Der Märtyrerspiegel

Teil II - Kapitel 2.336

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2.336  Der zweite Brief von Jelis Strings.

Gnade, Barmherzigkeit und Friede von Gott, dem himmlischen Vater, und dem Herrn Jesu Christo, dem Sohne des Vaters in der Wahrheit und Liebe, wolle euch, die ihr eine kleine Zeit um Christi willen zu leiden habt, stärken und kräftig machen und befestigen; derselbe wolle euch nach dem Reichtume seiner Herrlichkeit und Kraft verleihen, stark zu werden an dem inwendigen Menschen, und Jesum Christum durch den Glauben in euren Herzen zu wohnen und durch die Liebe eingewurzelt und gegründet zu werden, damit ihr alle mit dem Bande der Liebe verbunden sein möget und also sämtlich durch die Vereinigung des heiligen Geistes und durch den Gehorsam des Herrn nach Inhalt des Evangeliums zum heiligen Tempel und zur Wohnstätte Gottes in Einigkeit auferbaut werden mögt; das wünsche ich euch allen, die den Herrn lieben, zum herzlichen Gruße, liebe Brüder und Schwestern in dem Herrn.

Ferner nach geschehenem Grüße hoffe ich euch abermals ein wenig von unserm Handel zu schreiben, welchen wir mit unsern Widersachern gehabt haben, wiewohl es nicht sehr viel ist; denn als wir gefangen genommen wurden, beschlossen wir untereinander, uns in keinen Wortstreit einzulassen, es sei denn, daß wir alle beisammen wären; dies haben wir auch gehalten, damit sie hinter unserm Rücken nichts zu lügen hätten, und damit sie, wenn sie von dem einen ein Wort mehr hören würden, als von dem andern, die Einfältigen durch ihr Schreien nicht irre machen möchten; deshalb wurden sie auch sehr zornig und sagten, sie verließen sich alle auf mich. Sie kamen oft, um einen Wortstreit zu halten, aber wir wollten nicht, es sei denn, daß wir alle auf dem Markte zusammenkämen; darüber waren sie sehr zornig und sagten: Wo hat man jemals gesehen, daß man auf dem Markte einen Wortstreit hält, ihr wollt immer neue Lehren vorbringen. Endlich willigten wir ein, daß wir unsern Wortstreit im Gefängnisse halten wollten, wenn wir nur die Erlaubnis hätten, alle zusammenkommen zu dürfen, aber sie wollten mit jedem Einzelnen verhandeln; aber auf solche Weise wollten wir nicht. Deshalb kamen sie zwei- oder dreimal, wir hatten auch zwei- oder dreimal einige Reden mit ihnen, damit sie nicht sagen möchten, wir hätten sie nicht hören wollen; unsere Reden handelten von den drei Personen und der Menschwerdung. Die erste Frage, die er an mich tat, war, ob ich nicht glaubte, daß die Menschen selig würden, wenn sie an Jesum Christum glaubten und sich fernerhin von allem Bösen enthielten; ich antwortete: Ja, alle diejenigen, welche glauben, daß Jesus Christus der Sohn Gottes ist, der für uns gestorben ist, und die durch solchen Glauben dem Evangelium Gehorsam erweisen, sollen selig werden. Wohlan denn, sagten sie, wenn sie nun glauben, daß man die Kinder taufen soll, so werden sie ja nach eurer eigenen Aussage selig. Ich erwiderte: Mein Herr, es scheint, du seiest den Schriftgelehrten gleich, die Christum mit Schalkheit zu tadeln suchten, es scheint, ihr tut dasselbe.

Ja, sagte er, Christus wusste den Schriftgelehrten wohl zu antworten, dasselbe sollt ihr auch tun, wenn ihr anders Christi Geist habt. Ich antwortete: Wenn sie dem Evangelium Gehorsam leisten, so werden sie keine Kinder taufen oder taufen lassen, denn solches ist von Gott nicht eingesetzt oder geboten, sondern ihr habt es eingeführt, es wird aber alles, was Menschen eingesetzt haben, von Gott ausgerottet werden; ebenso wird es eurer Kindertaufe auch ergehen. Dann sagte er, daß die Wiedertäufer glaubten, Christus habe sein Fleisch aus dem Himmel gebracht. Ich entgegnete: Das sind Lügen; schämst du dich nicht, daß du so da sitzest und in meiner Gegenwart lügst? Er sagte: Was ihr glaubt, weiß ich nicht, sondern andere. Ich sagte: Das sind Lügen, ich habe von niemandem gehört, der einen solchen Glauben hätte; gleichwohl habe ich mehr Umgang mit ihnen gehabt, als du; schämst du dich nicht, daß du so sitzest und in meiner Gegenwart lügst.

Da fing er an vieles zu reden; es saßen noch drei oder vier Pfaffen bei ihm, und auch der Schultheiß war dabei. Sie sagten: Jelis, rede doch gelinde. Ich erwiderte: So lügt denn auch nicht so; ich redete laut, daß es die andern Mitgenossen hören sollten. Da fragte er: Was ist denn euer Glaube? Ich antwortete: Mein Glaube ist mit allen Aposteln, daß er der Sohn Gottes ist, wie Petrus bekannt hat, Mt 16,16 und Joh 20 und Joh 6,69, sichtbarer und unsichtbarer Weise, daß das Wort, wodurch alle Dinge geschaffen sind, in Maria, durch die Kraft des Allerhöchsten, Fleisch geworden sei. Er sagte, ob das Wort Fleisch geworden sei, wie Loths Weib zum Salzsteine, oder wie Wasser zu Wein. Ich sagte: Nein. Er sagte: Wie denn? Ich antwortete: Es ist Mensch geworden, und ist doch das Wort geblieben, nämlich, das Wort, das unsichtbar war, ist sichtbar geworden; das unbegreiflich war, ist begreiflich, und was unleidentlich war, ist leidentlich geworden. War das Wort, sagte er, nicht Gott? Ich antwortete: Es ist Gott und Mensch. Er sagte: Ist denn Gott gestorben? Ich erwiderte: Er ist gestorben nach der Menschheit, wie Petrus sagt: Getötet nach dem Fleische, lebendig gemacht nach dem Geiste. Dann fragte ich ihn, wie er die Einheit erkenne. Er erkenne, sagte er, drei Personen und einen Gott. Ich fragte, ob der heilige Geist eine Person wäre. Er sagte: Ja. Ich sagte: Als der Gruß von dem Engel an Maria geschah, daß sie schwanger werden sollte, sie aber nicht wusste, wie es zugehen sollte, weil sie niemals einen Mann erkannt hatte, so sagte der Engel: Der heilige Geist wird über dich kommen; ist nun der heilige Geist eine Person, so hat eine Person die andere empfangen, gleichwie auch in der Apostelgeschichte steht, daß, als die Apostel den heiligen Geist empfingen, derselbe sich auf einen jeden von ihnen gesetzt habe; nun aber kann eine Person nur auf einen Menschen sitzen, auch steht im Buche der Weisheit im 1. Kap, Vers 1, geschrieben, daß der Welt Preis voll Geistes des Herrn sei, mit welcher Person willst du ihn nun vergleichen? Er wusste nicht, was er sagen sollte. Darauf sagte er: Ich halte sie nicht für solche Personen, wie Peter, Claes und Jan. Ich sagte: Womit vergleicht ihr sie denn? Da redeten sie einige Worte Latein und sagten: Wir nennen sie nur Personen; hast du geglaubt, daß wir von ihnen wie von drei Menschen halten? Ich antwortete: Ja. Er sagte: Hast du die Menschen so gelehrt, so musst du bekennen, daß du über uns gelogen hast und ein falscher Lehrer bist. Ich erwiderte: Ich bin kein Lehrer; es geht mir übel genug, daß ich mich selbst lehre. Dann sagte ich: Ihr nennt sie Personen, sind es denn keine? Warum nennt ihr sie denn drei Personen? Es ist fast dasselbe, erwiderte er. Ich sagte: Es ist nicht dasselbe; eine Person ist ein Mensch, du kannst sie aber doch mit keinem Menschen vergleichen! Darauf sagte er: Gott der Vater ist nicht der Sohn, der Sohn ist nicht der Vater, der heilige Geist ist weder Vater noch Sohn; dieses sind drei, was der eine ist, ist der andere nicht, und obgleich ihrer drei sind, so sind sie doch nur ein Gott. Ich sagte: Das ist mein Glaube auch; darin erkenne ich nur eine Person, welche Jesus Christus ist, den man sehen und betasten konnte; die übrigen aber weiß ich mit nichts zu vergleichen. Wir kamen also hierin überein, und er ließ dieses Thema fahren.

Darauf fragte er abermals, ob Gott gestorben wäre. Ich erwiderte: Du hast mir bekennen müssen, daß du erkennst, daß das Wort nicht der Vater, und der Vater nicht das Wort sei, und obgleich sie nach der Gottheit ein Gott sind, so bekennst du doch, daß es drei Zeugen seien, und diese zwei Zeugen sind nicht Mensch geworden, sondern das Wort, wodurch alles erschaffen worden ist, ist Fleisch geworden, wie Johannes, Kap 1, sagt; obgleich nun dieses Wort Mensch geworden ist, so hört es darum nicht auf, nebst dem Vater Gott zu sein; sonst könnte kein Gottmensch sein. Darauf sagte er: Jelis, du irrst. Sie führten auch an Röm 1,3; es stand aber in ihrem Testamente: Der von dem Samen Davids nach dem Fleische geworden ist, ist kräftig bewiesen, ein Sohn Gottes zu sein nach dem Geiste. Ich antwortete, daß sie das Wort geworden übel übersetzt hätten; es müsste heißen: Geboren von dem Samen Davids; geht hin und beseht die Testamente, die ihr vor 30 oder 36 Jahren habt drucken lassen, beseht sie, ob es daselbst so stehe; ich habe darin gelesen, wie es stehen soll, ihr aber habt es nun so verändern lassen, um die einfältigen Herzen zu verführen. Darüber wurden sie sehr zornig. Da sagte ich: Sagt doch, wie es sich gebührt, geboren, denn ein Weib kann ja kein Kind machen; worauf er erwiderte: Geworden oder angenommen ist ganz dasselbe; aber es steht daselbst: Er hat nicht die Engel angenommen, sondern den Samen Abrahams hat er angenommen. Ich sagte: Das ist auch verändert; es sollte daselbst nur stehen: Er nimmt nicht die Engel an, sondern den Samen Abrahams nimmt er an als seine Kinder; es werden aber die Gläubigen für solchen Samen gehalten; denn Paulus sagt, 1Kor 11,8, daß der Mann nicht ist vom Weibe, sondern das Weib vom Manne. Sie sagten: Das ist von Adam und Eva gesprochen. Ich antwortete: Gott hat’s daselbst gezeigt, daß der Mann nicht vom Weibe, sondern daß das Weib vom Manne komme; das ist eurem Glauben durchaus zuwider. Paulus führt die Geburt noch näher an, denn er sagt: Gleichwie das Weib von dem Manne, so ist der Mann durch das Weib gekommen, und das alles von Gott; das zielt ja auf die Geburt; Adam ist nicht durch Eva gekommen. Er sagte, man müsste es so verstehen. Ich erwiderte: Ich verstehe es nicht so. Wir hatten auch noch viel mehr Reden von den Verheißungen; aber ich habe nicht Raum, dieselben aufzuschreiben. Alle diese Reden hatte ich mit dem Pfarrherrn von St. Martins, einem losen Gaste, der so schalkhaft war, daß ich seines Gleichen nicht gehört habe; alle anderen waren nichts gegen ihn. – Geschrieben in Eile, im Dunkeln, mit Tinte von Kohlen gemacht; habt Nachsicht damit.

Des Tages, ehe wir den weltlichen Herren übergeben worden sind, waren wir vor dem Diakon von Ronse. Er sagte uns, ob wir uns nicht bedacht hätten. Ich erwiderte, ich wäre allezeit darauf bedacht, das Böse zu lassen und das Gute zu tun, so viel mir bekannt ist. Es waren drei oder vier Ratsherren dabei und ein Unteramtmann; er sagte, es wäre ein großer Hochmut, daß ich vorgäbe, weiser zu sein, als die ganze Welt; da wären Ambrosius und Augustinus, und noch mehrere andere heilige Männer, die hätten es so verstanden. Ich entgegnete: Ich gebe mich nicht dafür aus, daß ich etwas wüsste, sondern ich erkenne den Glauben für die Wahrheit, und dabei will ich gern bleiben. Lebt wohl und seid Gott befohlen. Jelis Strings, euer schwacher Bruder im Herrn.