Der Märtyrerspiegel

Teil II - Kapitel 2.311

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2.311  Ein Testament des Leonhard Ploviers, welches er seinen Kindern hinterlassen hat, als er, um des Herrn Worts willen, zu Antwerpen gefangen lag, woselbst er im Anfange des Jahres 1560 sein Leben gelassen hat.

Liebe und werte Kinder N. deines Alters, indem (ich) euer Vater von euch genommen wurde, nicht um einer Übeltat, sondern um des Zeugnisses Jesu willen, und euch bis in den Tod liebte, auch wollte, daß ihr, wenn ihr euren Verstand erlangt haben würdet, eure Seligkeit suchen möchtet, wie uns Christus gelehrt hat, so habe ich euch eine kleine Ermahnung geschrieben, damit, wenn ihr zu eurem Verstande kommt, ihr euch dessen erinnern und eure Seligkeit suchen könnt.

Darum, liebe Kinder, seht, daß ihr eurer Mutter gehorsam seid, und sie in Ehren haltet, denn es steht geschrieben: Ehre Vater und Mutter, damit du lange lebest auf Erden, und es dir wohl gehe; denn wer Vater oder Mutter flucht, der soll des Todes sterben. Widerstrebt oder widersprecht nicht, seid auch nicht zänkisch, sondern freundlich; lügt auch nicht, denn es steht geschrieben: Der Mund, der da lügt, tötet die Seele; indem ein Lügner keinen Teil am Reiche Gottes hat, ja, sein Teil wird sein in dem feurigen Pfuhle. Auch müsst ihr fleißig die Hand anlegen und eurer Mutter die Kost verdienen helfen. Übet euch auch ein Buch in der Hand zu haben, damit ihr, wenn ihr euren Verstand erreicht habt, eure Seligkeit suchen mögt. Seid auch allezeit vorsichtig mit euren Worten, wie es Kindern zusteht, und wenn ihr zu eurem Verstande gekommen seid, so nehmt ein Testament in die Hand und seht, was uns Christus darin hinterlassen und geboten hat, denn alle Schrift, von Gott eingegeben, ist gut zur Lehre, zur Strafe, zur Besserung, zur Züchtigung in der Gerechtigkeit, daß ein Mensch Gottes vollkommen und zu allen guten Werken geschickt sei, denn die heilsame Gnade Gottes ist allen Menschen erschienen und züchtigt uns, daß wir das ungöttliche Wesen und die weltlichen Lüste verleugnen, und züchtig, gerecht und gottselig in dieser Welt leben sollen; denn der Mensch lebt nicht allein vom Brote, sondern von einem jeden Worte, das aus dem Munde Gottes kommt. Seht, lieben Kinder, daß des Herrn Wort eine Speise der Seelen sei, wovon die Seele leben muss, und wer sein Leben nach diesen Worten nicht einrichtet, dem ist die ewige Verdammnis zugesagt, wie Christus sagt: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, es sei denn, daß jemand von neuem geboren werde, kann er das Reich Gottes nicht sehen. Darum sagt Christus: Tut Buße, und glaubt dem Evangelium, denn die Axt ist schon den Bäumen an die Wurzel gelegt; ein jeder Baum, der nicht gute Früchte bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen. Darum, meine lieben Kinder, seht doch zu, damit ihr der Strafe entflieht, denn welche dem Evangelium nicht gehorsam sind, die sollen Pein leiden, das ewige Verderben von dem Angesichte des Herrn.

Ach, liebe Kinder, seht doch, welch eine Strafe wird über denjenigen kommen, der dem Evangelium nicht gehorsam ist, nämlich: Ewiglich des Angesichts Gottes zu ermangeln und ewiglich Pein zu leiden. Darum, liebe Kinder, macht euch doch fertig, weil ihr gute Zeit habt, und obgleich denen etwas Leiden und Trübsal begegnet, die dem Evangelium gehorsam zu sein suchen, so wird es doch gegen dasjenige, das ewig ist, nicht lange dauern, denn wir müssen durch viel Leiden und Trübsal ins Reich Gottes eingehen. Darum sagt Petrus: Lasst euch die Hitze, die euch begegnet, nicht befremden (die euch widerfährt, daß ihr versucht werdet), als widerführe euch etwas Seltsames, sondern freut euch, daß ihr mit Christo leidet, damit ihr auch zur Zeit der Offenbarung seiner Herrlichkeit Freude und Wonne haben mögt. Auch musste Christus, unser Lehrer und Meister, selbst durch Leiden und Trübsal in das Reich Gottes eingehen; deshalb ist auch der Knecht nicht besser als sein Meister, sondern es soll dem Knechte genug sein, daß er ist wie sein Meister. Darum sagte er, daß er nicht gekommen sei, Frieden zu bringen, sondern das Schwert, denn er hat vorhergesehen, daß die Welt denselben nicht hat ertragen können, gleichwie sie von Anfang her denselben nicht hat ertragen können, denn sie haben von Anfang her die Propheten verfolgt, obgleich sie sich rühmten, daß Gott ihr Vater sei; gleichwohl konnten sie das Gute nicht ertragen, was ihnen die Propheten, nebst ihren Warnungen, gesagt haben; darum haben sie dieselben auch verfolgt, ja, gesteinigt und getötet, gleichwie sie auch Christum nicht erkannt haben, da er doch so viele Zeichen und kräftige Taten unter ihnen getan hatte, sondern haben ihn gekreuzigt. Ach liebe Kinder! Nehmt es doch zu Herzen, was Paulus sagt: Diejenigen, die gottselig leben wollen, müssen Verfolgung leiden; unterlasst doch darum nicht, eure Seligkeit zu suchen, denn dieses Leiden ist doch nicht mit der Herrlichkeit zu vergleichen, die an uns offenbar werden soll, und wie des Leidens Christi viel über uns kommt, so werden wir auch reichlich getröstet durch Christum, denn es steht geschrieben: Sieh, der Teufel wird einige von euch ins Gefängnis werfen, und ihr werdet Trübsal haben zehn Tage, aber sei getreu bis in den Tod, dann will ich dir die Krone des Lebens geben; denn weil du das Wort meiner Geduld behalten hast, so will ich dich auch vor die Stunde der Versuchung behalten, die über den ganzen Weltkreis kommen wird, um diejenigen zu versuchen, die auf Erden wohnen.

Sieh, ich komme bald; halte, was du hast, damit dir niemand deine Krone nehme. Wer überwindet, den will ich zum Pfeiler machen in dem Tempel meines Gottes; er wird nicht mehr heraus gehen; ich will den Namen meines Gottes auf ihn schreiben, ja, den Überwindern will ich zu essen geben von dem Holze des Lebens, das im Paradiese Gottes ist; denselben soll kein Leid geschehen von dem andern Tode. Wer überwindet, soll mit weißen Kleidern angetan werden, und ich werde seinen Namen aus dem Buche des Lebens nicht tilgen, und ich werde seinen Namen bekennen vor meinem Vater und vor seinen Engeln. Wer überwindet, dem will ich geben, mit mir auf meinem Throne zu sitzen, gleichwie ich überwunden habe, und mit meinem Vater auf seinem Thron gesessen habe.

Ja, liebe Kinder, seht doch, welch schöne Verheißungen den Überwindern zugesagt sind. Darum fürchtet doch nicht die Menschen, die uns hier eine kurze Zeit Leiden antun, denn nach dieser Trübsal werden wird doch unter dem Altar von all unserer Arbeit, samt denen ruhen, die auch um des Wortes Gottes willen getötet worden sind und werden mit vielen tausend Heiligen erscheinen, die mit weißen Kleidern angetan sind und Palmen in ihren Händen halten, und mit lauter Stimme rufen werden: Heil sei dem, der auf dem Throne unseres Gottes sitzt, und dem Lamme. Sie wird nicht mehr hungern oder dürsten; es wird auch nicht die Sonne auf sie fallen, oder irgendeine Hitze, den der Herr wird ihr Licht sein, und wird alle Tränen von ihren Augen abwischen, dort wird keine Nacht sein, auch bedürfen sie keines Kerzenlichts noch des Lichtes der Sonnen, denn Gott, der Herr, wird sie erleuchten, und sie werden regieren von Ewigkeit zu Ewigkeit.

Darum, liebe Kinder, nehmt doch dieses zu Herzen, seht auf diese schönen Verheißungen, die den Überwindern gegeben sind, und nicht denen, die abfallen, denn diese sind in die Erde geschrieben. So hütet euch denn, liebe Kinder, daß ihr ja den Herrn fürchtet, weil euch der Herr Zeit gibt, denn er wird kommen, wenn man sich dessen nicht versieht. Darum wacht und wartet auf ihn, weil seine Zukunft nahe ist.

Dieses ist das Testament, das ich euch hinterlasse. Geschrieben zu Antwerpen auf dem Steine, wo ich um des Zeugnisses Jesu willen gefangen lag. Von mir, eurem Vater, Leonhard Plovier.