Der Märtyrerspiegel

Teil II - Kapitel 2.228

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2.228  Ein Brief von Wilhelm Droogscheerer.

Ein Brief von Wilhelm Droogscheerer, zu Antwerpen im Gefängnisse geschrieben, wo er um des Zeugnisses unseres Herrn Jesu Christi willen, nebst vier andern, im Jahre 1557 getötet worden ist, wie wir zuvor gemeldet haben.

Gnade, Friede und Barmherzigkeit von Gott, dem Vater, und unserem Herrn Jesum Christum, der uns zu seinem unvergänglichen Reiche berufen und erwählt hat, ehe der Welt Grund gelegt war, uns auch durch das Wasserbad im Worte gereinigt hat, damit wir vor seinen Augen unsträflich wären.

Geschrieben an dich, meinen geliebten Bruder N., und meine geliebte Schwester N. Obgleich ich hier um des Zeugnisses Christi willen geschlossen und gebunden liege, und, durch des Herrn Gnade, bereit bin, solches mit meinem Blute zu versiegeln, so lasse ich doch auch nicht nach, meiner Mitglieder in meinem Gebete zu gedenken, welches ich größtenteils mit Tränen vor dem Herrn verrichte; denn ihr wandelt noch in der wilden Wüste unter Drachen, Löwen und Bären, die fortwährend laufen und das unschuldige Blut zu ermorden suchen, welches von Abels Zeiten an Rache ruft, indem sie uns dem Tode überantworteten, wie die Juden Christo taten, denn wir sind ihnen zu schwer anzusehen, weil wir uns ihnen nicht gleichstellen; darum ratschlagen sie und sprechen: Lasst uns ihn zum jämmerlichsten Tode verurteilen, denn es soll ihm nach seinen Reden vergolten werden. Darum, meine Auserwählten im Herrn, wir wollen uns nicht vor ihrem Drohen und Schlagen fürchten, obgleich sie wie wütende Hunde laufen; der Herr hat doch ihre Herzen in seiner Hand; sie können uns ohne den Willen unseres Vaters nicht ein Haar kränken. Der Herr hat ja die drei Jünglinge in dem feurigen Ofen bewahrt, Daniel in der Löwengrube, Hesekiel in Jerusalem, Mose in Mesopotamien, Elia im Gebirge; ja, alle, die auf den Herrn trauten, sind niemals zu Schanden geworden, denn seine starke Hand, sagt der Prophet, ist nicht zu kurz, und wenn auch eine Mutter ihr eigenes Kind verließe, so will ich dich doch nicht verlassen, spricht der Herr; denn wer euch antastet, der tastet meinen Augapfel an. Darum sollen wir unsere Seelen zur Anfechtung zubereiten, unsere Erlösung naht herbei, und der Tag der Trübsal ist jetzt hier; darum sollen wir unseren Herrn allezeit heiligen und verherrlichen, damit wir alle diese schönen Verheißungen ererben möchten, welche er dem Christengeschlechte gegeben hat, damit wir in unserer Not weder müde noch matt werden, sondern im Geiste brünstig sein mögen, fröhlich in der Hoffnung, geduldig in Trübsal und anhaltend im Gebete. Als die Israeliten aus Ägypten gingen, waren sie sehr freudig, daß sie vom Dienste und der Sklaverei erlöst waren; als sie aber in die Wüste kamen, wo es dem Fleische nicht wohl gefiel, sank ihnen aller Mut und sie murrten, sodass sie wieder zurückkehren wollten, wozu sie doch kein Recht hatten; denn sie hatten alle ihre Satzungen mit sich genommen, damit sie keine Ursache hätten, wieder zurückzukehren; deshalb sind sie auch nicht in das verheißene Land gekommen, mit Ausnahme von Kaleb und Josua, denn diese hatten guten Mut, sodass sie ihre Feinde wie ein Stück Brot vernichteten. Auch war der Herr mit David, da er den Riesen Goliath niederschlug; sie gürteten ein Schwert an seine Seite, um damit den Riesen niederzuschlagen; David aber war solches nicht gewohnt, weil er ein Schäfer war; darum legte er das Schwert wieder ab, ergriff seine Schleuder und warf damit dem Riesen einen Stein an den Kopf, daß er zur Erde fiel; da nahm David des Riesen Schwert und hieb ihm das Haupt ab. Darum, meine auserwählten Brüder und Schwestern im Herrn, lasst uns nicht weichen, weder zur rechten noch zur linken Seite, denn wir haben solch einen großen König, der uns nicht verlassen wird, wenn wir anders treulich bei ihm ausharren; er ist so getreu, der es verheißen hat, daß ich nicht daran zweifeln kann, denn die Stadt, wo wir eingehen werden, ist alles Guten voll; aber sie ist in der Demut gegründet.

Wisset, lieber Bruder N. und Schwester N., daß ich euch ein Lied zum Andenken gebe; ich will euch damit dem Herrn anbefehlen, bis wir auf den Berg Zion kommen und daselbst das neue Lied mit allen Auserwählten Gottes singen. Lieber Bruder und Schwester, als ich dieses Lied machte, hat mich großer Schmerz und starke Versuchung überfallen, sodass ich sehr betrübt war, denn es kam mir vor, als ob mich der Herr auf einmal verlassen hätte; ich fiel auf meine Knie, weinte bitterlich zum Herrn und bat um Stärke und Kraft; und der Herr erhörte mein Gebet und richtete mich wieder auf; denn er lässt uns nicht über unser Vermögen versucht werden, dabei schafft er doch einen Ausgang, wie es uns erträglich ist. Ich empfing wieder solche Gnade und Freude, daß ich vor Freude dieses Lied machte, zur Auferbauung meines Nächsten. Grüßt mir J. von H. sehr mit dem Frieden des Herrn, und du, N., grüße mir deinen Meister auch sehr mit dem Frieden des Herrn, und sage meinetwegen deiner Frau gute Nacht, ich kann ihr den Frieden nicht geben, denn es steht geschrieben: Wehe denen, die den Menschen trösten in oder auf eine eitle Hoffnung. Wisst, liebe Freunde, daß ich sehr erfreut war, als ich vor Gericht ging, daß es mir vorkam, es könnte nichts diese Freude übertreffen, daß ich nämlich meinen Herrn, meinen Gott, vor der Welt bekennen sollte. Der Schultheiß fragte, ob ich wiedergetauft sei; und der Heilige Geist redete durch meinen Mund und sagte, daß ich nach der Lehre Christi getauft sei, und daß sie Widertäufer wären, denn sie tauften wider Christum; darum kommt euch der Name zu, womit ihr uns belegt. Ich bat sie auch, sie möchten mich zu meinen Brüdern lassen, denn wir hatten doch einen Glauben; aber sie gaben mir keine Antwort. Also, meine lieben Freunde, wir wollen euch unter dem Altare erwarten.