Der Märtyrerspiegel

Teil II - Kapitel 2.668

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2.668  Der erste Brief von Hans Bret,

geschrieben den Montag, nach Pfingsten im Jahre 1576 auf dem Steine zu Antwerpen an seine liebe und werte Mutter.

Gnade und Frieden von Gott, unserm himmlischen Vater, durch seinen einigen Sohn Christum Jesum und den Trost des Heiligen Geistes, zur Vermehrung deines Glaubens und deiner Seele Seligkeit, wünsche ich dir, meiner herzgründlich geliebten Mutter, aus dem innigsten Grunde meiner Seele, Amen.

Herzgründlich geliebte und werte Mutter, ich lasse dich wissen, daß es mit mir dem Fleische nach gut steht, dem guten Gott sei dafür gedankt; insbesondere dem Geiste nach danke ich dem Herrn, und lobe Ihn für seine unaussprechliche Gnade, daß Er mich durch seinen Heiligen Geist stärkt, so daß das Gemüt unverändert ist; dem Herrn sei gedankt. Ich habe auch das Vertrauen in dem Herrn, daß Er mich durch seinen Heiligen Geist stärken werde, wie Er noch bis auf diese Stunde aus Gnaden an mir armen Menschen getan hat, wofür der Herr in Ewigkeit gelobt sei, denn von Ihm allein erwarten wir unsere Stärke, um den grausamen Wölfen zu widerstehen, so daß sie an unsere Seelen keine Macht haben können, denn sie sind grausamer als Wölfe; sie sind nicht damit zufrieden, daß sie unsern Leib zerreißen, sondern sie suchen auch unsere Seele zu verschlingen und zu ersticken, wie ich zu drei Pfaffen gesagt habe; doch nach den Worten Christi können sie unsere Seelen nicht beschädigen, denn wenn sie alles tun, was sie können (doch nicht ohne des Herrn Zulassung), so können sie doch nur unsern Leib töten. Solches leide ich gern um des Namens Christi willen, und habe ein Verlangen, von diesem Fleische erlöst zu werden und bei Christo in Freuden zu sein, der uns eine Wohnung zubereitet hat, die nicht mit Händen gemacht ist, sondern die ewig ist, im Himmel. Jetzt sehen wir nicht auf das Sichtbare, sondern wir hoffen auf das Unsichtbare, auf das Unvergängliche, damit wir mit der Krone des ewigen Lebens gekrönt, ja mit weißer Seide bekleidet werden, und mit den Seelen ruhen, die unter dem Altare liegen, die um des Wortes Gottes willen getötet worden sind, bis die Zahl unserer Brüder erfüllt sein wird, die nach dem Zeugnisse Johannes in seiner Offenbarung in eben derselben Weise getötet werden sollen. Darum verlange ich, liebe Mutter, von einem Samstag zum andern, mein Opfer zu tun; ich habe zwar gehofft, daß ich heute dasselbe tun sollte, aber es hat dem Herrn nicht gefallen, darum hoffe ich, es den nächsten Samstag zu tun, wenn es dem Herrn gefällt, und bei Ihm meine Freude und Wonne zu halten, die noch niemals ein Ohr gehört hat, noch eines Menschen Herz begreifen kann, was nämlich den Frommen bereitet ist, die sich nicht geschämt haben, den Namen des Herrn vor diesem ehebrecherischen Geschlechte zu bekennen, und so lange ein Atemzug in ihnen ist, zu reden, bis zur Zeit, wo ihnen die Sprache benommen sein wird. So freue dich denn, meine geliebteste Mutter, und danke dem Herrn, daß Er mich, deinen Sohn, der ich ein unwürdiger Mensch bin, würdig achtet, um seines Namens willen zu leiden, und meinen Leib Ihm aufzuopfern, zum Preise seines heiligen Namens.

Es geht mir nichts anders, meine liebe Mutter, als es allen Frommen Gottes ergangen ist von Anfang der Welt bis auf diesen Tag. Haben sie Christum, den Herzog des Glaubens, getötet, in welchem keine Sünde war, was werden sie dann den Knechten tun? Denn der Jünger ist nicht über seinen Meister, sagt Christus. So tröste dich denn nun, meine liebe Mutter, und freue dich darüber, denn sie haben nicht mehr an mir, als der Herr ihnen zuläßt, indem Er sagt: Alle Haare unseres Hauptes seien gezählt; es fällt nicht ein Vogel auf die Erde ohne seinen Willen, wie viel würdiger sind wir aber als die Vogel? ja, er sagt, daß wir uns nicht vor denen fürchten sollen, die den Leib töten, denn an der Seele haben sie keine Macht. So sei denn zufrieden, und bitte den Herrn für mich und meine Mitgefangenen.

Meine Mutter, ich sollte dir zu deinem Troste wohl mehr schreiben, aber ich hoffe, daß dich der Herr besser getröstet habe, als ich es mit meinem Schreiben tun kann; ferner auch, damit du einige Nachricht haben mögest, wie es mit unserer Gefangenschaft zugeht, wiewohl hierzu mein Papier zu klein sein möchte; ich denke, daß dich sehr verlangt, von mir etwas zu hören, ebenso wie auch mich verlangt, von dir zu hören, wie es um dich steht, wiewohl ich hoffe, daß es dir und euch allen wohl geht, sowohl an Leib als an der Seele, worum ich den Herrn bitte, und eurer aller in meinem Gebete zum Herrn eingedenk bin. Gedenkt auch an uns arme Gefangene nach dem Fleische in eurem Gebete, wiewohl wir reich sind im Geiste, wie ich denn eurer auch eingedenk zu sein hoffe, denn Jakobus sagt, daß das Gebet der Gläubigen viel vermag, damit wir unsern Streit mit Freuden vollenden mögen, denn wir haben nicht allein mit Fleisch und Blut oder mit Isabels Priestern zu streiten, sondern auch mit den unsichtbaren Geistern, nämlich dem Feinde, der allezeit das Gute mit Betrug und Lügen zu verhindern und zu zerstören sucht, wie du denn vielleicht in Folge der großen Lügen, die der Feind der Wahrheit ausstreut, hören wirst oder bereits gehört hast, daß ich den Pfaffen Gehör geben wollte; ja, sie scheuen sich nicht, hier in diesem Gefängnisse gröblich zu lügen, denn sie sind an einem Tage zweimal zu R. gekommen und haben ihr gesagt, daß ich den Pfaffen Gehör geben wollte; ebenso hat sich auch der große Pfaffe, der Chordiacon, nicht geschämt, bei der R. abscheulich zu lügen, um sie mit Betrug und Lügen ihrer Seligkeit zu berauben, und zwar durch die Worte: Euer Knecht will uns Gehör geben und sich bekehren; auch hat er sich noch anderer Worte bedient, womit der Satan umzugehen weiß, der von Anfang her ein Lügner gewesen ist, so daß sie sowohl von den Pfaffen als auch ihrem Bruder heftig angefochten wird. Was die R. betrifft, so wenden ihre Freunde sehr viele Mühe an, ihre Freiheit zu bewirken, aber auf welche Weise, das weiß ich nicht. Ich habe sie ermahnt, sich vorzusehen, was ich nicht ausführlicher hier erzählen will. Sie hat mir geantwortet, ihr Gemüt sei unverändert und begehre, sich der Wahrheit nicht zu schämen.

Was R. betrifft, so weiß ich noch nichts weiter als Gutes von ihr, und daß das Gemüt noch gut sei, dem Herrn sei gedankt, denn sie verlangt mit mir nach dem Tage, wo wir von diesem Fleische erlöst werden, und unser Opfer tun mögen. Gestern Abend redete ich mit R. um elf Uhr, welches der Pfingstabend war; sie war etwas betrübt, weil sie zu den Pfaffen gesagt hatte, sie wollte dem gehorchen, was mit Gottes Wort übereinkommt, denn sie dachte, die Pfaffen würden daraus Veranlassung nehmen, ihr nachzusagen, daß sie den Pfaffen Gehör geben wollte; ich habe sie hierin getröstet und zu ihr gesagt, daß ich dasselbe sagen dürfte, es sei kein Arges darin, denn ihre grausame Abgötterei wäre ja gegen das Wort Gottes, und könne damit in Ewigkeit nicht übereinkommen, weil ja ein großer Unterschied zwischen der Finsternis und dem Lichte wäre. Was mich betrifft, so danke ich dem guten Gott, der mich unwürdigen Menschen mit den Augen der Barmherzigkeit ansieht, und mir durch seinen Heiligen Geist Stärke verleiht, sein Wort und seine Wahrheit vor diesem ehebrecherischen Geschlechte zu bekennen, ja der mich armen elenden Menschen so würdig achtet, daß ich Ihm meinen Leib zum Preise seines heiligen Namens aufopfern darf. Ach, meine Mutter! danke mit mir dem guten Gott, der mich unwürdigen Menschen mit den Augen seiner Barmherzigkeit ansieht, durch seinen Sohn Jesum Christum, der mir unwürdiger Creatur so viele Wohltaten beweist; wie sollte ich ihn für die unaussprechliche Gnade und Barmherzigkeit, die Er mir in dieser Löwengrube bewiesen hat, genug loben und preisen können. Danke nun dem Herrn mit mir für seine Güte, die Er uns durch seinen Sohn Christum Jesum beweiset; dafür sei Er gepriesen, von nun an bis in Ewigkeit, Amen.

Jetzt werde ich dir in aller Kürze erzählen, was sich zugetragen hat, als ich von den Pfaffen verhört worden bin.

Als ich das erste Mal mit den Pfaffen redete, was, so viel mir erinnerlich, acht Tage vor Pfingsten geschah, sind der Chordiacon, der große, dicke Pfaffe, und noch ein anderer Pfaffe, den wir den Ketzermeister zu nennen pflegen, zu mir gekommen (mein Meister kennt ihn wohl), derselbe schrie und tobte am meisten; wir haben lange mit einander geredet, und ich habe ihre Abgötterei bestraft, so viel der Herr mir durch seinen Heiligen Geist eingab. Da fing dieser Pfaffe an von dem Nachtmahle zu reden, und fragte mich, ob dasselbe nicht der wahre Leib, den Christus seinen Jüngern gab, und sein Blut wäre; ich verneinte diese Frage. Da fing der Pfaffe an zu schreien und toben, lästerte sehr und sagte, daß es besser gewesen wäre, ich hätte mich mit meiner Zuckerbäckerei, oder mit dem Krautverkaufen abgegeben, als mit der Schrift. Ich sagte: Ich darf mich wohl bemühen, die Schrift zu lesen, denn Christus sagte: Forschet in der Schrift, denn sie ist es, die von mir zeugt. Darauf sagte der Chordiacon: Höre die, welche ihr lebenlang in der Schrift studirt haben; ja, entgegnete ich, sie studiren alle verkehrt; ich frage dich, sagte ich, wo hat Paulus studiert, oder wo ist er auf der Schule gewesen? beweise mir das mit der Schrift; hat er wohl? ich sage, nein; ging er nicht zu Ananias, sagte, der Chordiacon. Ja, antwortete ich, aber er studirte nicht dort; da lästerte er abermals, und sie sagten, der Teufel hätte mich bei der Gurgel. Während wir so redeten, kam ein anderer Pfaffe, ein Jesuit, dazu; da saßen sie nun zu Dreien. Darauf fing der Pfaffe abermals an, vom Nachtmahle zu reden; ich fragte ihn: Als Christus seinen Jüngern das Brot gab und sagte: Nehmet, esset, das ist mein Leib, tut das zu meinem Gedächtnisse, blieb denn Christus noch dort sitzen? er bejahte diese Frage; ich entgegnete ihm: Dann ist es nicht so (wie du sagst) zu verstehen, und setze hinzu, daß er die Schrift nicht verstände; auch sagte ich: Ein fleischlicher Mensch kann nicht verstehen, was geistig ist, denn es ist ihm eine Torheit, sagt Paulus. Da rief er: Was weißt du auf mich zu sagen, bin ich ein Trunkenbold? Antwort: Deine Abgöttereien geben Zeugnis, was du seiest; ebenso offenbart auch die heilige Schrift deine abscheuliche Abgötterei, die ein Gräuel vor den Augen Gottes ist; ja, ich bin betrübt, daß ihr so irret. Sie riefen: Du irrest. Der Jesuit rief jedes Mal, der Teufel habe mich bei der Gurgel, und ich wäre ein hoffärtiger Narr, und was dergleichen Worte mehr waren; ich sagte: Ich freue mich, daß ich um Christi willen so verachtet werde. Sie schrieen so laut, daß man kaum einreden konnte. Der Chordiacon sagte zu dem andern: Herr, Herr, laß ihn gehen, wir werden an ihm keine Tugend beweisen; aber dieser Pfaffe fing abermals an, von dem Nachtmahle zu reden. Ich sagte: Ihr müßt das geistig verstehen, und bewies es ihm mit einigen Sprüchen, als Joh 1. Sieh, das ist Gottes Lamm; ferner mit Joh 15, ich bin ein rechter Weinstock.

Sollte ich alles erzählen, ich würde mein Papier damit anfüllen, wenn ich auch noch viel mehr davon hatte; hiernächst redeten wir von der Taufe; er fragte mich, warum man die Kinder nicht taufen sollte? weil es weder Christus befohlen, noch die Apostel gelehrt haben, erwiderte ich.

Da führte er einige Sprüche an, die einen ganz entgegengesetzten Sinn hatten, Joh 23, und mehrere andere; ich bewies ihm, daß Christus an jener Stelle von der Wassertaufe nichts gelehrt hätte und erzählte ihm, daß er sie, Mt 28; Mark 16, gelehrt hätte, sprach mich auch darüber aus, was die Taufe bedeutete, wem sie zukomme, und daß es abscheulich zu hören sei, daß sie die Kinder durch die Taufe selig machen wollten, wodurch sie Christo die Ehre nehmen. Als wir nun lange geredet hatten, rief der Chordiacon dem Pfaffen zu: Höre, höre, Herr! Audi, audi, Domine: Laß ihn gehen wir verlieren durch ihn unsere Zeit und er bleibt doch halsstarrig. Ich sagte: Ich bin betrübt daß ihr der Wahrheit nicht gehorchen wollt; es ist alles umsonst; es heißt nur die Perlen vor die Säue geworfen.

Da wurde der Chordiacon sehr zornig, weshalb ich mich bald von ihnen losmachte, denn es wurde spät; doch ich muß es kurz machen, denn es mangelt mir an Papier. Nachher, auf Pfingstabend, redete ich mit einem andern Pfaffen allein; aber als ich ihm sagte, er sollte mir beweisen, daß Christus und seine Apostel mit dem Abgotte, mit Fackeln, Laternen und Schellen über die Straßen gegangen seien, wie sie täten, lief er davon. Er wollte nicht lange mit mir reden; wir redeten etwas von dem Nachtmahle und der Taufe; aber nicht lange, denn der Pfaffe ist davongelaufen, und ich gab ihm einige Ermahnungen, aber ich muß es kurz machen. Wenn du etwa sagen hörst, daß ich den Pfaffen Gehör geben wollte, so glaube es nicht, sondern sei brünstig im Gebete, denn es wird am Ende schon offenbar werden. Mutter, ich bitte dich, du wollest beiliegenden Brief, den ich an meinen Bruder S. in England geschrieben habe, überschicken; wenn etwas darin enthalten ist, das sich nicht geziemt, so streiche es aus; ich bitte dich, schreibe ihm meinen Glauben, ich hätte ihn selbst geschrieben, aber weil es an Papier mangelt, kann ich es nicht tun, damit er wissen möge, warum ich meinen Leib dem Feuer übergebe, denn ich denke, es werden wohl viele anders schreiben, als die Wahrheit ist. Darum, liebe Mutter, ist es nun Zeit aufzuhören, weil das Papier mangelt; ich grüße dich, meine Mutter, mit einem heiligen Kusse des Friedens, wie auch alle meine lieben Schwestern; grüße mir auch die, wie du wohl weißt, auch meinen Meister, desgleichen alle Freunde und endlich G. nebst seiner Schwester K. Der Herr sei mit dir und uns allen und bewahre dich. So lebe denn wohl, meine geliebteste Mutter, der Herr sei mit dir, denn ich glaube, daß du mein Angesicht in diesem Leben nicht mehr sehen wirst; auch weiß ich nicht, ob ich mehr Gelegenheit haben werde, zu schreiben. So sei denn der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs mit euch allen, Amen.

Von mir, deinem Sohne Hans Bret, gefangen um des Zeugnisses Jesu Christi willen.