Im Jahre 1549 saßen zu Amsterdam um des Namens Jesu willen ungefähr 20 Personen, sowohl Männer und Frauen, gefangen, deren Namen nicht alle bekannt sind, umso weniger, weil einige Personen auf folgende Weise aus dem Gefängnis entkommen sind. Einer der Gefangenen hatte zwei Brüder im Wasserlande wohnen, welche rauhe Leute waren, die ihre Zeit meistens in den Wirtshäusern zubrachten. An einem bestimmten Tag hat es sich ereignet, dass sie im Wirtshause saßen und ihres gefangenen Bruders eingedenk wurden, von welchem sie vermuteten, dass die Zeit seiner Aufopferung vor der Türe sei, darum beratschlagten sie sich untereinander, auf welche Weise sie ihren gefangenen Bruder am füglichsten befreien könnten; hierbei schwuren sie auch einen Eid, dass sie weder Mühe noch Gefahr scheuen wollten und sollte sie es auch das Leben kosten; zur Bekräftigung ihres Vorhabens streckten sie die Finger in die Höhe, warfen ihre Hüte in die Luft und riefen Gott zum Zeugen an. Als sie am andern Morgen früh, sowohl von der Trunkenheit, als vom Schlaf erwachten, hat der gefährliche Anschlag ihnen im Herzen einige Beschwernis verursacht; nichtsdestoweniger haben sie, in Betracht des teuren Eides, den sie Gott schuldig waren, und des betrübten Todes ihres lieben Bruders, die römische Art mit einem standhaften Gemüte gezeigt, und sind auf nachfolgen» Weise zu Werke gegangen.
Sie nahmen ein Seil mit einem Blocke, welcher mit Fett überstrichen war, damit er, weil er sehr dürr war, kein Geräusch verursachen möchte; dieses packten sie in einen Korb, brachten es in das Haus des Jan Janß, welcher dem Gefängnisse gegenüber im Halbmond wohnte und zu welchem diese Brüder sagten: Jan Janß, können wir diesen Korb hier herstellen und ihn in der letzten Abendstunde abholen, wie es uns bequem sein wird? Worauf Jan Janß ja sagte, ohne an einen gefährlichen Anschlag zu denken, bis sie kamen und den Korb abholten. Auch hatte dieser vorgenannte Jan Janß unter den Gefangenen einen Vetter, seines Handwerks ein Schneider, welcher einen Stelzfuß hatte; diesen hatte der Schultheiß aus seiner Werkstätte auf dem neuen Damme abgeholt und mit den andern gefangen gelegt. Diese gedachten beiden Brüder haben ihre Zeit an einem dunklen Abend wahrgenommen und einen Bootsanker mitgebracht; denselben haben sie an den Fenstern eingeschlagen, sind hiernächst daran hinaufgestiegen und haben das Seil irgendwo befestigt, worauf sie mit einem Instrumente die Fenster aufgebrochen. Also haben sie ihren Anschlag ins Werk gesetzt und haben ihren Bruder mit einem Seile zum Fenster heruntergelassen. Dann sind sie zu den andern Gefangenen gekommen, welche sie alle durch das Fenster hinuntergelassen haben, jedoch mit Ausnahme des Ellert Janß, welcher nicht heraus wollte, sondern ihnen antwortete, er sei nun so wohlgemut, sein Opfer zu tun, befände sich auch in einem solchen seligen Zustande, dass er nicht mehr hoffen könne, durch ein langes Leben besser zu werden, sondern besorgt sei, dass ihm in der großen Wüste der Mut entfallen möchte, und er also nimmer über den Jordan in das Land der Verheißung kommen würde. Auch wandte er vor, dass er um seiner Stelze willen sehr bekannt sei, so dass er durch Steckbriefe bald entdeckt werden würde.
Aber Tobias, Peter, Grietgen, Jan, Lyntgen und Barbartgen saßen in andern Gefängnissen, und konnten sie zwar hören, jedoch nicht zu ihnen kommen; dieselben blieben sitzen, bis die Zeit ihrer Aufopferung herannahte; die Lyntgen aber verschonte man, weil sie schwanger war; sie hat auch in ihren Banden ein Kind geboren, die Geburtsschmerzen haben sie aber dergestalt angegriffen, dass sie ihren Verstand verloren, auch noch lange nachher zu Amsterdam in einem Häuslein gelegen hat, wo sie endlich gestorben ist.
Als nun der Tag herbeikam, an welchem die Vorgebuchten aufgeopfert werden sollten, so hat sich dieser vorgenannte Jan Janß in die Nähe des Gerichtsplatzes begeben, um zu sehen, wie seinem Vetter Ellert Janß in der letzten Stunde seines Lebens zu Mute sein würde. Sobald nun Ellert Janß seinen Vetter gewahr wurde, hat er ihn mit einer so fröhlichen Miene angeredet, dass alle Zuhörer sich darüber verwunderten; auch hat er ihm durch das Gitter des Gerichtsplatzes ein Testament dargereicht (worüber der Schultheiß wie ein grimmiger Löwe ausrief, wo das Buch hingekommen, wiewohl er solches nicht erfahren konnte) und einen jeden, insbesondere aber seinen Vetter Janß, mit vielen guten Gründen ermahnt, dass er sich nicht länger von dem stolzen Weibe, der Hure zu Babel, verführen lassen, sondern sich nach der Stadt alles Guten begeben sollte; ja er sagte, dass er noch keinen fröhlicheren Tag erlebt hätte; welches diesem vorgenannten Jan Janß so zu Herzen gegangen ist, dass er sich nachher auch unter des Kreuzes Druck begeben hat. Also haben alle diese vorgemeldeten Freunde in großer Freude ihr Leben geendigt und sind mit Feuer lebendig verbrannt worden. Kurz darauf hat ein Liebhaber der Wahrheit zu ihrem Andenken ein Lied gemacht, welches so eingerichtet war, dass der erste Buchstabe eines Verses mit dem ersten Buchstaben des Namens übereinkam; solches ist in dem alten Liederbuche zu finden; der erste fängt mit dem T an: T’is nu schier al vervult.
Das Urteil über diese sechs Brüder und zwei Schwestern haben wir aus dem Buche des Blutgerichts der Stadt Amsterdam durch Hilfe des Schreibers dieses Ortes erlangt und lautet (den Titel ausgenommen) also: