Der Märtyrerspiegel

Teil II - Kapitel 2.633

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2.633  Ein Sendschreiben oder Ermahnung von Reytse Ayseß, geschrieben an die Freunde.

Ach liebe Freunde, erschreckt und verwundert euch nicht, wenn ihr in mancherlei Anfechtungen, die einem Christen zustoßen und auch jemandem in Banden und Gefängnissen begegnen können, geprüft werdet, denn ich finde nun, daß es dem Fleisch ach schwer ist, aber dem Geist nach ist es sehr leicht, indem es eine Kraft Gottes ist; das habe ich in diesen Banden erfahren, daß der Herr mit denen ist, die Ihn von Herzen suchen und fürchten. Darum, meine lieben Freunde, die ihr mit mir gleichen Glauben empfangen habt, fürchtet den Herrn von Herzen, damit ihr Widerstand leisten könnt, wenn es etwa des Herrn Wille wäre, daß ihr in solche Bande und Gefangenschaft kommen solltet, denn sie treiben viel List und Schalkheit, um uns von der Wahrheit abzuziehen; sie können die Lügen erheben und die Wahrheit mit erdichteten Worten vernichten, die sie bisweilen mit sanften, bisweilen aber mit harten Reden vorbringen, womit sie einen schwach und verzagt zu machen suchen, wie sie mir getan haben. So geht auch der Satan, wie Petrus sagt, um uns herum wie ein brüllender Löwe und sucht uns zu verschlingen; ebenso hat er mich oft angefallen, aber der Herr hat mich bisher bewahrt, wofür ich Ihm danke; einmal aber hat mich der Satan mit einer Versuchung überfallen, das muss ich euch schreiben, wie listig der Arge ist. Ich redete einmal mit einem Pfaffen, welcher bei dieser Gelegenheit über uns lästerte und sagte, sie sängen Davids Psalmen, wir aber die Lieder, welche Menschen gemacht hätten. Als ich nun wieder ins Gefängnis kam, überfiel mich der Versucher sehr listig, daß es wahr wäre, daß wir Lieder sängen, die Menschen gemacht hätten; ich war betrübt, daß ich leiden sollte; es mochte Unrecht sein, ich wäre noch jung von Jahren; mit solchen Vorstellungen plagte ich mich, zuletzt aber dachte ich, ich weiß es besser, daß die Lieder aus der heiligen Schrift gemacht worden sind, und daß es recht ist; konnte ich darnach tun, ich würde wohl selig werden; ich dachte der Pfaffen Leben und ihrem Glauben nach, auch demjenigen, was sie wider die Heilige Schrift geredet hatten, welches Lügen waren; deshalb bat ich den Herrn, und es kam mir nicht mehr in den Sinn. Darum, liebe Freunde, ist der Satan sehr listig, aber man muss den Herrn allezeit bitten in allem Anliegen, weil er uns in mancherlei Versuchungen zusetzt, denn der allmächtige, ewige, barmherzige Gott wird uns nicht über unser Vermögen versucht werden lassen, sondern wird nebst der Versuchung ein Auskommen verschaffen, wie Er gesagt hat, denn Er ist unser Hauptmann und unser Kriegsmann in all unserer Not. Erschreckt darum nicht, wenn sie mich auch an einen Pfahl stellen und verbrennen, sondern werdet dadurch gestärkt, daß der Herr noch kräftig ist in seinen Werken; fürchtet Ihn allezeit, lobt Ihn und dankt Ihm von nun an bis in Ewigkeit, Amen.

Weiter danke ich denen, die mir das Buch gesandt haben, denn es hat mich sehr erquickt und ergötzt in dem Herrn, und seid alle dem Herrn befohlen, die ihr Ihn fürchtet.