Der Märtyrerspiegel

Teil II - Kapitel 2.679

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2.679  Henrich Sumer und Jakob Mandel, 1582.

Im Jahre 1582, in der ersten Woche des September, ist der liebe und getreue Bruder, Henrich Sumer, ein Diener des Wortes Gottes, der noch in der Prüfung stand, und mit ihm Jakob Mandel, zu Zurzag in der Schweiz um seines Glaubens und des Zeugnisses Jesu Christi willen in Verhaft genommen worden. Darauf hat man sie nach der Stadt Baden geführt, wo sie von dem Landvogt und den Richtern in Beisein des Volkes auf dem Rathause öffentlich verhört und wegen ihres Glaubens untersucht worden sind, welchen sie freimütig bekannt haben. Bei diesem Verhör waren vierundzwanzig Pfaffen, welche versuchten, ob sie dieselben zum Abfall bringen und von ihrem Glauben abirren machen könnten, aber sie konnten nichts erreichen oder sie irgendeines Unrechtes oder Irrtumes überführen, vielweniger eine Ursache zu ihrem Tode auf redliche Weise an ihnen finden.

Als nun diese Brüder und christlichen Helden im Glauben standhaft und durch das Wort Gottes freimütig bezeugten und bewiesen, daß sie auf dem rechten schmalen Weg der Wahrheit zum ewigen Leben in Christo Jesu wären, wovon sie keineswegs abweichen wollten, und sollte es sie auch das Leben kosten, so sind die Pfaffen zuletzt dahin einig geworden, und haben zu den Ratsherren gesagt, sie wüssten weiter nichts zu tun, weil dieselben halsstarrig blieben, deshalb müssten sie nach ihrem Gutdünken mit ihnen handeln.

Man sollte ihnen also nun das Todesurteil fällen, aber die Ratsherren konnten nicht einstimmig werden, denn einige unter ihnen wollten ihren Tod nicht auf sich laden, und daran Schuld sein, weil es sich um Glaubenssachen handelte, und sie dieselben für fromme Männer hielten, aber, weil die meisten Stimmen dahin stimmten, daß man sie vom Leben zum Tode bringen sollte, so beschlossen sie darauf, daß man mit ihrem Urteil fortfahren sollte. Und als nun die Brüder vernahmen, daß ihre Zeit gekommen wäre, daß sie aus der Welt gehen sollten, freuten sie sich von Herzen, und waren fröhlich und wohlgemut, sagten auch, es wäre ihnen eine viel größere Freude, als wenn sie irgendwo auf eine Hochzeit gehen sollten, ja sie waren sehr wohlgemut, weil sie Gott so würdig erkannt hatte, daß sie seinen Namen durch solchen aufrichtigen Tod verherrlichen sollten, was viele Fromme und Freunde Gottes vor ihnen getan hatten, und daß sie so die himmlische Krone erlangen würden.

Als man sie nun hinausführte, haben sie zum Volk freimütig geredet und die versammelte Menge ermahnt, sie sollten Buße tun und sich von ihrem sündhaften Leben zu Gott bekehren; hiernächst fingen sie beide an sehr lieblich und mit süßer Stimme aus Grund des Herzens dem Herrn einen Lobgesang zu singen.

Es war eine große Volksmenge zugegen, und vielen darunter fielen die Tränen aus den Augen, als sie sie singen und sagen hörten, daß sie in der Stunde des Todes so wohlgemut wären, aber die ewige Freude stand ihnen vor Augen, und sie freuten sich nach dem inwendigen Menschen, daß sie zu Abraham, Isaak und Jakob kommen sollten, zu allen Ältesten und der ganzen Schar der Heiligen, zu allen Propheten und Aposteln des Herrn, und zu ihren unlängst verstorbenen frommen Mitbrüdern und Schwestern, ja zu Jesu Christo selbst, ihrem Heiland und Seligmacher; also sangen sie bis an das Wasser, wo man sie ertränken sollte.

Als sie nun hinauskamen, sprach Henrich: Nun, mein Bruder Jakob, weil wir so lange miteinander Bekanntschaft gehalten, so lass uns miteinander die Reise fortsetzen durch diesen zeitlichen Tod in das ewige Leben. Der Bruder Jakob Mandel musste zuerst daran; der Scharfrichter nahm ihn und ertränkte ihn im Wasser; als er tot war, zog er ihn wieder heraus, legte ihn dem Henrich vor die Augen und sagte: Mein lieber Henrich, sieh doch deinen Bruder an, der um sein Leben gekommen ist, und steh doch noch ab, sonst musst du auch sterben, da ist kein anderer Rat. Aber er sprach: Denkt doch ja nicht, daß ich abstehen und die göttliche Wahrheit verlassen werden; ich will dabei ausharren und sollte es mich auch Leib und Leben kosten. Auch bat ihn ein Pfaffe sehr ernstlich und sprach: O mein lieber Henrich, lass doch ab von deinem neuen Unglauben und von dieser bösen Sekte. Aber der Bruder Henrich wandte sich zu ihm und sagte: Was, Sekte? Ich glaube an Gott, den allmächtigen Vater, und an Jesum Christum, unsern Herrn und Heiland, und an sein heiliges Wort und seinen göttlichen Befehl, darin stehe ich; hältst du das für eine Sekte? Darfst du den rechten christlichen Glauben eine Sekte schelten? Was hast du denn für einen Glauben? Hast du einen andern Glauben, so bist du selbst in einer Sekte und in einem neuen Glauben; stehe davon ab und verlasse dein sündhaftes, lasterhaftes und gottloses Leben. Also wurde der Pfaffe zu Spott und Schanden, und musste schweigen. Als sie nun sahen, daß er noch standhaft blieb, nahm ihn der Scharfrichter und ertränkte ihn auch, wie den andern. Dieses geschah den neunten Oktober des vorgemeldeten Jahres 1582 zu Baden im Schweizerland, als sie fünf und eine halbe Woche gefangen gesessen hatten.