Der Märtyrerspiegel

Teil II - Kapitel 2.505

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2.505  Noch ein Brief von Joost Verkindert, geschrieben den 26. Juni, aus dem Gefängnisse an seinen vorgenannten Bruder W.

Gnade, Friede, Freude von Gott, dem himmlischen Vater, und unserm lieben Herrn Jesu Christo, der uns geliebt und uns in seinem Blute von unsern Sünden gewaschen hat, und der Trost des Heiligen Geistes, der ein Tröster aller derer ist, die in mancherlei Jammer und Trübsal sind; demselben sei Preis, Ehre, Herrlichkeit, das Reich und die Kraft und die Majestät, von Ewigkeit zu Ewigkeit, Amen.

Dieses wünsche ich dir zum freundlichen und herzlichen Gruße, mein sehr lieber und werter Bruder W. und deinem Weibe I.

Ferner lasse ich euch wissen, daß es mit mir, dem Fleische nach, noch ziemlich wohl steht; ebenso hoffe ich auch, dem Geiste nach, diesen großen und schweren Streit durch die große und unaussprechliche Gnade Gottes und die Hilfe des Höchsten auszuführen, von welchem wir Hilfe und Trost erwarten müssen, zum Preise seines heiligen Namens, unseres Nächsten Erbauung und unserer Seelen Seligkeit, welche Seligkeit man nicht mit Gold und Silber, oder mit etwas, das in der Welt ist, kaufen und erlangen kann, sondern nur durch den wirkenden und tätigen Glauben an Jesum Christum, Ich habe auch von euch einen Gruß empfangen, sowie dasjenige, was an uns gesandt worden ist; dies hat uns sehr aufgemuntert, und ist in unserer Trübsal ein großer Trost gewesen, denn wir freuten uns, lobten und dankten Gott, daß noch solche gutherzige Brüder sind, die noch an uns arme, schwache Gefangene denken.

Ach, liebe Brüder und Schwestern! Seid doch allezeit unserer in eurem Gebete eingedenk, daß uns der Herr stärken wolle, daß wir unser Fleisch hier auf Erden mit Freuden ablegen mögen, denn bisweilen fürchtet es sich sehr davor, daß ihm ein Gebiss in den Mund gelegt und es lebendig verbrannt werden möchte, was gleichwohl bald geschehen ist; aber, wenn ich an das Feuer denke, das ewiglich brennen und währen wird, so danke ich dem Herrn, daß er mich würdig gemacht hat, seinen heiligen Namen unter diesem argen und verkehrten Geschlechte zu bekennen, deren Herzen der Gott dieser Welt die Augen verblendet hat.

Ach, am jüngsten Tage werden sie es noch beklagen, daß sie das unschuldige Blut vergossen haben, welches von Anbeginn bis hierher so ergangen ist, und (wie ich denke) bis ans Ende währen wird, denn die Heilige Schrift gibt vollständiges Zeugnis von dem Leiden der Heiligen Väter, wie sie alle Gäste und Fremdlinge hier auf Erden gewesen seien, und nach vielen Leiden und Trübsal in dem Herrn entschlafen sind, denn sie hatten ein festes Vertrauen, daß Gottes Verheißungen ihnen nicht fehlen würden, gleichwie auch Christus sagt: Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen.

Ach, lieber Bruder, den ich von Grund meines Herzens liebe, lasse doch nicht nach (um meiner Trübsal willen, welche groß ist), dem Herrn zu dienen, denn die Wahrheit ist auf unserer Seite, wovon der Heilige Geist in meinem Gewissen Zeugnis gibt; aber man muss sich wohl in Acht nehmen, denn der Satan sucht alles hervor, was man denken kann, und macht es so groß und schwer, daß ich oft den Herrn mit Tränen bitte und anrufe, daß er mir helfen und mich erlösen wolle. Und bin auch der Tage meiner Erlösung eingedenk, wie klein ich damals in meinen eigenen Augen gewesen sei, wie mir dann weder Fleisch noch Blut, oder sonst jemand unter dem Himmel geraten hat, solches zu tun; sondern die große Furcht und der Schrecken des ewigen Todes und des höllischen Feuers Pein, welche (wie ich las) über den ganzen Erdkreis kommen sollte, denn ich befand mich damals, gleichwie andere in allerlei weltlichen Lüsten, ja ganz irdisch und fleischlich gesinnt, über welche der Zorn Gottes kommt, desgleichen, weil kein anderer Weg ist, als dadurch zur Seligkeit zu gelangen, so hab ich mich auch dem Herrn gänzlich übergeben, und bin mit viel Seufzen und Trauern die Wüste dieser Welt durchwandert, mit einem bösen Fleische umgeben, welches mir niemals etwas Gutes geraten hat; ja, wenn ich des Herrn Wort nicht zu meiner Zuflucht genommen hätte, ich wäre in dieser Welt Wüste überwunden worden, denn Fleisch und Blut hatten große Geneigtheit, sich mit der Welt zu vereinigen; es fürchtet sich allezeit vor dem Leiden. Aber ich ging mit David in Gottes Heiligtum, und sah daselbst der Welt Lohn, wie bald sie ausgerottet werden, und wie sie Schandflecken und keine Kinder sind; ich dachte auch dabei, daß geschrieben stände: Verflucht ist der Mensch, der sich auf Menschen verlässt, und hält Fleisch für seinen Arm, ja verflucht sei ihr Ausgang und Eingang; denn wenn man sich auch einen schönen Hauptmann erwählt, um der Welt wieder sich zuzuwenden, so ist doch alles Fleisch und Blut, was endlich darin gesucht wird; solches hat die Erfahrung mich gelehrt, worüber ich mich auch nicht verwundere, denn die Menschen sind jetzt von keiner andern Art, als früher die Kinder Israels waren; wie oft hat der Herr über sie geseufzt, und welche große Mühe hat er mit ihnen gehabt! Darum mögen wir täglich wohl zusehen, und uns tapfer auf den Füßen halten, damit uns niemand unsere Krone nehme.

Darum, meine lieben Brüder und Schwester, bekümmert euch nicht darum, daß Fra., Ha., Jo., Ta. nach Ägypten zurückgekehrt sind; ich wundere mich nicht darüber, sondern lasst euch dieses ein Beispiel sein, daß sie in der Welt Wüste überwunden worden sind; fasst bessern Mut (wie ich das Vertrauen habe) und stellt euch allezeit die Frommen vor Augen, die vor uns gewesen sind, denn wer aus dem Streite weicht, der erlangt die Krone nicht; es wird ja in der Heiligen Schrift nur von einem Siege Meldung getan, welcher uns die Krone des Lebens verschafft.

Ach, liebe Brüder und Schwestern! Wir haben jetzt eine andere Einsicht davon, woran die Seligkeit hängt, als da wir noch außer Banden waren, denn, als ich noch frei war, habe ich niemals so nachdrücklich zu Gott bitten können, als ich jetzt bisweilen tue.

Ferner, mein lieber Bruder, befehle ich dir mein Weib, welche ich von Herzen liebe; es ist meine Bitte und mein Begehren an dich, daß du eine christliche Fürsorge für sie haben wollest, umso mehr, weil es ihr Vorsatz ist, Witwe zu bleiben; denn die Heilige Schrift gebietet uns, Witwen und Waisen in ihrer Trübsal zu besuchen. Darum sei desto fleißiger ihr in allem zu helfen, worin sie deines Rates bedarf, um die Kost für ihre und meine Kinder zu verdienen, damit sie nicht kleinmütig werde.

Ach, meine lieben Brüder, diese Ermahnung gebe ich euch mit Tränen, denn, wenn mich der Herr nicht von ihr genommen hätte, so hätte ich derselben nach meinem geringen Vermögen vorgestanden; aber nun hat es der Herr anders mit mir beschlossen; aber er weiß am besten, was uns nötig ist und zum Vorteile dient; darum will ich sie um des Herrn willen verlassen. Lieber Bruder R., mein Weib ist bei mir gewesen; wir haben zusammen die Abschiedsmahlzeit gehalten, und dabei einen ewigen Abschied voneinander genommen. Überlege bei dir selbst, welch ein bitteres Scheiden es gewesen sei; denn ich weiß, daß sie mich auch von Herzen liebt.

Deshalb wäre es nicht möglich, solches zu ertragen und zu überwinden, wenn der allmächtige Herr nicht Stärke und Kraft dazu verleihen würde, aber durch ihn vermögen wir alles. Darum übergebe ich jetzt, wie zuvor, dem Herrn meine Sache, und bezeuge, daß es nicht wegen irgendeiner Missetat geschieht; Himmel und Erde sind davon meine Zeugen; ebenso weiß auch Gott, der Herzen und Nieren untersucht, am besten, was ich hierin suche.

Ferner, lieber W., ich hätte von Herzen gern mündlich mit dir geredet, wenn es möglich gewesen wäre und du in der Stadt wärest, was (wie mich dünkt) sehr leicht durch ein Stück Geld hätte bewerkstelligt werden können; weil du aber jetzt entfernt bist, so dünkt mich, es könne nicht wohl geschehen, weil es dir nicht gelegen ist; in diesem Falle hoffe ich geduldig zu sein, denn wir wissen und hören noch von keinem Sterben; auch haben uns hier noch keine Pfaffen bestürmt, nur daß ein weltlicher Mann bei uns gewesen ist, welcher uns angefochten hat. Auch hat die Obrigkeit, seitdem wir das erste Mal gepeinigt worden sind, sich nicht mehr in ein Gespräch mit uns eingelassen, denn wie wir hören, hat der Markgraf einen Beinschaden gehabt. So wissen wir denn nicht, ob wir mehr werden gepeinigt werden oder nicht. Sie wollten vieles von uns wissen; aber ich hoffe, der Höchste werde unsern Mund bewahren; denn wenn man ihnen auch etwas sagt, so sind sie doch damit nicht zufrieden, sondern wollen immer mehr wissen.

Darum bitten wir, liebe Brüder und Schwestern, in dem Herrn, und alle diejenigen, die nach uns fragen, daß ihr doch der Gefangenen, als Mitgefangene, eingedenk sein wollt, sowie auch derer, die in Ungemach sind, als die ihr auch noch im Leibe lebt, und bittet den Herrn für uns von ganzem Herzen; wir wollen auch für euch bitten; Lorenz, mein Mitgefangener, und ich lassen euch und alle Bekannten in dem Herrn, die von uns zu euch gezogen, herzlich grüßen mit dem Frieden des Herrn. Seid alle eins gesinnt, dann wird der Gott des Friedens mit euch sein, und lasst nicht Streit unter euch sein. Seid meiner eingedenk, lieber Bruder und liebe Schwester; ich hoffe euch unter dem Altare zu erwarten, wo alle Tränen von unsern Augen werden abgewischt werden. Hiermit will ich euch dem gekreuzigten Christo Jesu anbefehlen, der unsere Herzen und Sinne stärken und uns in allem leiten wolle, was vor ihm gefällig ist. Hiermit sage ich euch gute Nacht. Gute Nacht, geliebter Bruder und geliebte Schwester.