Der Märtyrerspiegel

Teil II - Kapitel 2.672

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2.672  Noch ein Brief von Hans Bret, geschrieben aus einem finstern Loch, wohin man ihn geworfen hatte, gesandt an eine von den Schwestern im Glauben, auf einen Sonntag, im August 1576.

Gnade und Friede von Gott, unserem lieben himmlischen Vater, voller Gnade und Wahrheit, der reich an Barmherzigkeit und Güte ist, durch das bittere Leiden und Sterben seines eingeborenen Sohnes Jesu Christi, der uns geliebt und uns in seinem Blute von allen unseren Sünden und unserer Ungerechtigkeit, die wir getan haben, gewaschen hat, so wie die Kraft des Heiligen Geistes zur Stärkung in dem Glauben der Wahrheit, welchen dir der Herr durch seine unaussprechliche Gnade und Barmherzigkeit offenbart hat, sei dir von mir, deinem schwachen Bruder, angewünscht, von ganzem Herzen, zu deiner Seele Heil, Amen.

Herzgründliche, liebe Schwester in Christo Jesu, die ich von Herzen liebe, ich kann nicht unterlassen, dir ein kleines Brieflein zu schreiben, hier in diesem Loch, wohinein ich geworfen bin, ohne irgendein anderes Licht als das Licht der Kerzen.

So sage ich denn hiermit gute Nacht, wenn ich dir nicht mehr schreiben sollte, welches unserem lieben himmlischen Vater bekannt ist.

Ferner lasse ich dich wissen, meine geliebte Freundin, daß ich den Bund, den ich mit meinem Gott gemacht habe, mit seiner göttlichen Hilfe zu behalten begehre, und erwarte unsern Bräutigam Christum Jesum in seiner Zukunft, damit wenn Er kommt, ich mit Ihm zur Hochzeit eingehen und in ewiger Freude leben möge. Ach liebe Schwester, ich kann unserm Gott nicht genug Lob und Dank sagen für seine unaussprechliche Barmherzigkeit, daß Er mir beisteht, und hier in dieser Grube oder diesem Loch Stärke verleiht, wohinein man mich um des Wortes der Wahrheit willen geworfen hat.

Liebe Schwester, denke doch an mich armen Gefangenen in deinem Gebet zu Gott, wie ich denn hoffe, daß du tun werdest, damit es Ihm gefallen möge, mich bald von diesem Fleisch zu erlösen, damit ich mein Opfer zum Preis seines heiligen Samens und zu meiner Seele Seligkeit tun möge, damit diese Feinde in ihrem Vorhaben beschämt werden mögen, die mir durch dieses Loch, in welches sie mich jetzt geworfen haben, mein Erbteil zu rauben glauben. Aber dem Herrn sei gedankt, der mir in der Not beisteht und allein mein Helfer ist, zu dem ich meine Zuflucht nehme, denn Paulus sagt: Er ist getreu, und wahrhaftig, der uns nicht mehr auferlegen wird, als wir tragen können.

Darum, liebe Schwester, sei deines armen schwachen Bruders allezeit eingedenk vor dem Herrn, denn das Gebet der Gerechten vermag viel.

Ach liebe Schwester, diese grausamen Wölfe haben mir alle meine Briefe genommen, die ihr mir gesandt habt, Federn, Tinte und Papier, und auch eins und das andere, was ich selbst geschrieben hatte, so wie auch zwei Briefe, einen, den ich an meinen allerliebsten Bruder H. geschrieben hatte, und noch einen, der an meinen Bruder Willem geschrieben war, und noch einiges andere; aber ich glaube nicht, daß daraus irgendeine Unannehmlichkeit entstehen soll.

Unser Schreiben hat jemand verraten, der bei mir saß; sollte ich dir alles schreiben, das Papier würde nicht ausreichen; dasselbe habe ich nachher von einem Mann zurückerhalten, der zu mir in dieses Loch gesetzt war.

So habe ich denn schon zehn Tage hier gesessen, und wie lange noch, das ist unserem lieben Herrn bekannt. Als ich hierher gesetzt wurde, war es freitagnachts, nach meinem Dafürhalten, den 27. oder 28. Juli.

Nun denn, meine liebe Schwester, halte dich allezeit zu der Wahrheit, welche Christus ist; fürchte dich nicht vor diesen Wölfen, denn unser Gott steht uns allezeit nach seiner Verheißung in jeder Not bei.

Ich sage dir herzlich gute Nacht, gute Nacht, meine liebe Schwester; grüße mir meine Mutter sehr herzlich, und alle meine Schwestern, unsern Bruder Hans und meinen lieben Meister, auch alle andern Freunde. Ich bitte dich, lass es meine Mutter nicht wissen, daß sie mich in diese Lazarusgrube geworfen haben. Der Herr sei mit dir und bewahre dich in seinen Wegen immer und ewig, Amen.

Geschrieben von mir, deinem schwachen Bruder, Hans Bret, bei einem Kerzenlicht, in einem Loch, genannt Lazarusgrube, wo ich um des Wortes der Wahrheit willen eingeschlossen bin. Dem Herrn ist meine Erlösung bekannt.