Der Märtyrerspiegel

Teil II - Kapitel 2.111

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2.111 Oswald von Jamnis, 1545.

In eben demselben Jahre ist der Bruder Oswald von Jamnis zu Wien in Österreich um des Glaubens willen gefangen gesetzt worden. Man hat mancherlei versucht, um ihn vom Glauben abzubringen, denn die Bürger kamen zu ihm ins Gefängnis und redeten ihm freundlich und ernstlich zu, er sollte abweichen, sonst müssten sie ihn in der Donau ertränken; aber er sagte: Ob ihr mich schon ertränkt, so will ich doch von Gott und seiner Wahrheit nicht abweichen. Christus ist für mich gestorben, Ihm will ich nachfolgen und auch um seiner Wahrheit willen lieber sterben, als dieselbe verlassen. Sie konnten ihn, was sie auch sagten, nicht zum Abfall bewegen; nachher kamen zwei Brüder zu ihm, dieselben trösteten ihn und er befahl ihnen sein Weib und Kind. Sie umarmten sich und nahmen so Abschied voneinander und wünschten ihm Geduld in seinem Leiden, woran er doch unschuldig war. Als er nun ein Jahr und sechs Wochen gefangen gelegen hatte, haben sie ihn nun auf einen Mittwoch, des Nachts, aus dem Gefängnisse und aus der Stadt geführt, damit die Menge des Volks es nicht sehen oder hören sollte; darauf haben sie ihn ins Wasser geworfen und in der Donau ertränkt. Es ist auch kein Urteil über ihn gefällt worden, desgleichen hat man auch sein Verbrechen nicht angezeigt.

Weil er sich nun bis an sein Ende so geduldig und tröstlich betragen hat, so wird ihn Gott auch bekennen, und wenngleich sie ihn heimlich und bei Nacht gerichtet haben, so wird er doch in dem öffentlichen Gerichte des Herrn im Tale Josaphat erscheinen, wo ein anderes Gericht gehalten werden wird, und dieses Gericht wird diejenigen wohl hundertmal schwerer treffen, welche das unschuldige Blut auf Erden verwegen verurteilen, ja es wird denen von Sodom und Gomorrha am jüngsten Tage erträglicher ergehen als allen solchen.