Der Märtyrerspiegel

Teil II - Kapitel 2.367

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2.367  Noch ein Brief von Jan Gerrits; an seine Bekannten.

Nebst freundlichem Gruße, liebe Brüder und Schwestern in dem Herrn; hier ist dasjenige, was ihr von mir begehrt, nach eurem Verlangen und meinem schwachen Vermögen, wofür ich Gott, dem Vater, und seinem geliebten Sohne Jesu Christo sehr herzlich danke, daß er die Seinen nicht verlässt, sondern ihnen allezeit das Feld erhalten hilft; denn seine Augen der Gnade sehen allezeit auf die Seinen, und seine Ohren merken allezeit auf ihr Gebet, indem es geschrieben steht: »Wenn du durch’s Feuer und Wasser gehst, so will ich bei dir sein.« Darum gebe ich Ihm allein Preis und Ehre für seinen großen Beistand, welchen er mir armen Sünder in Trübsal, Leiden und Pein erwiesen hat, so daß, meine lieben Brüder, die Hunde, Löwen und Bären mir nichts anhaben konnten, wie sehr sie auch bellten, brüllten und brummten, denn der Herr errettete mich; er wird mich auch, durch seine große Gnade, bis ans Ende bewahren, wenn ich die Hoffnung meines Glaubens auf Ihn setze; denn, ist Gott mit uns, wer mag uns Schaden tun; und wenn der Herr das Haus bewahrt (wie David sagt), wer mag es verletzen? Meine Freunde, ich wünschte, daß ich euch den Zustand meines Herzens und Gemütes schildern könnte, als ich um des Zeugnisses unsers Herrn Jesu Christi willen aufgewunden war und schwere Schläge empfing, denn sein Wort und bitteres Leiden, welches er für uns arme Sünder ausgestanden hat, beschäftigte mich so sehr, daß ich an nichts anderes dachte. Seht, meine Brüder und Schwestern, wie der Herr die Seinen, die auf Ihn trauen, bewahren und beschützen kann. Ferner wisst, meine lieben Brüder und Schwestern, daß sie mir zuerst mit Fragen zusetzten, nämlich, wie ich hieße, wo ich geboren wäre, wie alt ich wäre, und wie lange ich in Tessel gewohnt hätte; dann fragten sie mich, wann ich die Taufe empfangen hätte. Antwort: Vor fünf Jahren. Frage: An welchem Orte ist es geschehen? Antwort: Ich werde es euch nicht sagen. Dann sagten sie abermals: Man wird es dich wohl sagen machen. Sie wiesen dabei auf den Scharfrichter und sagten weiter: Wenn man dich nach der Wahrheit fragt, so solltest du die Wahrheit sagen. Antwort: Alles, was den Glauben betrifft, will ich euch gern sagen; das andere aber hat mir Gott nicht befohlen. Frage: Ob mein Weib auch unsern Glauben hätte. Antwort: Nein, leider nicht. Frage: Wer mich getauft hatte. Antwort: Das will ich euch nicht sagen. Frage: Ist es N. gewesen? Antwort: Es ist mir von Gott nicht befohlen, solches zu sagen, und wenn ich es euch auch sagte, so wohnt er nicht in des Königs Lande. Frage: Christus, als er vor die Obrigkeit gestellt wurde, hat, als man Ihn fragte, Antwort gegeben, warum tust du nicht ein Gleiches? Antwort: Als man Ihn um dasjenige fragte, was die Ehre seines Vaters und seine Gottheit betraf, so hat er geantwortet, sonst aber geschwiegen. Alles nun, was ihr mich fragt, das sein Gesetz, Wort, Gebot oder Verbot betrifft, das will ich vor Kaisern, Königen, Herzogen, Grafen, Prinzen und anderen Herren bekennen, und es nicht verschweigen. Darauf sagte der Richter mit kurzen Worten zum Scharfrichter: Greife ihn an. Endlich, als man mich antastete, fiel ich nieder und bat den Herrn um seinen Beistand; da sagte der Richter sofort zu den Henkern: Hebt ihn auf. Darauf haben sie mich angefallen und mit mir gehandelt, wie man mit dem Herrn, unserm Meister, gehandelt hat, als man Ihm seine Kleider auszog; denn sie banden mir ohne Gnade meine Hände auf den Rücken, auch verbanden sie meine Augen und zogen mich in die Höhe; darauf schlugen sie mich, und klopften nicht anders zu, als ob es auf einen Baum geschähe, sodass die Ruten wie Hanfstoppeln zerbrachen, wobei sie sagten: Rede, hast du einen stummen Teufel in dir, so wird man ihn wohl austreiben; aber der Herr (gesegnet müsse er sein) schloss meinen Mund, sodass ich nicht einmal »o wehe« sagte, noch sonst einen Laut hören ließ; denn das Leiden unsers Herrn, wie vorgemeldet ist, und sein Zeugnis war so in meinem Herzen, daß es nicht auszusprechen ist. Endlich, als sie sahen, daß mir alle Glieder matt wurden, sagten sie: Lasst ihn nieder, ob der stumme Teufel alsdann besser reden möge. Als sie mich nun niederließen, fiel ich mit meinem Haupte gegen die Bretter; sie ergriffen mich aber und setzten mich auf eine Bank, wo ich abermals in Ohnmacht gesunken sein würde, wenn sie mich nicht gehalten hätten. Sie standen wie Löwen und Bären da, und sagten, ich sollte auf ihre Fragen antworten; aber der Herr war mein Helfer und meine Stärke; Ihm sei Preis und Lob für seine Gnade und dafür, daß sie nichts von mir erfuhren. Da sagte der Präsident: Hast du keine groben Ruten, um diesen stummen Teufel auszutreiben?, worauf der Scharfrichter antwortete: Nein, aber ich habe ein Seil; sie hätten mir auch wieder die Augen verbunden; aber jener sagte: Lasst es ihn sehen; und als er schlug, dachte ich: O Herr, du siehst es wohl; dann schlossen sich meine Augen. Ja, meine Freunde, hätten sie so lange geschlagen, als sie Atem schöpfen konnten, sie hätten, nach meinem Erachten, von mir nichts erlangt, solche Kraft des Allerhöchsten war mit mir, und als sie sahen, daß es nichts helfen wollte, holten sie das Zentnergewicht und hingen mir dasselbe an meine Füße; da wandte sich mein Herz zu dem Herrn: Bewahre, bewahre meinen Schatz. Summa, wie sehr sie auch darnach verlangten, so haben sie doch nichts erlangt. Darauf fragten sie, ob ich wohl Latein verstände. Ich antwortete: Ja, so viel als es ist. Frage: Verstehst du Italienisch? Antwort: Nein. Frage: Wo bist du in die Schule gegangen? Antwort: Zu Delft. Frage: Zu welcher Zeit? Antwort: Als Delft brannte. Frage: Ob ich Menno oder D. P. Bücher gelesen hätte. Ja, sagte ich; Boschuysen hätte meine Lehrbücher genommen, nämlich die neue Kreatur von Menno und die geistliche Wiederbr. von D. P. Sie fragten, wie ich daran gekommen wäre. Der Mund war mir geschlossen. Da hieß es: Holt Wasser und Kerzen, der stumme Teufel muss heraus. Aber der Herr bewahrte mich, wofür ich Ihm nicht genug danken kann. Zuletzt hieß es: Bindet ihn los, er muss sich ein wenig erholen, man wird ihm wohl besser zusetzen. Als sie nun von mir schieden, sagte ich, sie sollten zusehen, was sie täten; der Tag des Herrn würde endlich über sie kommen, und somit sind sie von mir geschieden. Meine lieben Brüder und Schwestern, hiermit mache ich mit euch meinen letzten Abschied in dem Frieden Christi; ich hätte etwas mehr geschrieben, aber die Zeit wollte es nicht leiden. Wenn es dem Herrn gefällt, so begehre ich mit Ihm an einem Pfahle zu stehen. Der Herr sei mit euch allen, Amen.