Der Märtyrerspiegel

Teil II - Kapitel 2.164

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2.164  Ein Brief des Hieronymus Segerß an sein Weib.

Gnade und Frieden sei mit dir von Gott, dem Vater, die Barmherzigkeit und Liebe des Sohnes und die Kraft und Gemeinschaft des Heiligen Geistes stärke deinen Glauben, dein Herz, deine Sinne und deinen Verstand in Christo Jesu, Amen. Dies wünsche ich meinem geliebten Weibe, die ich vor Gott und seiner heiligen Gemeinde geehelicht habe, gleichwie Abraham Sarah, Isaak Rebecca und Tobias seines Vetters Tochter zum Weibe genommen hat, so habe ich dich zum Weibe genommen, nach der Lehre und dem Befehle des Wortes Gottes, und nicht, wie diese arge blinde Welt; darum lobe ich den Herrn und danke Ihm Tag und Nacht, weil Er uns so lange erhalten hat, bis wir miteinander bekannt worden sind und die Erkenntnis der Wahrheit erlangt haben. Sie sagen, dass unser Verhältnis Ehebruch gewesen sei, weil wir dasselbe nicht, wie das ehebrecherische Geschlecht, auf eine abgöttische, fleischliche, eitle, hoffärtige und wollüstige Weise haben bestätigen lassen, was vor Gottes Augen nichts als ein Gräuel ist. Darum lügen sie über uns, gleichwie sie auch über Christum gelogen haben. Und wenn sie auch sagen: Du sollst dich an das Nähen halten, so hindert uns solches nicht, denn Christus hat uns alle berufen und uns die Schrift zu durchforschen befohlen, denn sie zeugt von Ihm; auch sagt Christus ferner, dass Magdalena das beste Teil erwählt habe, weil sie in der Schrift forsche.

Und ferner, meine Geliebte, wenn sie dich auch fragen wollten, wo deine Zeichen und Sprachen wären, solches schadet dir nichts, denn die Gläubigen, welche Petrus und Johannes tauften, redeten nicht mit Zungen, sondern es war ihnen genug, dass sie an Christum glaubten. Auch hat Stephanus, welcher des Heiligen Geistes voll war, nicht mit Zungen geredet, gleichwie auch die Bischöfe und Lehrer, die mit Paulus waren, weder Wunder getan, noch mit Sprachen geredet und gleichwohl das Wort Gottes unsträflich gelehrt haben. Und so sagt auch Paulus, dass der Heilige Geist in den Gemeinden seine Gaben mitteilt; dieser hat die Gaben gesund zu machen, ein anderer zu weissagen, ein anderer mit vielen Sprachen zu reden, ein anderer Wunder zu tun, ein anderer zu ermahnen, ein anderer Barmherzigkeit zu erweisen, ein anderer standhaft zu glauben, und dieses wirkt alles der Heilige Geist, durch welchen einer dem andern zu seiner Selbstbesserung Handreichung tut und also zum heiligen Tempel aufwächst; darum wandle ein jeder, wie er berufen ist. Ferner ist uns genug, dass Christus nicht nur für seine Jünger, sondern auch für diejenigen gebetet hat, die durch ihr Wort an Ihn glauben würden.

Siehe, mein geliebtes Weib in dem Herrn, wie gern die reißenden Wölfe die einfältigen Seelen mit ihren Lügen und ihrer Arglist ermorden wollen, womit sie auch uns zusetzen, um uns zu verführen und auch deine Seele in den ewigen Tod zu stürzen suchen; darum hüte dich vor ihnen und gib ihnen kein Gehör, weil sie sehr listig sind, sondern tue, wie Christus sagt: Meine Schafe hören meine Stimme, die fremde Stimme hören sie nicht; darum wird sie auch niemand aus seiner Hand nehmen.

Siehe, meine Geliebte, wie uns Christus vor dieser Zeit gewarnt habe; darum laß uns vorsichtig sein, damit wir nicht durch die listige Schlange betrogen werden. Und wisse, dass ich auch einmal vor den Herren gewesen bin, als ich dir zurief und dass ich damals so geredet habe, dass sie mich zufrieden gelassen haben, und wiewohl sie die andern noch zweimal vorgefordert, so haben sie mich doch in Ruhe gelassen; auch habe ich einmal mit den Pfaffen von der Sendung gehandelt und sie mit des Herrn Wort dergestalt bestraft, dass sie aus Erbitterung mit ihren Fäusten auf den Tisch schlugen und nichts zu sagen wussten, denn sie sagten nur, Petrus sei Papst gewesen und St. Andreas habe die erste Messe gehalten. Hierauf antwortete ich ihnen, dass sie es mit der Wahrheit nicht dartun könnten; ich sagte ihnen auch, dass sie Irrgeister wären und die Lehre der Teufel hätten, worauf sie mich verließen.

Ferner lasse ich dich wissen, mein geliebtes Weib in dem Herrn, es tut mir leid, dass du geweint hast, denn als ich hörte, dass du betrübt wärest, so habe ich den Herrn Tag und Nacht desto brünstiger für dich gebeten und bin versichert, dass Er dich wie seinen Augapfel bewahren wird; ich lobe den Herrn allezeit, weil Er uns beide würdig gemacht hat, um seines Namens willen zu leiden, worüber ich mich sehr freue.

Als ich deinen Brief las und hörte, wie es mit dir stand, und dass du mir den gekreuzigten Christum zu einem Gruße wünschest, so hüpfte mein Herz und mein Geist vor Freude auf, so dass ich den Brief nicht auslesen konnte, sondern ich musste meine Knie vor dem Herrn beugen, Ihm danken und Ihn für seine Kraft, seinen Trost und seine Freude loben, obgleich ich auch um unserer Brüder und um deinetwillen betrübt bin, weil ihr so lange sitzen müsst. Ich habe dich und unser Kind des Herrn Händen anbefohlen, denn ich traue Ihm solches zu, und zweifle nicht daran, dass Er dir dieselbe Freude geben werde, welche Er mir gegeben hat, und dich bis ans Ende bewahren werde. Ich freue mich und bin so fröhlich in seinen Verheißungen, welche Er denen gegeben hat, die bis ans Ende standhaft bleiben. Ich bin so voller Freude, Trost und Fröhlichkeit, als ich jemals gewesen bin; ja, ich habe solche Freude, dass ich’s nicht sagen oder schreiben kann, ich hätte auch nicht gedacht, dass ein Mensch solche Freude im Gefängnisse haben könnte, denn ich kann Tag und Nacht vor Freude kaum schlafen, kann auch dem Herrn nicht genug danken und Ihn loben, denn es kommt mir vor, als wäre ich hier noch keinen Tag gewesen. Ach möchte ich mein Herz in Stücke brechen und es dir und unsern Brüdern geben. Ach, ich wollte, dass ich ihnen mit meinem Blute helfen könnte, ich wollte gern für sie leiden.

Ach, meine Geliebte in dem Herrn! Nun erfahre ich, wie kräftig, nachdrücklich und väterlich Er diejenigen bewahrt, die Ihm trauen und nichts als seine Ehre suchen; ja welche Stärke, welchen Trost und welche Freude Er ihnen gibt, wie abscheulich Er aber diejenigen fallen lässt, die Ihn verlassen und verleugnen und sich auf Menschen verlassen, sodass sie ein nagendes Gewissen, ein betrübtes Herz und grausamen Schrecken bekommen und nichts erwarten, als die ewige Verdammnis, des Feuers Pein und das erschreckliche Wort: Gehet hin, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, denn das Angesicht des Herrn sieht auf die, die da Böses tun. Darum siehe, mein geliebtes Weib in dem Herrn, laß uns auf den Vollender Jesum sehen, wie Er uns um unsers Heils willen bis in den Tod vorgewandelt ist; denn siehe, die Krone des Lebens ist uns bereitet; wir werden mit Ihm auf seinem Throne sitzen; wir werden mit weißen Kleidern angetan werden. Hiermit befehle ich dir den gekreuzigten Christum zum Troste und zur Freude, dass Er dich bewahren, dich mit seinem göttlichen Worte sättigen und mit dem Brote des Lebens und mit dem Brote des Verstandes speisen und dir aus dem Brunnen des Lebens das Wasser der Weisheit und die unverfälschte Milch zu trinken geben wolle. Derselbe bewahre deine Seele zur Seligkeit, Amen.