Der Märtyrerspiegel

Teil II - Kapitel 2.363

Zum Inhaltsverzeichnis

2.363  Noch ein Brief von Meister Jelis Matthyß, welchen er an sein Weib geschrieben hat.

Die Kraft des Geistes, dazu ein standhaftes Gemüt, wünsche ich meinem Fleische und meinem Blute in all ihrem Drucke, Streit und schwerer Trübsal, Amen.

Meine werte, liebe Hausfrau, welche ich vor Gott und seiner Gemeinde geehelicht habe! Weil die Zeit meines Todes nahe ist, so beliebe zu wissen, daß mein Herz und Gemüt mit dir in Bekümmernis steht; ich möchte dir daher gerne etwas schreiben, wiewohl ich keine gelegene Zeit dazu habe, denn es steht mit uns so, daß uns gegenwärtig wohl acht bis zehn Diener bewahren und Wache bei uns halten, sodass ich wenig Kraft des Geistes bei mir fühle, dir noch ein wenig zu schreiben, weil wir so unerwartet überfallen worden sind. Wir hatten nämlich kein Wort gehört, auch war Willeboort, mein treuer Mitgeselle, fast ganz entkleidet, als unser Wirt und unsere Wirtin hinaufkamen und sagten: Meister Jelis und Willebort, kommt herunter! Als wir nun hinabkamen, sahen wir den Statthalter, dem sich auch noch der Amtmann zugesellte, mit welchem ich ein kurzes Gespräch hatte. Summa, mein herzlich geliebtes, auserwähltes Fleisch und Blut, ich werde nun den Weg aller Propheten und Zeugen unseres lieben Herrn Jesu Christi wandeln, worin ich auch bis hierher sehr fröhlich und guten Mutes bin; ich finde in mir solche Freude und solchen Trost, daß ich es dir nicht Wohl schreiben kann; ich finde auch bis jetzt keine Furcht in mir, sondern bin meistens um dich bekümmert, wegen der großen Traurigkeit, die du hast; ich habe aber das Vertrauen zu deinem und meinem Gott, daß er in der Versuchung dir Schutz verleihen werde, durch den Trost des heiligen Geistes, womit er dich trösten wird. Ach, mein Fleisch, mein Blut! Ich bitte dich durch die blutigen Wunden unseres lieben Herrn Jesu Christi, sei doch geduldig in deiner Trübsal, damit du nicht als eine solche erfunden werden mögest, die wider Gott streiten will, sondern sage vielmehr mit Maria: Siehe, Herr, mir geschehe nach deinem Willen; denn wie damals die Stunde der Versammlung, siehe, so stand die Stunde der Scheidung auch, als bekannt, vor des Herrn Augen, und er hat dich dazu, durch seine väterliche Barmherzigkeit, zuvor ersehen und erwählt, daß du nun auch mit um seines Namens willen Trübsal und Schmerzen leiden sollst, und obgleich ich, mein auserwähltes Schaf, nunmehr Freude habe, weil meine Wallfahrt ans Ende gekommen ist, so bitte ich dich doch, du wollest im Herrn getröstet sein, und es mit Geduld und Schmerzen aufnehmen. Drücke dein Herz nieder und leide. Ach, ich weiß, daß deine Betrübnis sehr groß ist. Ach, wenn es Gottes Wille wäre, und ich für euch in den Tod gehen könnte, und wenn ich ihn auch zweimal für euch schmecken müsste, so wollte ich mich doch nicht vor demselben scheuen, denn er fällt mir nicht schwer, ach, dann würde ich ja versichert sein, daß du weder von fremden Buhlern betrogen, noch von dem Mittagsteufel, oder deinem eigenen Fleische verführt werden würdest, wiewohl ich dir aus dem Grunde meines Herzens zutraue, daß du den Fußstapfen meines Glaubens nachfolgen und bis ans Ende bei der Wahrheit bleiben werdest. Ach, ach! Die Veranlassung meines Schreibens und mein letztes und großes Begehren ist, daß du doch bei demjenigen bleiben wollest, was du von Gott empfangen hast und dir aus großer Gnade mitgeteilt worden ist. Ach, du wollest wegen deiner großen Betrübnis oder wegen eines dir etwa zustoßenden Streites, welcher deiner Liebe nicht bekannt ist, weder weichen noch wanken, sondern in all’ deinem Anliegen bitte mit Vertrauen zu Gott, dem barmherzigen lieben Vater; er wird dich nicht verlassen, dessen bin ich gewiss; und obgleich wir jetzt, mein wertes auserwähltes Schaf, auf eine kurze Zeit voneinander geschieden werden, so werden wir doch dermaleinst in der Auferstehung der Toten einander wieder begegnen und ewiglich bei dem Herrn sein. Ach, alsdann wird unsere geringe Betrübnis in eine ewige unaussprechliche Freude verwandelt und alle unsere Tränen werden von unsern Augen abgewischt werden, und wir werden hören: »Kommt, ihr Gesegneten, in das Reich meines Vaters, welches von Anbeginn der Welt bereitet ist.« Ach, mein wertes, liebes Schaf, tröste dich mit diesen Verheißungen und mit den Worten des Evangeliums, wo Christus selbst sagt: Selig sind, die nun weinen, denn sie sollen getröstet werden; wehe aber denen, sagt er, die hier lachen, denn sie werden weinen; denn es wird die Zeit kommen, daß sie rufen werden: O ihr Berge und Hügel, fallt auf uns, und bedeckt uns vor dem Angesichte des Herrn!

Ach, alsdann wird es aus sein mit allen unsern Verfolgern, Schindern, Henkersknechten und denen, die uns verderben; ja, alsdann wird das Wort des Propheten Jesaja erfüllt werden, wenn er sagt: O ihr Verstörer, meint ihr, daß ihr nicht auch verstört werden sollt? Und ihr Verächter, sagt er, meint ihr, daß ihr nicht auch verachtet werden sollt? Denn wenn ihr dem Verderben ein Ende gemacht haben werdet, so wird man mit euch auch ein Ende machen; über dir aber, mein Fleisch und Blut, und mir, samt allen Heiligen, soll die Sonne der Gerechtigkeit aufgehen; Glück und ewige Wohlfahrt wird uns umgeben. Ach, mein wertes Schaf, wie gern wollte ich dich trösten und dir in deiner Trübsal zu Hilfe kommen; aber für diese Zeit kann es nicht gut geschehen. Doch bitte ich dich herzlich, erinnere dich meiner Worte, die ich früher zu dir geredet habe; folge denselben nach, um solches bitte ich dich, und laß sie dir ein ewiger Grundstein sein. Ferner bitte ich dich von Herzen, und das um der ewigen Seligkeit deiner Seele willen, du wollest dich in der Stille halten, und dein Kind in der Furcht des Herrn auferziehen, wie ich auch das Vertrauen desfalls zu dir habe. Noch einmal, mein herzlich geliebtes auserwähltes Schaf, bitte ich dich aus dem Grunde meines Herzens und dem Innersten meiner Seele, erinnere dich doch dessen oft, was ich früher zu dir geredet, und nun auch ein wenig beschrieben habe, nämlich, daß du doch alle Tage deines Lebens bei demjenigen bleiben wollest, was du aus eigenem Antriebe und freiwillig angenommen hast, und das ja der rechte Grund, das Fundament und der Weg zum ewigen Leben ist. Ach, es wird doch in Ewigkeit kein anderer gefunden werden, als dieser Weg des Kreuzes ist, und falls es geschähe, daß der barmherzige Vater dich durch seine väterliche Rute des Kreuzes mit Banden oder Gefängnis noch prüfen wollte, so bitte ich dich um der ewigen Seligkeit deiner Seele willen, du wollest dich doch vor unsern Feinden nicht fürchten, denn man kann es weder schreiben noch aussprechen, wie Gott, der barmherzige liebe Vater, diejenigen tröstet, die sich selbst dem Herrn ganz übergeben haben; ich hätte nicht geglaubt, daß ich ein solches Herz und Gemüt haben könnte, darum wunderte es mich sehr, wie sie von Gottes Wort abfallen konnten, aber sie haben den Trost der zukünftigen Herrlichkeit vergessen und sind unachtsam geworden, deshalb ist auch das Öl der Gerechtigkeit und Liebe in ihrem irdischen Gefäße ausgegangen.

Darum, mein treues, herzgeliebtes Fleisch und Blut, sei doch gewarnt, damit du nicht mit den törichten und unachtsamen Jungfrauen durch Trägheit und Sorglosigkeit dich betrogen finden mögest; darum sei munter im Geiste, und befleißige dich selbst von Tag zu Tag immer mehr und mehr abzulegen, denn, mein liebes Schaf, es ist ja recht nötig, daß du wachest, indem sie nicht alle in das Land der Verheißung kommen, die aus dem geistigen Ägypten und Sodoma ausgegangen sind, in Folge der Kraft und Gewalt der alten Schlange, welche weder ruht noch feiert, bei Tag und bei Nacht, sondern um das Heerlager geht und diejenigen sucht, welche sie schläfrig finden möge; ach, derselben widerstehe doch stark im Glauben, und sei männlich und gläubig von Herzen.

Ferner, herzlich geliebtes Schaf, mein Begehren ist, du wollest dich selbst doch nach aller Niedrigkeit bequemen und dich bemühen in deinen eigenen Augen klein zu sein; achte nicht, was hoch ist, sondern halte dich zu den Geringsten; sei auch allezeit bereit, und schicke dich dazu, daß du Gottes Wort hören mögest und sei der Worte Christi eingedenk: »Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.« Ach, mein liebes Schaf, habe doch eine brennende Liebe zu der Gemeinde Gottes, und vergiss nicht von demjenigen mitzuteilen, was dir der barmherzige liebe Vater verliehen hat; gedenke, daß sich die Barmherzigkeit wider das Gericht rühme, denn mit dergleichen Opfer gefallt man Gott, wiewohl ich weiß, mein herzlich geliebtes Schaf, und auch das Vertrauen zu dir habe, du werdest hierin der Lehre unseres lieben Herrn Jesu Christi folgen. Hiermit, meine Allerliebste, nehme ich Abschied von dir, meinem Fleisch und Blut auf dieser Erde, und befehle dich in die Hände des allmächtigen Gottes, und unseres Erlösers Jesu Christi, der dich mit deinem Kinde in aller Not bewahren, aufrichten und stärken kann, gleichwie er auch getreu ist, und der dir wohltun wird, wenn du, mein wertes Schaf, nur bei seinen Sitten und Rechten bleibst, und in dem Kreuzwege nicht müde wirst, wenn er dir auch hart und sauer fällt. Ach, mein wertes Schaf, könntest du nur Mut fassen, und deinen Gott loben und Ihm danken, weil du würdig erfunden worden bist, um seines Namens willen mit zu leiden. Ach, erinnere dich der Worte des weisen Mannes, wenn er sagt: »Sie werden ein wenig gestäupt, aber viel Gutes wird ihnen widerfahren, denn Gott versucht sie und findet sie, daß sie sein wert sind, denn Gott prüft seine Auserwählten wie Gold im Ofen.«

Darum, mein wertes und herzlich geliebtes Schaf, laß deinen rechtschaffenen Glauben durch Geduld wirken, und laß die Geduld ein vollkommenes Werk in dir haben; sei auch eingedenk der Worte des weisen Mannes: »Ein Geduldiger ist besser als ein Starker, und wer seines Mutes ein Herr ist (ach merke), ist besser, als wer Städte gewinnt.« Ferner sagt der Prophet Jeremia: »Es ist ein köstliches Ding geduldig zu sein, und einem Verlassenen auf die Hilfe des Herrn zu warten.« Darum besitze deine Seele noch eine kleine Zeit in Geduld, solches bitte ich von dir aus dem Innersten meines Herzens. Ach, mein herzlich geliebtes Schaf, noch eins bitte ich von dir, halte dich tapfer. Ach, wenn du mich liebst (wie du in vollem Matze tust), so folge den Fußstapfen meines Glaubens nach, denn die Zeit ist erfüllt, die Tage sind abgelaufen, meine Jahre, die ich in dieser wilden Wüste mit großer Gefahr gewandelt bin, haben ihr Ende erreicht; ich habe nicht für das Ungewisse gestrebt oder gestritten, darum freue ich mich auch im Geiste, daß Gott, der barmherzige, liebe Vater, mir beigestanden hat, sodass ich den Kampf gekämpft und den Lauf vollendet habe; von jetzt an ist mir die Krone des ewigen Lebens beigelegt, welche Gott, der barmherzige, liebe Vater, mir geben wird, nicht allein aber mir, sondern allen, welche seine Erscheinung lieb haben, und ich werde in das gelobte Land kommen, welches ich im Glauben geschmeckt und gesehen habe; darum hat mein inwendiger Mensch Lust dazu, sodass ich mich vor meinen Feinden nicht fürchte, noch vor dem Jordan erschrecke, und obgleich er in den Augen einiger schrecklich anzusehen ist, so sind wir doch gewiss und versichert, daß unser getreuer Gott Israels bei uns sein werde, und uns durch seinen starken Arm zubereiten wird, daß wir ihn ohne Scheu überschreiten werden, und damit den jungen tapfern Israeliten Mut machen. Summa: Allen, die Gott von Herzen fürchten wollen, sind wir, durch Gottes Gnade, ein Geruch zum ewigen Leben; denen aber, die uns hassen, ein Geruch des Todes. Gute Nacht, mein Fleisch und Blut, unter dem Altare hoffe ich euch alle zu erwarten. Lasst euch mein Blut ein ewiges Testament und Andenken sein. Gute Nacht bis in die Ewigkeit, Amen.

Ach, haltet euch männlich auf dem Wege der Gerechtigkeit, darum bitte ich euch, denn ich bezeuge es euch vor Gott und seinen Engeln mit meinem Blute, daß es der rechte Weg und und Heerstraße, ja, die rechte Gnade unseres Gottes sei, auf welcher und in welcher ihr besteht. Die Gnade Gottes sei mit euch, Amen. Den 24. Oktober, des Morgens um 5 Uhr, im Jahre 1564.