Der Märtyrerspiegel

Teil II - Kapitel 2.722

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2.722  Abschied aus dem sechzehnten Jahrhundert.

Unsern Ausgang aus dieser sechzehn hundert jährigen Zeit wollen wir mit einem Beschluss machen, welcher dem Märtyrerer-Spiegel von dem Jahre 1631 als Schluss angehängt worden ist, worin wir, so viel den Sinn desselben betrifft, nichts anderes reden werden, als was auch unsere lieben Mitgenossen daselbst geredet haben.

Wir haben dir (günstiger Leser) viel schöne Exempel vor Augen gestellt, die wir zum Teil vor Zeiten öffentlich gedruckt gefunden haben und die uns zum Teil neulich aus den Büchern des Blutgerichts der Städte und Länder zu Händen gekommen sind, von Männern, Weibern, Jünglingen und Jungfrauen, die in dem rechten Glauben ihrem Heiland, Christo Jesu, treulich nachgefolgt sind, die Gott aus dem Innersten ihrer Seele gefürchtet und das ewige Leben mit reinem Herzen gesucht haben, welche auch vor aller Welt in der Liebe und Kraft Gottes, als klarscheinende Lichter geleuchtet haben, aus deren Mund die Weisheit und des Herrn heiliges Wort und Lehre geflossen ist, welches sich mehr in der Bezeugung des Geistes, als in zierlichen Reden oder menschlicher Klugheit erwiesen hat; denn ihre Gedanken und Worte, ihr Tun und Lassen waren dahin gerichtet, ihrem Vorgänger und einigen Hirten zu gefallen, um dessen Namen willen sie ihr Leben gern dem zeitlichen Tod übergeben haben, als solche, die nicht etwa suchten, hier auf dieser Erde ein weltliches, ruhiges Reich zu besitzen, sondern als rechte Pilger nach dem ewigen, himmlischen Vaterland zu wallen, und die es aus Erfahrung wussten, daß diejenigen, welche gottselig leben wollen, Verfolgung leiden müssen. Hierbei müssen wir auch den Unterschied zwischen den Kindern Gottes und den Kindern der Ungerechtigkeit, zwischen den Verfolgern und den Verfolgten ins Auge fassen, indem man weiß und aus heiliger Schrift klar bewiesen werden kann, daß von Anfang der Welt her die Ungerechten, deren Werke böse waren, die Gerechten und Tugendsamen allezeit beneidet, verschmäht, verfolgt und unterdrückt haben, denn dazu hat sie ein unverständiger Eifer getrieben. Ferner hat man auch gesehen, daß öfters die Lehrer oder Führer, die die Leute zum rechten Gottesdienst und auf den Weg des Lebens hätten sollen führen, dieselben zum Götzendienst und auf verderbliche Irrwege geführt haben. Die Hirten, die des Herrn Schafe hatten sorgfältig weiden, mit dem Wort Gottes speisen, und vor den grimmigen Wölfen beschützen sollen, haben sich selbst gemästet, der Herde nicht wahrgenommen, sondern derselben größtenteils Menschenlehre und ihre eigene Vernunft vorgetragen, sich mit deren Wolle gekleidet, und haben auf solche Weise mit einer unter dem Schafpelz verdeckten Wolfsart selbst die Herde zerstört und zerrissen, oder sie dem Adler in die Klauen und dem Löwen in die Zähne gespielt. Ebenso haben auch die Diener Gottes, die mit großer Ehre und Herrschaft von Gott begabt waren, und die das Schwert empfangen hatten, um die Bösen zu strafen und die Guten zu schützen, sich an diesen hohen Ämtern und Würden nicht begnügen lassen, sondern haben ihre Gewalt missbraucht, und durch Anstiften, oder unwissend im Eifer, ihre Hände an des Herrn Ackerwerk gelegt und unvorsichtig den Weizen statt des Unkrautes ausgerupft, und wiewohl es den Verfolgten zur Seligkeit gedient hat, so war es dessen ungeachtet eine frevelhafte Tat, in solcher Weise auf des Herrn Acker die grüne Frucht vor der Ernte auszuraufen, zu verderben und mit einem unbedachtsamen und ungerechten Urteil zu verwerfen, denn niemand, als der Herr selbst, kann wissen, wer des Feuers oder der Ernte wert ist.

Darum ist kein Weiser auf Erden weise genug, ein Amt, das dem allein weisen Gott zukommt, zu versehen, und das Gericht auszuführen, das Er sich allein vorbehalten hat, denn, wer kann des Menschen Herz ergründen; Er sieht alle Dinge, und weiß alle Heimlichkeiten, indem Er durch Herzen und Nieren sieht und aller Menschen Gedanken kennt. Solche Dinge kann in der Tat kein Mensch tun, denn sie sind oft (wenn sie auch meinen, fest zu stehen) vielmehr mit Sünden, Unglauben und verkehrter Lehre beladen, als ihnen bekannt ist, indem des Menschen Wissen und Erkenntnis hier nur Stückwerk ist; deshalb kann man auch die Untersucher des Glaubens mit Lügen und einem verstellten Leben leicht übertäuben oder betrügen. Diejenigen nun, die das Verfolgen und Töten wegen Glaubenssachen verteidigen und als eine geringe Sache vorstellen und treiben, bewirken durch ihr Wüten nichts Gutes, sondern sammeln statt des guten Weizens viel unreine Spreu, und machen den Schafstall voll Heuchler und scheinheiliger Böcke. Wollte aber jemand annehmen, es gezieme einem König oder Fürsten nicht, allerlei Lehren, Religionen, oder Ketzer in seinem Land zu dulden, sondern, daß er nur die Ausübung solchen Gottesdienstes darin gestatten müsse, von dem er weiß, das er zu seiner Untertanen Seligkeit gereicht, andere Formen des Gottesdienstes aber verbieten, der müsste daneben auch bedenken, daß, wenn in einem Land Fürsten, die im Gottesdienste nicht übereinstimmten, nacheinander regieren würden, und ein jeder Glaubenszwinger das Land mit seiner Einwohner Blut besudeln würde, daß solches Land nichts anderes als eine Hölle oder ein Pfuhl voller Unruhe und Verfolgung sein würde, wo die Gemüter der Menschen in solchem jämmerlichen Elend sein würden, wie Schiffe, die auf dem wilden, ungestümen Meere durch allerlei Wind im Sturm hin und her getrieben werden und endlich zusammen untergehen müssen. Aber, wie kann man doch jemand (wenn er auch irrt) um des Glaubens willen so sehr hassen und verstoßen? Das ist nicht die Art der Kinder Gottes, die auch die Ungerechten nicht verfolgen, denn es ist nicht der Schafe Art, die Wölfe zu zerreißen, sondern es liegt in ihrer Natur, ihnen zu entfliehen und von ihnen zerrissen zu werden. Wie will man denn nun jemanden zum Glauben zwingen, der doch dem Menschen von Gott gegeben werden muss? Wer also irrt, der irrt sich selbst; fällt er, so fällt er seinem Herrn, der kann und will ihn wohl wieder aufrichten. Denn dazu ruft und nötigt Er einen jeden, und stellt ihm Wasser und Feuer, Leben und Tod vor; ein jeder kann wählen, was er will, und solchen Glauben zu erwählen, zu suchen oder zu finden zu seiner Seligkeit, hat ein jeder Bürger oder Einwohner eben so gut die Freiheit, als der König oder Fürst, denn Christus ruft alle zu sich, die mühselig und beladen sind. Darum soll niemand denken, solches Rufen gehe allein die Oberhäupter an, und daß es für die Untertanen genug sei, auf dieselben zu sehen und ihnen zu folgen. O nein! ein jeder muss für sich selbst Rechenschaft geben, denn in dem letzten Gericht wird das eine Herz (welches Standes oder Namens es auch ist) so genau untersucht werden als das andere; eines jeden Herzens Rat wird offenbar werden; ein jedes wird nach seinen eigenen Werken belohnt werden; es wird nicht allein auf Fürsten oder Hirten ankommen; es wird daselbst niemand für den andern stehen, sondern es wird einem jeden sein eigener Pack schwer genug zu tragen fallen. Doch darf man sich nicht verwundern, als ob etwas Neues oder Seltsames geschehe, wenn Gott seine Auserwählten dergestalt prüft und läutert, denn hat selbst der Fürst des Lebens und der Seligkeit durch viel Leiden zu seiner Herrlichkeit eingehen müssen; war der Weg so enge für ihn in das Freudenreich zu kommen, wie sollen denn seine Nachfolger dazu gelangen, als durch denselben Weg? Was hat Er doch für Schuld gehabt? Welche Bosheit oder Übeltaten hat Er begangen? Warum wurde dieses unschuldige und unbefleckte Lamm (das doch niemanden beleidigt, sondern jedermanns Heil sucht) mit solchem Neid verfolgt? Was hat doch der blinden Schriftgelehrten Zorn so gegen ihn erregt? Warum waren sie so begierig, dem unbedachtsamen Rat des Caiphas zu folgen? War nicht die einzige Veranlassung hierzu, weil sie der wütende Unverstand so heftig dazu angetrieben hat, sodass auch die Häupter des Volkes bisweilen so sehr entbrannt gewesen sind, daß sie (als ob es ein großer Dienst gegen Gott gewesen wäre) sowohl über die Gemüter, als über die Leiber der Menschen haben herrschen, und mit dem Schwert sowohl zum Glauben zwingen, als auch bürgerliche Einigkeit erhalten wollen? Gleichwohl sind mit solcher Raserei nicht alle Obersten befleckt gewesen, denn man hat unter den Heiden, von denen man doch sagt, daß sie in der Erkenntnis Gottes fremd gewesen seien, solche gefunden (als Felix, Festus, Agrippa, Gallius und dergleichen) die bedachtsamer gewesen sind, ihr empfangenes Amt wohl zu bedienen, die der gemeinen Wohlfahrt sorgfältiger vorgestanden und nach Gamaliels weisem Rat die Herrschaft über den Glauben Gott mehr anbefohlen haben, als die neidischen Juden, die nach der Verheißung Kinder Gottes und rechte Zweig an dem wahren Ölbaum sein sollten. Daher sehen wir, daß Gott (der alle Dinge nach seinem Wohlgefallen ordnet) bisweilen an einigen Orten noch solche Obrigkeiten verleiht, die ihre Untertanen in Glaubenssachen nicht zwingen, sondern die nur für deren friedsame Ruhe und Wohlfahrt Sorge tragen, wie wir denn zu unserer Zeit erlebt haben, daß ein König in Polen und auch einer in Frankreich gewesen ist, welche ihre Untertanen wegen ihres Glaubens nicht so genau untersucht oder ermittelt haben, ob ihr Glaube mit der allgemeinen Erkenntnis übereinkäme, sondern nur, ob ihr Tun des Landes Wohlfahrt hindere oder befördere, für welche sie mit herzlicher Liebe sorgten und sie zu befördern suchten, worin gleichfalls die Herren Staaten der vereinigten Niederlande nicht genug zu loben sind, welche auch (obgleich sie bisweilen dazu heftig aufgehetzt worden waren) solchen blinden Eifer, Gemütszwang und Glaubensuntersuchung nicht gestatten. Weil uns denn nun von Gott befohlen ist, für die Obrigkeit zu bitten, daß wir unter ihr ein stilles, ruhiges und gottseliges Leben führen mögen, um wie viel mehr sind wir schuldig, Gott für seine Güte zu danken, die uns auch die Gnade verleiht, daß wir unter dem Schutz solcher Obrigkeiten wohnen mögen, die dem bösen Eifer der Blutdürstigen, die über die Gemüter herrschen, widerstehen (dergleichen wir hier zu Lande über fünfzig Jahre genossen haben) und die ihre Ämter nach der Macht verwalten, die Herrschaft aber und Untersuchung des Herzens und Gemütes des Menschen Gott überlassen. Wir sind auch aufs Höchste verpflichtet, den Allerhöchsten für sie zu bitten, daß Er sie stets in solchem guten Vorsatz erhalten und daneben ihnen Weisheit und Verstand geben wolle, um ihre Länder und Leute so zu regieren, daß alles zu der Untertanen Ruhe und Gottes Ehre geschehen und gereichen möge, daß Er ihnen auch solche gläubige Herzen verleihen wolle, damit sie recht erkennen mögen, wozu sie hier von Gott eingesetzt sind, und daß sie endlich so gottesfürchtig vor Ihm wandeln, daß sie am jüngsten Tag (wenn der gekreuzigte Jesus Christus als ein allmächtiger Befehlshaber, Überwinder und herrlicher König in den Wolken des Himmels mit den Engeln seiner Kraft erscheinen wird, um Rache zu üben an allen denen, die Gott nicht erkannt und dem Evangelium nicht gehorcht haben) auch mit allen Heiligen Gottes verklärt werden und mit den auserwählten Gläubigen in der Auferstehung und Offenbarung der himmlischen Klarheit erscheinen mögen, damit sie mit denselben durch die Kraft Christi bekleidet werden und mit Ihm die unvergängliche Herrlichkeit einnehmen in dem vollkommenen Wesen, und dieselbe besitzen in Ewigkeit, Amen.