Ein Brief van Willeboort Coineliß, geschrieben aus dem Gefängnisse zu Middelburg, wo er gefangen lag, welchen er mit seinem Blute versiegelt hat und welcher so lautet:
Die Gnade und der Friede von Gott, dem himmlischen Vater, welche uns durch Jesum Christum, seinen einigen Sohn, unsern Herrn, geworden sind, wollen dich trösten in allem deinem Jammer, meine herzlich geliebte Schwester im Herrn; der heilige Geist wolle dich leiten in alle Wahrheit und Gerechtigkeit bis ans Ende, und die starke Hand Gottes wolle dich und mich auf der ebenen Bahn erhalten, damit wir recht wandeln mögen bis ans Ende, Amen.
Meine herzlich geliebte und werte Schwester in dem Herrn! Wir müssen in dieser elenden und betrübten Welt als jedermanns Raub geachtet sein, wie der Prophet uns berichtet; ja, Christus Jesus selbst sagt: »Ihr müsst von allen Menschen um meines Namens willen gehasst werden;« ja, wir werden für Verführer gehalten; gleichwohl sind wir wahrhaftig; wir sind ein Schauspiel geworden, wir haben in allen Dingen Trübsal, aber wir ängstigen uns nicht; wir werden gedrängt, aber wir werden nicht verzagt; wir leiden Verfolgung, aber wir werden nicht verlassen; wir werden unterdrückt, aber wir vergehen nicht. Wir werden für Schlachtschafe gehalten, aber in all’ diesem überwinden wir weit um desjenigen willen, der uns geliebt hat; denn, mein liebes Schaf, wir wissen, daß wir durch viel Trübsal und Leiden in das Himmelreich eingehen müssen; ebenso wissen wir auch, daß, solange wir in diesem Leibe wohnen, wir als Pilger in der Abwesenheit von dem Herrn wallen. Darum sagt Petrus: »Ich ermahne euch als Pilger und Fremdlinge, enthaltet euch der fleischlichen Lüste, die wider die Seele streiten.« Darum mein liebes Schaf, hast du nun auch mit Abraham unser Vaterland verlassen, so sei darum nicht träge in demjenigen, was du tun sollst, sondern sei brünstig im Geiste, schicke dich nach der Zeit, sei fröhlich in der Hoffnung, geduldig in Trübsal, halte an im Gebete, nimm dich der Heiligen Notdurft an und beherberge gern. Darum, mein liebes Schaf, obgleich unser äußerer Mensch verwest, so wird doch der innere von Tag zu Tag erneuert, denn unsere Trübsal, die zeitlich und leicht ist, schafft uns, die wir nicht auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare sehen, eine ewige und über alle Maßen gewichtige Herrlichkeit.
Darum, meine liebe Schwester, siehe allezeit auf den Herzog des Glaubens und den Vollender Jesum, welcher, wahrend er wohl hätte Freude haben mögen, das Kreuz erduldete und der Schande nicht achtete, und zur Rechten auf dem Stuhle Gottes gesessen hat. Gedenkt an den, der ein solches Widersprechen von den Sündern wider sich erduldet hat, daß ihr nicht in eurem Mute matt werdet und ablasst, denn wen der Herr lieb hat, den züchtigt er; er stäupt aber einen jeden Sohn, den er liebt und aufnimmt; denn unser Heiland hat selbst um unsertwillen so viel gelitten, daß auch Jesaja wohl sagen durfte, daß er weder Gestalt noch Schönheit gehabt; wir sahen Ihn, aber da war keine Gestalt, die uns gefallen hätte. Er war der Allerverachtetste und Unwerteste, voller Schmerzen und Krankheit; er war so verachtet, daß man auch das Angesicht vor Ihm verbarg. Darum durfte er durch den Propheten wohl sagen: »Sie gaben mir Galle zu essen, und Essig zu trinken in meinem großen Durste; alle Menschen spotten mein, sie schüttelten den Kopf, und sperrten den Mund auf wider mich.« Ja, wie er durch den Propheten sagt: »Ich bin ein Wurm und kein Mensch, ein Spott der Leute und eine Verachtung des Volkes.«
Meine liebe Schwester in dem Herrn! Hat das Haupt so gelitten, so müssen die Glieder auch folgen; laß dich es nicht verdrießen, daß du noch in dieser Welt oder Wüste herumstreifen musst, denn Gott ist es, der in euch das Wollen und Vollbringen wirkt, nach dem guten Vorsatze deines Gemütes. Mein liebes Schaf, laß dein Licht allezeit leuchten unter diesem argen und verkehrten Geschlechte, damit diejenigen, welche von euch afterreden, wie von Übeltätern, eure guten Werke sehen und Gott preisen am Tage der Untersuchung.
Meine herzlich geliebte Schwester in dem Herrn, erwarte doch die Zeit in Geduld, und harre auf die Zukunft unsers Herrn. Sieh, der Ackersmann erwartet die köstlichen Früchte der Erde in Geduld und geduldet sich, bis er den Früh- und Spätregen empfange. Darum sei geduldig, stärke dein Herz, denn des Herrn Zukunft ist nahe. Meine liebe Schwester, du hast die Geduld Hiobs gehört, und hast auch das Ende des Herrn gehört, daß er barmherzig und ein Erbarmer ist.
Mein liebes Schaf, laß uns dasjenige, was wir haben, bis ans Ende festhalten, er ist getreu, der es uns verheißen hat, meine liebe Schwester; erniedrige dich allezeit, alle deine Sorge wirf auf den Herrn, denn er sorgt für dich und für uns alle; wir wissen ja unsern Lohn, den wir mit Geduld erwarten, schon im Voraus, wenn wir seine Gebote nach unserer Schwachheit bis ans Ende festhalten. Darum sagt Paulus, daß die Liebe das Band der Vollkommenheit sei, und Petrus sagt: Habt untereinander eine brünstige Liebe, denn die Liebe deckt auch der Sünden Menge. Meine liebe Schwester in dem Herrn, müssen wir auch ein Spott der Welt sein, und in fremden Ländern herumwandern, so wird es uns doch kein Hindernis sein, wenn der Herr sagen wird: Kommt, ihr Gesegneten meines Vaters, ererbt das Reich, welches euch von Anfang der Welt bereitet ist; dann wird das Kind geboren sein, dann wird man nicht mehr gelästert werden, dann werden alle unsere Feinde überwunden sein, dann werden unsere Tränen von unsern Augen abgewischt werden, dann wird uns kein Leid mehr widerfahren, dann werden wir aus dem Brunnen des Lebens umsonst trinken, denn alles, was sie geschrieben ist, das ist zu unserer Lehre geschrieben, damit wir durch Geduld und Trost der Schrift Hoffnung haben möchten.
Der Gott der Geduld und des Trostes gebe euch, daß ihr untereinander gleich gesinnt seid, nach Christo Jesu, damit ihr einmütig mit einem Munde Gott, den Vater unsers Herrn Jesu Christi, preisen mögt. Darum nehmt einander auf, gleichwie uns Christus zur Herrlichkeit Gottes, des Vaters unsers Herrn Jesu Christi, aufgenommen hat, Amen.
Von mir, Willeboort Corneliß, in den Banden geschrieben.