Der Märtyrerspiegel

Teil II - Kapitel 2.362

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2.362  Mr. Jelis Matthyß wird um des Zeugnisses Jesu Christi willen zu Middelburg im Jahre 1564 getötet.

Ein Brief von Mr. Jelis Matthyß, im Gefängnisse zu Middelburg, im Jahre 1564 geschrieben, wo er um des Namens des Herrn willen sein Leben gelassen hat.

Der feste Grund Gottes bleibt ewig.

Die Gnade, der Friede und die überfließende Liebe unsers Gottes, die herzgründliche, unaussprechliche Liebe seines Sohnes, unsers Herrn Jesu Christi, und die auserwählte Gabe des Glaubens ist uns von Gott, dem barmherzigen, lieben Vater, durch Christum Jesum offenbart und seinen Heiligen gegeben, welche er durch seine väterliche Liebe dazu erwählt, berufen und verordnet, ja, dieselben von den Ketten und schweren Banden der ewigen Finsternis des Unglaubens erlöst hat, womit diese arge, böse und verkehrte Welt gebunden ist. Er hat uns auch nach seiner väterlichen Barmherzigkeit zu einer lebendigen, seligmachenden Hoffnung wiedergeboren, und in das Reich seines geliebten Sohnes versetzt, durch welchen wir die Vergebung unserer Sünden durch sein Blut erlangt haben, damit wir ihm (meine lieben Schafe) fernerhin in allem Gehorsam, Gerechtigkeit und Heiligkeit, ohne Furcht alle Tage unseres Lebens dienen können. Hierzu helfe und stärke uns doch der barmherzige liebe Vater durch die Kraft seines heiligen Geistes, Amen.

Nachdem ihr an mich durch euer Schreiben und auch durch einen Gruß, welchen ich einige Male von euch empfangen, das Verlangen an mich gerichtet habt, daß ich euch schreiben und ermahnen möchte, wie denn auch deine liebe Hausfrau in früheren Zeiten ein Gleiches von mir durch Schreiben begehrt hat, so sei euch kund, daß ich mir oft in meinem Herzen vorgenommen hatte, solches nach meiner geringen Gabe zu tun, und wiewohl ich hoffe, daß ihr dessen so eigentlich nicht bedürfet, so hoffe ich doch auch, daß es euch desto sicherer und fester machen werde; weil ich aber viel zu schreiben gehabt, und auch mit andern Dingen beladen gewesen, so habe ich es nicht wohl ausrichten können, habe aber doch allezeit eine väterliche Sorge für euch getragen, und meinen Gott oft mit brünstigem Herzen nach meiner Schwachheit gebeten, daß er doch euch beide unter dem Schatten seiner Flügel in dieser grausamen, gefährlichen Zeit, voll aller Bosheit bewahren und euch mehr und mehr mit seinem heiligen Geiste erfüllen, auch euch die Augen eures Verstandes öffnen wolle, damit ihr, meine lieben Schafe, des Teufels Stricke und ausgespannte Netze doch recht erkennen lernen mögt, welche er täglich auf mancherlei Weise den Wiedergebornen stellt, wiewohl sie euch zum Teil nicht unbekannt sind, indem ihr wohl wisst was er im Sinne hat; darum habt ihr euch auch bis auf diese Zeit wachsam gehalten, worüber ich sehr erfreut bin, und auch darüber, daß euer Glaube wächst und in der Erkenntnis unsers Herrn Jesu Christi zunimmt, wozu ich auch euch sämtlich durch die Kraft des heiligen Geistes in meinen Banden unter Tränen geboren habe, sodass ihr meine und des Herrn Nachfolger geworden seid, und das Wort des Evangeliums vom Kreuze Christi mit göttlicher Traurigkeit aufgenommen habt, und seid ihm gehorsam geworden von Herzen in der Form der Lehre, worin ihr nun steht, sodass ihr allen in Middelburg ein Vorbild geworden seid, die ihr Leben bessern und das Kreuz des Herrn aufnehmen wollten; und nicht allein diese, sondern es sind auch viele Heilige dadurch erfreut worden, als sie euren Gehorsam und eure Demut in der Furcht Gottes ansahen, welche, wie ich hoffe, sich von Tag zu Tag noch mehr ausbreiten und offenbar werden wird, damit es, meine lieben Schafe, recht klar werden möge, daß ihr von oben aus Gott, dem Vater, recht wiedergeboren und erneuert seid, durch die Erneuerung eures Sinnes. Gedenkt, daß euer Wandel himmlisch sein müsse, nämlich nach dem neuen Menschen, der nach Gott geschaffen ist in aller Gerechtigkeit und Heiligkeit, denn nach dem der heilig ist, der euch zu diesem Dienste berufen und erwählt hat, so müsst ihr auch einen heiligen, keuschen und gottseligen Wandel, in der Furcht eures Gottes, nach eurem Vermögen führen; denn wem wir uns übergeben haben, dessen Knecht sind wir, wie der Apostel auch sagt, es sei der Sünde zum Tod oder dem Gehorsam zum Leben.

Gott sei ewiglich Preis und Dank, meine lieben Schafe, daß ihr Dienstknechte und Mägde der Sünden gewesen, nun aber mit mir durch das Bad der Wiedergeburt und die Erneuerung des heiligen Geistes abgewaschen und gereinigt seid, welchen Gott der Vater durch Christum, unsern Heiland, reichlich über uns ausgegossen hat, nicht um der Werke unserer Gerechtigkeit willen, die wir getan hatten. Denn wir waren Kinder des Zornes von Natur, wie die andern; aber Gott, der barmherzige, liebe Vater, der reich an Barmherzigkeit ist durch seine große Liebe, womit er uns geliebt hat, als wir tot waren in Sünden und Ungerechtigkeit, hat uns mit Christo, oder durch Christum, seinen lieben Sohn, durch den Glauben lebendig gemacht.

Darum, meine herz- und gründlich geliebten Schafe in Jesu Christo, deren Seele ich von Herzen liebe, und für welche ich eine väterliche und göttliche Fürsorge trage, ermahne und bitte ich euch als ein Gefangener in dem Herrn, daß ihr doch oft an den Tag gedenken wollet, an welchem sich der barmherzige, liebe Vater über euch erbarmt und die Decke von euren Augen und Herzen hinweggenommen hat, welche noch vor den Augen und Herzen so vieler tausend Menschen hängt, die so schwere Wege noch wandeln und nicht den Weg des Herrn erkennen, weil sie vom Weine der Babylonischen Hure, nämlich der falschen Lehre, trunken sind, womit die ganze Welt angefüllt ist, ihr aber, meine Schafe, seid nüchtern geworden, und seid von ihr ausgegangen, wie ich denn hoffe, ihr werdet ihre Unreinigkeit nicht mehr anrühren, damit ihr nicht in ihrer Plage umkommt.

Darum haltet doch scharfe Wacht in der Gerechtigkeit, damit ihr, meine lieben Schafe, nach meinem Abschiede, in dieser grausamen gefährlichen Zeit nicht zu Schanden werdet, denn ihr könnt öffentlich sehen und hören, daß es nun die Zeit ist, vor der uns Christus Jesus und seine heiligen Apostel so ernstlich gewarnt haben, wie Christus selbst sagt, daß die Liebe in vieler Herzen erkalten würde; wer aber standhaft bleibt bis ans Ende, soll selig werden. Ach, meine werten Schafe, denkt den Worten Christi nach, und lasst sie euch zu Herzen gehen; es ist freilich nicht zu der Welt geredet, denn in derselben kann die Liebe Gottes nicht erkalten; sie hat ja dieselbe nicht empfangen, und kennt sie auch nicht, sondern es ist von den wahren Israeliten geredet; denn ihr seht, daß solches unter ihnen im Überflusse geschieht, welches ja mit Jammer zu beklagen ist, daß der Teufel, der Geist der alten Schlangen in dieser Zeit solche Kraft und Gewalt erlangt hat, durch die mancherlei listigen Stricke, welche er täglich stellt, um die Seelen der Wiedergebornen (die ihm durch die Erkenntnis Gottes entflohen sind) wieder in seinem Netze des Unglaubens zu fangen, welche er auch wieder an sich bringt, meine lieben Schafe, einige durch falsche Lehre, nicht durch den römischen Antichristen allein; denn es sind jetzt viele Antichristen in der Welt; darum hat er nun auch eine andere Kappe angezogen, welche nicht mehr der römischen gleich ist, denn er weiß wohl, daß damit sein Spiel bald zu Ende ist; darum hat er sich nun verändert, und nimmt die Gestalt eines Engels des Lichtes an, und befleißigt sich, auf solche Weise unter die Kinder des Lichtes zu kommen, um daselbst seine Ware aufs Neue feilzubieten; denn, meine lieben Schafe in dem Herrn, zuvor, oder in den vergangenen Zeiten kam er mit Menschensatzungen und Geboten; jetzt aber weiß er, daß die Menschen die Schrift hören wollen; darum kommt er nun und bringt viel Schriftstellen an den Tag, sodass es die Wahrheit zu sein scheint, wie er auch so vermessen mit Christo handelte, und ihm aus dem Propheten David anführte, daß nämlich dort geschrieben stände: Er hat seinen Engeln befohlen über dir, daß sie dich auf den Händen tragen, und du deinen Fuß nicht an einen Stein stößt.

Seht, meine werten lieben Schafe, er führt ja auch die Schrift an, wie geschrieben stand; aber in solchem Sinne war es nicht geredet oder geweissagt; so auch diese, wenn sie auch viel Schriftstellen vorbringen, und in Aufgeblasenheit sagen: Es steht ja daselbst geschrieben, womit er die Wankelmütigen und die, deren Ohren, etwas Neues zu hören, gespannt sind, leicht in seinem ausgespannten Netze fängt; die andern fängt er durch den Zufluss der betrüglichen Reichtümer, die doch heutzutage die Menschen ins Verderben und in die Verdammnis stürzen, denn der Geiz ist die Wurzel alles Übels, wiewohl einige ihre Lust daran haben, wenn ihre irdischen Güter zunehmen; sie sind auch damit so geschäftig, daß sie bisweilen dabei der Übung der Gottseligkeit vergessen, und sich selbst so viel Schmerzen aufbürden. Ach, es wird ihnen gehen, meine lieben Schafe, wie es einigen unter den Israeliten ging; diejenigen, die viel gesammelt hatten, hatten keinen Überfluss, und die wenig sammelten, hatten keinen Mangel. Darum, ach könnte man sich doch genügen lassen, wenn man Nahrung und Decke hat, denn wir haben nichts in diese Welt gebracht, und außerdem ist es offenbar, daß wir nichts mit uns Hinausnehmen werden, denn wir sehen, liebe Schafe, daß die Worte unseres lieben Herrn Jesu Christi wahr sind, nämlich, daß der betrügliche Reichtum den guten Samen, das Wort Gottes, ersticke und unterdrücke, wodurch auch viele wieder zu Schanden werden. Andere durch Verlust und Beraubung ihrer Güter, welche nicht einmal einsehen oder recht betrachten, daß sie mit dem Kaufmanne die schönste Perle gefunden haben, welche doch alles dessen wohl wert ist, was auch damit nicht zu vergleichen ist; andere durch Kreuz und Leiden, nämlich durch Verfolgung; noch andere durch das Bitten und Flehen des Vaters und der Mutter, der Freunde und Verwandten; andere durch Weib und Kinder und andere durch ihr böses und listiges Fleisch, und die Übrigen dadurch, daß sie auf dem Wege der Gerechtigkeit müde werden, und sich wieder zurück nach Ägypten und Sodoma wenden, um eine geringe Zeit mit der Babylonischen Hure in Ruhe und Frieden zu leben, und nachher mit ihr in ewiger Pein gequält zu werden.

Seht, meine herzlich geliebten auserwählten Schafe, dieses alles wirkt und treibt der einige Geist, die alte Schlange, welche weder schläft noch schlummert, sondern allezeit um uns herum geht und sucht, welchen sie verschlinge; darum widersteht ihr mit einem tapferen Gemüte und gläubigen Herzen, und lasst euch nicht abschrecken, wenn sie auch so leichtfertig die Gebote des Herrn verlassen. Ach seht doch nicht auf die Faulen, Trägen und Unfrommen, sondern lasst alle treulosen Knechte und falschen Jünger von ihrem Herrn und Meister weichen; wir hoffen doch bei ihm zu bleiben, und ihr mit mir, und seid bereit alles zu leiden, was uns von ihm auferlegt wird. Ach, was sollten wir doch tun oder vornehmen, wenn wir seine Gebote verließen; wohin sollten wir doch fliehen oder gehen, wo er uns nicht finden würde? Ach, Himmel und Erde muss Ihm mit Zittern gehorsam sein; Berge und Höhlen müssen vor Ihm erschrecken und können nicht vor Ihm bestehen, wie viel weniger die Menschenkinder, die in Lehmhäusern wohnen. Ach, meine lieben Schafe, womit wollen sie sich rechtfertigen oder entschuldigen, wenn er sie heimsuchen wird, die nun so treulos von Ihm weichen.

Ach! Ach!, man muss es mit Jammer beklagen, daß ihnen vor dem edlen Himmelsbrote so sehr ekelt, und daß sie wider die einzige Arznei, wodurch alle Seelen der Wiedergebornen zum Genesen kommen, eine solche Todfeindschaft haben. Ja, meine werten Schafe, wir mögen wohl mit dem Propheten über das Verderben Israels und über Jerusalem, die schöne Stadt Gottes, seufzen und klagen, und weil so viele Israeliten in der wilden Wüste dieser argen Welt verfallen, und von dem listigen Geiste der Schlangen wieder verderbt und umgebracht werden, ach, weil auch einige Wächter abgefallen und die Bürger zu Jerusalem lau und schläfrig geworden sind, wiewohl der, welcher um das Heerlager herumgeht, weder ruht noch feiert, sondern Tag und Nacht fleißig sucht, ob er jemanden müßig oder schlafend finden möge, damit alsdann sein Unkraut in die Äcker des Herzens hineinsähen möge, wie er (leider) zu meiner Zeit nicht wenig getan hat, und, wie mich dünkt, noch immer tun wird; denn je mehr das Volk Gottes wächst und zunimmt, desto mehr wird er unter ihnen regieren, und wird auch nicht nachlassen, bis er einige derselben wieder auf seine Seite gebracht hat, auch wird es ihm von Gott zugelassen, die Frommen zu quälen und zu versuchen, damit die Übrigen geprüft werden. Seht, meine herzlich geliebten und sehr werten Kinder in dem Herrn, meine väterliche Bitte und demütiges Begehren an euch alle ist auf die ewige Seligkeit eurer Seelen gerichtet, damit ihr doch fernerhin rechte Sorge tragt, daß ihr auf dem Wege der Gerechtigkeit bleibt; seid doch allezeit darauf bedacht, wie euch gebühre, fernerhin in dem Hause Gottes zu wandeln, welches die Gemeinde Gottes ist, zu welcher ihr zu meiner großen Freude gekommen seid; als ich solches hörte, dankte und lobte ich Gott für seine große väterliche Güte und Gnade, die er an euch erwiesen, und euch zu seinem Sohne und seiner Tochter, ja, zu Erben seiner himmlischen Güter angenommen hat, weshalb ihr euch auch so freiwillig unter das Joch und die Rute des Kreuzes begeben und mit dem heiligen Apostel Paulus euren Gewinn für Schaden geachtet habt, damit ihr eure Seele in Christo gewinnen mögt, wie ihr auch getan habt. Darum habt doch auf euch selbst Acht, und weicht und wankt ja nicht, weder zur rechten noch zur linken Seite, damit ihr nicht aus eurer eigenen Feste fallt, und daß das ewige Feuer nicht euer Erbteil werde, sondern gleichwie ihr, meine lieben Schafe, den Herrn Jesum Christum angezogen habt, so wandelt auch ferner in ihm, und bleibt in seiner Lehre fest gegründet und gewurzelt, damit ihr in der Liebe nicht kalt und lau werdet und dadurch zuletzt dasjenige verliert, was ihr empfangen und so freiwillig angenommen habt.

Auch bitte ich euch durch die Barmherzigkeit unsers lieben Herrn Jesu Christi, daß ihr doch nicht versäumen wollt, Gott, dem barmherzigen lieben Vater, durch Christum, seinen lieben Sohn zu danken und zu loben, Tag und Nacht, für seine großen, unaussprechlichen Wohltaten, die er an uns armen und elenden Kreaturen bewiesen hat, und uns von unserer Mutter Leib an ersehn und erwählt hat, daß wir seinen Namen unter diesem argen und ehebrecherischen Geschlechte recht beleben und bekennen und so den Anfang des christlichen Lebens bis ans Ende festhalten möchten; denn obgleich ihr, meine herzlich geliebten Schafe und sehr werten Kinder, durch Gehorsam des Evangeliums rechte Erben des ewigen Lebens geworden seid und mit mir und allen Heiligen in dem Buche des Lebens aufgeschrieben steht, ja, zu der Menge vieler tausend Engel gebracht seid, so kann er uns doch, o meine werten und lieben Schafe, gar bald wieder vertilgen, und unsere abgefallenen Namen in die Erde schreiben, wenn wir in den Geboten Gottes, nach unserer Schwachheit, nicht treulich wandeln bis ans Ende unsers Lebens; denn wir wissen, daß die herrlichen Verheißungen der Frommen, und die Krone des ewigen Lebens, weder im Anfange noch in der Mitte gefunden werden, sondern wer beharrt und treu bleibt bis ans Ende, der wird sie von der Hand des Herrn empfangen. So ist es offenbar, daß es dem auswendigen Israel (von welchem wir ein klares Exempel haben) nichts geholfen hat, meine lieben Schafe, daß sie durch die starke Hand des Herrn von dem Dienste und der Sklaverei Pharaos aus Ägypten erlöst waren, ja, alle Wohltaten, die der getreue, barmherzige, liebe Vater an ihnen auf dem Wege bewiesen hat, waren größtenteils verloren oder vergebens, obgleich er sie mit dem Engelbrote speiste, und ihnen alles gab, was ihre Seele wünschte; und gleichwohl sind sie auch ungeduldig geworden und haben gemurrt, und ihre Prüfung nicht in der Furcht Gottes oder in Geduld aufgenommen; darum ist auch der Herr über sie zornig geworden, und hat zu einer Zeit 23000 getötet. Ach, meine werten, auserwählten Schafe! Denkt ihm doch nach; es ist ja zu unserer Lehre und Ermahnung geschehen, wie auch der heilige Apostel erzählt, damit wir nicht in dasselbe Exempel des Unglaubens fallen; denn was sollte es uns doch wohl nützen, daß wir aus dem geistigen Ägypten und Sodoma und aus dem Dienste des höllischen Pharao ausgegangen, durch das rote Meer des Blutes Jesu Christi erlöst, im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes auf das Bekenntnis unsers Glaubens getauft, und so durch Verleugnung unserer selbst, in den wahren Kasten Noah, als Christi Jesu, eingegangen sind. Ach, meine werten, lieben Schafe! Es kann uns alles nichts helfen, noch selig machen, wenn wir nicht die Gebote unseres Gottes erfüllen, denn der Apostel Johannes sagt: »Wer sagt, daß er Gott kenne, und hält seine Gebote nicht, der ist ein Lügner, und in demselben ist die Wahrheit nicht.« Ihr aber, meine Liebsten, seid allezeit gehorsam gewesen, nicht allein in meiner Gegenwart, sondern auch sogar in meiner Abwesenheit; darum schafft, daß ihr selig werdet, mit Furcht, und wandelt doch allezeit würdig, nach meinem Abschiede, nach dem Evangelium unseres Herrn Jesu Christi, damit ihr allezeit eines Geistes und eines Sinnes sein mögt, und lasst euch doch keineswegs von allen euren Widersachern erschrecken, es sei von innen oder von außen, welches ihnen ein Beweis der Verdammnis, euch aber der ewigen Seligkeit ist, und das von Gott; denn, meine werten, lieben Schafe, es ist nicht genug, daß ihr an Christum glaubt, sondern ihr müsst auch um seines Namens willen leiden, und geschieht solches nicht mit Banden oder Gefängnissen, so geschieht es mit täglichem Streite und Anfechtungen, welches jetzt auf viele und mancherlei Weise vorkommt, und euch noch mehr begegnen dürfte; denn Gott prüft und durchforscht seine Auserwählten auf mancherlei Weise. Man hält die Bande und das Gefängnis zwar für die schwerste Probe des Glaubens, aber, meine werten und lieben Schafe, ich schreibe und bekenne euch gegenwärtig, daß es mir das Leichteste ist, im Vergleich zu den Gefahren und Anfechtungen, die ich in der wilden Wüste dieser Welt erfahren und die mir zugestoßen sind, oder die ich vor Augen gesehen habe, sodass ich oft vor Bangigkeit meines Herzens und Geistes nicht wusste wohin; ich seufzte auch zu meinem Gott, und weinte wegen der vielerlei subtilen und schnellen Stricke, welche jetzt die alte Schlange legt, und war besorgt, ich mochte auch noch in ihre Stricke der menschlichen Schwachheit und der Klugheit meines eigenen Fleisches verwickelt werden, indem ich sah und hörte, daß hohe, starke eingewurzelte Bäume mit den Wurzeln ausgerissen und hohe Berge in jämmerliche Täler verwandelt wurden. Daneben fühlte ich, daß in mir nichts Gutes wohnte, und dachte dabei, daß an seinem Gerichtstage, wenn er die Seinen besehen wird, viel Spreu werde gefunden werden; ach, alsdann wird er sie wohl sehen, die kein hochzeitliches Kleid an haben; darum stand ich auch sehr bekümmert und war besorgt, ich möchte in seiner Zukunft um meines täglichen Missgriffes und unreinen Wandels willen nicht stehen können, weshalb ich ihn auch oft mit Tränen gebeten habe, daß er mich Armen, Elenden durch seine väterliche Barmherzigkeit tüchtig machen wolle, um seines Namens willen zu leiden, und um seines heiligen Zeugnisses willen nicht allein in Banden und Gefängnis, sondern auch in den Tod zu gehen; dann hätte ich Gewissheit von meiner Seele Seligkeit, und würde am Tage seines Zorns nicht zu Schanden werden, wozu er mich nun durch seine väterliche Barmherzigkeit erwählt und würdig gemacht hat, daß ich sein heiliges Zeugnis vor diesem argen ehebrecherischen Geschlechte in meinen Banden bezeugen soll; hierüber bin ich auch in meiner Seele sehr erfreut, und es ist mir von Herzen leid, daß ich meinem und unserem barmherzigen lieben Vater wegen seiner unaussprechlich großen Wohltaten, welche er an mir elenden Geschöpfe bewiesen hat und noch täglich beweist, nicht genug danken und ihn loben kann, denn ich habe das Vertrauen zu seiner väterlichen Gnade und Barmherzigkeit, daß er mich fernerhin tüchtig und würdig machen wolle, um seines heiligen Zeugnisses willen in den Tod zu gehen, und er weiß, wie mich schon lange verlangt hat, zu Hause zu sein, und das um der vielen Gefahren willen, die ich auf dem Wege sehe. Darum, meine herzlich geliebten Schafe in dem Herrn, da ich noch eine väterliche Fürsorge für euch hege, und euch mit einer göttlichen Liebe liebe, so kann ich es nicht unterlassen, euch, weil ich noch eine kurze Zeit in dieser Hütte bin, ein wenig durch mein Schreiben zu ermahnen, und euch zu bitten, ihr wollet nicht denken, als wollte ich über euch herrschen, sondern daß ich mit aller Freundlichkeit euch zum vollkommenen Altar Christi aufzubauen suche, damit ihr, meine lieben Schafe, doch als ein rechter Brief Christi befunden werden mögt, nicht geschrieben mit Tinte oder auf Papier, sondern durch den heiligen Geist des lebendigen Gottes, durch welchen ihr auch versiegelt seid auf den Tag eurer Erlösung, welcher Gottes Sitten und Rechte in euer Herz und Sinne geschrieben hat, wodurch ihr nun ein Brief Christi geworden seid, der von allen Menschen gesehen und gelesen wird, welche euren heiligen keuschen Wandel in der Niedrigkeit eures Herzens und Geringachtung eurer selbst ansehen.

Darum, meine lieben Schafe, bitte ich euch noch einmal, obgleich ihr demütig seid, so demütigt euch noch mehr, und obgleich ihr rein seid, so heiligt euch doch mehr und mehr, damit ihr als reine und untadelhafte Kinder Gottes unter diesem argen und verkehrten Geschlechte erfunden werden mögt, unter welchem ihr als ein Licht in der Welt leuchtet, damit ihr mir zur Freude auf den Tag Christi das Wort des Lebens haltet, damit ich auch nicht umsonst an euch gearbeitet haben möge, denn obgleich ich aufgeopfert werde, und die Zeit meines Todes nahe ist, so freue ich mich doch und bin fröhlich in meinem Gemüte um euretwillen und um der andern willen, die ich in meinen Banden geboren habe, die früher dem Hause Gottes unnütz waren, nun aber demselben förderlich und nützlich sind, welche ich auch um der Wahrheit willen liebe und begehre, daß sie mit hieran Teil haben sollen, in der Hoffnung, daß es ihnen im Geiste und im Glauben eine Freude erwecken werde, zur Versicherung und Stärkung eures Gemüts insgesamt in Christo Jesu. Darum ist noch zuletzt meine freundliche Bitte an euch alle, daß ihr doch einander aus reinem Herzen herzlich lieben wollt, als solche, die nicht aus vergänglichem, sondern aus unvergänglichem Samen, nämlich aus dem lebendigen, kräftigen und seligmachenden Worte wiedergeboren sind, und gedenkt doch der Worte Paulus, unseres Mitbruders, wenn er sagt: Die Hauptsumme der Gebote ist Liebe aus einem reinen Herzen und guten Gewissen, ja, sie ist das Band der Vollkommenheit. Ach, wie selig ist derjenige, welcher mit diesem Bande recht begürtet ist, denn er lebt sich selbst nicht, sondern seinem Herrn, und nimmt in allem die Worte Christi in Acht, wenn er sagt: Seid barmherzig, gleichwie euer Vater im Himmel barmherzig ist.

Darum, meine lieben Schafe, ich bitte euch nochmals durch die Barmherzigkeit unseres lieben Herrn Jesu Christi, und auch um der ewigen Seligkeit eurer Seelen willen, daß ihr nicht vergesst, mitzuteilen und Handreichung zu leisten, denn solches ersetzt nicht allein den Mangel, sondern verursacht auch, daß man Gott darum dankt und ihn lobt, indem man mit dergleichen Opfern Gott gefällt; gedenkt auch der Worte des weisen Mannes, indem er sagt: »Wer sich des Armen erbarmt, der leiht es dem Herrn, und der wird ihm das Gute vergelten.« Ferner sagt er: »Wer den Armen mitteilt, der wird keinen Mangel leiden, wer aber seine Augen abwendet, der wird abnehmen.« Der Gerechte gebraucht sein Gut zum Leben, aber der Gottlose braucht es zur Sünde.

Der eine gibt und teilt aus, und hat immer mehr; der andere kargt, wo er nicht soll, und wird doch ärmer, sagte er; ferner befiehlt Tobias seinem Sohne, daß er der Armen auch gedenken sollte, und sagt: Wende dich nicht von den Armen, dann wird dich Gott wiederum gnädiglich ansehen; wo du kannst, da hilf den Dürftigen. Hast du viel, sagte er, so gib reichlich; hast du wenig, so gib doch das Wenige mit treuem Herzen, denn die Almosen erlösen vom Tode und tilgen die Sünde, sagt er ferner. Hierüber sagt auch Sirach, daß das Almosen die Sünde austilgt und den Geber in der ewigen Wohnung verschonen wird. Darum hat auch Christus befohlen, daß man sich mit dem ungerechten Mammon Freunde machen soll, damit, wenn wir darben, sie uns in die ewige Hütte aufnehmen.

Christus hat aber sehr richtig gesagt: Arme habt ihr allezeit bei euch, darum wird er auch an seinem gerechten Tage sagen: »Alles, was ihr diesen meinen Geringsten getan habt, das habt ihr mir getan.« Hieraus folgt, meine liebwerten Schafe, daß die Worte Pauli auch wahr seien, nämlich: »Wer kärglich sät, der wird auch kärglich ernten, und wer im Segen sät, der wird auch ernten im Segen, denn einen fröhlichen Geber hat Gott lieb.« Meine herzlich geliebten Schafe in dem Herrn, obgleich ich dieses euch schreibe, so weiß ich doch auch, daß ihr von Gott und seinem heiligen Geiste gelehrt seid, und daß ihr mehr tun werdet, als ich euch schreiben kann; doch schreibe ich euch aus herzlicher und christlicher Liebe, damit ihr doch euch der vergangenen Zeit erinnern wollt, in welcher ihr so viel Fleiß auf allerlei Ungerechtigkeit verwandt, wie ihr denn auch bei köstlichen Banketten oder Mahlzeiten, ja, bei dem Gepränge und Prahlen, woran doch Gott einen Gräuel hat, keine Kosten gescheut habt. Ach, gedenkt doch einmal, meine lieben Schafe, welche Freude hattet ihr doch damals; ach, solltet ihr nun nicht in den Dingen umso viel mehr Fleiß anwenden, die euch Gott befohlen hat, nämlich Schätze zu sammeln im Himmel, welche weder Motten noch Rost verzehren. Ach, man sollte jetzt auch bisweilen ein oder zwei Stücke Geld zu finden wissen, um sie den armen Heiligen zu geben, ebenso wohl, als man früher ein, zwei oder drei Pfund flämisch Geld zu finden wusste, um sie in der Ungerechtigkeit zu verschwenden. Ach, meine werten, geliebten Kinder, solches schreibe ich euch nicht, um dadurch euer Gemüt niederzubeugen, sondern um deswillen, daß eure Liebe von Tag zu Tag mehr zunehmen möchte, denn ihr wisst doch nicht, wie lange ihr noch Zeit habt, oder wann es den Räubern in die Hände fallen wird. Ferner, meine treuen Schafe, ist noch das meine väterliche Bitte an euch, daß ihr in allem Frieden, in Liebe und Eintracht beieinander wohnen wollt; der eine helfe des andern Last tragen in der Liebe, denn ihr wisst nicht, wie lange ihr beieinander wohnen werdet, und bedenkt, daß ihr Kinder des Friedens genannt seid, denn euer König und Fürst ist ein König und Fürst des Friedens, weshalb ihr als Kinder des Friedens erfunden werden müsst, wie ich denn auch das Vertrauen zu euch habe, daß ihr solche seid, wiewohl ich so schreibe.

Hiermit will ich euch dem großen Hirten der Schafe anbefehlen, zu welchem ich ein aufrichtiges Vertrauen habe, daß er euch alle unter dem Schatten seiner Flügel bewahren werde, wenn ihr anders schlechterdings bei seinen Sitten und Rechten bleibt, und um keines Dinges willen Ihm aus den Händen entweicht; ich bin auch versichert, daß euch niemand aus seiner Hand reißen werde. Ich bitte euch noch einmal, und das um der Wunden unseres lieben Herrn Jesu Christi, und auch um der ewigen Seligkeit eurer Seelen willen, daß ihr doch mein Schreiben und meine treue Warnung jetzt an dem Ende meines Lebens zu Herzen nehmen wollt; lasst doch dieselbe nach meinem Tode nicht müßig bei euch liegen; haltet sie auch nicht für eine tote Geschichte oder Fabel, sondern nehmt sie als ein Testament auf, und lasst sie euch zum ewigen Gedächtnisse und Andenken sein; gedenkt meiner dabei, wie ich euch, nach meiner Schwachheit, ein Vorbild gewesen bin, und folgt meinen Fußstapfen nach, der ich euch durch die Kraft meines Gottes vorzugehen, nämlich bis ans Ende bei der Wahrheit zu bleiben, hoffe, um euch und allen, die Gott aus reinem Heizen zu fürchten suchen, zu bezeugen, daß dieses, wie Petrus sagt, die rechte Gnade unsers Gottes, ja der richtige Weg und die Heerstraße zum ewigen Leben sei, worauf ihr euch nun auch befindet. Darum lasst euch durch niemanden aus den Schranken treiben, worin ihr jetzt steht, oder euch wankelmütig machen, sondern wendet allezeit um desto mehr Fleiß an, euren Ruf und eure Erwählung zu befestigen. Ach, wenn ihr dieses tut, meine werten Schafe, so werdet ihr nicht fallen, sondern es wird euch der Eingang in das ewige Reich unsers Herrn Jesu Christi im Überflusse zubereitet werden. Darum haltet doch während eurer Lebenszeit scharfe Wacht in der Gerechtigkeit, denn es ist sehr nötig. Auch ist dieses mein freundliches Begehren an euch, ihr wollt diese Vorschrift in der Liebe aufnehmen, denn ich habe sie ja aus christlicher Liebe gegeben. Hiermit will ich Abschied von euch allen nehmen, bis in Ewigkeit, Amen.

Ferner, meine herzlich geliebten Schafe in dem Herrn, darüber, wie es mit mir und meinen Mitstreitern stehe, diene euch zur Nachricht, daß wir noch auf die Beförderung des Evangeliums bedacht sind; auch wisst, daß mir der Herr in meinem Streite und meiner Verantwortung treulich beisteht, und mir Kraft gegeben hat, das Feld zu behaupten, mich auch von der Höllen Mund und der Löwen Zähne erlöst hat; ich glaube, daß ich wohl zehn- oder zwölfmal gegen dieselben im Gewehre gewesen bin, die anderen aber haben sie nicht so sehr gequält. Summa, ich hoffe, der Streit sei gestritten, der Lauf geendigt und das Leben erhalten; für die Zukunft ist mir die Krone der Herrlichkeit beigelegt, welche mir keine Geschöpfe (wie ich hoffe) nehmen werden, denn getreu ist derjenige, der dieses gute Werk in mir angefangen hat. Er wird mir es auch ohne Zweifel, nach dem guten Vorsatze meines Gemütes, ausführen helfen, damit ich ohne Schaden durch den Jordan gehen möge. Gott gebe uns seine Gnade, Amen.

Teilt dieses einander mit; befehlt es Gott, überdenkt es fleißig und versteht es weislich. Ach, wenn ihr dieses tut, so wird man sehen, daß ihr alle eure Seligkeit sucht und mein Schreiben wert haltet.

Vollendet den 6. Oktober, im 23. Monate meiner Gefangenschaft. Noch eins, meine lieben Kinder, haltet euch doch zusammen tapfer zum Kreuze Christi, und weicht nicht davon ab.