Der Märtyrerspiegel

Teil II - Kapitel 2.639

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2.639  Des Reytse Ayseß Todesurteil und Tod.

Nachdem Reytse Ayseß seinen Glauben in aller Freimütigkeit vor den Herren und Fürsten bekannt und Abschied von seinen guten Freunden genommen hatte, so hat man ihn endlich vor die Herren gebracht und zum Tode verurteilt, wie das hier folgende Urteil ausweist.

Nachdem der Hof von Friesland vernommen hat, daß Reytse Ayseß, gegenwärtig gefangen, durch das Urteil des hochwürdigen Herrn, des Bischofs von Leeuwarden, bezüglich seiner Meinungen und Irrtümer in Ansehung der heiligen Kirche, hartnäckig befunden und als ein Ketzer verdammt worden ist, und dieserhalb den Händen und dem Willen der weltlichen Obrigkeit übergeben worden, um mit demselben nach den Rechten zu verfahren, wie solches das Urteil, welches davon handelt, ausführlich angibt, so ist es geschehen, daß vorgemeldeter Hof, nachdem er alles, was man hierin zu betrachten pflegt, in genaue Überlegung genommen, den vorgemeldeten Gefangenen im Namen und von wegen des Königs von Spanien, Erzherzogs von Österreich, Herzogs von Burgund und Brabant, Grafen von Holland, Seeland und Herrn von Friesland, verurteilt hat und ihn kraft dieses verurteilt, daß er durch Wasser hingerichtet und vom Leben zum Tode gebracht werden soll, und erklärt ferner, daß alle seine Güter zu Ihrer Majestät Nutzen verfallen sein sollen. So geschehen den 23. April 1574.

Darüber war Reytse sehr freimütig und erfreut, sagte dem Herrn Lob und Dank, daß er gewürdigt worden wäre, um seines Namens willen zu leiden, und ist darauf des Abends um neun Uhr von den Gerichtsdienern in des Schlossvogts Haus gebracht worden.

Es waren dort auch Mönche, die ihn sehr quälten und versuchten; aber dem Geist, der in ihm war, konnten sie nicht widerstehen; er blieb immer freimütig und unerschrocken, und redete mit einer Person, welche von ihm dieses Zeugnis gegeben hat, ließ auch alle seine guten Freunde grüßen, insbesondere seine Eltern, sein Weib und seine nächsten Blutsfreunde, und entbot ihnen, daß er sehr getrost wäre, und mehr Freude hätte, als er jemals in seinem Leben genossen hätte. Hiernächst ist er von dem Schlossvogt und dessen Dienern, dem Scharfrichter, den Mönchen und mehreren andern des Nachts um zwölf Uhr nach dem Peinigerturm geführt worden, wohin er freudig gegangen ist und gesungen hat:

Dich ruf’ ich, himmlischer Vater, an,
Wollst meinen Glauben stärken.

Als er nun in den Peinigerturm kam, ist er auf sein Angesicht niedergefallen und hat den Herrn mit brünstigem Gebet angerufen; hiernächst ist er aufgestanden und hat sein Opfer in aller Freimütigkeit vollbracht. In solcher Weise ist er dort ertränkt worden, und ruht nun unter dem Altar und wartet, bis die Zahl seiner Mitbrüder erfüllt sein wird.

Wie nachdrücklich nun der treue Gott mit Barmherzigkeit seines Volkes sich annimmt, dasselbe durch seinen Geist tröstet und stärkt, mit ihnen durch Wasser und Feuer geht, ja, im bittern Tode bei ihnen bleibt und sie nimmermehr verlässt, auch an allen Leiden teilnimmt, das den Seinen angetan wird, als ob Ihm selbst in seinen Augapfel gegriffen worden wäre, kann in beiden Testamenten an der strafenden Hand Gottes, die Er öfters wider die blutdürstigen Verfolger gebraucht hat, klar gesehen und bemerkt werden.

Eben dasselbe kann man auch an vielen Tyrannen und Verfolgern der neusten Zeit wahrnehmen, wie unter andern an dem Edelmanne Andries Grypen zu ersehen ist, welcher als er einigen Dieben nachjagte, seine Hände an diesen gemeldeten Gottesfürchtigen, Reytse Ayseß, legte; und wiewohl sein und seiner Hausfrau Gewissen sie wegen dieser Tat sehr geplagt und beschuldigt hat, sodass sie sagten, es jammerte sie sehr, daß man diese Leute über die Maßen beschwerte, die doch niemandem (sagte er) Leides tun, noch jemandes Gut begehren, sondern mit ihrem Eigentum wohl zufrieden sind, daß man diese so ängstige, das wäre in seinem Herzen ein schweres Kreuz. Obgleich er nun dieses in seinem Gewissen fühlte, so hat er doch, weil seine Schreiber ihn dazu anreizten und er mit Pilatus gern des Kaisers Freund bleiben, auch sein Amt nicht verlieren wollte, diese Überzeugung seines Gemütes in den Wind geschlagen und den Reytse Ayseß festgebunden und in eiserne Bande geschlossen, und hat ihn so nach Leeuwarden ins Gefängnis gesandt; aber der gerechte Gott, der mit sich nicht spotten lässt, hat den gemeldeten Edelmann bald nach dieser Tat mit seiner Hand schwer getroffen und gestraft; denn die Freibeuter, die aus Holland kamen, überfielen sein Haus und zerstörten dasselbe gänzlich, taten ihm auch viel Leid und Schmach an und nahmen ihn mit nach Holland; und als er um sechstausend Gulden ranzioniert wurde, musste er jede Woche für seine Person noch hundert Gulden geben, bis das Lösegeld aufgebracht und ganz bezahlt war. Dadurch ist er mit seiner ganzen Familie in die äußerste Armut geraten, sodass andere Leute, die mit Barmherzigkeit erfüllt waren, ihn in dieser großen Dürftigkeit mit ihrer Handreichung ernährt und gespeist haben; außerdem wurde er von der Auszehrung stark geplagt, woran er endlich elend gestorben ist; ebenso haben auch einige von seinen Nachkommen in dieser Welt ein erbärmliches Ende genommen. In allen diesen Plagen hat sein Herz ihn noch sehr dieser Tat beschuldigt, sodass er mit Reue zu Gott gebeten und begehrt hat, daß er doch, um dieses zeitlichen Leidens und Ungemachs willen, der ewigen Pein der Hölle (die er in sich zu fühlen schien) durch Gottes Gnade entfliehen und ihr entübrigt sein möchte. Dieses möchte wohl für alle Tyrannen und Verfolger ein Spiegel und Exempel sein, damit sie sich vor solcher Tat sorgfältig hüten.