Der Märtyrerspiegel

Teil II - Kapitel 2.162

Zum Inhaltsverzeichnis

2.162  Noch ein Brief des Hieronymus Segerß an sein Weib.

Gnade, Friede, herzliche Freude durch die Erkenntnis Jesu Christi sei mit dir, mein liebes Weib Lysken in dem Herrn. Ich wünsche dir, mein liebes Weib Lysken, eine feurige Liebe zu Gott und ein fröhliches Gemüt in Christo Jesu. Wisse, dass ich deiner Tag und Nacht in meinem Gebete gedenke, dass ich für dich zu Gott flehe und seufze, denn ich bin sehr betrübt um deinetwillen, weil du so lange gefangen sitzen musst, und ich hätte gewünscht, wenn es des Herrn Wille wäre, dass du von den Banden befreit worden wärest. Nun aber hat der Herr ein anderes gewollt, weil Er dich prüfen und seine Kraft und Stärke gegen alle Widersprecher der Wahrheit an dir offenbaren will. Darum kann ich wider des Herrn Willen nichts tun, damit ich Ihn nicht versuche, sondern ich will Ihn vielmehr loben und Ihm danken, dass Er uns beide gewürdigt hat, um seines Namens willen zu leiden, denn alle auserwählten Schafe hat Er hierzu verordnet, indem er sie aus den Menschen zu Erstlingen Gottes erkauft hat. Ferner, meine Liebste, ich bin bis auf diese Stunde sehr fröhlich gewesen, habe den Herrn gelobt und Ihm gedankt, weil Er uns hierzu tüchtig gemacht; als ich aber von dir hörte, dass du mehr betrübt seiest, als dein Mund ausdrücken könnte, so hat mir solches viele Tränen verursacht und mich in meinem Herzen sehr betrübt. Auch habe ich verstanden, dass deine Betrübnis daher entstanden sein sollte, weil du mir oft gesagt, wir sollten Assuerus verlassen, was ich aber nicht getan habe; solches hat mich viele Tränen gekostet und ist mir herzlich leid; gleichwohl aber kann ich nichts gegen des Herrn Willen tun, und wäre es sein Wille gewesen, Er hätte uns wohl eine Rettung verschafft, aber Er hat uns ein Ziel gesetzt, welches wir nicht überschreiten können. Weil wir dem Herrn nun nicht entlaufen können, so laß uns um sein Werk nicht betrübt sein, sondern vielmehr, wie Christus sagt, uns freuen und fröhlich sein, denn im Himmel wird es uns wohl belohnt werden, und wie Petrus sagt: den Herrn in solchem Falle ehren. Ach, meine Liebe! Solches sagt er nicht, dass wir uns betrüben sollen; darum sei doch geduldig in deiner Trübsal und gelassen in deinem Leiden, denn Paulus sagt, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen; deshalb habe ich auch das Vertrauen im Herrn, dass es dir zum Besten gereichen wird, dass du so lange gefangen sitzen musst. Darum nimm doch gutwillig von seiner Hand an, was Er dir zusendet, denn Er lässt niemanden über seine Kräfte versucht werden. Deshalb sei ein Mitgenosse des Leidens Christi, denn alle, welche ohne Züchtigung sind, sind Hurenkinder und keine Kinder. So sagt auch Jakobus: Selig ist der Mann, der die Anfechtung erträgt, denn nachdem er bewährt ist, wird er die Krone des Lebens empfangen, welche der Herr denen verheißen hat, die Ihn lieb haben.

Deshalb sei doch Christi Nachfolgerin, und nimm dein Kreuz in Geduld und mit Freuden auf und folge ihm getrost nach, denn Er hat um unseres Heils willen so viel erlitten; darum laß uns auch Ihm zu Ehre leiden, denn es ist jetzt unsere Stunde. Laß uns um die Krone des Lebens, welche uns zubereitet ist, freudig streiten.

So bitte ich dich nun, meine Liebe, du wollest doch deine Betrübnis fahren lassen, denn der Herr wird dich wie seinen Augapfel bewahren, und ob auch eine Mutter ihres Kindes vergäße, so will ich doch dein nicht vergessen, spricht der Herr. Ja, meine Schafe hören meine Stimme, sagt der Herr, und sie folgen mir nach, und niemand wird sie aus meiner Hand nehmen. Darum, Geliebteste, sei doch immer zufrieden, und vertraue auf den Herrn; Er wird dich nicht verlassen. Auch habe ich von meiner Schwester vernommen, dass deine Betrübnis zum Teile deshalb entstanden sei, weil du dich nicht verträglich genug gegen mich bezeugt hast. Siehe, mein liebes Schaf, du bist nicht widerspenstig gewesen; wir haben nicht anders miteinander gelebt, als es unsere Schuldigkeit erfordert; warum wolltest du dem betrübt sein? Sei nur zufrieden, denn solches wird uns Christus nicht zurechnen, weil Er ja unserer Sünden nicht gedenken will; ich danke dem Herrn, dass du in deinem Umgange mit mir so demütig gewesen bist; ich wollte wohl ein Jahr lang bei Wasser und Brot für dich sitzen, und auch zehnmal des Todes sterben, wenn du damit befreit werden könntest. Ach, könnte ich dir mit meinen Tränen und mit meinem Blute helfen, wie gern wollte ich für dich leiden, aber mein Leben kann dir nicht helfen. Darum sei doch zufrieden; ich will den Herrn noch mehr für dich bitten; ich habe auch diesen Brief mit Tränen geschrieben, weil ich hörte, dass du so betrübt seiest, und bitte dich, du wollest mir schreiben, wie es um dich stehe. Hiermit befehle ich dich dem Herrn.