Der Märtyrerspiegel

Teil II - Kapitel 1.1

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1.1  Vorrede an den Leser.

Christlicher Leser!

Wir werden dir hier in unserer Anrede nichts Neues oder Ungewöhnliches vortragen, sondern nur dasjenige, was früher ein Freund der heiligen und seligen Märtyrer seinen Zeitgenossen zur allgemeinen Erbauung von dem Glauben und standhaften Tode vieler derselben mitgeteilt hat, ausgenommen einige Reden im Anfange und einiges im Verlaufe, was eigentlich nicht hierher gehört, dem wir auch einige Kennzeichen, um nicht zu irren, beigefügt, welche wir hier ausgelassen haben; was wir von den Unsrigen hinzugefügt, haben wir mit Klammern eingeschlossen, wovon wir, wenn wir gefragt werden sollten, Rechenschaft geben werden.

Nachdem nun der erwähnte Schreiber Verschiedenes denen von Hoorn verwiesen und solches zu Ende gebracht hatte, sagt er von dem standhaften Vertrauen der frommen Bekenner Jesu Christi Folgendes:

Wir haben das Vertrauen, dass alle diese Zeugen in den notwendigen Glaubensartikeln einstimmig gewesen seien; sie haben alle an den einigen, ewigen und wahrhaftigen Gott Vater und seinen eingeborenen Sohn Jesum Christum, unseren Herrn und Seligmacher geglaubt. Ihre Hoffnung ist auf das Opfer des unbefleckten Lammes gerichtet gewesen, auf welches der Vater die Versöhnung unserer Sünden niedergelegt hatte. Sie haben sich selbst übergeben, ja mit dem Taufbunde verpflichtet, diesem Herrn Gehorsam zu sein, der ihnen vom Vater zum Lehrmeister und Gesetzgeber verordnet worden ist, sie haben eine selige Auferstehung und eine herrliche Belohnung erwartet, welche allen denen verheißen worden, welche durch die Gnade des Geistes, ernstlich und standhaft in der Laufbahn der christlichen Berufung dem vorgesetzten Ehrenlohne zueilen. Sie haben ja, welches das Wichtigste ist, mit der Tat bezeugt, daß sie nicht nur einen Mundglauben und eine buchstäbliche Erkenntnis, welche lediglich in des Menschen Hirne wohnt, sondern dass sie auch einen kräftigen und wahrhaftigen Glauben gehalten haben, welcher auch im Herzen und im Gemüte seine Wohnstatt hatte, mit der Liebe beseelt war und durch welchen sie (nach dem Vorbilde der Heiligen, Hebr 11) alles überwunden haben.

Indem er auf das Leiden der Märtyrer übergeht, sagt er Folgendes:

Betrachte einmal das Leiden, welches diese frommen Märtyrer ausgestanden und wie wunderlich Gott mit ihnen zu Werke gegangen sei, wie männlich, standhaft und geduldig sie durch die kräftige und dringende Liebe Gottes gestritten und die Wahrheit dessen, wovon im hohen Liede6 gesungen wird, befestigt haben, nämlich: Liebe ist stark wie der Tod, und Eifer ist fest wie die Hölle. Denn man sieht hier wie in einem Spiegel, dass diese Ritter weder die angeborene Zuneigung und Liebe zu den Ehegatten, noch die väterliche Gewogenheit und Fürsorge für die Kinder, noch die erwünschte Gesellschaft der vertrauten Freunde, welche ihnen nahe standen, vielweniger alles dasjenige, was Gott zur Belustigung des Menschen in die Geschöpfe gepflanzt, hat bewegen und zurückhalten können, sondern dass sie dieses alles verachtet, sich von Weib und Kindern, Freunden und Verwandten, von Haus und Habe geschieden und sich selbst zu schweren Banden und Gefängnissen, zu allerlei Unglück und Ungemach, zur grausamen Pein und Marter übergeben haben, ohne dass sie auf der einen Seite die Bedrohungen des gewaltsamsten Todes abschrecken, noch auch auf der andern Seite viel schöne Verheißungen bewegen konnten, die heilsame Wahrheit, die Liebe Gottes und die selige Hoffnung zu verlassen; denn sie konnten ohne Scheu mit dem heiligen Apostel sagen: »Wer will uns scheiden von der Liebe Christi? Trübsal oder Angst, oder Verfolgung, oder Blöße, oder Fährlichkeit, oder Schwert?« (Röm 8,35) Sondern sie haben es erfahren und auch erwiesen, wahr zu sein, dass, nach dem Zeugnis des Apostels (Röm 8,38–39), weder Tod noch Leben, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, uns möge scheiden von der Liebe Gottes, die da ist in Christo Jesu. Durch diese Liebe haben sie alles überwunden und über menschliches Vermögen herrliche Taten ausgerichtet; schwache Frauen haben sich stärker als Männer erwiesen, Jungfrauen und Jünglinge haben in der Blüte ihrer Jugend durch die Hilfe Gottes die anlockende Welt mit allen ihren schönen und großen Verheißungen verschmähen können; diese jungen und zarten Zweige haben durch Glauben und Geduld die Gewaltigen dieser Welt überwunden, die Einfältigen und Ungelehrten haben die klugen Doktoren beschämt, so dass sie oft vor der Wahrheit verstummt sind und haben mit Bedrohungen des Feuers und des Schwertes disputiert, haben sich damit (doch umsonst) beschützt und eben damit ihre Ohnmacht und Bosheit an den Tag gelegt, Christus hat seine Verheißung (Mt 10,19) nachdrücklich in ihnen erfüllt, welcher seinen Jüngern verheißen hat, dass er ihnen geben wolle, was sie in der Stunde reden sollten, wenn sie vor Könige und Fürsten gebracht werden sollten, Sie haben unter dem Anschauen des Galgens und der Räder, des Feuers und Schwertes die Wahrheit ohne Furcht bekannt, so dass sich die Richter und Ketzermeister bisweilen verwundert, bisweilen erzürnt, bisweilen aber entsetzt haben und erschrocken sind, welche Freimütigkeit die Märtyrer selbst in ihren Briefen gerühmt und Gott dafür gedankt haben, weil sie ihre eigene Schwachheit erkannt und die Kraft Gottes unter dem Kreuze erfahren haben, so dass sie dasjenige mit einem sanften und fröhlichen Gemüte ertragen konnten, vor welchem die menschliche Natur in der Freiheit furchtsam zu fliehen scheint. Ja, sie waren mit einer solchen unermesslichen Freude erfüllt, welche sie durch das unverhinderte Anschauen der himmlischen Herrlichkeit in Glaube und Hoffnung empfangen, dass sie für dieses Scheidemahl keine königliche Mahlzeit erwählt hätten. Sie sind mit einer solchen Kraft ausgerüstet gewesen, dass auch die grausame und unmenschliche Pein an ihnen den Namen ihrer Mitbrüder nicht hat herauspressen können, so dass sie, mit göttlicher und brüderlicher Liebe erfüllt, ihre Leiber für ihre Mitgenossen geopfert haben. Die allgemeine Bruderschaft ist hierdurch mit Eifer und Liebe so sehr entflammt worden, dass ein jeder in Verachtung des Irdischen und in Betrachtung des Himmlischen sein Gemüt zu dem Leiden, welches ihre Brüder betroffen hatte und auch ihnen täglich drohte, zubereitet hat. Sie haben sich nicht gefürchtet, bei ihren Glaubensgenossen zu Herbergen, sie in den Gefängnissen zu besuchen, auf dem Richtplatze ihnen keck zuzurufen und sie mit Worten aus der Schrift zu trösten und zu stärken. Die Tyrannen sind in ihrem Vorhaben betrogen worden; sie meinten diese Christen zum Abfall zu bringen und haben ihnen stattdessen von ihrer Seligkeit Versicherung gegeben; sie vermeinten ihre Widersacher zu vertilgen und auszurotten und haben dadurch im Gegenteile nur mehr Widersacher erweckt; denn es sind viele Leute, die dabei standen und ein so betrübtes Schauspiel ansahen, wie so viele Leute umgebracht wurden, die unschuldig waren und einen guten Namen hatten, ja die lieber in den Tod gehen, als etwas tun wollten, womit sie Gott zu erzürnen glaubten, hierdurch zum Nachdenken, zur Prüfung und endlich gar zur Bekehrung veranlasst worden.

Außer diesen trefflichen Exempeln der Liebe, Geduld und Standhaftigkeit findet man in ihren Schriften viel andächtige Lektionen, erbauliche Lehren und tröstliche Ermahnungen, welche zwar in dunklen Gefängnissen bei Ungemach und schlechten Gerätschaften in Eile und unrein geschrieben, dabei aber mit dem vortrefflichsten Kennzeichen, nämlich mit ihrem eigenen Blute, versiegelt worden sind. Dann erst haben die Worte ihre Kraft und ihren Nachdruck erreicht, wenn die Wahrheit mit der Tat befestigt und bezeugt wird. Seneca in seinen Briefen verweist es als eine schändliche Sache, dass man mit Worten und nicht mit Werken der Weisheit obliege. Hier findet man Worte, welche die Weisheit aufgesetzt hat, welche aus dem innersten Gemüte durch die Presse des Leidens herausgedrückt worden sind, Worte, welche weder durch weltliche Einsichten, noch durch fleischliche Gemütsbewegungen geschwächt oder gebeugt, sondern die am Ende des Lebens, als der letzte Wille der Rechtsinnigen und Aufrichtigen an ihre zugeneigten Freunde, geredet und mit dem Tode befestigt worden sind. Die Männer haben in der Trübsal ihre Weiber getröstet; sie ermahnten sie zur Gottseligkeit und reizten sie zur Standhaftigkeit. Die Eltern gaben ihren Kindern nützliche Ermahnungen, sie stellten ihnen die Unbeständigkeit, Eitelkeit und Vergänglichkeit der sichtbaren Dinge vor Augen; sie haben sie gelehrt, ihnen angeraten und geboten, die Welt mit ihren Lüsten zu verleugnen und Gott, dem Höchsten und einigen Guten, allein anzuhangen und zu dienen. Man merkt hier, wie sie bisweilen mit starken Versuchungen und Anfechtungen nicht allein der bösen Menschen, sondern auch des Teufels bestrickt worden sind, wie sie der Seelenfeind auf des Tempels Spitze geführt und ihnen den Glanz und die Herrlichkeit dieser Welt gezeigt habe, um sie zu seiner Anbetung, zu verführen (Mt 4,5,8); wie er zu Zeiten die Seele durch Kleinmütigkeit und Schrecken vor dem bevorstehenden Leiden bestürmt und wie er sich bemüht habe, die Gemüter durch falsche Einbildungen zum Abfalle und zur Verzweiflung zu bringen, welches die frommen Helden, die sich mit Wachen und beständigem Gebete zu Gott gewaffnet, tapfer überwunden und mitten durch alle Versuchungen, Lockungen und Bedrohungen bis in den Tod sich männlich hindurchgeschlagen und das Feld behalten hatten.

Wie nun das Lesen und Betrachten der frommen Altväter in jeder Hinsicht sehr dienlich ist, so stehen auch diese Personen als lehrreiche und tröstliche Exempel allen denen zum Vorteile da, die mit Kreuz und Anfechtung heimgesucht werden. Hier zeigen sich leuchtende Lichter von lebendigem Glauben (Mt 10,19), gewisser Hoffnung und feuriger Liebe; hier sieht man die Erfüllung der Verheißungen Gottes, in unerschrockenen und fröhlichen Gemütern auch mitten im Leiden (Mt 24,13); hier ist die Standhaftigkeit der Heiligen, welche Christus mit der Seligkeit krönt. Es ist zwar wahr, dass sie von den Weltgesinnten für Auskehricht und Ausfegsel gehalten werden (1Kor 4,13) und dass ihr Tun für Torheit und Narrheit gescholten wird, nichtsdestoweniger trösten sie sich in Gott und verlassen sich auf seine Verheißungen. Man hat sie gelehrt, dass man so das Kreuz aufnehmen müsse (Mt 10,38), wenn man anders Christi würdig sein will. Sie erkennen sich als Fremdlinge und Pilger in dieser Welt (1Pt 2,11) und erinnern sich an die Worte ihres Meisters, wenn er sagt: »Wärt ihr von der Welt, so hätte die Welt das ihre lieb; nun ihr aber von der Welt nicht seid, so hasst euch die Welt.« (Joh 15,19) Sie hoffen darauf, dass, wenn sie ihr Leben hier verlieren, sie solches nachher wieder finden werden (Mt 10,39); sie glauben auch, dass wir Christi Namen vor den Menschen bekennen müssen, wenn wir wollen, dass er uns vor seinem himmlischen Vater bekennen soll (Mt 10,32). Sie wissen, dass ihr Herr und Meister gelitten und eine Vorschrift gegeben habe, dass wir seinen Tritten nachfolgen sollen, welcher so gesinnt war, dass er nicht wieder schalt (1Pt 2,19), wenn er gescholten ward, nicht dräute, wenn er litt, sondern für seine Feinde gebetet hat. Sie halten dafür, dass, wenn sie mit Christo herrschen wollen, sie auch mit ihm leiden müssen (2Tim 2,11). Sie sind ein Bild der Reden Christi, dass der Knecht nicht besser sei als sein Meister (Mt 10,24; 1Pt 4,4), dass sie daher, weil Christus gelitten hat, sich auch mit demselben Sinne waffnen müssen. Sie halten sich selbst für wehrlose Schafe, die ein Raub der Wölfe sind, welche alles zerreißen. Aber sie fürchten die nicht, welche allein den Leib töten können, sondern den, welcher Seele und Leib in seiner Hand hat (Mt 10,28). Es ist ihnen lange zuvor gesagt worden, dass alle, die gottselig leben wollen, Verfolgung leiden müssen (2Tim 3,12). Christus hat ihnen vorausgesagt, dass sie um seinem Namens willen von allen Menschen gehasst, ja in der Verfolgung überantwortet und getötet werden sollten und, was noch mehr ist, die sie töten würden meinen Gott einen Dienst damit zu tun. Deshalb kommt es ihnen nicht fremd vor, wenn sie durch Leiden versucht werden (1Pt 4,12), sondern sie freuen sich daran, dass sie an dem Leiden Christi Teil haben; denn sie wissen, dass sie in der Erscheinung seiner Herrlichkeit sich mit Ihm freuen werden. Sie rühmen sich der Trübsal (Röm 5,3; 1Pt 1,6) und halten dafür, dass ihr Glaube dadurch geprüft und geläutert werde. Sie erfahren es, dass aus dem Leiden Geduld und eine fröhliche und beständige Hoffnung geboren werde und dass das Kreuz, welches denjenigen, die verloren gehen, eine Torheit ist (1Kor 1,18), ihnen eine Kraft Gottes zur Seligkeit sei und achten es als eine Gnade bei Gott, wenn sie um des Gewissens willen Unrecht leiden (1Pt 2,19). Und obgleich sie hier unterdrückt, verfolgt und darnieder gestoßen werden, so werden sie doch nicht kleinmütig, verzagt oder verdorben (2Kor 4,8), sondern sie tragen beständig mit dem heiligen Paulus das Sterben des Herrn Jesu an ihrem Leibe, damit auch das Leben des Herrn Jesu an ihrem Leibe offenbar werden möge. Sie lehren bei dem Überfluss des Leidens Christi einen überflüssigen Trost durch Christum (2Kor 1,5); sie glauben, dass das Leiden dieser Zeit der zukünftigen Herrlichkeit nicht wert sei (Röm 8,18). Deshalb waffnen sie sich zu den Trübsalen und Leiden als rechtschaffene Kriegshelden ihres Hauptmannes Jesu Christi. Vor sich haben sie eine große Bruderschaft, welche auf diesem Wege ihren Lauf vollendet hat. Kain konnte es nicht ertragen, dass sein Bruder fromm und bei Gott angenehm gewesen, darum tötete er ihn (1Mo 4,8). Gewalt und Beschwernis beherrschte die erste Welt (1Mo 6,13). Der fromme Lot musste den Sodomiten eine Ursache des Spottes und der Wollust sein (1Mo 19), David musste vor Saul fliehen, auch der Prophet Jesaja klagte schon zu seiner Zeit, dass derjenige, welcher vom Bösen abwiche, jedermanns Raub und Spott sein müsse. Viele heilige Propheten und Männer Gottes haben von den Gottlosen Verfolgung und Marter ertragen müssen, wie: Der heilige Zacharias, Amos, Micha, Jeremia, Daniel, die drei Jünglinge, Eleazar, die Mutter mit ihren sieben Söhnen und mehrere andere, welches unnötig ist, zu erzählen, da die Zeit und die Jahrhunderte des neuen Bundes hierzu hinreichende Gelegenheit an die Hand geben. Johannes, der Vorläufer Jesu, musste im Gefängnis seinen Hals dem Schwerte darbieten (Mt 14,10). Unser Hauptmann und Herzog des Glaubens, Christus Jesus, musste durch viel Spott, Schmach und Leiden und endlich durch den schmählichen Tod des Kreuzes in seine Herrlichkeit eingehen; seine Apostel und Jünger sind, wie die Jahrbücher berichten, ihrem Meister nachgefolgt; Petrus und Paulus sind von dem Kaiser Nero umgebracht worden; Jakobus, Johannes Bruder, ist von Herodes mit dem Schwerte getötet worden (Apg 12,2); Matthäus wird in Indien an die Erde genagelt; Bartholomäus geschunden; Andreas gekreuzigt; Thomas mit Spießen durchstochen; Philippus an ein Kreuz genagelt, und dann zu Tode gesteinigt; Simon Zelotes wird gegeißelt und gekreuzigt; Jakobus Alphäi wird zu Jerusalem vom Tempel herabgestürzt und dann mit Prügeln totgeschlagen; Judas Thaddäus wird in Persien von den gottlosen heidnischen Priestern umgebracht; Matthias hat gleichfalls die Märtyrerkrone erlangt; der Evangelist Markus wird durch Alexandrien mit einem Stricke um den Hals geschleift, bis er davon gestorben ist. Der Apostel Johannes, als er in das Eiland Patmos verwiesen ward, hat das Evangelium mit Leiden geziert (wie weitläufig im ersten Buche der Beschreibung der Märtyrer in dem 1. Jahrhundert angeführt worden ist) (Offb 1,9). Dies ist der Weg der heiligen Propheten gewesen; dies ist der Pfad, welchen unser Seligmacher, seine Gesandte und nachher viele Lehrjünger betreten haben, denn Polycarp, Johannes Lehrjünger wurde zu Smyrna lebendig verbrannt; Ignatius, Bischof zu Antiochien, wurde von wilden Tieren zerrissen, wie im 2. Jahrhundert berichtet wird. Selbst die römischen Bischöfe sind in den ersten 300 Jahren fast alle gemartert und mit den gemeinen Christen der Verfolgung der heidnischen Kaiser unterworfen gewesen; doch wollen wir diese Gott befohlen sein lassen. Unter dem Kaiser Diocletian ist eine grausame Verfolgung entstanden, dass es den Anschein hatte, als sollte der christliche Name ganz ausgerottet werden, weshalb man in der ersten Kirche bis zur Zeit des Kaisers Konstantin der Verfolgung so gewohnt war, dass man mit Vorbedacht sich zum Leiden zubereitete.

Nachdem nun die Gottesfürchtigen, die mit dem Kreuze heimgesucht werden, so viele heilige Märtyrer zu Vorfahren haben, ja, dass ihnen das Kreuz vorhergesagt ist und da ihnen solche herrliche Verheißungen auf das Kreuz gegeben worden sind, so ist es ihnen ein Geringes, wenn sie, welche sich Kriegsknechte unter der Blutfahne Jesu nennen, darüber als Törichte verspottet und verlacht werden. Der christliche Leser kann hieraus merken und fest schließen, dass das Kreuz ein Feldzeichen aller derjenigen sei, welche Jesu Christo, dem Herzoge des Glaubens, dienen und folgen und dass dagegen alle diejenigen, welche andern Kreuz und Leiden verursachen, nicht unter diesen, sondern unter einen andern Hauptmann gehören; denn die wahren Christen haben niemals einen unschuldigen Mann verfolgt, sondern sind immer selbst verfolgt worden und es war auch in der ersten Kirche zu Konstantins Zeiten, als die Bischöfe in der Welt sich etwas mehr anfingen hervorzutun und von dem Kaiser beschützt wurden, für ein Gräuel gehalten, jemand zu verfolgen, sondern sie haben selbst die Verfolgung erlitten. Damals war es eine so abscheuliche Sache, jemanden um der Ketzerei willen zu töten oder zu verfolgen, dass auch der Bischof Johannes von der Kirche ausgebannt und abgesondert wurde, weil er dem Tyrannen Maximus Anlass gegeben, den Ketzer Priscillianus zu töten, wie Cäsar Baronius, römischer Kardinal, in seiner Kirchengeschichte über das Jahr 385 sehr deutlich schreibt. Derselbe bezeugt ferner, dass solches durchaus gegen die Sanftmut eines Hirten streite, ferner, dass niemand von den heiligen Vätern es gerühmt habe, wenn eine geistliche Person einen Ketzer zu Tode zu bringen suchte, so dass auch, wie er schreibt, der heilige Martinus mit dem vorgenannten Ithacius oder seinen Anhängern keine Gemeinschaft haben wollte, weil ihre Hände durch des Priscillianus Tod mit Blut besudelt waren und obschon der heilige Martinus um des Tyrannen Maximus Bedrohungen willen sich eine Stunde lang stellte, als ob er mit Ithacius Gemeinschaft hätte, so hat er doch nachher große Reue darüber bezeugt, so dass er fühlte, dass um solcher Verstellung willen ihm die Gabe der Heilung teilweise entzogen worden sei, woraus klar und offenbar zu ersehen ist, wie fälschlich sie sich rühmen, Nachfolger Christi, seiner Apostel und der ersten zu sein, die ihre Hände mit dem Blute der unschuldigen Menschen so grausam besudelt, welche nichts anderes getan hatten, als dass sie nach ihrem Gewissen das Evangelium bekannten und darnach lebten; ja, von welchen die Tyrannen oft selbst Zeugnis gegeben, dass ihr Leben fromm sei, dass sie nicht zu lügen oder gegen ihr Gewissen zu reden pflegten und dass sie nicht um ihrer Missetat willen gefangen seien, sondern weil sie der Mutter der heiligen Kirche und des Kaisers Befehle nicht gehorchen wollten. Es ist aber so weit davon, dass solche die wahre, apostolische Kirche sein sollten, dass auch kein gewisseres Kennzeichen der falschen und gegen Christum streitenden Kirche ist, als das Töten der Ketzer oder derer, die man Ketzer nennt, denn wenn je die Ketzerei etwas Grausames ist, so ist dieses das Allergrausamste. Was ist doch wohl der friedsamen, demütigen und barmherzigen Art Christi, die nicht rachgierig ist, sondern gerne vergibt, mehr zuwider, als wenn man jemanden um seines Glaubens willen verfolgt? Was kann wohl erdacht werden, das mehr mit Christi heiligen Gesetzen und Geboten streitet, welche unter andern hauptsächlich in Liebe, Frieden, Demut, Sanftmut, Niedrigkeit, Barmherzigkeit, Vergebung, Mitleiden bestehen. Sind die Christen dazu berufen, wie sie tun, Hass mit Liebe, Böses mit Gutem, Flucht mit Segen zu vergelten; ja, müssen sie nach der Lehre Christi für diejenigen bitten, die sie unterdrücken und verfolgen; wie ist es dann möglich, dass sie ihr Christentum beleben können und gleichwohl andere Menschen, die ihnen nicht einen Strohhalm in den Weg gelegt haben, zu verfolgen und zu Unterdrücken? Sollte man wohl glauben, dass noch einiger Geschmack und lautere Erkenntnis von Christi Geist und Wort übergeblieben sei, wo eine solche Lehre im Gebrauche, welche Christo schnurstracks zuwider ist? Soll man, nach Christi Zeugnis, die falschen Propheten an ihren Früchten erkennen und beurteilen (Mt 7,15–16), so ist nichts, woran man sie mehr erkennen kann, als wenn sie andere Menschen verfolgen; denn sie geben, wie Christus zu den Pharisäern sagt, über sich selbst Zeugnis, dass sie Kinder derer sind, die die Propheten getötet haben (Mt 23,31) und die das Maß ihrer Väter erfüllen, welche unser Heiland mit Schlangen und Otterngezüchte vergleicht, so der höllischen Verdammnis nicht entrinnen werden. Die Jünger Christi, welche noch auf die Aufrichtung des auswendigen und fleischlichen Jerusalems hofften, fragten ihren Meister, ob sie, nach Elias Exempel, sagen sollten, dass Feuer vom Himmel über diejenigen falle, die ihn nicht annehmen wollten (Luk 9,54), worüber sie Christus ernstlich bestrafte und sagte: »Wisst ihr nicht, welches Geistes Kinder ihr seid? Des Menschen Sohn ist nicht gekommen, um die Seelen zu verderben, sondern sie selig zu machen.« Aber diese Ketzermörder, die sich rühmen, Christi Statthalter und Nachfolger, ja, Meister der Gottesgelehrtheit zu sein, unterstehen sich nicht allein, ohne Christum zu fragen, sondern auch gegen seinen ausdrücklichen Befehl und gegen sein Exempel, das Schwert zu wetzen und ein Feuer anzuzünden, nicht um diejenigen, welche sich weigern, Christum anzunehmen, sondern diejenigen, die bereit sind, bis in den Tod ihm anzuhängen und nachzufolgen, zu ermorden. Hierdurch geben sie aber deutlich zu erkennen, erstlich: dass sie nicht von dem Geiste Christi, sondern des Teufels (welcher ist ein Mörder von jeher) regiert und getrieben werden (Joh 8,44); und zweitens: dass sie nicht kommen wie Christus und seine Nachfolger, um der Menschen Seelen zu erhalten, sondern um sie zu verderben, denn sie töten nicht allein unschuldige Menschen leiblicher Weise und schänden so das Bild, das nach Gott geschaffen ist (1Mo 1,27) und machen sich der Todsünde des Blutvergießens schuldig (1Mo 9,6), sondern (o abscheuliche Tat!) sie unterstehen sich, soviel sie vermögen, den Seelen plötzlich die Zeit der Buße abzuschneiden. Diese Aberwitzigen, weil sie urteilen, dass sie in einem verdammlichen Stande seien, wollen Christum, die vollkommene Weisheit, meistern (Mt 26,52); denn derselbe hat es für gut befunden und hat auch seinen Jüngern befohlen, das Unkraut wachsen zu lassen bis auf den Tag der Ernte, damit sie keinen Weizen mit dem Unkraute ausrotten möchten (Mt 13,29). Diese lehren und tun das Gegenteil; denn sie jäten nicht nur gegen den Befehl Christi das Unkraut, sondern sie schonen auch böse, unkeusche, verschwenderische, prächtige, geizige, lügenhafte, betrügliche, neidische, gehässige und rachgierige Menschen und raufen das reinste Korn aus dem Acker dieser Welt. Sie setzen sich in das Amt des Allerhöchsten (Hes 18,4) und wollen den Menschen, welche nicht unter ihnen, sondern dem Zepter Jesu Christi stehen, gebieten und sie zwingen (Mt 10,28); ja, sie setzen sich nicht allein neben, sondern über die göttliche Majestät und wollen, dass die Menschen ihnen mehr als Gott gehorsam sein sollten. Gott hat befohlen, dass man ihm von ganzem Gemüte dienen soll (5Mo 6,5), und diese verbieten den Menschen, nach ihrem Gemüte zu dienen; ja sie zwingen sie, gegen ihr Gemüt, ihren Gesetzen und Satzungen zu folgen (Mt 21,37). Christus hat mit ermahnenden, beweglichen und bestrafenden Worten das Volk zur Bekehrung gezwungen und beschränkt sich darauf, von denen, die sich über seine Lehre ärgerten, zu sagen: »Lasst sie fahren, sie sind blinde Leiter!« (Mt 15,14) Diese aber zwingen mit Feuer und Schwert, so dass sie alle diejenigen, die mit ihren Kräften die Lehre Christi umarmen und diesen blinden Führern nicht nachfolgen dürfen, dem Scharfrichter überantworten; sie pferchen die Menschen ein, so dass sie ohne Gefahr weder zur Rechten noch zur Linken entweichen können; wenn nun diese gehorsam sind, so fallen sie in die Hand Gottes, bleiben sie aber bei Gott, so können sie der Grausamkeit der Menschen nicht entgehen.

Damit sie nun ihren unchristlichen und wider Gottes Art streitenden Ketzerstrafen einen glimpflichen Anstrich geben möchten, so haben sie diese frommen Leute mit der Unreinigkeit des Ungehorsams besudelt, ihre Hände (zum Scheine) wegen des unschuldigen Blutes gewaschen und die Schuld auf die Befehle gelegt, welche doch durch ihre blutigen Ratschläge und auf ihren Antrieb geschmiedet und täglich bewerkstelligt worden sind. Wer aber hat ihnen Gewalt gegeben, Befehle gegen die Seelen und Gewissen zu machen, um damit im Reiche Christi, wo sie selbst nichts weiter als Untertanen und Lehnsleute sein können, zu herrschen? Wird sie solches entschuldigen? Keineswegs! Die Juden, welche den unschuldigen Jesum zu töten suchten, haben eben auch, wie diese, gesagt: »Wir haben ein Gesetz und nach unserem Gesetze muss er sterben.« (Joh 19,7) Sie wussten oder hätten wohl wissen sollen, dass vor Christi Richterstuhl nicht nach menschlichen Gesetzen, sondern nach dem Worte Gottes geurteilt werden wird. »Das Wort, welches ich geredet habe, sagt der Herr, das wird sie richten am jüngsten Tage.« (Joh 12,48) Und dass deshalb ein jeder notwendig mehr an Christi Gesetz, als an ihre Gesetze und Befehle gebunden sei, ja, wegen dieser Befehle werden sie vor dem Richterstuhle Rechenschaft geben müssen und dass diese Befehle, wodurch sie andere unschuldig und mit Unrecht zum Tode verurteilt haben, ihre Strafe mit Recht vermehren werden. Was wollen sie zur Entschuldigung vorwenden, wenn von ihnen Rechenschaft abgefordert werden wird, warum sie so blutdürstig über die Seelen tyrannisieren? Warum sie Christus das Zepter aus der Hand und seinen Stuhl eingenommen? Warum sie sich in demselben Reiche zu Meistern gemacht, wo sie doch notwendig als Knechte von ihrem Tun und Lassen hätten Rechenschaft geben sollen? Warum sie so grausam als böse Knechte, ihre Mitknechte misshandelt und geschlagen haben (Mt 24,49), da er sie gleichwohl zuvor gewarnt und ihnen gedroht hat, dass er sie zerschmettern und ihnen ihren Lohn mit den Heuchlern geben werde, wo Heulen und Zähneklappen sein wird (Mt 24,51)? Warum sie nicht daran gedacht haben, dass ein unbarmherziges Urteil über alle diejenigen, die nicht Barmherzigkeit geübt haben, ergehen soll (Jak 2,13); ja, welch ein Schrecken, ängstliches Anklagen und Flehen wird entstehen, wenn diejenigen zur Überführung ihrer Bosheit, zum Vorscheine kommen werden, die sie mit Ketten gefesselt, geschlagen, getötet und gemartert, die sie damals für töricht und unsinnig gehalten haben, welche nun bei Gott so herrlich und hochgeachtet sind.

An jenem Tage, wenn alles Verborgene ans Tageslicht kommen wird, werden solche nichtige und kahle Ausflüchte nichts helfen. Deshalb ist es nun Zeit zu überlegen, wie unchristlich es sei Christen zu verfolgen; wie es eine Todsünde sei, unschuldiges Blut zu vergießen; wie strafbar es sei, das Bild Gottes zu schänden; wie verkehrt und nichtig es sei, die geistige Wahrheit mit fleischlichen Waffen zu bekriegen; wie unnatürlich und unrecht es sei, einem andern zu tun, das man nicht will, dass es einem selbst getan werde; wer wollte es aber gerne haben, dass sein Gemüt gezwungen würde; wie verwegen es sei, auf den Stuhl Gottes zu treten und über das Gemüt herrschen zu wollen, wahrend Christus befohlen hat, dem Kaiser zu geben, was des Kaisers ist und Gott was Gottes ist (Mt 22,21; Lk 20,25; 1Pt 2,17). Sie sollten betrachten, dass Christus für seine Verfolger gebetet habe und daraus lernen, wie ungereimt es sei, dass die, welche Christen sein wollen, diejenigen, die für sie bitten, verfolgen wollen. Sie sollten überlegen, welch ein großes Übel es sei, jemandes Gemüt mit der Furcht des Feuers, Galgens und Schwertes zu zwingen, während Paulus so scharf verbietet, das schwache Gewissen der Brüder zu verletzen (Röm 14,15). Sie sollten bedenken, weil der Apostel keine höhere Strafe der Ketzer bestellt, als die Meidung (Tit 3,10), dass sie auch keine höhere gebrauchen sollten oder möchten. Ja, wenn sie sich selbst wohl prüfen würden, so würden sie mit dem Urteile nicht so eilen, sondern sich zurückhalten, weil uns Christus angekündigt, dass uns mit dem Maße, womit wir messen, wieder gemessen werden sollte (Mt 7,2). Sie würden sich fürchten, wenn sie anders sich selbst (sage ich) recht erkennen würden, sich selbst in einer andern Person zu verurteilen, weil es leicht sein könnte, dass der, welcher urteilt, vor Gott ebenso strafbar sein möchte, als derjenige, welcher verurteilt wird.

Ferner führen sie zur Verteidigung oder vielmehr Beschönigung der Ketzerstrafe folgende Ursachen an: Erstens, um sie dadurch zu bekehren und zu zwingen. Zweitens, dass sich ihre Ketzerei nicht fortpflanzen und andere verunreinigen möge.

Drittens, um dem Aufruhr vorzubeugen. Was das erste betrifft, so ist ein jeder Mensch schuldig, seines Nächsten Heil, so viel es möglich ist, zu befördern; wie aber soll solches geschehen? Durch auswendigen Zwang mit Feuer und Schwert? Solches ist unmöglich, dieses betrifft zwar wohl die Leiber, nicht aber die Gemüter, welche nicht gezwungen, sondern geführt und unterwiesen werden müssen. Das Wort Gottes ist das Schwert, womit alle Irrtümer und Ketzerei gefällt werden müssen; wenn man mit der Kraft der Wahrheit den vermeinten Irrtum nicht überwinden kann, so werden auch wohl die Schwerter stumpf bleiben. Und obgleich es geschehen möchte, dass jemand um der Pein willen, seine Lehre mit dem Munde verleugnen würde, so würde er doch solches mit dem Herzen nicht tun und auf solche Weise würden statt belehrter Christen verstellte Heuchler gemacht werden; wenn aber jemand standhaft bleibt und man tötet ihn, wie kann ihm solches zur Bekehrung dienen, indem man ihm alle Mittel der Bekehrung raubt? Denn eines von beiden ist gewiss, ist er ein verdammlicher Ketzer, so stürzt man ihn hinunter in die Hölle; ist er nicht ein solcher, so tötet man einen frommen Christen; welches von beiden man nun auch erwählt, so wird eine abscheuliche Missetat begangen. Was ist es nun, das sie anspornt, jemandes Bekehrung auf solche Weise zu befördern? Was verbindet sie dazu? Wer gibt ihnen das Recht, wer rät es ihnen, ja, wer hat ihnen solches erlaubt? Und welcher von den Aposteln ist ihnen so vorangegangen: In der Tat, solche Gründe sind nur Feigenblätter und Decken, worunter sie ihre Schande und Bosheit zu verbergen suchen. Sie geben vor, dass sie die Bekehrung der Menschen zum Endzwecke haben, aber in der Tat suchen sie ihren Mutwillen, ihre Ehre und Wollust festzusetzen, um dadurch in dem Reiche Gottes, ohne jemandes Widerrede, mit Gewalt zu herrschen. So weit ist es gefehlt, dass sie jemandes Bekehrung dadurch befördern sollten, dass sie im Gegenteile alle unparteiischen Menschen verabscheuen, so dass auch das Gute, wenn noch etwas an den Verfolgern übrig geblieben ist oder sein kann, durch die Verfolgung verdächtig gemacht oder wohl gar vertilgt wird, denn ihre Worte, wie sie auch flehen und schmeicheln, erlangen und verdienen weder Eingang noch Glauben. Denn wer sollte wohl eine göttliche und christliche Lehre von denen erwarten, welche mit Mörderei schwanger gehen, deren Hände mit unschuldigem Blut gefärbt sind? Kann man auch Trauben von den Dornen lesen (Mt 7,16)?

Was das Zweite betrifft, so wird durch die Tyrannei die vermeinte Ketzerei weniger ausgerottet als verbreitet, denn wenn man an Menschen, die ein frommes untadelhaftes Leben führen, Hand anlegt, dieselben gefangen legt, sie peinigt und auf eine schmerzhafte Weise tötet, nur um des Namens Christi willen und weil sie gegen ihr Gewissen (wie sie öffentlich bekennen) nichts einwilligen dürfen, so wird dadurch nur Nachdenken und Aufmerksamkeit bei allen unparteiischen Gemütern erweckt, welche, wenn sie der Sache nachspüren, die Unschuld der angeklagten und verfolgten Personen ausfinden und dadurch vor solchen ausgearteten Christen, die andere verfolgten, einen Abscheu bekommen und sich in weiterer Folge zu der Gesellschaft derer wenden werden, welche Christi Kreuz so tapfer tragen; wovon so viele Beispiele vorhanden sind. Hieraus erhellt denn die Wahrheit dessen, was jener Altvater sagte: Dass das Blut der Märtyrer ein Same der Kirche sei. Als die Tyrannei im Papsttum aufs Höchste gestiegen war, sind auch die Menschen am häufigsten davon abgefallen, denn die Martertümer sind tätliche Predigten, die das Herz treffen und die Augen der Schlafenden öffnen und solches ist auch natürlich, denn wer nur ein wenig Erkenntnis von der christlichen Religion hat und durch verhasste Parteilichkeit nicht ganz verblendet ist, kann leicht glauben, dass die Verfolger selbst Ketzer sein müssen, weil weder Christus noch seine Jünger jemals verfolgt, sondern die Verfolgung stets selbst erlitten haben. Sie merken es gar leicht, dass diese grausamen Menschen nicht unschuldige, sanftmütige und wehrlose Schäflein (womit Christus die Seinen vergleicht) (Joh 10,3), sondern vielmehr reißende Wölfe sind, die in Christi Schafstall hineingeschlüpft sind und die Schafe zerreißen. Die lautere und reine Wahrheit, welche durch ein unschuldiges Leben bekräftigt wird, ist das einzige Mittel, Irrtum und Lüge zu überwinden; diejenigen, welche hiervon abweichen und auf fleischliche Waffen fallen, verraten sich selbst und geben ihre Unbilligkeit und Ohnmacht zu erkennen, denn obgleich sie gegen die Wahrheit nichts vermögen, so trachten sie doch, indem sie die Personen dämpfen und ausrotten. Aus diesem allem erhellt, welche kahle Entschuldigung sie vorbringen, um ihre Tyrannei zu verteidigen und wie schwach die Waffen seien, womit sie diese Verführung zu unterstützen suchen. Aber es ist nichts als eine erdichtete Entschuldigung, womit sie ihr Vorhaben zu beschönigen suchen und den widerwärtigen Eindruck, welchen die Grausamkeit in jedem hervorbringt, zu bemänteln und den Betrug angenehm zu machen. Sie kommen verstellter Weise, als ob sie für die Wohlfahrt des Volkes eiferten; in der Tat suchen sie ihr eigenes Lügenreich auszubreiten und wenn sich etwas dagegen auflehnt, so suchen sie solches mit dem fleischlichen Arme zu überwältigen. Zur Zeit Christi haben die Pharisäer ihm auch die Schuld beigelegt, dass er das Volk verführe (Lk 23,2). Ihre Eigenliebe und Herrschsucht hat in ihnen einen bittern Hass und Neid gegen unsern Seligmacher erweckt, so dass sie ihn auch zu töten suchten. Dieses beschönigen sie, hiervon schweigen sie. Sie rufen, gleichsam wie von göttlichem Eifer beseelt: »Dieser verführt das Volk!« Wiewohl sie selbst, wie auch jene, das Volk von Christo zu ihren eigenen Lügen zu verführen suchten.

Was die Beschuldigung wegen des Aufruhrs betrifft, so ist auch solche weder gestern noch heute geschmiedet worden; »dieser (nämlich Christus, sagten die Pharisäer) erweckt mit seiner Lehre einen Aufruhr unter dem Volke,« (Lk 23,5) während sie doch nachher selbst das Volk zum Aufruhr gegen Christum erregten, welcher ja nichts anderes als Friede, Liebe, Demut, Sanftmut und dergleichen predigte und dessen Leben und Taten nichts anderes waren, als ein überfließender Brunnen aller Barmherzigkeit, Wohltat und Güte. Ebenso haben sie auch Menschen, welche in aller Einfalt und Aufrichtigkeit lebten und die ihr Bekenntnis öffentlich dahin taten, dass sie nach dem Gesetze und Vorbilde Christi verbunden seien, sich gegen jeden persönlich und ohne Rache zu bezeugen, ja, diejenigen zu lieben, welche sie hassen und ihren Feinden Gutes zu tun,7 gleichfalls mit dem Laster des Aufruhrs besudelt, obschon hiervon nicht das geringste Kennzeichen vorlag. Wer die Geschichte in den letzten sechzig Jahren in den Niederlanden und Deutschland erforscht, wird wohl finden, dass Aufruhr, Streit und Zwietracht, ja Trennungen und Zerstörungen von Ländern und Städten herbeigeführt sind, in Folge von Religionsstreitigkeiten; denn der Religionseiferer kann weder durch das Schwert abgeschnitten, noch durch das Feuer verzehrt werden. Im Gegenteil ist es bekannt und wird heutzutage durch die Erfahrung bestätigt, dass viele und verschiedene Religionsparteien friedsam und in Ruhe beisammen wohnen können und dass Städte und Länder, wo Gewissensfreiheit gehandhabt wird, geblüht und einen reichen Segen Gottes empfunden haben. Deshalb haben auch die mächtigen Staaten der Vereinigten Niederlande, nachdem sie den großen Missgriff des Königs von Spanien gesehen, niemals seinen Fußstapfen nachfolgen wollen, sondern haben ausdrücklich gesagt (wie aus den Akten der Friedensverhandlungen zu Köln hervorgeht), dass die Religion nicht die Menschen, sondern Gott angehe und dass sowohl der König als die Untertanen derselben unterworfen sei. Sie bezeugen, dass sie es aus der Erfahrung erlernt haben, dass Gewalt und Waffen zur Erhaltung und Ausbreitung der Religion wenig beitragen und dass es nicht ihr Wille sei, dass man ihren Gewissen Gewalt antue, dass es gleichwohl mit dem Gesetze Gottes nicht übereinkomme, dem Gewissen irgendeines andern Menschen Gewalt anzutun; und Pag. 57: Wir haben gelernt, dass das Regiment der Seele und des Gewissens Gott allein zugehöre und dass er allein der wahrhaftige Rächer der verwundeten und geschändeten Religion sei. Und obwohl einige, die ihr eigenes oder ihrer Vorfahren Kreuz vergessen hatten, zu der ausgerotteten Sklaverei wieder Lust bekamen, so haben doch Ihro Hochmögende hierzu ihnen kein günstiges Ohr leihen oder ihre Hände gebrauchen lassen wollen, um die Blindheit der Ratschlüsse solcher parteiischen und schädlichen Ratsleute zu befördern, die dadurch mehr ihr eigenes, als das Reich Christi, aufzubauen und zu befestigen suchten. Aber wir haben heutzutage durch die Gütigkeit Gottes solche Obrigkeiten, unter deren Schutz wir ein ruhiges und stilles Leben in aller Gottseligkeit und Ehrbarkeit führen können(1Tim 2,2); wir können ungehindert zusammen kommen und uns versammeln, Gottes Wort predigen und hören, die Sakramente nach der Einsetzung Gottes gebrauchen und unsern Gottesdienst öffentlich ausüben. Wegen solcher großen Wohltat sind alle Untertanen und Christgläubige ihren hohen und niedern Obrigkeiten aufs Höchste verpflichtet, denselben alle Dankbarkeit ehrerbietig zu erweisen, ihnen getreulich zu gehorchen, Zoll und Schätzung aufrichtig zu bezahlen, und Gott für die Wohlfahrt ihrer Personen und ihrer Regierung mit Ernst und beständig zu bitten, damit diese Gnade von uns auf unsere Kinder und Nachkömmlinge kommen möge. Wir müssen auch dem Herrn aufs Höchste dankbar dafür sein und seinen Namen mit einem heiligen Leben verherrlichen und beständig trachten, mehr und mehr Tugend aus unserm Glauben zu erwerben und mit guten Werken in der verfinsterten Welt zu leuchten (2Kor 6). Wir müssen uns wohl vorsehen, dass wir diese Gnadenzeit nicht versäumen oder missbrauchen, denn wenn wir dieselbe übel anwenden und uns der Freiheit zur Sünde bedienen, so wird es uns sicherlich wie den Kindern Israels ergehen, welche, als sie fett, dick und stark wurden, von Gott abgewichen und deshalb wieder mit Angst und Elend beladen worden sind (5Mo 32,12), bis sie die Not gezwungen hat, Gott zu suchen. O wie viele sind ihrer (wie zu besorgen ist), welche mit Demas die Welt wieder lieb gewonnen haben (2Tim 4,10)! Wie viele sind derer, welche den ersten Eifer und die Liebe verlassen haben und in ihren Gottesdienstlichkeiten kalt und träge geworden sind. In den früheren Zeiten, namentlich in den Zeiten des Kreuzes, wo man mit Lebensgefahr zusammenkommen musste, trieb uns der Eifer, bei Nacht und zur Unzeit, in Winkeln, Feldern und Büschen zusammen zu kommen. Wie köstlich war damals eine Stunde, die man dazu verwenden konnte, einander in Gottseligkeit aufzumuntern und zu befestigen. Wie dürsteten und hungerten damals die Seelen nach der göttlichen Speise. Welch einen angenehmen Geschmack hatten damals die Worte der Gottseligkeit! Man fragte nach keinen künstlichen und ausgezierten Predigten, sondern der Hunger zehrte alles auf, wie er es fand. Damals wurde der Seelenschatz beherzigt, denn die Güter des Leibes konnten wenig Trost geben. Damals suchte man vor allen Dingen himmlischen Reichtum, denn was man an irdischen Dingen besaß, darin war man sehr unsicher. Wie aber geht es jetzt? Die zeitlichen Übungen haben durchgängig den Vorzug; man muss zuerst die Ochsen probieren und den Acker besichtigen(Lk 14,18), ehe man zur himmlischen Hochzeit kommen kann. Die Einfalt ist in Pracht und Gepränge verwandelt; die Güter haben sich vermehrt, aber die Seele ist arm geworden. Die Kleider sind köstlich geworden, aber der inwendige Zierrat ist vergangen.

Die Liebe ist erkaltet und hat abgenommen, die Streitigkeiten dagegen haben zugenommen. Meint ihr, dass Gott solches stets eben geduldig ansehen werde? Hat er Israel nicht verschont, als es von ihm wich und David nicht freigelassen, als er sich durch Fleischeslust versündigte, hat er Salomo nicht verschont, als er seine Augen auf fremde Weiber wandte und mit ihnen in Abgötterei verfiel und sollte er nun diejenigen verschonen, welche durch die Liebe zur Welt und Ausübung der Sünden von Ihm abgewichen sind? Er hat ja oft Israel einem Tyrannen nach dem andern unterworfen, damit sie Ihn erkennen lernen und sich bessern sollten. Er hat sie als ein Vater gezüchtigt, damit sie ihm nicht mehr, wie zu Elias Zeiten, mit halbem Herzen, sondern allein dienen möchten (1Kön 18,21; 2Chr 25,2). Er hat Amasa, den König Juda in die Hände seiner Feinde gegeben, weil er Gott nicht von ganzem Herzen diente. Prüfe nun einmal, wie dein Gemüt bestellt sei; ob dein Herz nicht zerteilt sei; ob du dich nicht bemühst, Christo und der Welt zugleich zu dienen, wie kaltsinnig du Gottes Wort hörst und betrachtest, weil deine Gedanken in der irdischen Eitelkeit verwickelt sind; wie sparsam und träge die Werke der Gottseligkeit ausgeübt und wie emsig und eifrig du seiest, Geld und Gut zusammen zu schrappen und dich in Wollüsten zu weiden (Eph 5,5; 2Tim 6,10). Es ist wahr, du hast zwar die hölzernen und stummen Bilder hinweggeworfen, aber prüfe dich einmal, ob der Abgott der Reichtümer und des Geizes in deinem Herzen nicht aufgerichtet sei. Durchpflüge einmal den tiefsten Grund deines Innern und prüfe, wohin deine Neigungen und Begierden gehen, ob sie hier mit wenigem sich begnügen, ob sie die Wolken durchdringen und im Himmel ihren Wandel haben oder ob sie mit einer unersättlichen Begierde die Erde durchwühlen, deinen Reichtum zu vermehren suchen und ein Haus und Hof an das andere ziehen; ob Christus im Himmel dein höchster Schatz sei, oder ob er hierunter ist, vor welchem Christus seine Jünger so ernstlich warnt (Mt 6,17). Willst du hiervon eine Probe haben, so betrachte in allen Begebenheiten mit Andacht deinen Endzweck und deine Gedanken; erwäge einmal, wie sehr du in deinen Reichtum verliebt seiest, welches große Vertrauen du darauf gesetzt habest; wie sehr du mit heidnischer Sorgfalt um das Zukünftige bekümmert seiest; wie bange und mutlos du seiest, wenn dir mit bösen Zeiten und Unglück gedroht wird und wie sicher du lebst, wenn es glücklich von statten geht; wie träge und engherzig dich die Liebe zu deinen Gütern macht, wenn du Almosen austeilst; wie viel Streitigkeiten und Gerichtshändel du lieber führen, als von deinem Rechte abstehen und Schaden leiden willst; wie bald deine Freude und Nachtruhe dir benommen werden, wenn dich Verlust und Unglück treffen; wie viel Zeit dir die irdischen Betrachtungen von deinen gottesdienstlichen Übungen benehmen; wie kaltsinnig und geistlos sie dich im Gebete zurückziehen; wie tief dich der Überfluss deiner Schätze in die Wollust versenke; wie sehr du dir selbst hierin gefällst und dich über andere erhebst; endlich, wie schmerzlich es dir fallen wird, davon zu scheiden und mit welchen betrübten Abschiede du sie auf dem Sterbebette verlassen müssest. Laß dir (sag ich), dieses zur Prüfung dienen und untersuche dich selbst, so wirst du bald finden, wem du am meisten dienst und anhängst und wie viel oder wenig du das Fleisch mit seinen Lüsten und Begierden gekreuzigt habest (Gal 5,24), denn obwohl die auswendigen Verfolgungen sämtlich aufhören, so ist doch e:n jeder Christ zum Streiten und Leiden berufen, es muss ein jeder von denen, die Christo nachfolgen, sein Kreuz auf sich nehmen (Mt 10,38); es muss ein jeder nicht nach dem Fleisch, sondern nach dem Geist leben (Röm 8,1); ein jeder muss am Fleische leiden, damit er zu sündigen aufhöre (1Pt 4,1). Findest du, dass die freie Zeit deinen Lüsten Freiheit und Raum gegeben habe, so verfolge dich selbst, kreuzige und töte dich selbst und opfere Gott Seele und Leib auf. In den Zeiten der Verfolgung hat man in Worten und Unterredungen erbauliche Lehren gegeben, zur Gottseligkeit aufgemuntert, den Namen Gottes verherrlicht, einander im Leiden getröstet, ermahnt und zur Standhaftigkeit angereizt und die ewige Seligkeit angepriesen; forsche einmal nach, ob du in dieser Zeit deine Zunge nicht gebraucht habest, um leichtfertigen Weltmenschen mit eitlem und unnützem Geschwätz zu gefallen; ob du dadurch die Gottseligkeit nicht allein nicht befördert habest, sondern auch derselben hinderlich und nachteilig gewesen seiest, ob du deines Nächsten guten Namen und Unschuld nicht geschmäht habest und ob deine Zunge durch erlogenen Betrug dem Geiz nicht zu Diensten gewesen sei. In den Zeiten des Kreuzes hat man damit die Zeit zugebracht, dass man sich in göttlichen Dingen geübt, einander getröstet und erbaut, Gefangene besucht, mit andächtigen Betrachtungen sich zum Leiden zubereitet.

Überlege nun einmal, wozu du die kostbare Zeit anwendest, wie viel du davon in Wollust und Eitelkeit verschwendet, wie viel du durch Streit und Zank verspielt habest und wie viel durch unnötigen Kummer und Arbeit verloren gegangen, wie wenig dem Gottesdienst übrig geblieben sei. Sicherlich wirst du finden, dass der Mangel der Zuchtrute die Menschen ruchlos und verächtlich gemacht habe und dass Fleischeslust, Augenlust und Hochmut des Lebens statt der Gottesfurcht und Niedrigkeit aufgekommen seien. Aber das Gefährlichste unter allen ist, dass wenige sich selbst untersuchen, wenige über sich selbst seufzen. Viele sind ohne ihr Wissen arm, nackend und blind, welche mit denen von Laodicäa meinen, dass sie reich seien und alles im Überfluss haben (Offb 3,17), aber es ist ein Reichtum, der Gott nicht gefällt und wodurch der geistige Reichtum, welcher in Glaube und Liebe, einer lebendigen Hoffnung und einem guten Gewissen besteht, verzehrt wird. Sieh hier in den Schriften der Märtyrer, wie ihr Leben und Leiden beschaffen sei und wie standhaft sie gewesen seien. Gott wollte, dass die Kinder Israel die Wege ihrer Voreltern und die Lehre der Weisheit, die darin verborgen war, betrachten sollten (5Mo 8,2); denn sie wurden alle, die früheren sowohl als die späteren, für einen Leib gerechnet (Mi 6,5). Oft wurde durch die Propheten gesagt: »Ich habe dich aus Ägypten geführt,« (Hos 11,1) obwohl solches ihren Voreltern widerfahren war. Durchforsche deine Wege und vergleiche sie mit den ihrigen und sehe, ob die Weltliebe deine Augen nicht verblendet und von Gott abgezogen habe. Viele, als sie sich der Welt nicht bedienen konnten, wandten sich aus Not zu Gott, als zu ihrer nächsten Zuflucht; aber da man wieder ein wenig Luft schöpfte, fing man wieder an, sich nach der Welt zu lenken; die Eltern wurden reich, die Kinder eitel und wollüstig, die Welt liebkoste sie, auch wurden sie mit der Zeit angesehen und hervorgezogen; die Schmach des Kreuzes verlor sich und die Ehre der Welt kam stattdessen auf.8 Und dieses ist die Ursache in der ersten Kirche gewesen, warum Gott eine grausame Verfolgung zur Zeit des Kaisers Diocletian entstehen ließ, damit dadurch seine Kinder gezüchtigt werden möchten, die nun wieder anfingen, sich mit der gemeinen Welt einzulassen. Darum müssen wir uns auch dergleichen nicht schuldig machen, damit nicht über uns komme, was jenen widerfahren ist. Denn in solchen Zeiten hat es niemand härter, als derjenige, welcher seine Zeit nicht wohl angewendet hat; über denselben wird dann Wehe, Jammer und Elend kommen; denen aber, die Gott lieben, dienen alle Dinge zum Besten; sie werden in solchem Läuterungsfeuer gereinigt und probiert; darum ist es nötig, dass Gott zu Zeiten seine Tenne mit der Wanne reinige, damit das Unkraut zu deren Verderben nicht die Oberhand nehme. Aber wir müssen allein die Güte Gottes anrufen, damit er uns väterlich züchtige und durch seine Lehre ziehe, auch unsere Herzen und Sinne zu ihm gerichtet sein lassen wolle, damit wir ein göttliches und heiliges Leben führen mögen, in aller Liebe, Friedfertigkeit, Freundlichkeit und Barmherzigkeit (Kol 3,15; 1Pt 4,8); nicht bald über einander klagen oder murren (Jak 5,9), sondern in Geduld einer des andern Mängel ertragen und dieselben durch guten Unterricht verbessern; jedes Ärgernis, jeden Streit, jeden Zwiespalt, Trennungen, Sekten und was unleidlichen und verdammlichen Streit erregt, fliehen und meiden; nach Frieden streben, was zerbrochen und zerfallen, was zerrissen und durch des Teufels List und blinden Unverstand zertrennt ist und zu großem Ärgernisse und Anstoß vieler in verschiedene Haufen zerstreut ist, wieder zu heilen und zur Einigkeit, Ruhe und Frieden zu bringen suchen; wenn wir dieses tun, so werden wir Ursache geben, dass Gott wird mit seinem Segen bei uns wohnen.

Unterdessen lasst uns Gott beständig anhangen, stets um Vermehrung der Weisheit und göttlichen Erkenntnis bitten, und durch Geduld in dem Kampfe laufen, der uns verordnet ist und auf Jesum sehen, den Anfänger und Vollender des Glaubens (Hebr 12,1–2); denn derjenige Streit liegt uns noch jetzt allen ob, den David zu seiner Zeit hatte, den Hiob hatte, den alle Propheten hatten, den Christus und seine Apostel nebst allen frommen Nachfolgern in der ersten Kirche hatten, gleichwie auch vor und in unserer Zeit. Sie haben alle die Welt überwinden müssen, so auch wir; sie haben alle sich selbst verleugnen müssen, so auch wir; es ist einerlei Krone zu gewinnen und ein einiges Reich zu ererben. Die Zeiten sind auch alle gleich, das ungleiche Leben aber macht sie ungleich; aber zuletzt muss doch jede Ungleichheit in der Gleichheit Gottes zerschmelzen (Hebr 12,27). Damit nun Christus die Seinen dieser Gleichheit und Einigkeit teilhaftig machen möge, hat er gebetet, dass sie in ihm und dem Vater eins sein möchten (Joh 17,20). Dessen haben sich auch die Apostel allein beflissen; hierzu, als zu dem ewigen und höchsten Schatze, haben sie einen jeden angemahnt: »Denn in Christo gilt weder Beschneidung noch Vorhaut etwas, sondern eine neue Kreatur, und wieviel nach dieser Regel einhergehen, über die sei Friede und über dem Israel Gottes, Amen.« (Gal 6,15–16)

Geschrieben aus Liebe zur Erbauung und Besserung.


[6] Hl 8,8
[7] Act. Pag. 38
[8] Siehe Kirchengeschichte des Eusebius, Buch 8, Kapitel 1.