Der Märtyrerspiegel

Teil II - Kapitel 2.337

Zum Inhaltsverzeichnis

2.337  Henrich Eemkens, 1562.

Zu Utrecht ist im Jahre 1562 um des Zeugnisses unsers Herrn Jesu Christi willen ein Bruder, genannt Henrich Eemkens, seines Handwerks ein Schneider, gefangen genommen worden, welchem, nach vieler Versuchung und erlittener Pein, endlich die Nachricht gebracht worden ist, daß er sterben sollte, worüber er sich freute, daß er auch ein Zeuge des Namens des Herrn sein sollte. Diese Botschaft wurde ihm von dem Pfarrer von Buerkerk und einem grauen Mönche, genannt Bruder Jan von Herentals, überbracht, welche mit wenigen Worten ihm diesen Bescheid gaben, und ihn wieder verließen; bei dieser Gelegenheit sagte er zu Bruder Jan: Du brauchst morgen nicht wieder zu kommen, denn ich bedarf deiner nicht. Des Morgens brachte man ihn aus dem Gefängnisse in eine andere Kammer, wo er mit dem Mönche ein langes Gespräch hatte, welcher ihn sogleich verdammte, worauf er antwortete: Richtet nicht, so werdet ihr auch nicht gerichtet. Der Mönch sagte zu ihm: Du hast bekannt, daß du nicht glaubst, Christus habe Fleisch von Maria angenommen. Darauf antwortete er: Ich habe es einmal in meinem Bekenntnisse gesagt, willst du, daß ich es noch einmal erzählen soll?, und verwies ihn dabei auf Joh 1. Da fragte der Mönch, ob er ihm nicht beichten wolle. Er antwortete: Ich habe schon vor Gott gebeichtet. Der Mönch sagte: Bist du so alt geworden, ohne zu beichten? Nein, antwortete er, ich habe auch wohl vor Menschen gebeichtet, und das ist mir, Gott weiß es, von Herzen leid, daß ich eurer Beichte so lang Untertan gewesen bin. Darauf fragte der Mönch, ob er keine Messe hören wollte. Ich habe, sprach er, so viel gelesen, daß mir vor der Messe ekelt, aber wenn ich es auch nicht haben wollte, und du wolltest es gleichwohl tun, was kann ich dafür; deshalb, willst du sie halten, halte sie; aber nicht um meinetwillen, denn ich begehre es nicht. Dann fragte der Mönch, ob er nicht das Sakrament haben wollte. Ich sagte: Nein, aber könnte ich des Herrn Nachtmahl genießen, wie es der Herr eingesetzt und befohlen hat, und wie es die Apostel und ihre Gemeinden im Gebrauche gehabt, solches wollte ich von Herzen begehren und dem Herrn dafür danken, aber eure Schalkheit begehre ich nicht. Darauf verdammte ihn der Mönch abermals zwei- oder dreimal. Hiernächst kamen die Büttel und wollten ihm zu trinken geben, aber er begehrte es nicht. Sodann näherte sich ihm eine von des Kerkermeisters Töchtern, welche wohl eine leichtfertige Dirne war, und wollte es ihm mit einem Löffel in den Mund gießen (denn sie saßen bei den Bütteln und tranken mit ihnen); aber Henrich sprach zu ihr: Ich habe dir ja gesagt, daß ich es nicht begehre; darum, ist es möglich, so lasst mich in Ruhe. Darauf sagte einer von den Bütteln: Willst du denn nüchtern von hinnen scheiden? Er erwiderte: Mich dürstet nach lauterem Weine, von welchem ich bald zu trinken hoffe. Der Mönch aber sagte: Gott schenkt keinen neuen Wein in alte Flaschen. Da sagte er zu dem Mönche: Weil ich mich erneuert habe, darum hasst ihr mich.

Es sind noch viel mehr Worte dabei vorgefallen, welche vergessen worden sind, denn er selbst konnte nicht schreiben; dieses aber ist von einem geschrieben, der gegenwärtig war, als Henrich mit dem Mönche redete, und wiewohl es nicht des Henrichs Bruder oder ein Mitglied der Gemeinde gewesen, so hat ihn doch die Herzensgüte angetrieben, allen Liebhabern der Wahrheit zum Andenken dasjenige, was er davon behalten, so wie er es gesehen und gehört hat, aufzusetzen; das Nachfolgende aber hat nicht nur er, sondern auch die ganze Bürgerschaft wohl gesehen und gehört, die es mit ihm bezeugen kann.

Als nun Henrich auf die Schaubühne kam, fing er an zu den Bürgern zu reden, und sagte unter anderem: Ihr andächtigen Bürger, bessert euer Leben, glaubt allein dem Evangelium, und keinen Menschensatzungen.

Als sie ihn zu den Herren führten, damit er sein Urteil hören möchte, wandte er sein Haupt abermals nach den Bürgern und sagte: Alles, womit man umginge, wären Menschensatzungen, und die denselben nicht folgen wollten, müssten ein Ausfegsel und jedermann zum Spotte sein, und würden zum Tode geführt.

Als das Urteil abgelesen ward, entfernte sich ein großer Teil des Volkes, den es jammerte und seinen Tod nicht sehen mochten; aber Henrich Eemkens fiel auf seine Knie und sein Angesicht auf der Schaubühne nieder und schüttete sein ernstliches Gebet zum Herrn aus; als aber der Scharfrichter sah, daß er niederfiel, nahm er ihm seinen Mantel, welchen er auf seinen Schultern hangen hatte, und brachte ihn vermittelst des Hemdes in aufrechte Stellung, sodass er sein Gebet nicht vollenden konnte.

Darauf sagte er zum Volke: Liebe Bürger, bessert euch, es ist hohe Zeit; lebt nach Gottes Gebot und nach den Worten des heiligen Evangeliums. Er rief auch abermals mit lauter Stimme: Dieses ist der schmale Weg und die enge Pforte, und nannte die Kapitel, wo es geschrieben stände, und viele andere Schriftstellen, die zu dieser Sache dienten. Darauf ging er freiwillig mit fröhlichem Gemüte auf die Bank, wo er erwürgt und verbrannt werden sollte, und sagte abermals: Dies ist die enge Pforte; dringt durch dieselbe, gleich den Männern Gottes, denn wer standhaft streitet bis ans Ende, soll selig werden, daran zweifle ich nicht. Er stellte sich sodann mit großer Freimütigkeit an dem Pfahl und sagte abermals mit fröhlichem Gemüte: Liebe Bürger, bessert euch, glaubt dem Evangelium und keinem Menschen, denn das ist der schmale Weg, welchen ein Christ wandeln soll. Hierauf nahm der Scharfrichter eine Kette, und schlang sie um seinen Leib, hing auch ein Säcklein Schießpulver an seinen Hals, sodass es gerade auf seine Brust zu hangen kam. Er redete beherzt bis ans Ende, aber man konnte die Worte nicht verstehen, denn der Scharfrichter nahm einen Strick, legte ihn um seinen Hals und zog ihn zu. Da schloss er seine Augen, als wäre er in Ohnmacht gefallen, und man sah nicht, daß er sich weiter bewegte, als daß er seine Augen noch einmal gen Himmel erhob, sodass er sehr bald seiner Besinnung beraubt war. Darauf zog der Scharfrichter die Bank unter seinen Füßen hinweg, nahm eine Gabel, woran er ein Bündlein Stroh steckte, welches er an einem mit Feuer angefüllten Gefäße, welches auf der Schaubühne stand, ansteckte, und als es brannte, zündete er das Schießpulver an, sodass die Flamme ihm nach den Augen schlug; aber sein Haar verbrannte nicht. Da erhob er seine Hände noch einmal gen Himmel, und nachher sah man kein Leben mehr an ihm.

Auf solche Weise hat Henrich Eemkens sein Opfer getan, als ein frommer Zeuge des Herrn, den 10. Juni 1562, ungefähr zwischen 10 und 11 Uhr Vormittags.