Der Märtyrerspiegel

Teil II - Kapitel 2.13

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2.13  Weynken, Nicolaus Tochter, von Monickendam, eine Witwe, wird in Haag, am 20. November im Jahre 1527, getötet und verbrannt.

Am 15. November 1527 ist Weynken, Nicolai Tochter, von dem Schlosse zu Worden nach den Haag gefänglich gebracht worden, wohin auch der Graf von Hochstraßen, Statthalter in Holland, den 17. Tag desselben Monats gekommen ist. Den 18. Tag ist die vorgenannte Weynken vor den Statthalter und den ganzen Rat von Holland gestellt worden. Daselbst fragte sie eine Frau: Hast du diese Nacht bei dir beratschlagt und dich über die Dinge bedacht, welche meine Herren dir vorgelegt haben? Antwort: Was ich geredet habe, dabei bleibe ich fest. Frage: Wenn du nicht anders redest und dich von der Verführung abwendest, so wird man dir einen unerträglichen Tod bereiten. Antwort: Ist euch diese Gewalt von oben gegeben, so bin ich bereit zu leiden (Joh 19,11). Frage: Fürchtest du denn nicht den Tod, welchen du nicht geschmeckt hast? Antwort: Das ist wahr; aber ich werde niemals den Tod schmecken, denn Christus spricht: »So jemand mein Wort hält, der wird nicht den Tod schmecken in Ewigkeit.« (Joh 8,51) Der reiche Mann hat den Tod geschmeckt und wird ihn schmecken in Ewigkeit (Lk 16,23). Frage: Was hältst du von dem Sakramente? Antwort: Ich halte euer Sakrament für Brot und Mehl und wenn ihr solches für einen Gott haltet, so sage ich, dass es euer Teufel sei. Frage: Was hältst du von den Heiligen? Antwort: Ich kenne keinen andern Mittler als Christum (1Joh 2,1). Frage: Wenn du hierbei bleibst, so musst du sterben. Antwort: Ich bin schon gestorben (Gal 2,20). Frage: Wie kannst du denn reden, wenn du gestorben bist? Antwort: Der Geist lebt in mir, der Herr ist in mir, ich bin in ihm (Joh 14,20). Frage: Willst du einen Beichtvater haben oder nicht? Antwort: Ich habe Christum, diesem beichte ich; wenn ich noch jemand erzürnt habe, so will ich denselben gern um Verzeihung bitten. Frage: Wie hast du diese Meinung erlernt und wie bist du dazu gekommen? Antwort: Der Herr ruft alle Menschen zu sich; so bin ich auch eins von seinen Schafen, darum höre ich seine Stimme (Joh 10,27). Frage: Bist du denn allein berufen? Antwort: Nein, denn der Herr ruft alle zu sich, die beladen sind (Mt 11,28).

Nach vielen andern dergleichen Reden hat man Weynken abermals ins Gefängnis geführt, wo sie in den beiden folgenden Tagen von vielen Personen versucht und angefochten worden ist, nämlich von Mönchen, Pfaffen, Frauen und ihren nächsten Freunden. Unter anderem ist auch eine Frau aus Einfalt zu ihr gekommen und hat sie in folgender Weise beklagt: Liebe Mutter, kannst du nicht denken, was du willst und stillschweigen, so wirst du nicht getötet werden. Hierauf antwortete Weynken: Liebe Schwester! Es ist mir befohlen zu reden und ich fühle mich dazu gedrungen, darum kann ich nicht schweigen. Frage: So bin ich besorgt, sie werden dich töten. Ob sie mich morgen verbrennen oder in einen Sack stecken werden, achte ich nicht; wie es der Herr verordnet hat, so muss es geschehen, und nicht anders (Mt 6,10). Ich will bei dem Herrn bleiben. Frage: Wenn du nichts anderes getan hast, so hoffe ich, du werdest nicht sterben. Antwort: An mir ist nichts gelegen; aber, wenn ich von dem Saale herunterkomme, so kann ich mich des Weinens nicht enthalten, denn es jammert mich, dass ich sehen muss, wie alle solche kluge Männer so verblendet sind; ich will aber den Herrn für sie bitten.

Auch sind zwei schwarze oder Dominikaner-Mönche zu ihr gekommen, von denen der eine ein Beichtvater, der andere aber ein Lehrer gewesen. Einer derselben hat ihr das Kreuz gezeigt und gesagt: Siehe, hier ist dein Herr und Gott. Sie antwortete: Das ist nicht mein Gott; es ist ein anderes Kreuz, wodurch ich erlöst worden bin, dieses ist ein hölzerner Gott, werft ihn ins Feuer und wärmt euch dabei. Der andere fragte sie am frühen Morgen ihres Todestages, ob sie nicht das Sakrament empfangen wollte, er wolle es ihr gerne darreichen. Sie sagte: Welchen Gott willst du mir geben, den, der vergänglich ist, welchen man um einen Heller oder Deut verkauft. Desgleichen sagte sie auch zu dem Paffen oder Mönche (welcher sich freute, dass er auf diesen Tag Messe gehalten hatte), dass er Gott aufs Neue gekreuzigt hätte. Hierauf sagte er: Es kommt mir vor, du seiest ganz verirrt. Weynken antwortete: Dafür kann ich nichts, mein Herr, mein Gott, welchem Ehre, Lob und Dank in Ewigkeit sei, hat mir es so gegeben. Frage: Was hältst du von dem heiligen Öle? Antwort: Öl ist gut auf dem Salat, auch deine Schuhe damit zu schmieren (1Tim 4,4).

In der Mitte der Woche brachte man sie vor Gericht und als sie nun in den Saal kam, trat der Mönch zu ihr, hielt ihr das Kreuz vor das Angesicht und sagte: Widerrufe doch, ehe das Urteil gefällt wird! Aber Weynken kehrte sich vom Kreuze ab und sagte: Ich bleibe bei meinem Herrn, bei meinem Gott; es wird mich weder Tod noch Leben von ihm scheiden (Röm 8,38). Als sie vor dem Richter stand, sagte der Mönch ihr ins Ohr: Fall auf deine Knie und bitte den Herrn um Gnade! Sie antwortete: Schweige nur, habe ich dir nicht gesagt, dass du mich von meinem Herrn nicht abziehen werdest? Der Diakon von Naaldwyk, welcher Unterkommissarius und Ketzermeister war, hat das Urteil in Latein vorgelesen, und als er solches ins Deutsche verdolmetschte, sagte er mit kurzen Worten, dass sie in ihrem Glauben in Ansehung des Sakramentes irrig zu sein befunden worden sei und da sie unbeweglich dabei bliebe, so habe er beschlossen, dass sie eine Ketzerin sei, worauf er die Weynken den weltlichen Händen übergeben mit der Erklärung, dass er in ihren Tod nicht einwillige. Hierauf ist er mit seinen beiden Beisitzern, welches gleichfalls geistliche Männer gewesen sind, aus dem Rate gegangen.

Sodann wurde vom Gerichtsdiener abgelesen, dass sie, wie man sagt, halsstarrig befunden worden sei, was nicht ungestraft bleiben könne, dass sie daher zu Asche verbrannt und alle ihre Güter aber dem gemeinen Schatze heimgeschlagen werden sollen. Hierauf sagte Weynken: Ist nun alles geschehen? Ich bitte euch alle, falls ich jemanden misshandelt oder erzürnt habe, dass ihr mir dieses vergeben wollt. Hierauf sprach der Mönch zu ihr: Küsse nun deinen Herrn und Gott einmal. Sie antwortete: Dieses ist nicht mein Herr. Als sie die Ratskammer verließ, sprach der Mönch zu ihr, sie sollte unsere liebe Frau um ihre Fürbitte anrufen. Sie antwortete: Unsere Frau ist in Gott wohl zufrieden. Mönch: Rufe sie an! Weynken: Wir haben Christum, welcher zur rechten Hand des Vaters sitzt, dieser bittet für uns. Als sie nun vom Saale kam und zum Galgen oder Gerichte ging, sagte der Mönch: Siehe einmal deinen Herrn an, der für dich gestorben ist! Weynken: Das ist nicht mein Herr, mein Gott; mein Herr Gott ist in mir und ich bin in ihm. Siehe dich um, willst du alle diese Schäflein verurteilen und sind sie alle verdammt? Weynken: Nicht alle, das Gericht kommt Gott zu. Mönch: Fürchtest du dich denn nicht vor dem strengen Urteile Gates? Weynken: Gott kommt nicht, um die Sünder zu verdammen, sondern um ihnen Frieden zu geben. Mönch: Fürchtest du nicht das Urteil Gottes, welches du im Feuer wirst leiden müssen? Weynken: Nein, denn ich weiß, wie ich mit meinem Herrn daran bin. Auf dem Gerüste oder Schaffotte stand eine Person neben Weynken, die sprach zu ihr: Mutter, wende dich zum Volke und bitte dasselbe, dass es dir vergibt, wenn du jemanden beleidigt hast; dieses tat sie. Hierauf hat sie dem Scharfrichter geholfen, das Pulver in den Busen zu stecken. Auch hier versuchte sie der Mönch mit dem Kreuze, welches sie aber mit der Hand von sich stieß, sich umwandte und sagte: Was versuchst du mich? Mein Herr, mein Gott ist hier oben. Dann ging sie fröhlich wie zu einer Hochzeit; auch hat sich ihr Angesicht keineswegs vor dem Feuer entsetzt. Der Mönch sagte ferner zu ihr: Willst du nicht standhaft bei Gott bleiben? Weynken: Ja, gewiss! Mönch: Nun musst du ohne Verzug ins Feuer gehen, widerrufe jetzt noch! Weynken: Ich bin wohl zufrieden; des Herrn Wille muss geschehen. Mönch: Das ist nicht des Herrn Wille; Gottes Wille ist deine Heiligung. Der Scharfrichter sprach: Mutter, bleibe bei Gott und laß dich nicht von Gott ziehen. Unterdessen ging die fromme Heldin allein und unerschrocken nach der Bank und begab sich zum Pfahle, an welchem sie verbrannt werden sollte und sagte: Steht auch die Bank fest, werde ich nicht fallen? Hierauf hat der Scharfrichter die Stricke zubereitet, womit sie erwürgt werden sollte; die Frau band ihr Halstuch oder Schleier ab und legte den Strang um ihren Hals. Hierauf rief der Mönch: Liebe Weynken, willst du auch gerne als eine Christin sterben? Antwort: Ja, ich will. Frage: Entsagst du aller Ketzerei? Antwort: Ja. Mönch: Das ist gut; ist es dir auch leid, dass du geirrt hast? Weynken: Ich habe zwar früher geirrt, solches ist mir leid; dieses aber ist kein Irrtum, sondern der rechte Weg und ich bleibe bei Gott. Als sie nun so geredet hatte, hat der Scharfrichter angefangen, sie zu erwürgen und als sie dieses fühlte, schlug sie die Augen nieder und schloss sie zu, als ob sie in einen Schlaf gesunken wäre. Sie hat den Geist am 20. November des Jahres 1527 aufgegeben.