Der Märtyrerspiegel

Teil II - Kapitel 2.293

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2.293  Ein Brief von Maeyken de Korte.

Meine liebe Schwester, bitte für uns, daß das Volk des Herrn erfolgreich sei und fruchtbar werde, in aller Geduld und Helligkeit, ihn zu erwarten in Leidsamkeit, denn er wird gewiss kommen und seinen Lohn mit sich bringen. Er ist getreu, der es verheißen hat, er wird es auch tun; es ist freilich, wie ich sage, unser Leben besteht in eitlem beständigen Streit auf Erden. Wisse, daß ich sehr wohlgemut bin, das Fleisch ist wohlauf, dem Herrn sei Lob; wir sind hier recht ein Fluch der Welt und sehnen uns immer nach Hause und nach der Behausung, die nicht mit Händen gemacht, sondern selbst im Himmel ist; wir erwarten neue Himmel und eine neue Erde nach seiner Verheißung, worin Gerechtigkeit wohnt. Wie müssen wir denn nicht geschickt sein, mit einem gottseligen Wesen, ich finde mich oft geschlagen; auch finde ich noch so viele Gebrechen in mir, und muss noch so vielem absterben; solches muss ich dem Herrn mit einem demütigen Herzen und mit zitterndem und furchtsamen Gemüte übergeben, und ihn um Gnade, nicht aber um Recht, bitten. Ich fühle, je mehr ich mich erniedrige, desto mehr der starke Gott in mir wirkt und seine Gnade in mich ergießt; dann weine ich bitterlich, falle auf meine Knie und danke meinem Gott mit den Worten: O mein Herr und Gott!, was bin ich Adamskind, daß du dessen eingedenk bist? Du hast es erhaben und herrlich gemacht über alle deine Werke; woher kommt es, daß du uns so reichlich heimsuchst, daß du deine Schätze so mildreich öffnest, und in uns eingehen, und den schönen Morgenstern in unseren Herzen scheinen lassest, und uns aus dieser finstern Nacht zu dem unvergänglichen Lichte gezogen hast? Was sollen wir ihm anders dagegen geben, meine liebe Schwester, als ein bußfertiges und zerschlagenes Herz und einen zerbrochenen Geist, mit Liebe und großer Dankbarkeit, daselbst ruht der Geist des Herrn, sagt David. Laß uns einander herzlich lieben, denn Gott ist die Liebe, und uns allezeit ermahnen, damit wir durch den Betrug der Sünden nicht erkalten, damit Gott in uns geehrt und wir erlöst werden mögen von der Hoffart und den argen bösen Menschen, denn der Glaube ist nicht jedermanns Ding; der Herr ist treu, er wird uns stärken und bewahren. Wisse, daß meine Schwestern hier waren und ein Wort des Trostes von mir verlangt haben; der Herr aber hat noch den Sieg erhalten, ich weiß nicht, wie mir ist, ich fühle keine Hinneigung zu ihnen, als ob sie mir nicht befreundet wären; ich kann mich nicht erfreuen; wenn ich sie sehe, kommt es mir vor, als ob sie vor mir furchtsam wären. Sie machten mir sehr vieles Kreuz und hatten einen Klosterbruder (Balten genannt) hierher gesandt, um uns zu verhören; sie wollten ihm auch drei Kappen geben, wenn er mich bekehren könne; er setzte mir mit schönen Worten zu, ich aber wollte nichts reden und war damals auch krank. Da sagten meine Schwestern: Warum sagst du nichts? Ich erwiderte hierauf: Es gelüstet mich jetzt nicht, wir haben so oft mit ihm geredet, daß er unsere Meinung wohl weiß.

Darüber wurde Balten unwillig und klagte sehr über mich, daß ich mit der Kraft der Schrift widerstanden hätte, daß ich unrechtmäßig auf meiner Seligkeit bestände, und daß ich keine Hoffnung hätte. Da weinten sie sehr; aber es ging mir nicht zu Herzen, er mochte schweigen oder reden; er ließ alles Volk aus der Kammer sich entfernen, und blieb mit meinen beiden Schwestern und mir allein. Hierauf bat er mich sehr und sagte: Liebe Maeyken, habe doch Mitleiden mit deiner armen Seele; ich aber erwiderte herzhaft: Das hoffe ich auch zu tun; und sage, sagten sie, daß es dir leid sei, daß du geirrt habest; es ist genug, du darfst nichts mehr sagen; man wird für dich sofort eine Schrift nach meiner Angabe anfertigen und ich samt deinen beiden Schwagern wollen sie selbst unterzeichnen; es soll heimlich gehalten werden und man wird alles für dich tun, was möglich ist; laß dieses geschehen, meine liebe Schwester. Da wurde ich in meinem Geiste gerührt und sprach: Ihr solltet wohl euer Haupt ruhen lassen, ihr tut verlorene Arbeit, ich bin nicht von solcher Meinung, daß ich sagen sollte, es wäre mir leid; nein, so wenig leid ist es mir, daß ich es noch tun wollte, wenn ich es nicht schon getan hätte; was ich in meinem Sinne habe, dabei will ich mit Gottes Hilfe bleiben und keine Bitten, keine Pein, ja, selbst der Tod soll mich nicht abwendig machen, ich begehre darin zu sterben. Darum quält mich nicht, ich wollte wohl gerne mit Lauwrens Huysmaker reden, wenn es mir gestattet werden möchte, desgleichen auch eure Angesichter sehen, aber ich muss mich mit Geduld trösten.

Bleibt dem Herrn befohlen und dem Worte seiner Gnade. Grüßt mir Andries, grüßt mir Matthäus, ich grüße euch beide, grüßt mir Lauwrens, grüßt mir Hans, grüßt mir sehr den Adriaen und Lauwrens Weib samt Lauwrens, des Besenmachers Weib und Hanskens Weib.