Der Märtyrerspiegel

Teil II - Kapitel 2.638

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2.638  Noch ein Brief von Reytse Ayseß an seine Hausfrau.

Gnade, Friede, Barmherzigkeit, Einigkeit und Liebe sei mit dir, meine liebe Hausfrau und Schwester in dem Herrn; der allmächtige Gott wolle dich trösten in deinem Druck und Elend, welches du um meinetwillen hast.

Siehe, mein sehr liebes und wertes Weib und Schwester in dem Herrn, die ich vor Gott und seiner Gemeinde genommen habe; der ewige, allmächtige Gott wolle dich trösten in deinem Druck und Elend, das du um meinetwillen erträgst.

Siehe, meine Geliebte, müssen wir auch gleich hier etwas leiden, denn in der Welt werden wir Trübsal haben, so soll doch unsere Trübsal in Freude verwandelt werden; darum laß uns fest bei des Herrn Wort bleiben und nicht weichen, weder zur rechten noch zur linken Seite. Ach, liebes und wertes Weib, ich bin deinetwegen sehr bekümmert und beschwert und bitte den allmächtigen Gatt Tag und Nacht für dich, daß er dich bewahren wolle und daß du bis ans Ende standhaft bleiben mögest; wer standhaft bleibt, wird selig werden.

Mein liebes und wertes Weib und Schwester, als du bei mir warst, tröstetest du mich mit des Herrn Wort (daß auch des Schlossvogts Weib sagte, solches könnte ich nicht tun) und sagtest, ich sollte bei des Herrn Wort bleiben, worüber ich mich sehr erfreue und dem ewigen Gott für deinen starken Glauben danke; ich bitte den Herrn, der das gute Werk in dir angefangen hat, daß Er es in dir bewahren wolle bis ans Ende, damit du deiner Seele Seligkeit davon bringen mögest. Meine Geliebte, habe guten Mut und sei tapfer im Herrn; dann können wir mit dem Propheten sagen: O Israel, wie selig sind wir, daß Gott uns sein Wort offenbart hat; welchen Dank sollen wir dem Herrn für das Gute zurückgeben, das Er uns erwiesen hat, denn Er ist um unsertwillen arm geworden, damit wir durch seine Armut reich würden. Darum, mein liebes und wertes Weib, wenn wir mitleiden, so werden wir uns auch mitfreuen; sterben wir mit, so werden wir auch mitherrschen. Ach, Geliebte, habe guten Mut und bleibe fest bei des Herrn Wort und sei fest in Ihm gewurzelt, wie Jakob den Engel angriff und die ganze Nacht mit ihm rang bis an die Morgenröte. Der Engel sagte: Laß mich gehen, Jakob aber erwiderte: Ich lasse dich nicht, bis du mich gesegnet hast.

Darum laß uns Gottes Nachfolger sein, als die lieben Kinder, in der Liebe. Ach, mein geliebtes Weib, deinetwegen trage ich Sorge und bin um dich sehr beschwert. Ach Geliebte, ich bitte dich aus dem Innersten meiner Seele, du wollest den Herrn, deinen Gott, während deines ganzen Lebens nicht verlassen. Ach Geliebte, ich bin um mein liebes Kind so sehr beschwert und betrübt, daß ich nicht weiß, wo ich hin soll, und den ewigen allmächtigen Gott deswegen Tag und Nacht bitte. Ach, meine Liebe und Werte, habe guten Mut, tröste dich in dem Herrn, und sei um meinetwillen nicht beschwert; der Herr ist mein Helfer. Meine Geliebte, der Herr gebe, wenn es Ihm gefallen möchte, daß wir nicht wieder zusammenkommen, daß wir dermaleinst im ewigen Leben zusammenkommen mögen. Der Herr wolle dir und mir dazu helfen und uns bewahren, daß wir selig werden mögen.

Geschrieben von mir, Reytse Ayseß, deinem geliebten Mann und Bruder in dem Herrn.