Der Märtyrerspiegel

Teil II - Kapitel 2.512

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2.512  Noch ein Brief von Joost Verkindert, geschrieben in den Banden an sein Weib, den 2. September.

Die Gnade und der Friede von Gott, dem himmlischen Vater, die Liebe seines geliebten Sohnes, samt dem Troste, der Freude und Wonne des Heiligen Geistes wünsche ich dir zum freundlichen Gruße, mein sehr liebes und wertes Weib und Schwester in dem Herrn. Ich lasse dich wissen, daß es mit mir gegenwärtig noch ziemlich wohl steht; darum sage ich dem Herrn für seine große Güte und Gnade Lob und Dank, und hoffe, dasselbe auch von dir zu hören. Ferner berichte ich dir, daß ich dein Brieflein empfangen habe, und sage dir für deine gute Ermahnung und christliche Sorge für mich in diesen meinen Banden meinen Dank. Ach, meine Geliebte, das mag wohl mit Recht der enge Weg genannt werden; denn wir werden von allen Seiten angefochten, nämlich, von Fleisch und Blut; auch ist der Satan Tag und Nacht geschäftig, uns auf allerlei Art und Weise in Irrtum oder Unglauben zu bringen, denn die Feinde des Kreuzes Christi fallen uns sehr listig an; bald haben sie Mitleiden mit uns und sagen: Ich will an eurem Blute unschuldig sein; bald sagen sie: Wenn ihr in eurem Glauben sterbt, so müsst ihr aus diesem Feuer in das ewige Feuer gehen; ich antwortete ihm hierauf, daß wir eine bessere Hoffnung hätten, und denen nicht gleich wären, die Streiche in die Luft tun; er sagte, daß wir den Teufel hätten, und von ihm so fest gebunden und gehalten würden, daß wir uns nicht bewegen ließen; wir erwiderten, daß die Juden auch zu Christo gesagt hatten, daß er den Teufel hätte. Es sollte mich Wunder nehmen, sagte er, ob es nicht helfen würde, wenn man euch beschwören würde, und was dergleichen lästerliche Worte mehr sind. Wir sagten, er sollte die Seelen suchen, und Huren, Buben und Trunkenbolde und das ungöttliche Wesen unter dem Volke bestrafen, denn solchen sei das Himmelreich abgesagt; er antwortete, daß er solche zur Besserung ermahnte. Lorenz sagte ihm, daß alle ihre Dinge und Zeremonien nichts als Heuchelei und ein Gräuel wären, und daß sie dem Volke die Messen bei Dutzenden verkauften; er antwortete dem Lorenz: Wenn du ein weiser Mann wärest, so würde ich dir solches übel aufnehmen; ich fragte ihn, wo man von einer Messe geschrieben fände; er sagte, sie wäre ein Opfer, und redete sehr viel von dieser Materie, sodass man sich verwundern musste, wo er alles herzuholen wusste; er brachte auch vieles unter einem glänzenden Scheine vor und sagte, unter anderem, er wollte sein Blut für uns vergießen, wenn er unsere Seelen gewinnen könnte; ich erwiderte, daß er gleichwohl nicht würde für uns sterben, und uns frei ausgehen lassen wollen; er sagte, es wäre schädlich, daß wir lebten; ich entgegnete: Mein Herr, es wundert mich sehr (weil du sagst, das wir verdammt seien, wenn wir in diesem Glauben sterben), daß ihr uns nicht lieber leben lasst, denn solange der Mensch lebt, hat er Gelegenheit und Zeit zur Besserung und Bekehrung; aber hierzu hatte er wenig Lust und sagte, wir hätten die ärgste Lehre auf Erden; denn die Calvinisten und Martinisten, sagte er, ließen sich besser bedeuten als wir; wir konnten daher nicht einig werden; übrigens sagte er, daß er täglich für uns betete, und noch heute unserer in seiner Messe gedacht habe. Wir sagten, daß wir den Herrn auch Tag und Nacht um dasjenige bäten, was uns am seligsten wäre. Wir suchten, sagte er, die Seligkeit wohl, aber mit Unverstand; auch wollte er in dem Brote oder Nachtmahle Christi Fleisch und Blut wesentlich haben; hierüber sprachen wir nur wenig; ich sagte ihm nur, gleichwie die Kinder Israel ein goldenes Kalb machten, um demselben als einem Abgotte zu dienen, und zu demselben sagten, daß es ihre Götter wären, die sie aus Ägypten erlöst hätten, so verhält es sich auch mit eurem Volke, denn sie sagen: Dies ist unser Gott, der uns an dem Kreuzesholze erlöst hat. Er sagte, es wäre Abgötterei, wenn er nicht im Brote wäre; aber wenn der Priester die Worte darüber gesprochen hat, so kommt er sakramentalisch hinein; darum ist es auch keine Abgötterei, sagte er. Als er uns aber mit keinen Schriftstellen überzeugen konnte, so hielt er uns die Befreiung und den Pardon vor, um uns dadurch zu locken; dadurch wurde mir der Streit um desto schwerer gemacht; doch hoffe ich, der Herr werde uns das Feld erhalten helfen, denn es wäre unmöglich, ohne Gottes Hilfe zu bestehen.

Darum, meine Geliebten, helft mir doch den Herrn herzlich bitten, daß er mich durch seine große Güte und Langmut wie seinen Augapfel bewahren wolle, damit ich nicht durch Weltweisheit oder fleischlichen Überfluss verführt werde, oder von meinem Gott abweiche, wovor ich mich sehr entsetze, sondern daß er mich in meinem guten Vorhaben trösten und stärken wolle, zum Preise seines heiligen Namens und meiner Seele Seligkeit.

Hiermit will ich dich dem gekreuzigten, blutigen Christo Jesu anbefohlen haben, und dem reichen Worte seiner Gnade, der in seinen Verheißungen treu ist. Ich grüße dich, meine Geliebte, mit dem Kusse des Friedens; ebenso grüßen auch Lorenz und ich alle unsere Bekannten sehr herzlich mit dem Frieden des Herrn, Amen.

Geschrieben von mir, Joost Verkindert, unwürdig gefangen in dem Herrn, in meinen Banden.