Der Märtyrerspiegel

Teil II - Kapitel 2.713

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2.713  Thomas Han, 1592.

Im Jahre 1592 den zwölften Mai ist auch Thomas Han von Niktsberg zu Freiburg im Baierlande um des Glaubens willen gefangen genommen worden; er ist auch sehr hart gepeinigt und ausgespannt worden, und damit er auf das, was sie begehrten, antworten und von seinem Glauben abfallen möchte, so haben sie ihn von acht bis elf Uhr an Stricken hängen lassen; aber er hat ihnen geantwortet: Ihr habt meinen Leib, tut damit, was ihr wollt; die Seele werdet ihr mir nicht nehmen; ich werde euch auch das, was ihr begehrt, nicht sagen, noch jemanden verraten. Solltet ihr mir auch eine Ader nach der andern aus dem Leibe ziehen, und alle Tage von meiner Haut einen Riemen schneiden, so will ich doch nicht abfallen, noch von der Wahrheit weichen. Sie haben ihn mit vielen Schmähworten gescholten, z. B., daß er ein Verführer wäre und viele Leute zu der Wiedertäufersekte verführt hätte. Aber er sagte ihnen: Es ist die rechte, christliche Taufe und keine Wiedertaufe; und wenn er die ganze Welt bekehren könnte, so wollte er gern dreimal sterben, wenn es möglich wäre.

Als er nun etwa sieben Wochen gefangen gelegen hatte, so hat man ihn (weil man ihn nicht zum Abfall bringen konnte) den 8. Juli in das Rathaus gebracht, um das Urteil über ihn zu fällen; als dieses geschah, hat er sich zum Volk gewandt und dreimal mit lauter Stimme gerufen: Gott sei Ehre und Dank, daß es dazu gekommen ist und daß dieses sein Wille ist. Da band ihn der Scharfrichter und wollte ihn auf einen Wagen setzen; aber er sagte: Ich will zum Tode gehen, gleichwie auch Christus, unser Herr, zum Tode gegangen ist. Darauf hat er angefangen zu singen. Der Diener befahl ihm zu schweigen; aber der Scharfrichter sagte: Lass ihn reden. Unterwegs hat sich ein Pfaffe an ihn gemacht, und es sind auch noch mehrere andere Leute mitgegangen. Der Pfaffe fragte (als er sich nicht unterrichten lassen wollte), ob er meinte, daß er und seines Gleichen allein gerecht sei, die andern alle aber verdammt wären. Der Bruder Thomas antwortete hierauf: Wir befleißigen uns eines frommen Lebens und meiden die Sünden; aber diejenigen, die in Sünden leben wollen, stoßen wir von uns aus und leiden sie nicht; doch verdammen wir niemanden, sondern ein jeder, der Sünde tut, wird um seiner bösen Werke willen verdammt, und solches verkündigen wir ihm. Darauf sagte der Pfaffe: Wir strafen auch die Sünde. Der Bruder fragte: Was wollt ihr strafen? Wenn der Hirte nicht gut ist, wie sollten denn die Schafe gut sein? Ihr seid falsche Propheten, wie wollt ihr denn die Falschheit strafen? Weiter sagte er zu dem Pfaffen: Gehe von mir, du falscher Prophet, ich mag dich nicht länger ansehen. Hiernächst fing der Pfaffe an, sein Sakrament zu erheben, daß es Christi wahrer Leib und wahres Blut sei, und daß der, welcher es gebraucht, keine Sünde habe. Der Bruder sagte: Ihr geht mit eurem Sakrament um und verkauft es ums Geld, wie Judas den Herrn verkauft und verraten hatte; wir aber halten das Abendmahl des Herrn zu seinem Gedächtnis, nach seinem Befehl. Darauf fragte er den Pfaffen, wo von dem Sakrament geschrieben stände. Der Pfaffe verstummte und wusste nichts zu antworten, als daß er sagte: Es steht in der Bibel. Thomas fragte: Wo? Der Pfaffe sagte: Paulus schreibt im fünfzehnten Kapitel. Der Bruder sagte: Dem ist nicht so; und setzte hinzu: Gehe doch von mir, du falscher Prophet. Als sie auf den Richtplatz kamen, fragte der Scharfrichter, ob er beten wollte. Das tat er und sagte darauf: Ich habe mein Gebet schon verrichtet; fahre nun fort, denn ich wünsche aus dieser Welt zu sein. Dann ist er niedergekniet, und der Scharfrichter hat das Schwert rasch entblößt, um ihn zu erschrecken, und hat ihn dabei dreimal um Gottes willen gebeten, er wolle doch widerrufen, so wolle er ihn gehen lassen. Aber der Bruder sagte: Ich widerrufe nicht, darum fahre fort mit deinem Werk, denn es muss sein. Hiernächst hat ihn der Scharfrichter enthauptet, und er hat seinen Geist im Frieden Gott befohlen. Darauf hat der Scharfrichter den Leichnam aufs Holz gelegt, ihn ein wenig versengt und dann den abgehauenen Kopf mit dem übrigen Körper begraben, und obgleich es an jenem Tag sehr windig war, so ist doch, als man ihn brannte, der Rauch gerade auf gen Himmel gestiegen, wie solches alle, die es gesehen haben, bezeugen können. Dieses ist zu Freiburg in Baiern den 8. Juli 1592 geschehen.