Der Märtyrerspiegel

Teil II - Kapitel 2.542

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2.542  Zwölf Christen zu Deventer, Ydse Gaukes, Dirk von Wesel, sowie Anneken und Janneken, ihren Weibern, Harmen, der Färber, Bruyn, Anthonis, der Weber, Claes Opreyder, Lysbeth und Catharina Sommerhaus, Lyntjen Joris und Tryntgen ihre Tochter, 1571.

Am 11. März des Jahres 1571, in der Nacht, sind die Spanier zu Deventer (als sie des Tages ein Turnierspiel gehalten hatten) mit Schwertern, Hellebarden, Büchsen und andern Waffen ausgegangen, um die Schafe Christi zu fangen; sie durchliefen viele Häuser, suchten in einigen Straßen Haus bei Haus, und fingen alle, die sie finden konnten, welche sie in Ketten und eiserne Fesseln schlossen und sagten: O ihr ketzerischen Hunde! Ihr müsst des Todes sterben, weil ihr den römisch-katholischen Glauben verleugnet habt. Man hielt einige Tage die Tore verschlossen, und es wurde unter dem Glockenschlage der Stadt abgelesen, es sollte niemand irgendeinen von ihnen verbergen, und wenn jemand irgendeinen wüsste, der verborgen wäre, so sollte er denselben zur Anzeige bringen; dieses Gebot wurde aber nicht befolgt, denn viele wurden versteckt, die nachher heimlich entflohen und ihr Gut zum Raube hinterließen. Es wurden aber ihrer in allem zwölf gefangen, nämlich Ydse Gaukes, Dirk von Wesel, sowie Anneken und Janneken, ihren Weibern; Härmen, der Färber, Bruyn, Anthonis, der Weber, Claes Opreyder, Lysbeth, Katharina Sommerhaus, Lyntgen Joris und Tryntgen, ihre Tochter. Diese haben alle anfänglich, als sie gefangen wurden, sich tapfer gehalten und sämtlich ihren Glauben bekannt; einige derselben aber sind, dem Fleische nach, sehr furchtsam gewesen, und sind von ihrem Glauben abgefallen, ehe sie gepeinigt wurden. Während des Folterns wurden sie aufgewunden, ihnen die Hände auf den Rücken gebunden, und an die Füße ein schweres Gewicht von Eisen oder Geschütz gehängt. Einige andere sind zwar auf der Folter standhaft geblieben, sind aber nachher auch vom Glauben abgefallen, sodass ihrer nur vier bis ans Ende standhaft geblieben sind.

Als man oft zu ihnen kam, hat es sich ereignet, daß diejenigen (welche den Glauben mit dem Munde verleugnet hatten) sehr betrübt waren und versprachen, daß, wenn ihnen der Herr Gnade verleihen würde, und sie wieder frei werden möchten, so wollten sie sich wieder zur Wahrheit wenden. Als auf den 20. Mai (als den fünften Tag vor ihrer Aufopferung) ein Freund zu ihnen kam, fragten sie ihn sehr eindringlich, welche neue Zeitung er brächte; der Freund antwortete, es sei böse Nachricht, und er sei besorgt, sie müssten miteinander sterben. Summa, es ward vieles dort geredet, und der Freund sagte: Ich habe euch alle so lieb, daß ich wünschte, daß ihr alle frei wärt, und ich an eurem Platze sitzen müsste; darüber wurden die Gefangenen sehr betrübt, weinten bitterlich und sagten zu dem Freunde: Es ist das Beste, daß du gehst, um der Spanier willen.

Den 24. Mai des Abends ist es geschehen, daß die Mönche dahinkamen, um sie zu ermahnen, sich zum Tode zu bereiten, indem solcher des andern Tages erfolgen sollte. Die Mönche sind des Nachts um zwölf Uhr von ihnen gegangen, aber des Morgens um vier Uhr wieder gekommen. Es waren zwei Mannspersonen, Dirk von Wesel und Härmen, der Färber, und vier Frauenspersonen, Dirk von Wesels Weib, Ydse Gaukses Weib und Sommerhaus beide Töchter, Lysbeth und Catharina, welche den Mönchen kein Gehör gaben, sondern sich an die ewige Wahrheit hielten, so viel man sehen und hören konnte.

Als sie aus dem Gefängnisse kamen, sagten sie mit fröhlichem Angesichte, als ob sie lachten, zu einem Freunde, den sie wohl kannten, und der bei ihnen im Gefängnisse gewesen war, gute Nacht, und neigten das Haupt, worauf derselbe sie wieder anlachte, die beiden Brüder Bruyn und Anthonis, der Weber, aber (die mit ihnen hinausgeführt wurden) waren sehr betrübt und redeten nichts, wiewohl die Weiber viel redeten, und die Mönche, die bei ihnen waren, straften; ja, man hörte sie sagen, daß Christus, ihr Bräutigam und Hirt, ihnen auf gleiche Weise vorgewandelt sei, sie wollten ihm, als seine eigenen Schafe, ebenso nachfolgen, wobei sie einander sehr freundlich küssten; auch nahmen sich die beiden Geschwister einander bei der Hand und sangen: Mein Gott, wo soll ich gehen hin. Darauf wurden sie getrennt, und es wurden sechs Gefangene auf den Wagen gebracht; als sie zur Schaubühne kamen, haben sie zuerst die jüngste Schwester Katharina hinaufgebracht, welche sehr freimütig im Reden war und sagte: Ihr Bürger, ihr sollt wissen, daß es um keiner Übeltat, sondern um der Wahrheit willen geschieht. Als sie die Schaubühne betrat, hat man ihr das Todesurteil vorgelesen, welches so lautet: Wenn sie bei der katholischen Kirche bleiben wollte, so sollte sie mit dem Schwerte hingerichtet werden, wenn aber nicht, so sollte man sie lebendig verbrennen. Darauf fragte man sie, ob sie bei der katholischen Kirche bleiben wollte; sie antwortete: Nein, ich will bei der Wahrheit bleiben; hierauf sagten sie: So musst du denn lebendig verbrannt werden. Darum gebe ich nichts, sagte sie, ihr geht mit Lügen um, und redete überhaupt sehr freimütig. Darauf wurde sie von der Schaubühne abgeführt und auf den Wagen gebracht, auch wurde ihr der Mund verwahrt, sodass sie nichts mehr reden konnte.

Hiernächst wurden beide Brüder (nämlich Bruyn und Anthonis) einer nach dem andern auf die Schaubühne gebracht und beide wurden enthauptet; sie redeten nichts, nur daß man den einen sagen hörte: O Herr, sei mir gnädig. Darauf sind sie abermals nach dem Turme gegangen, und haben Dirk und Härmen abgeholt; diesen beiden hatte man den Mund zugeknebelt, damit sie nicht reden konnten; dessen ungeachtet haben sie unterwegs viele Zeichen gemacht, indem sie bald das Haupt neigten, bald lachten, und so freudig waren, daß sich auch das Volk darüber verwunderte. Sodann sind diese beiden auf die Schaubühne gebracht worden, und haben gegen diejenigen, die sie kannten, und vor ihnen standen, öfters das Haupt geneigt und sie angelacht. Darauf ist Härmen auf seine Knie gefallen, und hat den Herrn angerufen; als er es ihnen aber zu lange machte, riss ihn der Scharfrichter in die Höhe, worauf er sich selbst unverzagt an den Pfahl gestellt hat. Indem nun der Scharfrichter Härmen festband, kniete Dirk nieder, und rief den Herrn mit dem Herzen an, denn sie durften nicht reden; dann ist Dirk aufgestanden, hat Härmen der am Pfahle stand, liebreich umarmt, ihn geküsst, und mit der Hand aufwärts gen Himmel gewiesen. Hiernächst stellte sich Dirk fröhlichen Angesichts mit dem Rücken gegen den Pfahl, und wandte seine Augen gen Himmel, und als sie an den Pfählen befestigt waren, hat man auch die vier Frauen von dem Wagen auf die Schaubühne gebracht, welche, als sie die beiden an den Pfählen stehen sahen, sich sehr fröhlich bezeugten, lachten, die Hände falteten und ihre Augen gen Himmel wandten; darauf küssten sie einander, fielen sämtlich auf ihre Knie, und stellten sich unverzagt mit dem Rücken an den Pfahl. Unterdessen, als sie einander küssten, erhob sich ein Getümmel, schier als ob es ein Donner oder ein Wagen ohne Pferde gewesen wäre; es ließ sich aber anhören, als ob es aus der Nähe der Brinks käme, und rauschte so vor dem Wagen her, daß auch die Menschen übereinander fielen, und daß eine große Furcht entstand, denn man wusste nicht, was es war. Die Spanier sagten, es wäre ein Donner. Ehe die beiden enthauptet wurden, hielten die Mönche eine Rede, daß jeder seine Kinder vor solchem Volk bewahren sollte, auch sollte sich niemand daran stoßen, daß man sie nun verbrennen würde; denn so gefiele es der königlichen Majestät, weshalb niemand Tumult machen möchte; sie hatten aber diese Rede kaum geendigt, so entstand ein solches Getümmel, gleich als ob es aus der großen Querstraße gekommen wäre; das Volk wusste nicht, wohin es sich aus Furcht wenden sollte; auch die Spanier fingen an, Lärm zu machen und schlugen Alam mit der Trommel; aber es ging ohne Schaden vorüber, sodass keine bösen Folgen daraus entstanden. Einige sagten, daß sie über der Schaubühne ein Licht gesehen hätten, gleich einer dunklen Sonne; das habe ich zwar nicht gesehen, aber das Geräusch habe ich deutlich gehört. Ferner, als sie an den Pfählen waren, hat man Stroh und Holz so hoch um sie gelegt, daß nur die Häupter sichtbar waren; sie aber haben, an den Pfählen stehend, oft freundlich denjenigen gewinkt, die sie kannten, und sie freundlich angelächelt, wobei sie ihre Augen gen Himmel wandten, sodass auch die Spanier sagten: Wem mögen sie wohl winken? Derjenige aber, dem sie zuwinkten, stand bei den Spaniern vor der Schaubühne und hörte es die Spanier sagen. Dieser Bruder lachte auch und winkte ihnen zu, wies auch mit seiner Hand aufwärts, daß sie Gott zu Hilfe nehmen sollten. Darauf wendeten sie ihre Augen gen Himmel, ausgenommen Dirk von Wesel, der bereits seiner Sinne nicht mehr mächtig war, als Holz und Stroh um ihn gelegt wurde, denn die Kette, die er um den Hals hatte, erwürgte ihn; ebenso war er auch sehr gepeinigt, sodass seine Arme übel zugerichtet waren; als ihm nun der Scharfrichter die Arme hinten um den Pfahl befestigte, ward er schwach und verlor die Besinnung, sodass man kein Zeichen des Lebens mehr an ihm wahrnehmen konnte. Sodann hat der Scharfrichter das Feuer in das Stroh gestellt, und sind folglich alle sechs lebendig verbrannt worden, einige derselben fast zu Pulver (so wie zwei Körbe voll Bücher); und die Gemeinde und Leiber wurden bei dem Galgen begraben.

Dieses ist so geschehen und vollzogen worden zu Deventer auf dem Brink, den 25. Mai, im Jahre unseres Herrn 1571.

Hernach, den 16. Juli desselben Jahres, hat man auch die andern tapfern Helden, nämlich Claes Opreyder, Ydse Gaukes, Lyntgen Joris und ihre Tochter Katharina von dem Turme gebracht und ihnen den Mund verwahrt, damit sie nicht reden konnten; sie sind aber sehr freimütig über die Straße gegangen, und haben viele Menschen lächelnd zugewinkt. Claes wurde zuerst auf die Schaubühne gebracht, welcher auf seine Knie fiel, um sein Gebet zu verrichten, aber der Scharfrichter hat ihn aufgehoben, denn die Spanier wollten solches nicht zugeben, sondern riefen: Schelme, Schelme!

Die vor ihm aufgeopferten sechs Gefangenen hatten zwar ihr Gebet verrichtet, und solches wurde ihnen nicht verwehrt, auch durften sie zusammenkommen, und einander küssen; weil aber das Volk viel davon redete, daß sie so gebetet hätten, und einander so liebreich geküsst, so hatten sie nun beschlossen, daß sie sie nur einzeln auf die Schaubühne bringen wollten. Als Claes am Pfahle stand, brachten sie Ydse auch auf die Schaubühne, er aber näherte sich mit Gewalt dem Claes, und küsste ihn, darüber ereiferten sich die Spanier in lauten Ausrufungen und waren zornig. Indem sie Ydse an den Pfahl banden, stand einer von den vornehmsten Spaniern mit einem Mönche neben der Katharina; ihre Mutter aber stand in einer kleinen Entfernung, sodass sie nicht hören konnte, was sie mit ihrer Tochter redeten.

Da sagte der Mönch: Deine Mutter ist abgefallen, denn sie hat bekannt, daß sie verführt gewesen sei, und wird darum mit dem Schwerte hingerichtet werden; willst du nun auch abfallen, so sollst du nicht sterben, weil du noch jung bist, sondern man wird dir zur Heirat und zu großem Gut helfen, und dir überhaupt förderlich sein; aber zu allem diesem schüttelte sie den Kopf. Auch redeten die Spanier ihr zu, sie sollte abfallen, dann sollte sie das Leben behalten; aber die andern sagten, sagt ihr dies nicht, sondern sagt, wenn sie von ihrer Ketzerei abstehen will, so soll sie als eine fromme Christin sterben und mit dem Schwerte hingerichtet werden, worauf die andern antworteten, man muss ihr nur vorspiegeln, daß sie das Leben behalten soll; aber sie schüttelte das Haupt hierzu, sodass sie traurig wurden. Darauf sagte der Mönch: Liebe Schwester, falle doch ab, sonst wirst du von diesem Feuer in das ewige Feuer fahren; dafür will ich meine Seele zum Pfande setzen. Unterdessen wurde die Mutter auch auf die Schaubühne gebracht, und an den Pfahl gestellt; da sah man, daß Catharina sehr freudig wurde, denn sie war gewiss, daß es Lügen waren, was sie von ihrer Mutter gesagt hatten. Sodann ist Katharina auch auf die Schaubühne gebracht worden; sie lief die Treppe sehr schnell hinauf, denn sie hatte, wie auch die andern, ein großes Verlangen nach der Stunde ihrer Erlösung. Hiernächst wurden sie alle vier an Pfähle gestellt, Rücken gegen Rücken, sodass sie einander nicht sehen oder zuwinken konnten. Als sie an den Pfählen standen, haben sie noch einige angelacht und ihnen gewinkt; da sagten die Spanier: Die sind auch noch von ihren Leuten; hätten wir sie nur auch hier. Es sind auch der Profos und Quartiermeister mit auf der Schaubühne gewesen, um dem Scharfrichter zu helfen; der Profos wollte das Holz wohl drei oder vier Fuß von ihnen legen, um sie langsam zu braten, aber der Quartiermeister sagte, daß das Urteil gelautet habe, man sollte sie verbrennen, wie die früheren, worüber sie hart aneinander kamen. Die Spanier riefen auch, daß man ihnen einen langsamen Tod antun sollte; doch wurde das Holz um sie herumgelegt, gleichwie auch um die früheren, aber nur wenig Stroh, um das Holz anzustecken, damit sie einen langsamen Tod haben möchten; aber es war doch schnell getan. Also haben diese vier ihr Opfer getan und sind den 16. Juni im Jahre 1571 zu Pulver verbrannt worden, was vielen zu einem leuchtenden Beispiele gedient hat, indem sie dieselben für das rechte Volk gehalten und getrachtet haben, denselben (durch die Gnade Gottes) in einem rechtschaffenen und gottesfürchtigen Leben nachzufolgen, welches diese vier bis in den Tod erwiesen und dasjenige befestigt haben, was sie im Gefängnisse gesprochen und geschrieben haben.