Der Märtyrerspiegel

Teil II - Kapitel 2.376

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2.376  Der vierte Brief, welchen Mattheiß Servaes aus dem Gefängnisse an alle Brüder und Schwestern im Allgemeinen geschrieben hat.

Die heilsame Gnade Gottes und der Friede Jesu Christi vermehre sich bei allen Gläubigen, die hier und da zerstreut sind, nach der Vorsehung Gottes, des Vaters, geheiligt und fromm gemacht durch den Glauben an Jesum Christum, seinen lieben Sohn, gewaschen durch sein eigenes Blut von allen unsern Sünden, damit wir fernerhin heilig und unsträflich vor ihm wandeln in der Liebe, Ihm zum Preise und zur Ehre, von nun an bis in Ewigkeit, Amen.

O meine im Herzen sehr geliebten Brüder und Schwestern in dem Herrn, wir sollen billig ohne Aufhören Tag und Nacht Gott, dem Vater, danken durch Jesum Christum, seinen Sohn, für unsere Seligkeit, ja, für seine väterliche Gnade, die er uns erwiesen, und daß er uns von Anfang, ehe der Welt Grund gelegt war, dazu ersehen und verordnet hat, daß wir sollten heilig sein und unsträflich vor Ihm in der Liebe, welche er selbst an uns auch nicht vergessen hat, wiewohl wir eine Zeitlang Ihn wenig geachtet haben; denn weil er allein gut ist, so hat er auch unserer nach seiner Gutheit nicht vergessen. Ja, er hat uns zum Leben berufen, als wir im Tode waren durch Gebrechen und Sünden, und das nicht nach unsern Werken (denn die waren böse), sondern er hat uns selig gemacht nach seiner großen Barmherzigkeit; auch hat er uns, da wir noch Feinde waren, durch den Tod seines Geliebten versöhnt, und obgleich wir solches alles in den Wind geschlagen und nicht geachtet haben, so hat er gleichwohl doch seine Langmut an uns an dem Ende der Welt, ja, in diesen bösen Tagen und jämmerlichen Zeiten erwiesen, wo die Bosheit aufs Höchste gestiegen ist, und hat weder unsern Tod noch den irgendeines Sünders begehrt, sondern daß wir uns bekehren und leben und Ihm unsere Seelen als dem treuen Schöpfer und Hirten mit guten Werken anbefehlen sollten. Darum, liebe Brüder und Schwestern, will es uns geziemen, daß wir unseres Berufs, worin wir berufen sind, mit aller Furcht Gottes wahrnehmen, denn wir sind mit einem heiligen Rufe berufen; merkt, wozu, nicht zur Unreinigkeit, nicht zur Unkeuschheit, nicht zur Hurerei, nicht zum Fressen, nicht zum Saufen, nicht zum Stolze und Hochmut, daß sich jemand selbst gefallen, oder zum Scheine dem andern gefällig darstellen sollte, um dadurch Ehre bei den Menschen zu suchen, welches Lob nicht aus Gott, sondern gegen Gott ist, denn alle diese vorgemeldeten Punkte, wenn wir sie ausüben, sagen uns das Reich Gottes ab; auch sind wir nicht zum Geize berufen (welcher ein Götzendienst ist), daß wir uns hier Schätze sammeln und reiche Tage suchen, oder ein irdisches Reich in dieser Zeit aufrichten, oder auf die Ungewissen Reichtümer hoffen und uns so der Welt gleichstellen sollen (merkt, der Welt, sagt er). Wem dient sie? Wer ist ihr Herr? Wer ist ihr Fürst? Was sagt Christus hierüber? Er nennt den Teufel einen Fürsten dieser Welt. Wem ist sie gleich mit all ihrer Herrlichkeit, Augenlust und ihrem Hochmute? Sie ist gleich dem Grase mit seinen schönen Blumen, welches heute lustig grünt und herrlich anzusehen ist, aber des Morgens, ja, auch wohl des Abends ist alle seine schöne Gestalt und Herrlichkeit hinweg; ebenso ist es auch mit aller Menschen Ansehen, aber wenige kennen sich selbst. Ich rede nicht allein von denen, die draußen sind, sondern auch von uns selbst, denn wer ist es, der nicht, wenn ihm Reichtümer zufallen, sein Herz in etwas daran hängen sollte? Oder, wer bittet von Herzen mit dem Könige Salomo: »Armut und Reichtum gib mir nicht, laß mich aber meinen bescheidenen Teil Speise dahin nehmen.« Ach, bedenkt es doch wohl ihr alle, die ihr euch rühmt, Christen zu sein; befleißigt euch, mit reinem Gewissen in der Wahrheit vor Gott zu wandeln, damit ihr im Schmelzofen (wenn ihr etwa hineinkommen solltet) keine Anklage findet, welche euch zum Schaum machen, oder zum Umsehen nötigen möchte; denn meine lieben Brüder, hier in dieser Probe gilt kein toter Glaube, wenn er auch herrlich vor den Menschen scheint, oder mit vielen Schriftstellen bewiesen und mit dem Munde bekannt wird, ja, vor dem strengen Gott und seinem gerechten Urteile ist damit noch weniger ausgerichtet; denn was hier und dort bestehen soll, muss unverfälscht sein, ja, es muss durch einen lebendigen Glauben geschehen, der durch die Liebe tätig ist; ein solcher Glaube ist aber nicht in demjenigen, der Gott nicht so fest ergreift, nicht dafür hält und bekennt, daß ihm Himmel und Erde, und alle Kreaturen, das Meer und alles was darin ist, Preis und Lob, Dank und Ehre schuldig sei (denn diesem allein, und sonst niemand, sage ich, mag es werden), wie er denn auch nicht in demjenigen ist, der solches nicht in sein eigenes Herz und seine Gedanken einschreibt, und sich selbst erkennen lernt, daß er besonders hoch und herrlich erschaffen und gemacht sei, nämlich ein Bild Gottes und nach dem Bilde Gottes, zum Besitzer und Beherrscher der Dinge, die in dieser Welt um seinetwillen erschaffen, ja, mit Verstand und Wissenschaft geziert und begabt sind, das Gute vom Bösen zu unterscheiden, und den zu erkennen, der ein Schöpfer aller Dinge ist, der uns auch unsern freien Willen gegeben hat, wodurch wir nicht aus Zwang, wie andere Kreaturen, sondern aus eigenem Antriebe und aus reiner kindlicher Liebe uns Ihm übergeben, dergestalt: Herr, hier bin ich, was willst Du, daß ich tun soll? Denn ich erkenne, daß ich schuldig bin Dir zu dienen, und deinen Willen aus meinem ganzen Vermögen, ja, aus aller meiner Kraft zu erfüllen, sodass ich auch kein Ding auf dieser Erde, es sei auch, was es wolle, ja, auch mein eigenes Leben nicht zurückhalten soll; oder daß ich in meinen Gedanken zurückbehalten sollte, daß ich Dir die freiwillige Schuld des Gehorsams, den ich Dir schuldig bin und abstatten soll, nicht erweisen sollte, nicht etwa deshalb, als ob ich von Dir einen Lohn dafür erwartete, sondern allein, daß ich damit erweise, daß ich Dich liebe, sodass wir alle Dinge, die sichtbar sind, um des Liebhabers willen hassen lernen, damit wir Ihn über alles allein lieben und auch von Ihm geliebt werden mögen.

Dieses schreibe ich darum, meine Brüder und Schwestern, damit wir Gott erkennen lernen, und warum er den Menschen erschaffen habe, ja was er von ihm begehre, daß er tun oder lassen soll, und warum wir Ihm Liebe und Gehorsam erweisen sollen, damit wir nicht durch unsere Werke oder durch unser Tun oder Lassen gerecht und selig zu werden suchen, denn durch des Gesetzes Werke wird kein Fleisch vor dem Herrn gerecht, wie Paulus sagt. Auch können wir das nicht auszahlen, was wir schuldig sind, sondern wir hoffen allein aus Gottes Gnade durch das Verdienst unseres Herrn Jesu Christi gerecht und selig zu werden. Darum sehe sich ein jeder wohl vor, daß er Gott dergestalt liebe (wie oben gemeldet ist), daß er aus solcher Liebe Ihm allein gehorsam sei, ohne Hoffnung einer Belohnung, um irgendeines eigenen Werkes oder Verdienstes willen, sondern übergebe Ihm alles, sodass er uns gebe, was er will, und mit uns tue, was Ihm wohlgefällig ist. Und wenn wir so in allen Dingen frei und gelassen stehen, so wird es uns nicht fehlen, und unsere Hoffnung wird nicht nichtig, sondern fest sein; und wenn dieses nicht so (wie gesagt ist) bei uns befunden wird, wenn wir dann auch mit Menschen- und Engelzungen redeten, und einen Glauben hätten, daß wir Berge versetzten, all’ unser Gut den Armen gäben und unsern Leib brennen ließen, was ist es, wenn es ein gezwungenes und kein freiwilliges Werk der Liebe ist?

Darum wacht auf, ihr alle, die ihr euch zur Frömmigkeit treiben lasst wie Pferde, die man auf den Acker mit Schlägen treiben muss; wenn man mit Schlagen und Treiben aufhört, so wird nicht mehr gearbeitet. O untreue Christen und faule Knechte, die in ihrem Glauben nicht mehr wirkende Kraft in sich haben, als daß sie ein wenig gehen, wenn man ihnen sagt: Tue dies und lasse das, und treibt sie so fort. Ich sage: Ach arme Christen, die sich nicht selbst treiben! Darum sollen sich die auch wohl vorsehen, welche Wohltat oder Handreichung beweisen, daß nicht eine pharisäische Trompete des Ruhmes vor ihnen her geblasen und gehört werde, denn wenn jemand Barmherzigkeit ausübt, der tue es mit Lust und Freude; gibt jemand, der gebe einfältig, ohne Ruhm zu suchen, denn es ist ein Werk der Schuldigkeit, welches wir dem Nächsten aus Liebe zu erweisen verpflichtet sind. Darum sollen wir alle unsere Werke in der Liebe geschehen lassen, daß wir solchen Dienst nicht aus Hoffnung der Belohnung, sondern aus herzlicher Liebe und Barmherzigkeit verrichten, denn es geschieht nicht den Menschen, sondern dem Herrn. Deshalb meine ich nun, wenn durch unsere Werke die Rechtfertigung käme, so wäre Christus umsonst gestorben, aber das sei fern. Also wache auch ein jeder auf, der die Wohltat empfängt, weil Christus sagt: »Ihr habt mich gespeist und getränkt, mir Kleider und Herberge gegeben.« Wenn man nun Christum speist oder tränkt, so müssen es eingepflanzte Glieder Christi sein, die solche Wohltat empfangen. Wie kann der es nun verantworten, der die Handreichung empfängt und doch nicht von den Seinen ist, wenn er vor ihn gestellt wird.

Darum ihr, die ihr Almosen empfangt, wendet sie an mit aller Furcht des Herrn, damit ihr vor Gott bestehen mögt, denn man muss von allem Rede und Antwort geben. Tragt auch mit Fleiß für die armen und verlassenen Witwen und Waisen Sorge und lasst sie in eurem Herzen wie eure eigenen Kinder sein.

Und gedenkt an des Sirachs Reden, indem er sagt: Halte dich gegen die Waisen barmherzig wie ein Vater, und gegen ihre Mutter wie ein Hausherr, dann wirst du wie ein Sohn des Allerhöchsten sein, und er wird dich lieber haben, als dich deine Mutter hat. Hütet euch auch mit allem Fleiße, daß kein Unterschied unter euch in dem Mitteilen und den Liebesbezeugungen gefunden werde; denn viele haben sich hieran sehr vergriffen, sodass aus dem Dienste der Liebe ein Dienst des Zwanges geworden ist, was Gott nicht gefällt.

Auch begehre ich von den Witwen, daß sie stille seien, das Ihre tun und sich nicht einbilden, daß sie mehr als andere seien, nein, das ist nicht Paulus Sinn oder Meinung, sondern es ist so zu verstehen, man soll für sie sorgen, ihnen Rat und Unterricht geben, wenn sie solchen bedürfen; auch müssen sie brüderlichem Rate folgen und sich vor unnützem Geschwätze, Wohlleben, Fleischeslust und vor Faulheit hüten, auch nicht aus einem Hause ins andere laufen, denn solches geziemt sich vor allen Dingen nicht, sondern eine rechte Witwe, die einsam ist, wird sich wohl davor hüten; sie hat ihre Hoffnung allein auf Gott gesetzt und bleibt im Gebet und Flehen zu Gott Tag und Nacht; diejenige aber, die in Wollüsten lebt, ist lebendig tot.

Auch ist das mein herzliches Begehren an alle gläubigen Brüder, die Weiber haben, über welche sie zum Haupt gesetzt sind, wie Christus ein Haupt seiner Gemeinde ist, daß ihr über ihnen wacht und eures Dienstes mit Fleiß wahrnehmt, daß ihr nach solcher Weise euer Haus und eure Weiber regiert, wie auch Christus seine Gemeinde regiert hat.

Ebenso auch ihr Weiber, nehmt euch mit aller Sorgfalt in Acht, und nehmt auch eures Dienstes wahr, worin ihr vom Herrn gesetzt seid, mit bescheidener Vorsichtigkeit, daß ihr euren Männern gehorsam seid, als dem Herrn, damit ihr vor dem gerechten Gott bestehen mögt, und zieht eure Kinder so auf, daß ihr es vor Gott verantworten könnt; hütet euch auch, daß ihr ihnen nicht zu gelinde seid, damit ihr mit dem Elias nicht in gleiche Strafe vor dem Herrn fallen mögt, welcher mit seinen Söhnen auch zu gelinde war.

Ebenso auch ihr Kinder, seid euren Eltern in der Furcht Gottes gehorsam in aller Demut, widersetzt euch ihnen nicht, damit ihr nicht auch mit den Söhnen Elias, mit Absalom, Esau und andern dergleichen mehr, in Gottes Zorn und Ungnade fallt.

Auf gleiche Weise ist auch mein Begehren an euch alle, ihr Knechte und Mägde, daß ihr euren leiblichen Herren in allen Dingen gehorsam und nicht Augendiener sein wollt, um den Menschen zu gefallen, sondern daß ihr in Einfalt des Herzens, und der Furcht Gottes lebt, und gedenkt, daß ihr dem Herrn und nicht den Menschen dient, denn von dem Herrn werdet ihr die rechte Belohnung empfangen.

Also auch ihr Herren, lasst ab von eurem Dräuen; was recht und billig ist, beweist euren Knechten, und wisst, daß ihr auch einen Herrn habt im Himmel, bei welchem kein Ansehen der Person gilt. Gedenkt, wenn ihr Knechte wärt, wie ihr als dann wolltet, daß sich eure Herren gegen euch betragen sollten, ebenso tut nun auch ihnen. Aber zuletzt, liebe Brüder, richtet euer Leben, und befleißigt euch, nur so zu wandeln, daß es dem Evangelium unsers Herrn Jesu Christi gleichförmig sei. Weil wir nun ein auserwähltes Geschlecht und heiliges Volk sein sollten, dem Herrn angenehm zum Eigentum, um als ein Licht vor Ihm zu wandeln, und auch der Welt ein Licht zu sein, so ist es uns nötig, Fleiß anzulegen, daß wir in allen Stücken vor Ihm heilig und unsträflich erfunden werden, damit wir die Stadt Gottes sehen mögen, erhaben über alle Berge der Ungerechtigkeit, die gesehen werden in der Gerechtigkeit, welche keineswegs verborgen sein kann. Darum lasst nun auch den heiligen Schein der göttlichen Klarheit vor allen offenbar werden, die noch in den Finsternissen wandeln. Stellt euch allen Menschen zum Vorbilde der guten Werke dar, und lasst die Gabe, die euch von Gott gegeben ist, nicht stillschweigen oder feiern, sondern legt sie mit großem Fleiße auf Wucher. Denn der Herr (von welchem ihr dieselbe empfangen habt) wird es mit Gewinn und Wucher (wenn er kommen wird) wieder von euch fordern. O meine Brüder und alle Mitglieder in Christo, seid sorgfältig und merkt fleißig auf, wo doch etwas zu gewinnen sei, und lasst euch um deswillen keine Mühe und Arbeit verdrießen, denn ihr werdet auch des Gewinnes mit teilhaftig werden, ja, ihr werdet, als treue Knechte, zur ewigen Freude eingeladen werden. Gleichwohl aber muss ein Knecht vorsichtig sein, daß er nicht seines Herrn Geld mit Unbesonnenheit, sondern mit aller Vorsichtigkeit, ja, mit Furcht und Zittern anwende; er soll allezeit, ehe er es anwendet, überlegen und erwägen, ob es Gewinn oder Schaden einbringt, damit man nicht durch Leichtsinn zuletzt des Herrn Geld verliere; und weil nun der Herr das Seine mit Wucher wieder fordern wird, wie könnte man es vor dem Herrn verantworten, wenn man die empfangene Summe nicht einmal hätte und vor ihn legen könnte.

O meine lieben Brüder, lasst doch erkannt werden, wer der sei, der in euch wohnt; lasst die Liebe und euren Glauben vor allen Menschen erkannt werden, und habt euch untereinander lieb aus reinem Herzen, als Glieder eines Leibes, wovon Christus das Haupt ist. Vergebe doch einer dem andern, wenn jemand irgendeine Klage gegen den andern hat, und wie euch Gott vergeben hat in Christo, so vergebt auch ihr. Einer trage des andern Last, dann werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen. Habt keinen Gefallen an euch selbst; ein jeder halte den andern höher als sich selbst. Hütet euch mit Bedacht vor Üppigkeit. Alle ihr jungen Brüder und Schwestern, seid treulich gewarnt vor leichtfertigem Schimpfen und Spotten, vor schandbaren Worten und Narrenteidungen, welche euch nicht geziemen.

Ihr Alten aber, lasst euch gesagt sein, lasst weder in Worten noch in euren Werken eine Verstellung erfunden werden, denn ich habe bei einigen große Fertigkeit oder Klugheit in Worten verspürt, was ich nicht loben kann und auch niemals gelobt habe; denn wenn wir einfältig sein sollen, so müssen wir ja die Listigkeit ablegen; darum merkt, was über ja und nein ist, das ist vom Argen. Aber es ist nicht damit gemeint, daß man nicht mehr als ja und nein sagen sollte, sondern, daß man seine Reden ohne Neid und Verstellung mit einem einfältigen Ja oder Nein schließen und befestigen, Maß halten und das Überflüssige abschneiden sollte, das ist, man muss sich der einfältigen Wahrheit bedienen, und damit umgehen. Wenn jemand dieses oder jenes fragt, und man gibt keinen Bescheid darauf, sondern auf etwas anderes, und will nachher sagen, man habe nicht gefehlt, indem, was man zur Antwort gegeben, sich in der Tat so verhalte, so ist solches nicht fein, meine Brüder. Auch geschieht es zu Zeiten, daß wenn man sich in irgendetwas vergangen hat, und darauf angeredet wird, man wohl eine Entschuldigung vorbringt, welche doch im Grunde die Ursache nicht ist, damit man dadurch sein Unrecht beschönige und dasselbe nicht an den Tag komme. Dies ist die Natur und Art des alten Adams (welches billig bei den Christen, die durch das Wort der Wahrheit wiedergeboren sind, nicht sein sollte), der seine Blöße allezeit gern mit Feigenblättern bedecken wollte; denn, als dieser wegen seiner Übertretung von dem Herrn angeredet wurde, so fand sich sofort eine Entschuldigung, womit er sich zu bedecken meinte; nämlich: »Das Weib, das Du mir gegeben hast, gab es mir (sagte er), und ich aß.« Ebenso, als Eva angeredet wurde, legte sie die Schuld auf die Schlange; wenn sie aber die Hauptursache ihres Vergehens hätte gerade heraus sagen wollen, so hätte es so gelautet: Das Vorwissen und der Hochmut hat uns dazu gebracht, nämlich, wir hätten gern muntere Augen gehabt, wir wären gern klug gewesen, wir hätten gerne Gutes und Böses gewusst, wir wären gern Gott gleich gewesen. Summa: Wir sahen, daß der Baum gut und lustig war, davon zu essen, und lieblich anzusehen, weil es ein lustiger Baum war, der klug machte, so haben wir uns überreden lassen und davon gegessen. Hätten sie dem Herrn so geantwortet, so wäre das eine aufrichtige, gründliche Antwort gewesen. Ihre Antwort, die sie dem Herrn gaben, war zwar auch wahr, aber sie enthielt nicht den rechten Kern oder die Grundursache ihres Falles und Vergehens; damit ihr aber, den rechten Sinn und die Meinung dieses Schreibens gründlich verstehen mögt, so wollen wir euch ein einfältiges Gleichnis beispielsweise vortragen: Wenn ein gläubiger Mann ein ungläubiges Weib hatte, welche schwanger würde und eine lebendige Frucht zur Welt brächte, der Mann aber wollte gern mit seinen Nachbaren und der Welt Freundschaft halten, wollte gern in seinem Hause und Hofe bleiben, wollte aber gleichfalls mit Christo und seinem Volke Frieden halten (was, nach Aussage des Wortes Gottes, nicht sein kann; denn, wie Christus sagt, kann niemand zwei streitigen Herren zugleich dienen), und würde nun zu seinem Weibe sagen, er gedächte nicht, seine Einwilligung zu geben, daß der Gräuel des Antichristen (ihr versteht es wohl, was ich meine) an dem Kinde vollzogen werden sollte, und wiewohl er es anders wenden und sein Weib überreden könnte, daß sie ihm folgte, und würde es ohne Widerspruch durchschleichen lassen, bei sich denkend: Wenn sie es aber dennoch tut, so bleibe in guter Ruhe bei meiner Habe, und werde von der Welt nicht verfolgt; werde ich aber von den Brüdern darüber angeredet, so kann ich sagen, es sei solches ohne meine Zustimmung durch mein Weib verrichtet worden, so würde dies, meine Brüder, keine aufrichtige und einfältige Antwort sein, wie ihr selbst wohl merken könnt. Dergleichen Exempel und Gleichnisse könnte man noch in Menge erzählen, aber der Kürze wegen lasse ich es für jetzt dabei bewenden. Ich begehre auch von euch, ihr wollt diesem tiefer nachdenken, wie ich euch hiervon eine Anweisung gegeben habe; darum seid hiermit gewarnt, und hütet euch vor solcher Verstellung; denn wenn auch ein Mensch sich vor dem andern (mit solchen Feigenblättern, womit er sich eine Schürze macht) bedeckt, daß man seine Blöße nicht sieht, so ist doch Gott ein Zeuge seiner Nieren und kann das Herz durchforschen, kennt auch aller Menschen Gedanken und Absichten, und wird alle Werke und Ratschläge urteilen, ja, alle Heimlichkeiten und verborgene Dinge, sie seien gut oder böse. Darum befleißigt euch, daß ihr in allen euren Worten und Werken, in all’ eurem Handel und Wandel mit aufrichtiger Lauterkeit umgeht, wie es den Kindern Gottes geziemt und unser Ruf es erfordert; und wenn jemand unter euch von einem Falle übereilt würde, der bekenne es geradezu, ohne Verstellung, wie es sich verhält, schäme sich auch dessen nicht, weil er sich zuvor auch der Tat nicht geschämt hat, sonst möchte es ihm nicht zum Besten ausschlagen; denn, wer seine Missetaten leugnet, dem wird’s nicht gelingen; wer sie aber bekennt und lässt, der wird Barmherzigkeit erlangen. Ich habe es zuvor gesagt und sage es noch einmal: Vor Menschen kann man sich wohl bisweilen mit einer schön gesetzten Rede verantworten, und mit einem Schurze von Feigenblättern bedecken; wenn es aber auf dem rechten Prüfsteine gerieben wird, so kann ein jeder zusehen, ob es dann auch die Probe halten werde.

Hierin mögen sich diejenigen wohl bedenken, die tägliches Gewerbe treiben, welchen ich wohl statt der Kaufmannschaft eine ehrliche Arbeit an die Hand wünschen wollte, und das nicht ohne Grund; denn wie ein Nagel in der Mauer zwischen zwei Steinen steckt, so steckt auch die Sünde zwischen Käufer und Verkäufer, sagt Sirach. Werdet ihr nicht beständig in der Furcht Gottes wandeln, so wird euer Haus bald umgeworfen werden; und was immer ich auch selbst in allen diesen Dingen gefehlt oder jemanden betrübt haben möchte, so ist mir solches von Grund meines Herzens leid; doch sei Gott im Himmel Dank gesagt, daß er mir armen schwachen Knecht, der ich mich doch dessen unwürdig erkenne, ein unverletztes oder unverdammtes Gewissen gegeben hat, denn ich habe niemals eine größere Freude auf Erden gehabt (solange ich mich erinnere), als ich jetzt habe. Der Herr bewahre mich, daß ich nichts aus Ruhm rede; ich bin aber gewiss, daß der, dem ich unwürdig in meiner Schwachheit gedient habe, mich nicht werde zu Schanden weiden lassen. Mich hat herzlich darnach verlangt und ich verlange noch herzlich darnach, daß ich von Gott gewürdigt werden möchte, daß ich durch die ganze Stadt Köln geführt, mit Ruten gestrichen, und dann wieder ins Gefängnis geworfen würde; nicht als ob ich damit einiges Verdienst suchte, ach nein, sondern damit dasjenige, was der Herr in mich gelegt hat, von jedermann (Ihm zum Preise, und nicht mir) erkannt und offenbar werden möge; doch wolle der Wille des Herrn geschehen; ich wünsche auch nichts anderes, das weiß der Herr, es mag kosten, was es will. Ich begehre auch von Grund meines Herzens, ja, ich gebiete es im Namen unsers Herrn Jesu Christi, daß ihr dasjenige bewahrt, was euch von Gott vertraut ist, denn es ist die rechte Wahrheit; solches bezeuge ich vor Gott und Menschen. Es laufe nun um euch, wer da will, gebt ihm keine Ohren; lasst die Hutterischen (oder Mährischen) lästern, wie und was sie wollen; ich sage: Gott bewahre mich davor, nämlich vor dem Treiben der Lehrer; ich bin in meinem Herzen frei in allem, was ich mit ihnen gehandelt habe; und wenn sie sagen wollten, ich dürfte um des Volkes willen nicht abweichen (wie ich vernommen, daß sie von unserm Bruder Thomas gesagt haben sollen), so sage ich nein dazu, denn ich weiß auf dieser Erde keinen Menschen, der mir so lieb wäre, daß ich ohne Glauben mein Leben für ihn dahingeben sollte; aber dem Herrn sei gedankt, das habe ich bei mir befunden, und befinde es auch noch kräftig bei mir, daß ich viel lieber mein Leben für meine Brüder lassen, als jemanden in Ungelegenheit bringen oder bekannt machen will, um dadurch mein Leben zu retten. Dieses sage ich (Gott weiß es) aus Glauben, und nicht aus Ruhm. So viele aber unter ihnen sind, die Gott gefallen, ich mag sie gesehen haben oder nicht, diese (gleichwie auch sonst andere) urteile ich nicht, denn sie stehen dem Herrn.

Desgleichen sage ich auch, daß ihr euch mit den andern nichts zu schaffen macht, es sei denn, daß sie von Herzen in dem Treiben wegen der Ehe und auch in andern Artikeln zurückkehren, sich vor Gott demütigen und sich auch im Leben mehr einschränken, als sie bisher getan haben, denn Pracht und Hoffart stinkt vor dem Herrn, darum ist es auch meinen Augen nicht angenehm oder gefällig. Darum legt es ab, denn es ist vor Gott ein Gräuel, und lasst weder Hoffart noch Frechheit in euren Worten oder Handlungen einige Herrschaft haben, denn in der Hoffart hat alles Verderben seinen Anfang genommen, wie Tobias seinen Sohn lehrt. So demütigt euch nun von Herzen unter die starke Hand Gottes, denn den Demütigen gibt er Gnade, den Hoffärtigen aber widersteht er. Was im Übrigen meine Umstände betrifft, so lasse ich euch wissen, daß ich mich dem Herrn ganz in seine Hände übergeben habe, was er will, das will ich auch. Ich weiß mir nichts zu erwählen, als daß ich Ihm ein angenehmes Opfer werden und bei Tage draußen vor dem Stadttore mein Opfer tun möchte. O wie sehr wollte ich Ihm danken! O meine lieben Mitglieder, aus welcher großen Traurigkeit hat mich der Herr erlöst, die ich Tag und Nacht in meinem Herzen getragen habe wegen der niederländischen Reise! Aber o welch ein treuer Gott! Wiewohl weiß er zu rechter Zeit diejenigen aus der Versuchung zu erretten, die Ihm solches von Herzen zutrauen können.

Es ist mir oft vorgekommen, ich würde nicht hinwegkommen, der Herr würde es anders fügen, wie auch mein liebes Weib und Schwester in dem Herrn wohl weiß, denn ich habe deswegen viele Reden mit ihr gehabt, dem Herrn müsse ewig gedankt sein. Ich habe von allen Gemeinden Abschied genommen und von einem jeden unter ihnen von Herzen begehrt, man sollte es mir vergeben, wenn ich jemanden betrübt hätte; ich habe mich auch hin und wieder so gegen sie erklärt, und bin damit fortgezogen; aber es stand mir eine viel bessere Reise vor, auf welcher ich mich nun befinde, der Herr sei dafür gelobt, denn ich lebe in guter Hoffnung, sie werde mir durch Gottes Gnade zum großen Gewinn dienen. O meine Brüder, mein Herz ist voll Freuden, ja, es fließt über von Freuden, es dünkt mich vor Freuden, daß ich den Himmel offen sehe. O möchte ich doch durch Schreiben (weil ich mit euch zu reden verhindert werde) mein Herz gegen euch ausschütten und abkühlen; es fehlt mir an Tinte; wie es mit mir steht, so steht es auch mit Joosken und Hermann, meinen lieben Mitgefangenen Brüdern; wir warten auf unsern Gott und grüßen euch alle mit einem heiligen Kusse. Der Gruß mit meiner Hand ist dieser: Die Gnade des Herrn Jesu Christi sei mit allen Gläubigen in Christo bis ans Ende, Amen.

Lasst euch meine jungen Waisen und alle andern anbefohlen sein, wie wenn ich es selbst wäre, zieht sie auf mit Bestrafen und Züchtigung in der Frömmigkeit, lehrt sie lesen und wenn es Zeit ist, so haltet sie zur Arbeit an; wenn ihr könnt, so lasst Aelken heilen, ich verspreche ihm die drei Stücklein Geld, das silberne und die beiden andern, auch einem jeden derselben ein Testament, das soll ihr Erbgut sein von ihrem Vater.

Desgleichen lasst euch auch mein Weib befohlen sein, solange sie Gott fürchtet, wie ich hoffe, daß sie tun wird bis an das Ende, wenn sie anders wieder frei wird. Der Herr erkennt, was ich euch gesagt, und was ich bei allen Gläubigen gesucht habe, nicht Reichtümer oder Schätze auf dieser Erde, sondern die Seligkeit der Seelen der Menschen; auch begehre ich, daß ihr euch fest zusammenhaltet mit Lehren, mit Ermahnen, mit Bestrafen. Folgt euren Vorgängern und unterwerft euch ihnen, denn sie wachen über eure Seelen, und ihr Diener flieht allen Schein und seid von Herzen allen Gläubigen ein Vorbild der guten Werke. Lest, wie Paulus seinen Timotheus und Titus ermahnt habe; lasst es euch auch zur Warnung dienen, der Herr gebe euch Verstand, Amen. Liebe Brüder, von unserem Verhöre und Examen habe ich früher, wie ihr wisst, auf das Kürzeste geschrieben; aber sollte ich euch alle Fragen, die sie an mich getan haben, und meine Antworten darauf der Reihe nach aufschreiben, so müsste ich dazu zuviel Tinte, Papier und Zeit haben, insbesondere aber, wenn ich euch schreiben wollte, was zwischen mir und dem Grafen den Tag über teils in Freundlichkeit und auch wohl mit gesalzenen Reden verhandelt worden ist, denn es ist sehr viel. Übrigens aber, wenn wir wären, wo uns der Graf hinwünscht, so waren wir frei; sein Gewissen ist nicht frei, es klagt ihn an, der Herr wolle ihm rechte Buße in sein Herz geben, auch ihm die Augen seines Herzens öffnen, um den Willen Gottes zu erkennen und das Licht von der Finsternis zu unterscheiden, damit er die Finsternis hassen und ganz verlassen und das rechte Licht lieben und demselben von ganzem Herzen anhangen möge, damit er auch an dem Tage mit den wahren Kindern des Lichts seinen Teil von der Hand des Herrn empfangen möge. Das wünsche ich ihm und allen unsern Feinden und Widersprechern von Gott (so viel es möglich ist) aus dem Grunde meines Herzens; sonst geht es uns noch wohl an Leib und Seele. Wir hoffen, daß wir die Zahl der Frommen werden erfüllen helfen und mit unsern Vätern ruhen und auf die herrliche Belohnung aller Frommen warten werden. Ich grüße alle Gläubigen mit einem heiligen Kusse; grüßt euch untereinander mit dem Kusse der Liebe, und vergesst weder unserer noch eines der Gefangenen, sondern haltet an mit starkem Gebet für uns zu Gott; denn es ist sehr nötig, indem (wie mich dünkt) es gut war, zu unseres Bruders Thomas Zeit gefangen zu sein, denn die Arglist der Menschen vermehrt sich alle Tage; darum betet fleißig für uns, wir hoffen eurer auch nicht zu vergessen; der Herr sei mit uns allen, Amen. Von mir, Mattheiß Servaes, eurem schwachen Bruder, einem unwürdigen Diener und Gefangenen Jesu Christi, welchem ich diene am Evangelium in meinen Banden, und hoffe, daß meine Erlösung nahe sei.

Ich begehre auch von dir, J. N. B., daß du dieses ordentlich abschreibst und dafür sorgst, daß meinem Weibe, welche auch gefangen sitzt, eine Abschrift davon eingehändigt werde, und wenn es euch gefällt, so kann es auch von den Brüdern gelesen werden; dünkt es euch aber nicht dienlich oder zum Lobe Gottes förderlich zu sein, so könnt ihr es unterlassen, denn ich suche darin nicht ein Haar breit mein Lob, sondern das Lob des Herrn, und den Trost der Freuden der Gläubigen. Meine Mutter grüße ich insbesondere und will, daß sie ohne Betrug dem Herrn diene; solches begehre ich auch von meinem Bruder Johann und meinen Schwestern. Geschrieben und gelesen mit vielen Tränen und das von Herzen. Ihr wisst, meine Brüder, daß ich meinen Dienst nicht unbedachtsam aufgenommen habe, sondern mit vielen Tränen, ebenso übergebe ich ihn nun wieder; damals zwar habe ich vor Traurigkeit geweint, jetzt aber weine ich aus herzlicher Freude; mit Tränen habe ich den Dienst von euch (ich glaube auch von Gott) empfangen, aber mit Freudentränen übergebe ich ihn dem Herrn, wenn es Ihm gefällt, und euch wieder. Der Herr wolle meinen Platz wieder vielfältig erfüllen mit treuen Knechten, Amen. O, H., wie ist mein Herz in dem deinen! Beweist doch gegen alle ein väterliches Herz mit aller Demut, es gehe euch wohl oder übel, so schreibt doch dem Herrn den Preis zu, denn er macht es alles und tut es alles und nicht wir. Verlasst das Volk im Niederlande nicht, macht es so gut als ihr könnt, straft sie scharf wegen der Hoffart, das begehre ich; bewahrt es wohl, was euch vertraut ist, H. und F., und alle vergesst es nicht. Grüßt mir T. W., meinen lieben Bruder, den ich in meinem Herzen liebe. Lasst euch den Handel droben im Lande nach göttlicher Art angelegen sein, verhütet die Trennungen des Volkes, wo ihr könnt. Dieses sei allen denen geschrieben, die gern ein Schreiben von mir hätten, denn ich kann nicht einem jeden besonders schreiben, ich suche keinen Ruhm hierin; die Gnade Gottes sei mit uns allen, Amen. Gegeben den 9. Juli 1565.