Der Märtyrerspiegel

Teil II - Kapitel 2.397

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2.397  Dieses ist der Brief, den der Schuhmacher Cornelius an sein Weib geschrieben hat, 1567.

Dieses ist der Brief, den der Schuhmacher Cornelius an sein Weib geschrieben hat, als er in Banden lag, derselbe ist nachher mit drei andern verbrannt worden, und hat dieses zu Antwerpen auf dem großen Markte mit seinem Blute versiegelt, den 13. Sept. 1567:

Die Gnade und Barmherzigkeit Gottes des Vaters, und die Liebe des Sohnes, sowie die Gemeinschaft und der Friede des Heiligen Geistes, welcher uns vom Vater durch den Namen unsers Herrn Jesu Christi, zum Troste und zur Freude aller wahren und getreuen Kinder Gottes gesandt worden ist, der uns auch bewegt, lehrt und gesund macht, bewahre dein Herz, deinen Verstand und deine Sinne in Christo Jesu, zum Lobe und Preise seines himmlischen Vaters, und zum Heile deiner betrübten Seele, wie auch zum Schutze aller Brüder und Schwestern, die den Herrn fürchten und lieben. Dieses wünsche ich dir, mein sehr herzlich geliebtes Weib, zum herzlichen Gruße.

Ich wünsche dir, mein geliebtestes Weib, die ich mir vor Gott und seiner Gemeinde vertraut und nach der Ordnung des Herrn zu einem Weibe genommen habe, Trost, Freude und guten Mut in all deiner großen Betrübnis, in welche du durch meine Bande und Gefangenschaft gekommen bist. Ach, mein liebes Weib, ich bitte den Herrn ernstlich für dich, daß er dich trösten wolle, denn ich weiß wohl, mein liebes Schaf, daß du um meinetwillen sehr betrübt bist; aber ich bitte dich, lege deine Betrübnis, wenn es möglich ist, ein wenig bei Seite; tröste dich mit dem Herzoge des Glaubens, und sieh auf den Vollender Jesum; wandle fernerhin in aller Gerechtigkeit, nimm der Gnadenzeit wohl wahr, und gedenke allezeit daran, welche große Gnade der Herr dir bewiesen hat; sei eingedenk, welchem getreuen Gotte du dienst; er wird dich nicht verlassen.

Ach, mein allerliebstes Schaf! Ich kann dem Herrn wegen seiner großen Kraft und Stärke, die er mir in all meiner Not verleiht, weder genug danken, noch Ihn genug loben; solch ein treuer Gott ist er, der mir solchen Mut gibt, sodass ich mit Paulus sagen kann: »Wer wird uns von der Liebe Gottes scheiden, Angst, Not, Verfolgung, oder Hunger, oder Blöße, oder Gefahr, oder Schwert? Wie geschrieben steht: Um deinetwillen werden wir den ganze Tag getötet; wir werden wie Schlachtschafe geachtet, die zum Tode geführt werden; aber in all diesem überwinden wir weit um desjenigen willen, der uns geliebt hat; denn ich bin gewiss, daß weder Tod noch Leben, weder Engel noch Herrschaft, noch Gewalt, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes, noch eine andere Kreatur uns von der Liebe Gottes, die in Jesu Christo, unserm Herrn, ist, zu scheiden vermag.«

Ach, mein liebes, Weib! Ich bitte und ermahne dich, sei doch geduldig in deiner Trübsal und standhaft im Gebete; denke allezeit an die schönen Verheißungen, die uns in der Schrift so reichlich gegeben sind, wenn wir bis ans Ende standhaft bleiben (Mt 10,22).

Ach, laß uns den Schatz, der uns gegeben ist, wohl bewahren, damit kein Mensch uns denselben auf irgendeine Weise nehme; darum sei standhaft und werde nicht müde; denn wenn auch der auswendige Mensch abnimmt, 2Kor 4,16, so wird doch der inwendige von Tag zu Tag erneuert, denn unsere Trübsal, die zeitlich und leicht ist, bringt uns, die wir nicht auf das, was sichtbar ist, sondern auf das, was unsichtbar ist, sehen, eine über die Maßen große Freude, die ewig ist.

Darum, mein liebes und sehr wertes Weib, lasse doch nicht nach, dem Herrn, deinem Gotte von ganzem Herzen zu dienen und seinen Fußstapfen nachzufolgen; denn wir wissen, daß, wenn das irdische Haus dieser Wohnung zerbrechen wird, wir einen Bau haben, von Gott erbaut; ein Haus, das nicht mit Händen gemacht ist, das ewig ist im Himmel, und daß wir damit überkleidet werden sollen, doch so, daß wir bekleidet und nicht bloß erfunden werden; denn während wir in dieser Hütte sind, sehnen wir uns, und sind beschwert, indem wir lieber nicht entkleidet, sondern überkleidet werden wollten, damit das Sterbliche von dem Leben verschlungen würde, der uns aber dazu bereitet, das ist Gott, der uns das Pfand, den Geist, gegeben hat.

Ach, mein liebes Weib! Weil wir denn eine solche Wohnung ererben sollen, wenn wir das Fleisch ablegen, so laß uns ohne Furcht in dem Glauben vor Gott und seiner Gemeinde wandeln; laß dieses unsern Vorsatz sein, daß wir von dem Herrn nicht abweichen, noch von seiner Liebe, die er durch den Heiligen Geist in unsere Herzen ausgegossen hat, und uns weder wegen Trübsal, nach wegen Verfolgung von Ihm scheiden, dann wird er dir in deinem Verlangen (wenn du aller Menschen Hilfe und Trost beraubt sein wirst) beistehen und dich trösten, denn er kommt demjenigen zu Hilfe, der aus Schwachheit sich gering achtet, und dem Verzagten, denn er allein wohnt und will in dem Herzen der Menschen wohnen, und will nicht, daß wir jemanden außer Ihm dienen sollen.

Darum, mein liebes Schaf, sei fest in Ihm auferbaut und gegründet, wie du auch unterrichtet bist, und laß die Liebe wachsen und zunehmen in aller Gerechtigkeit und Heiligkeit, die vor Gott gilt und Ihm angenehm ist; befleißige dich allezeit in den Tugenden voran zu sein, und habe nicht Achtung auf den trägen und unachtsamen Wandel, sondern sieh auf diejenigen, die nach der Lehre Christi leben; habe mit denselben allezeit deinen Umgang, damit du weder links noch rechts, weder zu hoch noch zu tief dich verläufst, denn viele verlaufen sich dadurch, daß einer auf den andern sieht, wodurch sie bisweilen erkalten.

Darum, mein liebes und sehr wertes Weib, suche allezeit das, was droben ist, und trachte allezeit mit deinem Gemüte nach dem, was unsichtbar ist; ziehe den alten Menschen aus, und ziehe den neuen an; verleugne das ungöttliche Wesen und die weltlichen Lüste; verändere dich durch die Erneuerung deiner Sinne, dann wirst du der Auferstehung teilhaftig werden (Lk 20,35). Darum wisse, daß du den alten Menschen zuvor gekreuzigt haben musst, damit der Leib der Sünden aufhöre; laß es dich nicht verdrießen, Gutes zu tun; denn deine Arbeit in dem Herrn wird nicht vergeblich sein (1Kor 15,58); denn wir sind Christi teilhaftig geworden, wenn wir den Anfang seines Wesens bis ans Ende festhalten.

So lasse dich denn, mein liebes Weib, in deinem Sinne oder Glauben nicht bewegen, denn es ist die rechte Gnade Gottes, worin wir stehen, und wenn auch ein Engel käme, sagt Paulus, der euch das Evangelium anders predigen würde, als euch gepredigt ist, so sei er verflucht; fürchte auch nicht die Menschen, die dich von dieser Lehre abziehen wollen, denn sie werden wie Heu vergehen (Jes 51,12); denn sie können auch nichts tun ohne Gottes Zulassung. Darum fürchte Gott, und demütige dich unter Ihn, denn er wird von den Niedrigen geehrt; halte dich allezeit zu den Kleinsten, dann wirst du in den Augen Gottes groß sein; laß dich selbst nicht dünken, du seist etwas, damit du dich nicht betrügst; gehe allezeit von dir selbst aus, und achte nicht, was dir auch die Menschen zufügen, wenn man dir auch Unrecht tut, denn es ist Gnade bei Gott, wenn man um des Gewissens willen in Trübsal gerät und das Unrecht leidet. Darum sei geduldig in allem dem, was um des Herrn willen über dich kommt, damit du des Leidens Christi teilhaftig werden und so seine Verheißungen ererben mögest, denn die Zeit, während welcher man hier Schmach leidet, ist kurz gegen die Freude, die an uns zur letzten Zeit offenbar werden soll, denn wiewohl wir hier ein elendiges Leben haben, so werden wir doch dort viel Gutes haben; hier werden wir geachtet, als stürben wir, aber wir gehen ein zur sichern Ruhe und zum Frieden. Der Leib wird hier in Krankheit gesät, aber in Kraft wird er auferstehen (1Kor 15,43). Es wird ein natürlicher Leib gesät, und ein geistiger Leib wird auferstehen; nun muss unser Haus dieser Wohnung zerbrochen werden, wenn wir anders das Haus, das uns von Gott erbaut ist, erlangen sollen. Darum fürchte nicht diejenigen, die den Leib töten, denn sie können der Seele nicht schaden, und laß uns um das Werk des Herrn nicht betrübt sein, sondern (wie Christus sagt, Mt 5,12) uns darüber erfreuen und fröhlich sein, denn wir werden im Himmel dafür belohnt werden; und laß uns, wie Petrus sagt, den Herrn in solchem Falle loben und preisen.

Ach, mein liebes Schaf! Das ist nicht gesagt, daß wir uns betrüben sollen. Darum sei doch geduldig in deiner Trübsal und leidsam in deinem Leiden, denn Paulus sagt, daß denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen müssen, darum vertraue ich auch dem Herrn, daß es dir zum Besten dienen werde. Nimm das Leiden und die Widerwärtigkeit, die er dir zuschickt, geduldig an von seiner Hand, denn er wird dich nicht über dein Vermögen versucht werden lassen. Sei nun geduldig im Leiden um Christi willen, denn alle, die ohne Züchtigung sind, sind Bastarde und keine Kinder. Jakobus sagt: »Selig ist der Mann, der die Anfechtung erduldet, denn nachdem er bewährt ist, wird er die Krone des Lebens empfangen, welche Gott denen verheißen hat, die ihn lieb haben.«

So folge denn Christo nach, mein liebes Weib, nimm dein Kreuz auf mit Geduld und Freude, und folge Ihm nach die ganze Zeit deines Lebens; er hat so vieles um unsertwillen leiden müssen, um uns selig zu machen; darum laß uns auch um seinetwillen leiden, denn es ist unsere Stunde. So laß uns nun um die Krone des Lebens, die uns und denen bereitet ist, die den Herrn fürchten und lieben, mit Freuden streiten. Darum laß uns in Ihm zufrieden sein, unser Kreuz mit Freude und Geduld auf uns nehmen, und mit einem festen Vertrauen auf die Verheißungen warten, die er uns gegeben hat, damit wir auf dem Berge Zion gekrönt und mit Palmen geziert werden mögen und also dem Lamme nachfolgen.

Deshalb stärke dich selbst und erwarte die Barmherzigkeit unsers Herrn Jesu Christi in dem ewigen Leben. Dem aber, der dich ohne Anstoß erhalten und dich vor das Angesicht seiner Herrlichkeit mit Freuden stellen kann, Gott, der allein weise ist, unserm Seligmacher, sei Ehre, Macht, das Reich und die Kraft, nun und in Ewigkeit, Amen.

Sieh, mein liebes Weib und Schwester in dem Herrn, weil ich dir mit meiner Gegenwart nicht länger dienen kann, so habe ich dir ein wenig geschrieben, um dich zu trösten; du erhältst dieses als ein Andenken und Testament, daß du meiner dabei eingedenk seiest, wie ich dir vorgewandelt bin, denn ich hoffe, diesen Brief mit meinem Blute zu versiegeln, daß es nämlich die rechte Wahrheit sei; dafür begehre ich auch mein Leben zu lassen, zum Preise des Herrn und zur Erbauung aller derer, die den Herrn von Herzen fürchten. Ich empfehle dich dem Herrn und dem Worte seiner Gnade; er wolle dich in aller Gerechtigkeit und Wahrheit bewahren, und obgleich wir voneinander scheiden müssen, so weiß ich doch, und habe das feste Vertrauen zu dem Herrn, daß wir in dem ewigen Leben wieder beieinander sein werden; eine solche Hoffnung habe ich zu dir, daß du deine ganze Lebenszeit dich darnach richten und bequemen werdest, damit du die Seligkeit erlangen mögest.

Hiermit sage ich dir gute Nacht, mein liebes Schaf; gute Nacht bis in die Ewigkeit. Gute Nacht zum Abschiede an alle, die den Herrn fürchten. Bittet den Herrn für uns alle vier, daß wir dem Herrn ein gefälliges Opfer tun mögen, damit unsere Seele ewiglich erhalten werde, dazu wolle Gott, der Herr, seine Gnade geben, Amen.

Geschrieben von mir, dem Schuhmacher Cornelius, gefangen um des Zeugnisses unsers Herrn Christi willen.