Der Märtyrerspiegel

Teil II - Kapitel 2.289

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2.289  Ein Brief von Adrian Pan, geschrieben aus seiner Gefangenschaft, 1559.

Gnade und Friede von Gott, unserem himmlischen Vater, durch die Verdienste Jesu Christi, seines geliebten Sohnes, und die rechte Erleuchtung des Heiligen Geistes wünschen wir allen Liebhabern der ewigen Wahrheit, Amen.

Meine herzlich geliebten und erwünschten Brüder, die wir von Grund unseres Herzens lieben und in unserm Herzen tragen, als solche, mit welchen wir eine Seele und ein Leib sind. Obgleich wir eurer, der Wahrscheinlichkeit nach, beraubt sind, so seid ihr doch um desto mehr in unsern Herzen; darum bitten wir euch, daß doch niemand wegen unserer Trübsal, welcher wir nun übergeben sind, ablassen wolle; denn wir hoffen, es werde euch eine Freude sein, solches zu hören, indem wir gewiss wissen, daß es um der rechten Wahrheit willen geschieht. Niemand unter euch leide als ein Übeltäter (sagt Petrus) oder als ein solcher, der nach anderer Gut trachtet; leidet ihr aber als Christen, so seid ihr selig; denn die Herrlichkeit und der Geist Gottes ruht auf euch, aber bei ihnen wird er verlästert. Paulus sagt, daß das Leiden dieser Zeit der Herrlichkeit nicht wert sei, die an uns offenbart werden soll; ja, daß kein Auge gesehen habe, noch jemals in eines Menschen Herz gekommen sei, was Gott denen bereitet hat, die ihn lieben. Gleichwie des Leidens Christi viel über uns kommt, so werden wir auch reichlich getröstet durch Christum. Meine lieben Brüder! Sollten wir nicht guten Mutes sein, wenn wir solchen Trost vernehmen? Meine lieben Freunde, je mehr wir in Widerwärtigkeit versucht werden, desto reichlicher werden wir getröstet. Das haben wir sattsam erfahren, als wir ihnen zuerst in die Hände gerieten, und sie unser Haus überfielen, als wollten sie dasselbe, samt allem, das darin war, zugrunde richten; da wurde mein Herz gestärkt, als ob ich ein anderer Mensch geworden wäre. Meine Hausfrau war zwar ein wenig in der Not, ehe sie Hände an uns legten; als sie aber sah, daß es sein musste, so wich die Furcht von ihr, wie ein Kleid, das man ausgezogen hat, sodass sie anfing zu singen:

Drum seid besorgt und auf der Wacht, Denn wie ein Dieb in finst’rer Nacht, Wird kommen Er, eh’ wir’s gedacht.

Denn wir hatten unsern Hausrat eingepackt und gedachten in Eile fortzuziehen; der Herr aber hat es anders gefügt; er müsse gelobt sein in Ewigkeit. Als sie nun in der Eile raubten, hätte ich gerne gesungen; denn ich habe niemals eine größere Freude in mir gehabt, als nun in diesen Zeiten; aber ich bezwang mich selbst, daß ich nicht sang, weil ich dachte, es warten noch viele Prüfungen auf mich; der Herr aber sei gelobt, der uns nicht zu Schanden werden lässt. Sie warfen uns vieles vor von Münster und Amsterdam; aber ich sagte, daß ich daran nicht Schuld hätte, sondern es sei um der rechten Wahrheit willen, weshalb wir litten; auch sei ich noch nicht 33 Jahre alt, wie hätte ich dabei sein können? Einige lästerten, andere aber beklagten uns; aber ich sagte: Weint nicht über uns, sondern weint über euch selbst und über eure Kinder. Es dünkt mich, wir hätten mit David wohl sagen mögen: Ich fürchte mich nicht vor vielen Hunderttausenden, die sich umher wider mich legen. Sie umgeben mich überall; gleichwie Bienen umringten sie mich, aber im Namen des Herrn will ich sie zerhauen. Meine lieben Brüder, dieses melde ich nicht aus eitlem Ruhme, sondern aus Freude, und um unserm Gott für seine große Macht und Stärke zu danken, die er uns verliehen hat, und allen Liebhabern der Wahrheit, die solches hören werden, zur Freude. Bittet für uns, dass wir bis ans Ende standhaft bleiben mögen. Auf gleiche Weise bitten wir auch, nehmt unser geringes Schreiben zum Besten auf.

Den fünfzehnten Tag unserer Gefangenschaft und den 9. Tag im Mai.

Mein Weib und ich lassen euch sehr grüßen, auch alle die uns bekannt sind oder nach uns fragen.