Der Märtyrerspiegel

Teil II - Kapitel 2.515

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2.515  Ein Brief von Lorenz Andrieß Joost, Verkinderts Mitgefangenen, gesandt an R., des Joosts Weib, den 9. September.

Die ewige, überschwängliche und reiche Gnade und Barmherzigkeit von Gott, dem himmlischen Vater, die reine Liebe, Freude und den Frieden des Sohnes, samt dem Troste des Heiligen Geistes, welcher vom Vater und Sohne ausgeht, um diejenigen zu trösten, die in mancherlei Trübsal sind, wünsche ich dir, meine werte und von Gott geliebte Schwester in dem Herrn, als einen freundlichen Gruß zur Stärkung in deiner großen Trübsal, in welche du nun auch um des Herrn heiligen Namens und des Evangeliums willen geraten bist; dieses Evangelium hat er uns hinterlassen und mit seinem kostbaren Blut versiegelt, damit er dadurch uns von aller unserer Unreinigkeit reinige und wasche, und uns vor ihm heilig und unsträflich, ohne Flecken und Runzeln, darstelle, ja, damit er sich dadurch ein heiliges Volk zubereiten möge, das fleißig zu guten Werken wäre; demselben sei Lob, Dank, Preis, Ehre, Kraft und Majestät, von Ewigkeit zu Ewigkeit, Amen.

Nebst gebührlichem Gruße, meine liebe und werte Schwester in dem Herrn, die ich in Folge unserer Wiedergeburt aus meines Herzens Grunde liebe, lasse ich dich wissen, daß es mir und deinem lieben Manne dem Fleische nach sehr wohl gehe; dem Geiste nach aber ist unser beider Gemüt, durch die große Hilfe des Herrn, noch entschlossen, bei der ewigen Wahrheit zu bleiben, ohne welche wir nichts tun können, von welchem wir auch allezeit Hilfe und Trost erwarten müssen; er lässt uns nicht über unser Vermögen versucht werden, wie er verheißen hat, sondern wird neben der Versuchung einen Ausweg verschaffen; ja, er ist ein treuer Nothelfer, der die Seinen nie verlassen hat, die in seiner Furcht geblieben sind, und ein festes Vertrauen zu seinem Worte haben, denn er teilt mit einem jeden, der ihn anruft, und will nicht, daß jemand verloren werde, sondern daß sich ein jeder bekehre, damit wir etwas sein mögen, zum Lobe seiner Herrlichkeit. Seid ihr nun mit Christo auferstanden, so sucht, was droben ist, wo Christus ist, zur Rechten Gottes sitzend. Trachtet nach dem, das droben ist, nicht nach dem, das auf Erden ist; denn euer Leben ist verborgen mit Christo in Gott; wenn aber Christus, euer Leben, sich offenbaren wird, dann werden wir auch mit ihm offenbar werden in der Herrlichkeit. Darum tötet eure Glieder, die auf Erden sind, Hurerei, Unreinigkeit, schändliche Brunst, böse Lust und den Geiz (welcher Abgötterei ist), um deretwillen der Zorn Gottes über die Kinder des Unglaubens kommt. Darum sei jede Bitterkeit, Grimm, Zorn, Geschrei und Lästerung fern von euch, sondern seid untereinander freundlich, und vergebe einer dem andern, gleichwie Gott euch vergeben hat, in Christo.

So seid nun Gottes Nachfolger, als die lieben Kinder, und wandelt in der Liebe, gleichwie Christus uns geliebt und sich selbst für uns hingegeben hat; auch sagt Christus: Ein neues Gebot gebe ich euch, daß ihr euch untereinander liebt, wie ich euch geliebt habe, damit ihr euch auch untereinander lieb habt; daran wird jedermann erkennen, daß ihr meine Jünger seid. Ebenso sagt Petrus: Habt untereinander eine brünstige Liebe, denn die Liebe bedeckt auch der Sünden Menge; ebenso ist auch die Liebe des Gesetzes Erfüllung; aber wir müssen Gott über alles lieben, wie geschrieben steht: Wer zu mir kommt, und Vater, Mutter, Schwester, Bruder, Weib, Kind, ja, dazu sein eigenes Leben nicht hasst, der kann nicht mein Jünger sein; und abermals: Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, der ist meiner nicht wert, und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, der ist meiner nicht wert. Deshalb müssen wir ihn über alles lieben, und um seines Namens willen alles verlassen, und uns selbst gänzlich verleugnen. Darum, meine liebe Schwester, sei doch wohl zufrieden, und betrübe dich nicht hierüber allzu sehr, denn es ist doch des Herrn Wille, welcher allerdings geschehen muss; es muss hier doch geschieden sein. Darum eile, damit wir zusammen kommen mögen, wo uns keine Menschen mehr werden scheiden können. Hierzu möge dich und uns der gute und allmächtige Herr voller Gnade und Wahrheit tüchtig machen, Amen.

Gehabe dich wohl, halte mir dieses zu gut.