Der Märtyrerspiegel

Teil II - Kapitel 2.16

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2.16  Hans Schlaffer und Leonhard Fryk, 1528.

Auch ist im Jahre 1528 der Bruder Hans Schlaffer, der früher römischer Pfaff, dann aber ein Lehrer des Wortes und des Evangeliums Christi gewesen, ein hochbegabter Mann, zu Schwatz im Inntale gefänglich eingezogen worden und mit ihm ein Bruder Leonhard Fryk. Man hat ihm mit strenger Pein sehr zugesetzt und durch die Pfaffen mit ihm von der Kindertaufe handeln lassen, aber er hat mit der göttlichen Schrift mündlich als auch schriftlich ihnen seine Verantwortung vorgelegt, wie durch das ganze neue Testament befohlen und zu ersehen ist, dass man zuerst das Wort Gottes lehren und nur diejenigen taufen soll, die es hören, selbst verstehen, glauben und annehmen. Dieses ist die rechte christliche Taufe und keine Wiedertaufe; der Herr hat nie befohlen, die Kinder zu taufen, sie sind schon zuvor des Herrn und solange sie in der Unschuld und Einfalt sind, kann man sie nicht verdammen. Auch haben sie ihn gefragt, worin eigentlich das Prinzip der Sekte der Wiedertäufer bestehe, worauf er ihnen antwortete: Unser Glaube, Tun und Taufen ist auf nichts anderes gegründet als auf den Befehl Christi in Mt 28; Mk 16, wo Christus sagt: »Gehet hin in alle Welt und predigt allen Kreaturen, wer da glaubet und getauft wird, soll selig werden,« nebst vielen andern Schriftstellen.

Auch haben sie gefragt, was für eine Absicht unter solcher Wiedertaufe verborgen sei, indem ihr Bestreben dahin gehe, Aufruhr und Abfall zu erwecken? Aber er antwortete ihnen: Es sei noch nie in sein Herz gekommen, Aufruhr zu erwecken, auch habe ihm solches an andern nicht wohl gefallen, ja er habe ein Haus geflohen, in welchem man uneinig gelebt habe; solches könne er durch alle diejenigen beweisen, bei welchen er bis dahin gewohnt habe. Auch sei darunter keine andere Absicht verborgen, als das Leben zu bessern und von dem lasterhaften Leben der Welt abzulassen, wie denn auch in seiner Lehre, welche er führte, das Gebot besonders herrsche, dass man der Obrigkeit in allen guten Dingen untertänig und gehorsam sein solle; wie hätte er nun sich vorgenommen haben sollen, Aufruhr und Abfall zu erwecken? Auch begehrten sie von ihm zu wissen, wer die eigentlichen Urheber und die Bedeutendsten dieser ketzerischen Hauptsekte seien (wie sie dieselben mit Unrecht nannten). Er sagte ihnen: Er wüsste keine Häupter seines Glaubens, als den Sohn Gottes, Jesum Christum, derselbe sei der rechte Herzog des Glaubens; dass man sie aber Ketzer und aufrührerische Sekten nenne, darüber sollte man die Klagen der Juden über Christum vor Pilatus und die Klagen über den Apostel Paulus vor dem Landpfleger Felix lesen. Desgleichen hat man ihn auch gefragt, was ihn veranlasst und dazu gebracht habe, dass er seine priesterliche Bedienung und sein Amt verlassen habe. Hierauf hat er ihnen gesagt, dass er solches um des Gewissens willen getan hätte, weil er in eines Propheten Stande sei und geglaubt habe, dass er von Gott ausgesandt sei. Auch begehrten sie von ihm zu wissen, wer ihn beschieden hatte, nach Deutschland zu ziehen, um solchen bösen Samen der Wiedertäufer fort zu pflanzen? Er antwortete ihnen hierauf: Es hätte ihn niemand dazu beschieden, sondern nachdem er nirgends einen Aufenthalt gehabt und im Elend hätte umherziehen müssen, sei er zu einem seiner Freunde gekommen, bei welchem er sich aufgehalten; von da sei er nach Schwatz gekommen, wo er nach dem Willen und wegen des Willens Gottes gefangen worden sei. Was den bösen Samen betreffe, wovon sie sagten, davon wüsste er gar nichts; er hätte nichts Böses vor, sondern vielmehr die lautere göttliche Wahrheit.

Nach diesen und andern Vorgängen haben sie ihn und seine gefangenen Brüder, nachdem er eine Zeitlang gefangen gelegen und nicht abweichen wollte, vom Leben zum Tode verurteilt und sie zu Schwatz mit dem Schwerte gerichtet und haben sie in solcher Weise die göttliche Wahrheit mit ihrem Blute bezeugt.

Er hat seinen Brüdern in Christo die nachstehende Ermahnung und Danksagung hinterlassen:

O Gott! Ich bitte um deine Gnade! Du wollest mir meine Sünden nicht zurechnen, indem Christus für dieselben genug getan hat, ehe ich geboren war. Ich war dein Feind und du hast mich geliebt, mich in Gnaden aufgenommen und für mich, zu meiner Erlösung, das unschuldige Blut deines geliebten Sohnes dahin gegeben, obgleich ich noch an mir viele Spuren der anklebenden Sünden wahrnehme, welche sich in meinem Fleische hervortun. Denn wenn ich das Gute tun will, hanget mir das Böse an. Um deswillen bin ich betrübt und mag wohl mit dem Apostel Paulus seufzen und rufen: Ich elender Mensch, wer wird mich erlösen von dem Leibe dieses Todes? Und ich muss mir selbst antworten und sagen: Ich danke meinem Gott, der mir durch Christum den Sieg gegeben hat. Du bist mein Trost, denn weil ich von Herzen glaube, so kann ich nicht verdammt werden. Der Geist ist zwar willig und bereit, aber das Fleisch ist schwach, so dass es nicht dem Gesetze Genüge tun kann, bis Christus mit seinem Geiste stärkt. Wo menschliche Gesetze auf Erden regieren, da werden die elenden Gemüter verführt; ja, wo Jesus Christus nicht allein der Beherrscher ist, baut und die Aufsicht hat, da besteht kein Gebäude, sondern bleibt alles zerrissen und zerbrochen. Obschon die Welt andere Dinge hochhält, so sind sie doch vor Gott verschmäht; darum bitten wir dich alle gemeinschaftlich, jung und alt, groß und klein, dass du, o Gott, dich unserer erbarmen und uns armen Kindern getreue Hirten senden wollest, die deine Gabe austeilen, damit jede Menschenlehre ausgerottet werden möge; denn es ist Zeit, dass man rechte Buße tue und von dem Bösen ablasse, indem das strenge Urteil Gottes vor der Türe ist. Darum lasst uns zu der Züchtigung unseres Vaters unsere Zuflucht nehmen und ihm in Gehorsam uns unterwerfen, damit er uns, als seine Kinder, züchtige. Die Welt ist verblendet, sie kennt der Christen Leben nicht, sie hat davor einen Abscheu, flieht vor dem Kreuze und meint, es sei genug, wenn sie nur von dem christlichen Leben fein mit Worten reden könne, mit der Tat aber wenig vollbringt.

Aber, meine Brüder! Wer ein aufrichtiger Christ sein will, der muss Christum anziehen und ihm in seiner armen Gestalt gleich werden auf dieser Erde und darin mit getrostem Mute alles aufnehmen, was ihm in dieser Welt begegnet. Hier hilft kein auswendiger Schein, dass man Christum lieb habe und um seines Namens willen leide; man muss sich auch seiner nicht schämen, der uns zuerst geliebt und sich für uns dem schmählichen Tode übergeben hat. Es kann in Wahrheit nicht anders sein, als dass das Gericht erst an dem Hause Gottes anfange. So wird nun die Heilige Schrift erfüllt, weshalb die Strafe, womit die Welt heimgesucht werden wird, bereits vor der Türe ist; darum soll sich niemand versäumen, denn das Schwert ist gezogen, der Bogen ist gespannt und der Pfeil darauf gelegt und man zielt, um zu schießen. Ich meine hiermit nicht, dass man eine Ausflucht suchen, sondern des Vaters Züchtigung annehmen soll, wie oben gesagt worden ist, womit er uns zu demjenigen läutert, wozu er uns versiegelt hat, damit wir des ewigen, unvergänglichen Reichs mit ihm versichert sein und dasselbe ewig mit ihm in dem ewigen Leben besitzen sollten, wozu uns Gott sämtlich stärken und kräftigen wolle. Amen.