deine Sinne können es noch nicht alles begreifen, aber ich hoffe, der Verstand werde noch kommen. Darum gib von Jugend auf gutes Gehör und gehorche den Worten Gottes, dann wird dir der Herr Weisheit geben; kaufe sie vom Herrn, Er wird sie dir umsonst geben.

Darum nimm meine Reden zu Herzen, denn es sind nicht meine Worte oder Reden, sondern des Herrn heiliges Wort, welches uns Christus selbst gelehrt hat. Darum, willst du selig sein, so halte des Herrn Gebote; denn wer Christum liebt und sein Jünger sein will, der wird in seiner Lehre bleiben; mit demselben wird Er sein Abendmahl halten in dem Reich Gottes, seines himmlischen Vaters, und Er wird vor ihnen hergehen und ihnen dienen, und bei ihnen eine ewige Wohnung machen. Wer aber hier Gottes Diener sein will, der muss vielen Anfechtungen begegnen; er muss auch sein Kreuz auf sich nehmen und Ihm täglich nachfolgen, denn Christus sagt: Ihr werdet weinen und traurig sein, aber die Welt wird sich freuen; doch seid getrost, ich habe die Welt überwunden; wie es denn jetzt, mein Kind, am Tage liegt, denn weil ich Gott fürchte und nach meinem geringen Vermögen von der Welt scheide, darum hasst mich die Welt. Sie haben mich aus ihrem bösen Hass und Neid gefangen; es könnte auch wohl bald geschehen, daß sie mich um des Namens Jesu Christi und des Zeugnisses seines heiligen Wortes willen töten; aber auch hierin bin ich standhaft durch des Herrn Gnade, alles, was ich habe, dafür zu wagen; denn ich habe nichts, was ich nicht von dem Herrn empfangen habe; darum müssen wir es willig um seines heiligen Namens willen wieder übergeben, denn es ist uns nur geliehen, was wir hier in dieser Welt besitzen. Darum sind es auch törichte Menschen, die ihr Herz an zeitliche Dinge hängen; denn wer Gott fürchtet, der muss alle Dinge besitzen, als besäße er sie nicht, indem unsere Güter jedermanns Raub sind. Man stößt sie aus ihren Häusern; alle, die Gott fürchten, werden beraubt und zerstreut; daran wird erkannt, welche die auserwählten Kinder Gottes sind; dieselben werden geprüft, wie das Gold im Feuer.

Darum, mein Kind, untersuche die heilige Schrift, sie wird dir zeigen, daß die Gottesfürchtigen durch viel Trübsal und Leiden in das Reich Gottes eingehen müssen. Aber die gottlose Welt ist nicht wert, um des Namens des Herrn Willen zu leiden, denn sie kennen den Namen Christi nicht im Geist; hätten sie den erkannt, sie hätten in vergangenen Zeiten den Herrn der Herrlichkeit nicht gekreuzigt. Darum haben sie Christum, den Sohn Gottes, gehasst, verfolgt, beneidet und gesagt, daß Er den Teufel hätte, um wie viel mehr seine Jünger? Aber (dem Herrn sei gedankt!) wie sie auch schelten, lästern und beneiden, so geschieht solches um keiner andern Ursache, als um des Wortes Gottes willen, wie denn Christus sagt: Selig seid ihr, wenn die Menschen euch Übles nachreden, wenn sie daran lügen; seid fröhlich und getrost, es wird euch im Himmel wohl belohnt werden. Petrus sagt: Der Heilige Geist Gottes ruht auf Ihm; denn gleichwie des Leidens Christi viel über uns kommt, so werden wir auch reichlich getröstet durch Christum. Darum, mein Kind, wird es dir auch heute oder morgen von der Welt verwiesen, so darfst du dich dessen nicht schämen, denn ich leide nicht um irgendeiner Missetat willen, als ein Dieb, Mörder, oder als einer, der nach anderer Leute Gut strebt, sondern es geschieht um des Bekenntnisses meines Glaubens an Jesum Christum willen, nämlich, daß er der wahre Sohn Gottes sei. Darum sagt Petrus, daß das Gnade bei Gott sei, wenn man um Wohltun willen leidet.

Ferner, mein liebes Kind Betgen, ist meine väterliche Bitte an dich, daß du, wenn ich dir entnommen werden sollte, zu deinem Vetter Lowys, oder zu Tanneken, oder Jacomyntje, deiner Base, gehen wollest, um bei ihnen zu wohnen, oder halten sie es für zweckmäßig, so mögen sie dich irgendwo bei ehrbaren Freunden verdingen; alsdann (bitte ich dich) sei deinen Vorgesetzten Untertan, nicht mit dem Dienste vor Augen allein, den Menschen zu gefallen, sondern mit aller Bescheidenheit und Sittsamkeit, sowohl in ihrer Abwesenheit, als in ihrer Gegenwart, und bedenke, daß du nicht allein den Menschen dienst, sondern Gott. Sei allezeit fleißig, das zu tun, was sie dir befehlen und sei bescheiden und freundlich, dann wirst du von ihnen geliebt werden; mache dich allezeit zum Geringsten, so wirst du von ihnen erhoben und gepriesen werden; achte dich auch niemals für zu gut, und sieh wohl zu, daß du nicht mit deinen Vorgesetzten oder mit denen zankst, bei welchen du wohnst, denn es steht jungen Leuten sehr übel an, wenn sie Widerworte haben und schnippisch sind. Ebenso sei auch, mein Kind, in all deinem Handel gerecht, und entwende den Leuten nichts, denn das ist ein schändliches Ding, wenn man junge Mägdlein oder Knaben auf irgendeiner Ungerechtigkeit ertappt.

Darum sieh zu, daß du reine Hände behältst (bitte ich dich), wie ich denn auch hoffe, daß du tun werdest, und wenn du Speise und Trank siehst, lass es unberührt, sonst wirst du dir einen schlechten Namen machen. So erinnere dich denn an alles, was ich, dein Vater, von dir begehrt habe, und bewahre es zum ewigen Andenken in deinem Herzen, denn es ist mit sorgfältiger Liebe von mir zum ewigen Andenken geschrieben worden, damit du zu allen Zeiten einen guten Namen haben oder behalten mögest.

Weiter, mein geliebtes Kind, muss ich dir noch vorstellen, daß du dich allezeit bei allen Menschen, bei denen du wohnst, ehrlich halten sollst; führe dich sittsam auf, und beweise, daß du von aller Unkeuschheit und Hurerei rein seiest, was ja eine grausame Todsünde vor Gott und außerdem ein Spott vor allen Menschen ist, wodurch du nicht in einen ehrlichen Stand gelangen wirst. Darum hüte dich doch allezeit, daß du nicht mit den Jungen redest, scherzest oder spielst, oder viel eitles Geschwätz mit ihnen habest, damit du nicht durch Lust der Verführung in Sünde fallest. So rate ich dir denn aus väterlicher Liebe, daß du alles zu Herzen nehmen wollest, was ich von dir begehre, was dir vor Gott und allen Menschen eine Ehre sein wird. Darum siehe, mein Kind, wenn ich nun aufgeopfert werde und den Weg aller Welt gehen sollte (denn alle Menschen sind geboren, um einmal zu sterben), so sei wohlgemut; tröste dich in dem Herrn und sei stark; nimm die Ermahnung des Herrn unsers Gottes in Acht und zu Herzen, damit du in seinen Wegen wandeln mögest. Halte seine Sitten, Zeugnisse, Rechte und Gebote, wie im Gesetz und den Propheten geschrieben steht. Wenn du nun, mein Kind, bei Leuten wohnst, die Gott fürchten, so sind sie schuldig, dich zu ermahnen und mit des Herrn Wort zu bestrafen, und solches wird dir ein Beweis sein, daß sie dich lieben und deiner Seelen Seligkeit suchen, wofür du auch dankbar sein sollst; denn wiewohl du noch jung bist, so wirst du es besser verstehen, wenn du zu mehrerem Verstand kommen wirst. Darum bitte den Herrn fleißig, daß Er dich mit Weisheit und Verstand begaben wolle, damit du aufwachsen mögest wie eine grüne Pflanze in Zion und wie eine liebliche Rose in Jericho, und wie ein köstlicher Balsam, der auf dem Berg Hermon wächst. Siehe, mein liebes Kind Betgen, wenn du den Herrn von ganzem Herzen, von ganzer Seele und aus allen Kräften fürchtest, so wird dein Name in das Buch des Lebens geschrieben werden, und du wirst an deiner Stirn mit dem Namen des lebendigen Gottes gezeichnet werden. Auch wirst du einen weißen glänzenden Stein empfangen, und darauf geschrieben einen neuen Namen, welchen niemand kennt, als der ihn empfängt. Du wirst mit Kleidern von reiner, weißer Seide angetan werden, welches die Gerechtigkeit der Heiligen ist. Dazu wirst du mit allen Engeln Gottes dem herrlichen Lamm Gottes in großer Herrlichkeit nachfolgen und von Ewigkeit zu Ewigkeit leben. Siehe, solche herrliche Belohnung werden sie empfangen; wer überwindet, wird alles besitzen, was Gott seinen Auserwählten bereitet hat; Er wird sie zum Brunnen des lebendigen Wassers leiten, und alle Tränen von ihren Augen abwischen. Darum fürchte Gott, und suche allezeit von den Gottesfürchtigen unterrichtet zu werden. Nimm die Worte Gottes wohl zu Herzen und bewahre sie, wie Maria, des Herrn Mutter, tat; wandle auch allezeit in Sanftmut und Demut, denn Gott hat einen Gefallen an denen, die eines demütigen und niedrigen Herzens sind, indem Gott die Hoffärtigen vom Stuhl gestoßen hat, aber die Demütigen hat Er darauf gesetzt, denn Gott widersteht den Hoffärtigen, aber den Demütigen gibt Er Gnade. Darum demütige dich unter die gewaltige Hand Gottes, dann wird er dich zu seiner Zeit erhöhen, denn die Hoffärtigen können Gott nicht gefallen.

In den Sprichwörtern steht geschrieben: Diese Stücke hasst der Herr, hohe Augen, falsche Zungen und Hände, die unschuldiges Blut ergießen, und wo Stolz ist, da ist Schmach; aber Weisheit ist bei den Demütigen. Ein stolzes Herz ist dem Herrn ein Gräuel, und es wird nicht ungestraft bleiben. Darum sagte auch Tobias zu seinem Sohn: Hoffart lass weder in deinem Herzen noch in deinen Worten herrschen, denn sie ist ein Anfang alles Verderbens. Das ist ein Anfang aller Hoffart, wenn ein Mensch von Gott abfällt, und sein Herz von seinem Schöpfer abweicht; Hochmut treibt zu jeder Sünde, und wer darin steckt, richtet viel Gräuel an. Darum hat der Herr allezeit den Hochmut gemieden und zuletzt niedergeworfen. Gott hat die hoffärtigen Fürsten vom Stuhl gestoßen und die Demütigen darauf gesetzt; Gott hat die Wurzel der stolzen Heiden ausgerottet, und die Demütigen an ihre Stelle gesetzt und gepflanzt. Darum halte dich selbst nicht für klug, und vergilt niemandem Böses mit Bösem, sondern bezahle sie mit Gutem, wie Christus lehrt, wenn er sagt: Ihr habt gehört, daß gesagt ist: Auge um Auge, Zahn um Zahn, aber ich sage euch: Ihr sollt dem Bösen nicht widerstehen, sondern wenn dich jemand auf den rechten Backen schlägt, dem biete auch den andern dar, und wenn jemand mit dir rechten, und den Rock nehmen will, dem lasse auch den Mantel, und wenn dich jemand zwingt, eine Meile zu gehen, so gehe mit ihm zwei. Nicht, liebes Kind, als ob wir gern geschlagen sein, oder gern verlieren wollten, oder gern den Mantel hergeben wollten, wenn man uns den Rock nimmt, oder daß wir drei oder vier Meilen mit jemandem wider unsern Willen gehen wollten, und gleichwohl lehrt uns die Schrift und will uns auch Christus damit lehren, daß wir Ihn recht verstehen sollen, dass es den Gläubigen keineswegs erlaubt sei, sich an irgendeinem Menschen zu rächen, was man auch für Ursache haben möchte, sondern wir müssen Gott die Sache befehlen, der da recht richtet. Denn wenn uns jemand schlägt, so müssen wir uns lieber noch einmal schlagen lassen, als wehren oder Widerstand leisten, und wenn uns jemand den Rock nimmt, ihm lieber den Mantel auch lassen, als ihn mit Gewalt oder mit Schlägen wieder nehmen. Überhaupt, wir müssen allezeit leiden und niemals jemandem Leiden zufügen, wie uns das Gesetz der Natur lehrt: Tue deinem Nächsten wie dir selbst, dann werden wir niemandem Böses wünschen, obgleich in dem Gesetz Moses das Gegenteil geschrieben steht: Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen, denn Christus hebt dieses auf; es galt nur unter dem Gesetz der Rache, aber jetzt sind wir unter der Gnade. Darum müssen wir Gnade erweisen und nicht strafen, wie Christus sagt: Ihr habt gehört, daß gesagt ist, du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen; aber ich sage euch, liebt eure Feinde, segnet die euch fluchen, tut wohl denen, die euch hassen, bittet für die, die euch beleidigen und verfolgen, damit ihr Kinder eures Vaters seid, der im Himmel ist, der seine Sonne über Gute und Böse aufgehen lässt. Darum, liebes Kind, soll man seinem Feind nichts Böses wünschen, vielweniger soll man böses tun; deshalb hasse nicht, und räche dich auch selbst nicht, sondern gib dem Zorn Raum, und werde nicht bald zornig, denn des Menschen Zorn tut nicht, was vor Gott recht ist, und wie du willst, daß dir die Menschen tun sollen, so tue du ihnen, dann wirst du das Gesetz Christi erfüllen.

Weiter, mein liebes Kind, bist du schuldig deine Mutter, die du jetzt noch hast, dein ganzes Leben hindurch lieb und wert zu haben, denn sie hat viele Mühe und Sorge mit dir gehabt, solange ich mit ihr in der Ehe gelebt habe. Darum bist du auch schuldig, sie zu lieben wie deine Mutter. Wenn du heute oder morgen von ihr gehst, so danke ihr herzlich für die mütterliche Liebe, die sie an dir bewiesen hat; ohne viele Tränen gebührt dir nicht von ihr zu gehen, denn sie ist dir eine gute Mutter gewesen. Darum, wenn du auch weit von ihr wohnst, so schreib ihr bisweilen ein angenehmes Brieflein, und wenn es dir wohl geht, so erweise deine Freundlichkeit gegen sie mit einem Geschenk, wobei sie sich erinnern kann, daß du sie lieb und wert hast; das wird dir eine Ehre sein. So tue denn das Beste in allem, was ich dir befehle. Schreibe meinen Brief oft ab, oder überlies ihn zum ewigen Andenken deines Vaters; folge ihm nach, und allem, was gut und Gott gefällig ist.

Weiter, mein Kind, begib dein Herz unter den Gehorsam der Wahrheit; sei allezeit begierig das Wort Gottes zu hören, und schicke dich dazu, daß du dich, wenn du zu Verstande kommst, unter die Gemeinde des lebendigen Gottes begebest und auf solche Weise in die Arche des Bundes eingehen mögest, damit du aller himmlischen Verheißungen mit Abraham, Isaak, Jakob, Mose, allen Propheten und heiligen Aposteln Gottes, unsers Herrn Jesu Christi, teilhaftig werden mögest, dann wirst du am letzten Tage (der wie ein feuriger Ofen brennen wird) frei ausgehen; denn die Gottlosen werden erschrecklich gepeinigt werden; sie werden weinen und heulen in Ewigkeit, denn sie werden mit dem Drachen, Teufel und allen falschen Propheten in den feurigen Pfuhl geworfen werden, der mit Schwefel und Feuer brennen wird; darum sei wachsam in der Furcht Gottes, damit du ihrer Plage nicht teilhaftig werdest.

Wenn du heute oder morgen zu deinem vollkommen Alter kommst und es deine Hand vermag, so sei der armen Glieder Christi eingedenk, und teile den Armen mit von dem, was dir der Herr verleiht. Was du gibst, das gib mit gutwilligem Herzen, und nicht aus Zwang, sondern aus einem zugeneigten Gemüt, denn einen fröhlichen Geber hat Gott lieb, sagt der Apostel Paulus.

So steht auch an die Hebräer: Wohl zu tun und mitzuteilen, vergesst nicht, denn solche Opfer gefallen Gott wohl, und Almosen decken auch der Sünden Menge. Durch Fasten, Beten und Almosen war der heidnische Cornelius Gott angenehm, und empfing die Verheißung der Seligkeit, denn gleichwie das Wasser das Feuer auslöscht, so tilgen die Almosen die Sünden aus; der Herr aber, der es ansieht, wird es in der zukünftigen Zeit vergelten, und in der Not, wenn er fällt, wird er Hilfe finden. Mein Kind, sagt Sirach, lass den Armen nicht Not leiden, und sei nicht hart gegen den Dürftigen, verachte den Hungrigen nicht und betrübe den Dürftigen nicht in seiner Armut. Einem betrübten Herzen mache nicht mehr Leid und entziehe die Gabe dem Dürftigen nicht. Die Bitte des Elenden schlage nicht ab und wende dein Angesicht nicht von dem Armen.

Darum tue dem Armen Handreichung, damit du von dem Herrn reichlich gesegnet werdest. Wenn du dieses zu Herzen nimmst und darnach handelst, so wird dein Licht aufgehen wie die glänzenden Sterne der Morgenstunde in der schönen Morgenröte. Darum tue allezeit Gutes, und wenn du Gott lieb hast, so halte seine Gebote. Hiermit will ich meinem Schreiben ein Ende machen; ich habe dir das Beste aus des Herrn Wort vorgehalten; Wasser und Feuer wird den Menschen vorgestellt, nämlich Leben oder Tod; darum erwähle dir das Leben, damit du das Reich Gottes mit allen auserwählten Heiligen Gottes ewig ererben mögest.

Hiermit nehme ich für diesmal, mein liebes Kind Betgen, einen ewigen Abschied, und empfehle dich hiermit Gott, dem himmlischen Vater, der ein Vater aller Waisen ist und aller derer, die ihn fürchten und lieben. Vergiss und versäume niemals ernstlich zu Gott, dem Allmächtigen, zu bitten, dann wirst du mehr von Ihm erlangen, als du begehrst, wenn es nach seinem Willen geschieht.

Gute Nacht, mein Kind, wenn wir einander nicht mehr sehen sollten, so bitte ich den allmächtigen Gott und König aller Könige, daß er dich durch seinen Heiligen Geist regieren wolle, damit ich dir in den Wolken des Himmels entgegenkommen möge, wo nimmermehr ein Scheiden sein wird; solches bitte ich von Gott durch seine unergründliche Gnade und Liebe mit gebogenen Knien, weinendem Herzen und emporgehobenen Händen. O Herr, erhöre meine Bitte, und lass es so geschehen, daß durch die Frucht meiner Lenden dein heiliger, hoch- und anbetungswürdiger Name gepriesen werden möge, von nun an bis in Ewigkeit, Amen.

Mein Kind Betgen, wenn ich sterben sollte, so will ich, daß dir deine Mutter zum ewigen Andenken ein Testament gebe, ein Fundamentbuch von Dirrik Philips, wie auch ein Liederbuch und ein Büchlein von Jakob Kerzengießer; lies darin oft, denn es stehen darin viele schöne Ermahnungen. Von mir, Joost Zöllner, deinem Vater, der dir alles Gute wünscht.