Der Märtyrerspiegel

Teil II - Kapitel 2.438

Zum Inhaltsverzeichnis

2.438  Des Wouter Denys erster Brief an sein Weib.

Einen herzlichen Gruß an dich, mein geliebtes Weib und Kinder, wie auch an den Vater, Bruder, Schwestern und alle meine Freunde nach dem Fleische, auch an alle, die mir bekannt sind, und die Gott von reinem Herzen fürchten. Diese Furcht aus reinem Herzen verleihe euch der allmächtige Gott durch seinen Sohn Jesum Christum.

Mein geliebtes Weib und meine Kinder, die ich nebst Gott liebe, nehmt doch dieses zu Herzen, denn ich habe es mit großem Fleiße geschrieben. Seht, ich denke (und weiß auch nicht anders), daß ihr nichts weiter von mir empfangen werdet; darum lasst meine Reden in euren Ohren bleiben, wollt ihr anders selig werden. Vor allen Dingen bitte ich dich aus meines Herzens Grunde durch Jesum Christum, du wollest deine und meine Kinder allezeit mit großem Fleiße in der Furcht Gottes unterrichten und ermahnen, solange euch der Herr beieinander lassen wird; auch bitte ich dich, du wollest sie allezeit im Zaume halten, damit sie nicht über dich herrschen; du hast ja an einigen einen schönen Spiegel; aus Bescheidenheit aber will ich darüber schweigen und es auf sich beruhen lassen, denn ein jeder muss für sich selbst Rechenschaft geben. Darum, meine Liebe und Werte, bitte ich dich um Christi willen, daß du in der Furcht des Herrn wandeln wollest, und suche deine Seligkeit mit mehr Fleiß, als du bisher getan hast; schäme dich auch nicht, um das zu fragen, was die Seligkeit betrifft, sondern laß uns beschämt sein vor dem Herrn um unseres Elendes und unserer Blöße willen, denn wenn uns der Herr besucht, so wird wohl ein jeder begehren, herrlich, unbefleckt und unsträflich erfunden zu werden in der Schwachheit, indem es sehr gut ist, wenn man in Bande gerät, oder auf das Totenbette kommt, daß man ein ruhiges Gewissen habe. Darum ermahnt uns auch der Apostel Petrus, daß alle, die nach dem Willen Gottes leiden, ihre Seelen dem treuen Schöpfer mit guten Werken anbefehlen sollen. Ebenso ermahnt uns auch der Apostel, daß ein jeder sich bemühen sollte, der Vornehmste in guten Werken zu werden, und Christus spricht in seinem Evangelium: Wer nicht Äcker, Haus, Vater, Mutter, Weib, Kinder, ja, sein eigenes Leben verlässt, der ist nicht tüchtig, mein Jünger zu sein.

Darum muss ein jeder, der selig werden will, seinem Heilande gehorsam sein, wie an allen Stellen das Wort des Herrn bezeugt. Deshalb befleißige dich, dem Worte des Herrn zu gehorchen und nachzufolgen, denn außer dem Worte Gottes ist keine Seligkeit zu finden, obschon die falschen Propheten viel Rühmens von sich machen, denn von Anfang der Welt her hat der Gerechte von dem Ungerechten leiden und verfolgt sein müssen. Der Herzog unserer Seligkeit hat es ja selbst gelitten, und ist uns ein Exempel und Vorbild gewesen, daß man ihm nachfolge, und sehen möge, daß der Knecht nicht besser sei als der Herr. Darum bitte jeder, der selig werden will, den Herrn ohne Aufhören aus seines Herzens Grunde und mit Tränen; ich bitte dich auch, mein liebes Weib, du wollest unsere Kinder, wenn es dir möglich ist, lesen und schreiben lehren, damit sie Verstand haben, etwas zu untersuchen.

Darum, mein liebes und sehr wertes Weib, die ich nächst in Gott mehr als alle Menschen liebe, nimm dieses zu Herzen, und ein Gleiches mögen alle tun, die solches sehen oder lesen hören werden. Auch bitte ich euch, Brüder und Schwestern, und alle, die Christum recht erkennen und seine Zukunft lieben, daß ihr nicht nur für die Meinigen, wenn sie zum Verstande kommen, sondern für alle, die sich in gleicher Lage befinden, gute Fürsorge tragen mögt; desgleichen befehlt dem Hansken te Proenktens, daß er den Pieter zu Zeiten ermahnen, und dabei untersuchen wolle, wozu wir berufen sind, und um welches Zeugnisses willen sein Vater zu Werwyk, in Flandern, verbrannt worden sei.

Ich bitte auch jeden, der selig werden will, daß er die Gnade Gottes nicht versäume. Seht, nun ist die angenehme Zeit; seht, nun ist der Tag des Heils; ein jeder mag sich vorsehen. Ich habe auch hier den zwanzigsten Tag im April, ungefähr um elf Uhr einen Brief empfangen, der mir angenehm war; ich will es aber dabei lassen und fortfahren; so wisst denn ferner, daß wir noch immer tapfer sind; ich hätte wohl euch etwas senden wollen, wenn ich gekonnt hätte; dieses aber sende ich euch allen zum Gruße und meinen Kindlein zum Andenken. Auch ist mein Begehren an euch, die ihr dort bleibt, daß ihr dieses bewahrt, bis sie zu Verstande kommen, wenn es euch anders möglich ist, daß vielleicht der Herr Gnade und Erkenntnis der Wahrheit gebe, wie ich auch hoffe, daß er tun werde. Ich bitte einen jeden von euch aus meines Herzens Grunde und mit Tränen vor Gott, daß er meine Schwachheit zum Besten in der Liebe aufnehmen wolle, und beklage es vor Gott und Menschen, daß ich nicht mehr geleuchtet habe, und daß das Pfund, das ich empfangen, nicht mehr Gewinn gebracht hat.

Darum mag ein jeder Wohl zusehen und allezeit wachen, denn ich bezeuge vor Gott und den Menschen, daß ich nicht auf eine leichtfertige Weise hierher gekommen bin.

Darum sehe ein jeder zu (dieses bitte ich euch), daß ihr dieses nicht leichtfertig aufnehmt, denn wisst, daß ich es auch nicht leichtfertig geschrieben habe; ich sage mich mit dieser Warnung von jeder Verantwortlichkeit los. Ein jeder sehe zu.

Geschrieben nun mir, deinem Manne und lieben Freunde, Wouter Denys.