Der Märtyrerspiegel

Teil II - Kapitel 2.576

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2.576  Noch ein Brief von Jan Hendrikß an Pouwels und Aechtgen, seinen Bruder und seine Schwester, ihnen zur Ermahnung und zum Abschiede.

Der Gott aller Gnade, der uns von der Macht der Finsternis zu seinem ewigen Reiche durch Jesum Christum, unsern Herrn, berufen hat, wolle euch, nach dem Reichtum seiner Herrlichkeit, geben stark zu werden mit Kraft durch seinen Geist an dem inwendigen Menschen und Christum, durch den Glauben in euren Herzen zu wohnen, und durch die Liebe eingewurzelt zu werden, damit ihr mit allen Heiligen begreifen mögt, was die Breite und die Länge und die Tiefe und die Höhe sei, auch erkennen mögt, daß Christum lieb haben viel besser ist, als alles Wissen, damit ihr mit allerlei Gottesfülle erfüllt werdet. Dieses wünsche ich, Jan Hendrikß, ein armer Gefangener um des Wortes des Herrn willen, zu Delft Pouwels H. und Aechtgen H. zu einem freundlichen Gruße in dem Herrn, Amen.

Ferner, nebst allem gebührlichen Gruße an euch, mein geliebter Bruder Pouwels Hendrikß und Aechtgen Hendrikß Tochter, welche ich, sowohl nach dem Fleische, als auch nach dem Geiste, sehr lieb habe, lasse ich euch nun wissen, daß ich noch frisch und wohlgemut bin in dem Herrn, wie ich denn auch hoffe, daß es mit euch ebenso bestellt sei, und da mein Abschied, oder die Zeit, wo ich meine Hütte ablegen soll, nach menschlichem Wissen nahe ist, so kann ich es nicht unterlassen, sondern muss euch, aus reiner, treuer, brüderlicher Liebe ein wenig ermahnen, daß ihr doch in dem Glauben, der den Heiligen einmal gegeben ist, fest beständig und standhaft streiten wollt, damit ihr durch diesen Glauben die Verheißungen Gottes erlangen mögt, damit wir uns miteinander unter dem Altare zu der großen Zahl versammeln mögen, welche mit weißen Kleidern gekleidet sind, welche auch auserwählt und durch das Blut des Lammes aus allen Geschlechtern und Völkern, die unter dem Himmel sind, erkauft und durch die Welt gekommen sind durch große Verfolgungen, mit Brennen, Jagen, Enthaupten und dergleichen mehr; darum stehen sie vor dem Throne Gottes, und dienen Ihm Tag und Nacht in seiner Gegenwart.

Sieh, lieber Bruder, diese haben alle aus diesem bittern Kelche trinken müssen, ehe sie dazu gekommen sind; sie haben auch alle diesen engen, schmalen, glatten und gefährlichen Weg wandeln müssen, und haben ihr Leben nicht geliebt bis in den Tod, wie sie denn auch alles, um des Namens des Herrn willen, haben zurücklassen müssen; es sei Land, Stand, Haus, Hof, Weib und Kind, ehe sie zu solchem herrlichen, unermesslichen Stande gekommen sind; ja, der Sohn Gottes selbst ist durch großes Ungemach, durch Gefangenschaft, Verspotten, Geißeln, Kreuzigen und durch den Tod in seines Vaters Reich eingegangen, wie er selbst sagt: Ich aber bin ein Wurm und kein Mensch. Darum laß uns diese zum Exempel und Vorbilde nehmen, damit wir auf dem Wege nicht faul, schläfrig und matt werden, und auf solche Weise durch des Satans List und Stricke gefangen werden, denn ein schlafender Mensch ist leicht zu fangen, sondern seid brünstig im Geiste, damit ihr in allen guten Werken die Vornehmsten und nicht die Geringsten sein mögt, und hütet euch vor den Pfeilen des Teufels, die er im Finstern schießt; lasst auch euer Gebet Tag und Nacht zu Gott ergehen, denn es ist nötig, allezeit zu bitten, daß wir nicht in Versuchung fallen, weil der weder schläft noch schlummert, der unsere Seelen zu ermorden sucht, und auch immer wie ein brüllender Löwe um uns herumgeht. Hütet euch doch vor Hoffart, sowohl vor geistiger Hoffart, als vor anderer, denn die Art des Menschen schwebt gern etwas zu hoch. Aller Neid, Hass, Schelten und Lästern, sowie Schalkheit und jede Bosheit, sei fern von euch; Murren des Herzens, Begehren, Geldgeiz, Ehrgeiz und Eigennutz lasst bei euch nicht gefunden werden, sondern zieht den Herrn Jesum Christum an, und folgt seinem Vorbilde in allem nach, so viel ihr könnt. Seid umgeben mit brüderlicher Liebe, und seid fleißig, die Einigkeit des Geistes durch das Band des Friedens zu halten; seid geduldig in allerlei Drang und Trübsal, das über euch kommt, dann wird der Gott des Friedens mit euch sein, denn Geduld ist uns sehr nötig, wie ich wohl erfahren habe. Sirach sagt: Wehe denen, welche die Geduld verloren haben, und er sagt es mit vollem Rechte.

Führt euch nach eurer Schwachheit so auf, daß mit Recht niemand viel über euch klagen kann, und dient dem Herrn von ganzem Herzen und Sinne. Neigt doch eure Sinne zu Gott, und lasst eure Augen allezeit auf Ihn gerichtet sein, wie das Auge des Knechtes auf seinen Herrn, und das Auge der Magd auf ihre Frau sieht, und schafft, daß ihr selig werdet, mit Furcht und Zittern. Überdies fürchtet nicht, daß ihr zu kurz kommt, und zu wenig tut, und wandelt nicht leichtfertig in des Herrn Wegen, sondern führt euren Wandel in dieser Zeit mit Furcht, denn der Unachtsame und Leichtfertige hat bald sein Gut verprasst. Tragt doch große Sorge für die arme Seele, die mit einem köstlichen Pfande erkauft ist und ewig leben muss, es sei im Himmel oder in der Hölle. Streitet ritterlich wider den Satan, und seine mancherlei Lüste und Begierden, und falsche Einflüsterungen, und zertretet sein Haupt in Stücke unter eure Füße, mit vielem Flehen und Bitten zu Gott, mit Fleiß und Ernst, denn der Satan kommt herab mit großem Zorne, weil er weiß, daß seine Zeit kurz ist; denkt auch allezeit an Gottes strenges Urteil und den großen Tag, welcher über alle Gottlosen kommen wird, denn wenn man wohl darauf bedacht ist, so kann man sich selbst besser davor hüten, weil er so entsetzlich sein wird, gleichwie auch Sirach sagt: Mein Sohn, gedenke an dein Ende, so wirst du nimmer sündigen. Gewiss, es wird wunderlich zugehen, wenn der große Tag des Herrn kommen wird, nach dem Zeugnisse der Schrift; denn der Herr selbst wird mit einem Feldgeschrei vom Himmel herniederkommen, und mit der Stimme des Erzengels und der Posaune Gottes, und die Toten in Christo werden zuerst auferstehen, darnach wir, die wir leben und überbleiben, werden zugleich mit denselben hingerückt werden in den Wolken, dem Herrn entgegen in der Luft, und werden also bei dem Herrn sein allezeit. Das Meer wird seine Toten herausgeben; da wird niemand verborgen bleiben, der nicht wieder auferstehen wird, sondern ein jeder wird empfangen an seinem Leibe, nachdem er getan hat, es sei gut oder böse; wenn nun auch unser Leib an einen Pfahl gestellt wird, den Vögeln und Tieren zur Speise, er wird darum nicht verloren bleiben, sondern der Herr wird ihn zu seiner Zeit wohl wieder erwecken und dem Bilde seines Sohnes gleich machen, und alsdann werden wir leuchten, durch seine Gnade, wie die Sonne in ihres Vaters Thron; wo hingegen aller Gottlosen Los und Teil in dem Pfuhle sein wird, der mit Feuer und Schwefel brennt.

Darum, meine lieben Brüder und Schwestern, lasst doch nicht nach um der Verfolgung willen, die ich nun leide; sondern lasst sie euch zum Ruhme sein. Denn wer bist du, sagt der Herr durch den Propheten, daß du dich vor Menschen fürchtest und vor Menschenkindern, die doch wie Heu verzehrt werden? Auch sagt Christus: Ich sage euch aber, meine Freunde, fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, und nachher nichts mehr tun können; ich will euch aber zeigen, vor wem ihr euch fürchten sollt: Fürchtet euch vor dem, der, nachdem er getötet hat, auch Macht hat, in die Hölle zu werfen! Ja, ich sage euch, vor dem fürchtet euch. Meine lieben Brüder und Schwestern, man muss sich verwundern, wie der Herr mit den Seinen zu Werke gehen kann, was ich wohl erfahren habe, als ich gepeinigt wurde, wobei sie mich zuerst an der Folterbank aufwanden und nachher, als ich hing, mich geißelten; als ich aber niemanden verraten wollte, hingen sie mir noch ein Gewicht an meine Füße. Als ich in mein Gefängnis zurückkam, hatte ich nur wenig Schmerzen; ja, am andern Tage waren meine Glieder nicht mehr verrenkt, als wenn ich sechs oder sieben Last Heringe hätte fangen helfen. Darum habt guten Mut und folgt mir nach; ich hoffe nun euch vorzugehen, und euch unter dem Altare des Herrn zu erwarten, bei den gezeichneten Toten des Herrn, die alle, um des Namens ihres Gottes willen, getötet worden sind, nun liegen und ihre Mitbrüder erwarten, die noch um des Zeugnisses des Herrn willen getötet werden sollen, bis zur Zeit, daß die Zahl erfüllt sein wird. O welche große Freude wird das für mich sein, wenn wir einander dort antreffen werden, wie ich denn solches hoffe, und es euch zutraue, daß wir noch wie die Mastkälber aus- und eingehen, und den ewigen Sabbat halten helfen werden; dann werden wir von aller unserer großen Verfolgung, von unserem Elende und unserer Qual, die uns widerfahren ist, und von der schweren Arbeit, die wir getan haben, ausruhen. Hierzu wolle euch der große Hirte der Schafe tüchtig machen, der uns von den Toten gebracht hat, durch das Blut des ewigen Testamentes, Amen. Ich habe ja doch eure Seele von ganzem Herzen lieb und wert, und wollte, daß ich mit euch allen reden könnte. Hiermit will ich euch Gott und dem reichen Worte seiner Gnade anbefehlen. Er wolle euch bewahren bis ans Ende, Amen.

Lieber Bruder und liebe Schwester, mein Herz verlangt sehr von euch, daß ihr ein Auge auf unsere Brüder und Schwestern Cornelius H., Jakob H. und Leentgen O. haben wollt, und daß ihr sie zur Gottesfurcht anweist, so gut ihr könnt; aber vor allen Dingen führt über meine Kinder die Aufsicht und erweist ihnen und meinem Weibe so viel Liebe, als ihr könnt, denn mein Glas läuft nun zu Ende; meine Wache ist fast getan, der Tag ist nicht fern, denn ich habe den Morgenstern schon in dem Wetter gesehen. Hiermit gehabt euch wohl; ich lasse Adrian H. und sein Weib sehr grüßen, wie auch alle lieben Freunde; sagt meinen Freunden gute Nacht. Lieber Bruder und liebe Schwester, haltet mir mein Schreiben zu gut; denn obgleich ich in demselben etwas scharf geschrieben habe, so habe ich doch solches euren Seelen zu Liebe getan. Geschrieben den 23. Januar 1572. Gute Nacht auf kurze Zeit, meine lieben Brüder und Schwestern, bis wir zusammenkommen; ich bitte euch, haltet euch doch tapfer.

Von mir, Jan Hendrikß.