Der Märtyrerspiegel

Teil II - Kapitel 2.415

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2.415  Nachbericht von der vorgemeldeten Claudine le Vettre.

Die Nachkömmlinge des Piersoms, der Claudine le Vettre Mann, sagen, daß sie von ihren Voreltern gehört hätten, daß dieser Piersom zur Zeit, als sein vorgemeldete Weib im Gefängnisse gelegen, sich bei einem Müller aufgehalten habe, welcher auf oder neben seiner Mühle wohnte, die nahe bei Ypern stand, um täglich Nachricht von seinem geliebten Weib zu erlangen, welche Nachricht des Müllers Weib, so oft sie in die Stadt kam, aus der Volksstimme aufgefangen und ihm hinterbracht hat, wiewohl sie nicht wusste, daß dieselbe sein Weib und er ein Taufgesinnter wäre; sie hielt auch dafür, es müsste Claudine nicht recht bei Sinnen sein, weil sie sich wiedertaufen lassen und um deswillen sich so viel Leiden zugezogen hatte, weil sie auch lieber sterben als das tun wollte, was die Pfaffen sagten. Dergleichen Gespräche gingen dem Piersom allemal wie ein Todesstich durch das Herz, und nötigten ihn oft, auf die Seite zu gehen, um sein gerührtes Gemüt zu erleichtern.

Als der Tag herankam, daß diese Claudine aufgeopfert werden sollte, hatte des Müllers Weib Lust zu sehen, wie sie umgebracht wurde, und fragte Piersom, ob er nicht mitgehen wollte, um zuzuschauen, was er aber mit dem Ersuchen abschlug, sie sollte auf alles genau Achtung geben, und ihm davon Bericht abstatten. Als sie nun wieder nach Hause kam, hat sie dem Piersom erzählt, wie tapfer und getrost Claudine zum Tode gegangen wäre, was sie gesagt und wie sie sich betragen hätte; doch alles in dem Sinne, daß Claudine nicht verständig gehandelt hätte. Hierüber ist Piersom in Eifer geraten, und hat keinen Anstand genommen, sich dem Müller und seinem Weibe zu offenbaren, und hat gesagt, er wäre auch derselben Meinung zugetan; die Umgebrachte sei sein liebes Weib und sei sehr verständig; hat ihnen auch auseinandergesetzt, auf welchen Grund der Wahrheit sie ihre Lehre und Leben gebaut hätten, was den Müller und sein Weib so tief ergriff, daß sie auch den Entschluss fassten, ihr Leben zu bessern; dieselben haben sich auch auf ihren Glauben taufen lassen, so daß sie darauf beide die Wahrheit mit ihrem Blute versiegelt haben.