Abschrift eines Briefes, welchen eine Jungfrau, jung von Jahren, genannt Nelleken Jaspers Tochter, von Blyenberg, aus dem Gefängnisse zu Antwerpen geschrieben, welche auch daselbst um des Zeugnisses Jesu Christi und seines göttlichen Wortes willen ihr Leben gelassen hat:
Gnade und Friede sei von Gott, dem ewigen allmächtigen Vater durch Jesum Christum, der sich selbst für uns in die Hände der Feinde um unserer Sünden willen dahingegeben, auch viel von den Sündern erlitten hat, damit er uns von der argen verkehrten Welt, nach dem Willen seines Vaters, erlösen möchte; demselben sei Preis und Ehre von Ewigkeit zu Ewigkeit, Amen.
Diesen blutigen und gekreuzigten Jesum Christum wünsche ich zum herzlichen Gruße und Geschenke eures Gemüts allen lieben Brüdern und Schwestern in dem Herrn, und allen denen, die Gott von Herzen fürchten. Ferner tue ich euch, meinen herzlich geliebten und werten Freunden und Auserwählten in dem Herrn, kund, daß mein Gemüt noch unverändert sei, und daß ich bei der ewigen Wahrheit mein ganzes Leben hindurch und solange ein Atem in meinem Leibe ist, zu stehen begehre; ich bin guten Muts, dem Herrn sei ewiges Lob, Preis und Dank für seine große Gnade, die er an mir erweist, denn ich bin von Anfang her wohlgemut gewesen, ja, er gibt mir solche Freude in mein Herz, daß ich es nicht aussprechen kann; ebenso kann ich auch dem Herrn nicht genug für seine großen Wohltaten danken, die er an mir erweist.
Desgleichen lasse ich euch auch wissen, meine lieben Brüder und Schwestern in dem Herrn, daß ich vor den Herren gewesen bin; es waren aber ihrer vier, der Markgraf, zwei Gerichtsherren und der Schreiber des Blutgerichts. Als ich in die Kammer kam, grüßte ich sie; da sagte der Markgraf: Wohlan, Tochter, wie geht es dir? Ich antwortete: Sehr wohl, meine Herren. Der Markgraf sagte: Ob ich mich im Gefängnisse nicht müde gesessen hätte; ich erwiderte: Ja, meine Herren, es wäre mir sehr lieb, wenn es euch gefiele, mich ans Ende zu bringen. Der Markgraf sagte: Wie, o Tochter? Du musst nicht so reden, du musst deine Meinung fahren lassen, dann wird dir der König Gnade erweisen; ich entgegnete: Ihr habt meinen Vater und meine Mutter ans Ende gebracht, und so auch die beiden andern Jünglinge; mich aber habt ihr sitzen lassen, was mich sehr betrübt hat. Der Markgraf sagte: Wieso, Tochter? Sollte ich dir mit deinem Vater und deiner Mutter zum Ende geholfen haben, so wäre dies, meiner Meinung nach, nicht gut gewesen, bist du doch noch nicht getauft; der König wird dir Gnade erzeigen. Die Gerichtsherren sagten: Ist sie noch nicht getauft? Der Markgraf erwiderte: Nein; ich sagte: Nein, das ist wahr, ich bin noch nicht getauft; aber, wenn ich des Abends frei würde, so wollte ich es des Morgens, wenn es möglich wäre, geschehen lassen; da seufzten sie über mich, und ich sagte: Die beiden Jünglinge waren auch noch nicht getauft; hierauf erwiderten sie: Das ist wahr, sie wollten nicht von ihrer Meinung weichen; man hat Mühe genug angewandt; ich sagte: Ich will auch nicht von meinem Glauben weichen, worauf sie entgegneten: So wird es dir auch nicht besser ergehen; ich sagte, ich wäre wohl damit zufrieden, denn wenn sie mich auch auf einem Roste braten oder in Öl sieden würden, so hoffte ich doch, durch die Gnade des Herrn, von der Wahrheit nicht abzufallen, solange als ein Atem in mir wäre; dazu bin ich, sagte ich, wohlgemut, lieber heute als morgen; ich habe die Hoffnung und das feste Zutrauen zum Herrn, daß er mir helfen werde; ich habe mein Vertrauen fest auf das Wort des Herrn gesetzt, wenn er sagt: Verzagt nicht, ihr Auserwählten, ich will euch im Feuer und Wasser bewahren, auch will ich euch nicht über euer Vermögen versucht werden lassen. Da sagten sie: Tochter, du bist verführt; dein Vater und deine Mutter haben dich verführt; sie haben dich dazu gezwungen; du warst unter ihrer Botmäßigkeit und hast es wider deinen Willen getan; jetzt aber bist du frei davon und hast deinen freien Willen; darum laß es fahren; der König wird dir Gnade erzeigen; du bist noch jung und dergleichen Worte mehr; ich erwiderte, daß ich bei dem bleiben wollte, was ich hätte; sie sagten, ich sollte mich bedenken; ich antwortete, ich hätte mich schon bedacht und genug besonnen.
Sie sagten, ich sollte bedenken, daß sie auch eine Seele hätten, und auch gern selig werden wollten; ich erwiderte, daß viele Menschen wären, die sich gern mit Christo freuen, wenige aber, die mit ihm leiden wollten; sie sagten, es wäre mit dem Leiden nicht ausgemacht; ich entgegnete, Christus selbst hätte leiden müssen, um wie viel mehr wir? Darauf erwiderten sie nichts und sagten: Laß ab von deiner Meinung, wir wollen dir Gelehrte bestellen, mit denen du allein sein sollst, und wir überlassen dir die Wahl, welche gelehrte und geistliche Männer du begehrst; darauf erwiderte ich, daß ich keine verlange, sondern bei dem bleiben wolle, was ich hätte. Sie sagten, wenn ich in solchen Ansichten stürbe, so müsste ich in Ewigkeit verdammt sein, und daß mein Vater, meine Mutter und meine Brüder wollten, daß sie wieder hier wären und sich bekehren könnten; ich erwiderte, ich wüsste es besser. Wir redeten noch viel miteinander, was ich der Kürze wegen nicht anführen will und wovon ich auch einen Teil vergessen habe. So ist demnach, meine herzlich geliebten Brüder und Schwestern, die ich aus dem Innersten meines Herzens lieb und wert habe, meine herzgründliche Bitte und Begehren an euch, daß ihr den Herrn für mich bitten wollet, daß ich es ausführen möge dem Herrn zum Preise und mir zur ewigen Seligkeit, Amen.
Denn ich muss noch, liebe Freunde, eine große Wüste durchwandern, indem es hier wüst und gefährlich ist, ja, ich muss noch auf Disteln und Dornen treten, bis mir die Krone des Lebens zubereitet ist. Dieses ist die rechte Wahrheit; es wird in Ewigkeit keine andere gefunden werden. Ach, meine lieben Schäflein, weicht doch nicht von dem Herrn! Er wird nicht zugeben, daß ihr über Vermögen versucht werdet, denn er ist ein treuer Nothelfer, eine Stärke in der Schwachheit, und denen ein Tröster in Betrübnis, die von Herzen betrübt sind. Lasst uns mit Ernst uns Ihm in die Arme geben und alle unsere Sorge auf Ihn werfen, denn er sorgt für uns und will selbst unserer wohl wahrnehmen, damit wir mit allen Heiligen das Abendmahl im himmlischen Wesen halten mögen, wo Christus sich selbst aufschürzen und an der Tafel dienen wird. Hiermit gedenke ich euch dem Herrn und dem kräftigen Worte seiner Gnade anzubefehlen; der Friede Gottes erhalte in eurem Herzen die Oberhand; ich lasse alle unsere lieben Brüder und Schwestern, und alle, die Gott von Herzen fürchten, mit dem Friedens des Herrn herzlich grüßen.
Von mir, Nelleken Jaspers Tochter von Blyenberg, eurer unwürdigen Schwester in dem Herrn im Jahre 1569, den 12. Dezember; sendet mir bisweilen ein Brieflein, denn es ist mir sehr angenehm.