Der Märtyrerspiegel

Teil II - Kapitel 2.392

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2.392  Noch ein Brief von Christian Langedul.

Noch ein Brief von Christian Langedul, worin er den Zustand seines Gemütes und die Nichtigkeit seiner selbst beschreibt, auch seine Liebe zu seiner Sohnes-Frauen zweiten Mann J. T., endlich die Furcht, die sie hätten, noch einmal gepeinigt zu werden, und warum.

Gnade, Barmherzigkeit und Freude in dem heiligen Geiste wünsche ich dir von Gott, unserm himmlischen Vater durch Jesum Christum, mein auserwähltes und sehr geliebtes Weib in dem Herrn, und allen denen, die des Herrn Erscheinung lieb haben.

Herzlich geliebtes Weib in dem Herrn; ich hoffe, es sei dir nun durch zwei Briefe, die ich dir gestern geschrieben habe, und welche du, wie ich hoffe, empfangen hast, zum Teil bekannt, wie es um mich stehe, denn ich habe dir darin den Zustand meines Gemütes einigermaßen beschrieben, welches noch unveränderlich ist; dem Herrn sei in Ewigkeit Lob gesagt für seine Gnade, die er mir armen, unnützen und großen Sünder gibt, indem ich mich selbst für unwürdig und untüchtig zu dieser Herrlichkeit halte, wozu mich jetzt der Herr beruft; durch mich selbst oder durch meine eigene Kraft kann ich nicht dazu kommen, darum hoffe ich, durch seine Gnade bis ans Ende bei der rechten Wahrheit und dem Glauben zu bleiben, welcher den Heiligen einmal übergeben worden ist, denn ich bin gewiss in meinem Herzen, und bin dessen auch gewiss gewesen von der Zeit meiner Wallfahrt an, die nun ungefähr zwölf Jahre gedauert hat (welches zwar eine kurze Zeit ist, die ich mit Unvollkommenheit zugebracht habe), daß bis in Ewigkeit keine andere ausgefunden werden wird. Darum hoffe ich allein durch des Herrn Kraft und Gnade und nicht durch meine eigene Kraft dabei zu bleiben; ich hoffe, durch Gottes Gnade alle diejenigen in meinem Sterben zu erfreuen, die ich etwa jemals in meinem Leben betrübt habe, hoffe auch, daß alle diejenigen, die ich etwa jemals beleidigt habe, mir solches vergeben werden, denn ich bin doch auch allezeit bereit gewesen allen, die mich jemals beleidigt haben es mildiglich zu vergeben; darum hoffe ich, daß auch alle Menschen und der Herr dasselbe an mir tun werden. Ich bin wegen I. T. sehr bekümmert, denn ich bin seiner Gütigkeit kundig, doch will ich es dahingestellt sein lassen, und wünsche ihm, wie ich oft getan habe, den rechten Glauben; solchen muss ihm der Herr geben, aber er muss auch darum bitten und solches von Herzen begehren. Ach, möchte ich für ihn und alle Freunde einen Tod mehr sterben, damit sie die Seligkeit erlangen möchten, wie gern wollte ich es tun. Ach I. T,! was hast du um meinetwillen getan? Wie ich denn hoffe, daß du auch fernerhin an meiner schwachen Frau (deiner Mutter) und meinen Kindern tun wirst, an welche ich nicht gern denke; diese deine Mutter ist eine Frau, die Gott von ganzem Herzen fürchtet; gehe mit ihr um, sie wird nichts suchen, als eurer beider Seligkeit. Bei diesem nun will ich’s für dieses Mal bewenden lassen, denn die Zeit würde mir zu kurz fallen, diesen Brief zu bestellen. Gestern hatte ich dir geschrieben, daß ich hoffte, dir heute noch einmal zu schreiben, aber ich konnte es nicht tun; Matthäus und ich lagen bis zwei Uhr im Bette, so fürchteten wir uns, weil der Markgraf hierher kam, um den Cornelius noch einmal zu foltern, denn wir fürchteten auch noch einmal gepeinigt zu werden; wir fürchten uns sehr davor, denn es ist eine große Pein; den Tod aber fürchten wir nicht so sehr. Sie haben Cornelius das zweite Mal so sehr gefoltert und gegeißelt, daß ihn drei Männer hinauftragen mussten, welche sagten, daß er außer der Zunge kaum ein Glied mehr regen könne. Er hat uns sagen lassen, es käme ihm vor, er müsste, wenn sie noch einmal kämen, darüber zu Grunde gehen; gestern aber ist der Markgraf nicht gekommen, wiewohl wir ihn heute wieder erwarten; der Herr wolle uns helfen, denn es ist eine jämmerliche Pein. Ich habe gestern von I. C. ein Körblein mit Essen und auch eine Schlafkappe empfangen, welche ich dem Matthäus geliehen habe, ich hätte gern bei Gelegenheit noch eine Schlafkappe, einen Kamm und ein Testament, oder sonst etwas zu lesen, oder ein Liederbuch, um uns mit dem Worte des Herrn ein wenig zu erquicken; einer, der das Gefängnis inwendig verschließt, Namens Peter, wird es uns wohl besorgen. Ich sende dir hiermit einen Denkzettel und eine Rechnung von W. D. B. Gestern Abends wurde uns gesagt, daß I. T. und P. V. D. allen Fleiß angewandt hätten, um zu mir zu kommen, aber weil der Markgraf gesagt hatte, er wolle wiederkommen, so konnte es nicht sein, wiewohl er nicht kam, sondern bei Mensfeld auf einem großen Schmause war.

Eben, während ich hier sitze und dieses schreibe, wird uns angesagt, daß heute der Markgraf ein peinliches Gericht halten werde; ich hoffe, es werde für uns sein. Betet für uns, ich hoffe, unser Gott werde uns durch seine Kraft, welche alles übertrifft, Stärke verleihen. Ach, möchte es geschehen, daß wir schnell erlöst würden, aber ich fürchte das Gegenteil.

Hiermit sei dem Herrn und dem Worte seiner Gnade anbefohlen, halte dich allezeit zu der Wahrheit, wie ich auch zu dir ein solches Vertrauen habe; ich lasse dich und alle Gottesfürchtigen mit dem Frieden des Herrn herzlich grüßen. Matthäus tut ein Gleiches; grüße mir alle Freunde bei Gelegenheit sehr herzlich, insbesondere das Mütterchen, wenn es sich tun lassen will. Matthäus lässt dir und allen Gottesfürchtigen sagen, daß es ihm von Grund seines Herzens leid sei, daß er euch dadurch betrübt hat, weil er seinen Mund nicht besser bewahrt hat. Geschrieben in den Banden zu Antwerpen den 18. August 1567, von mir, deinem schwachen Manne, Christian Langedul. Tue das Beste, sei wohlgemut und bitte für uns.