Der Märtyrerspiegel

Teil II - Kapitel 2.274

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2.274  Hans Schmid, Henrich Adams, Hans Beck, Mattheis Schmid, Dilman Schneider, mit noch sieben andern, im Jahre 1558.

Im Jahre 1558 ist der Bruder Hans Schmidt, ein Diener des Wortes Gottes, von der Gemeinde zu des Herrn Werk ausgesandt worden, um solche aufzusuchen und zu versammeln, die da eifrig um die Wahrheit wären. Als er nun, wie von Gott getrieben, sich vornahm, die Niederlande zu durchziehen, ist er den 9. Januar in die Stadt Aachen mit noch fünf Brüdern und sechs Schwestern gefangen genommen worden. Als sie nämlich in einem Hause versammelt waren, um von dem Wortes Gottes zu handeln und sich im Gebete befanden, so sind des Nachts viel Diener und Pilatuskinder durch Verräterei dahin gekommen, welche mit Spießen, Hellebarden und bloßen Schwertern, auch mit Stricken und Banden wohl versehen, das Haus umringt und die Kinder Gottes gefangen genommen und gebunden haben; auch nahmen sie eine Mutter nebst ihrem Kinde mit, das in der Wiege lag; aber dieselben hielten sich tapfer, trösteten sich untereinander, daß sie unverzagt sein sollten, weil sie um der Wahrheit Gottes willen gefangen waren, und als sie einander Trost zugesprochen, fingen sie an, vor Freude zu singen. Sie wurden bald voneinander abgesondert und in Gefängnisse gelegt; die Schwestern aber waren in ihren Gefängnissen fröhlich und sangen, daß sich die Leute darüber verwunderten. Des Morgens führte man sie vor den Richter; dieser redete mit einem jeden einzeln, und ließ sie dann, als er ihre Standhaftigkeit vernahm, wieder ins Gefängnis bringen. Aber des andern Tages wurde der Diener abermals vor die Herren gerufen, um ihnen anzugeben, wie viel er getauft hätte, wer sie wären, und wo die Gemeinde ihre Versammlung hätte; aber er sagte, sie sollten wissen, daß er lieber sein Leben lassen, als solches sagen und dadurch ein Verräter werden wollte; er wurde deshalb gepeinigt und eine Viertelstunde hindurch ausgespannt, wozu er sich gutwillig übergab; er zog seine Kleider selbst aus und ging zur Folterbank. Als sie nun damit nichts ausrichten konnten, gingen sie fort, kamen aber bald wieder und sagten: Du musst uns beantworten, was wir dich gefragt haben, oder wir wollen dich so peinigen, daß wir auch deine Glieder voneinander reißen wollen; auch fragten sie ihn nach der Kindertaufe; er erwiderte, die Kindertaufe sei von Menschen eingesetzt, dafür hielte er sie, und nicht für die rechte christliche Taufe.

Sie fragten auch, was er vom Sakramente hielte; er entgegnete: Ich halte viel davon, aber was die Pfaffen brauchen, das ist ja nicht das rechte Abendmahl Christi, sondern ein abgöttisches Wesen.

Darauf haben sie ihm Hände und Füße gebunden, ihm auch an die letzteren einen großen Stein gehängt, der nicht viel weniger als hundert Pfund schwer war, und haben ihn so aufgewunden, daß sogar der Ring am Steine zerbrach und der Stein liegen blieb; sie nahmen aber einen Strick, befestigten denselben statt des gebrochenen Ringes an den Stein, hingen ihm denselben an die Füße und ließen ihn so geraume Zeit hängen; doch konnten sie nicht erlangen, was sie begehrten, darum ließen sie ihn wieder herunter und brachten ihn ins Gefängnis bis des Sonntags früh; da kamen die Herren der Stadt mit sieben Pfaffen, die ihn nach seiner Bestallung fragten, worauf er antwortete, er hätte sich nicht ins Amt gesetzt, sondern Gott und sein Geist in seiner Gemeinde; denn gleich wie Gott seinen Sohn gesandt hat, der Sohn aber die Apostel in alle Welt, so sendet er auch noch seine Diener durch seinen Geist, daß sie zuerst das Wort Gottes predigen sollten, den aber, der solches hört, versteht und glaubt, sollten sie taufen, und nicht die säugenden Kinder; sie fragten ihn auch wegen der Obrigkeit, ob er sie für christlich hielte oder nicht; er sagte, zunächst hielte er sie für Diener Gottes, sie seien aber von den Pfaffen verführt, falsch belehrt und in die Kirche Christi nicht einverleibt; auch haben sie ihn gefragt, woher die Obrigkeit sei; er sagte: Das Amt und die Gewalt ist von Gott; dann fragten sie, ob sie auch Christen wären. Er antwortete, wenn sie sich selbst verleugnen, von sich selbst ausgehen, das Kreuz aufnehmen, ihre Tyrannei und Pracht ablegen und Christo nachfolgen, so können sie wohl Christen sein, aber sonst nicht. Sie fragten ihn auch wegen des Eidschwurs. Er sagte, Christus habe solchen verboten, und dergleichen noch mehr, was wir aber der Kürze wegen auslassen.

Endlich fragten sie wegen der Menschwerdung Christi; er sagte, er glaube, Christus sei ein wahrer Gott und wahrer Mensch, die Sünde ausgenommen. Zuletzt sagten sie ihm, wenn er noch von seiner Taufe abstehen und bekennen wollte, daß er geirrt habe, so wollten sie ihm Gnade beweisen; aber er antwortete, gleichwie er die lautere Wahrheit gelehrt hätte, so wollte er auch dabei bleiben. Da sagten sie, er wäre in ihrer Stadt, darum sollte er nicht so tun, und wenn sie solches nicht strafen würden, so würde sie der König oder der neue Kaiser am Leibe strafen; mit dergleichen Worten verteidigten sie sich, wie Pilatus; aber der Bruder entgegnete, solches würde ihnen schon schwer fallen, denn obschon Gott alle Sünden vergebe, so würde er doch das unschuldige Blut rächen, auch sollten sie nicht denken, daß sie ungestraft bleiben würden, wenn sie ihn töten würden; denn es würde der Handel vor Christum kommen, der würde die Sache richten und sich seiner an jenem Tage annehmen. Hierauf haben sie ihn wieder in das Gefängnis geführt und ihn darin liegen lassen bis den Montag Abend, da kam der Richter wieder mit mehreren andern und einem Mönche, um mit ihm zu handeln, aber sie richteten nicht viel aus, sondern er beschämte den Mönch so sehr, daß er froh war, als er wieder fortging. Da wurden viel mehr Mönche und Pfaffen geschickt, um wieder mit ihnen zu handeln und einen Wortstreit mit ihm zu halten, aber sie wurden zu Spott und Schanden und konnten diesen Frommen nicht zum Abfalle bringen. Bald darauf führte man sie wieder vor und untersuchte sie, aber Gott gab ihnen allezeit Weisheit und einen Mund ohne Scheu zu reden, daß sie an ihnen kein Unrecht und keine Ursache des Todes finden konnten, es sei denn, daß sie den Kaiser zu gering achteten. Einmal brachten sie zu dem Bruder Henrich insbesondere eine listige Schlange und Lästerer, wobei sie sagten: Ihr verlangt keine Geistlichen, nämlich Mönche und Pfaffen, darum haben wir dir einen weltlich-gelehrten Mann zugeordnet, um dich zu unterweisen; aber Henrich sprach, er wolle von ihm nicht unterwiesen sein, es sei denn, daß er von Gott und seinem Worte genug unterrichtet wäre, denn er wollte das Leben nicht bei einem Toten suchen. Da wollte dieser gelehrte Mann die Kindertaufe beweisen und sagte, die Apostel hätten dieselbe eingesetzt, aber Henrich antwortete und redete ihm so zu, daß er öffentlich bekennen musste, daß zu der Apostel Zeiten keine Kinder getauft worden seien, auch, daß sie keinen Glauben in ihrer Kindheit hätten; solches hat Henrich mit Kreide auf die Tafel geschrieben, und zu den widerspenstigen Herren gesagt, sie müssten dessen Zeugen sein, auch bezeugen, wie er verstummt sei; ferner sagte er: Eben so werden alle eure Gelehrten zu Schanden vor des Herrn Wort.

Einige von den Herren sagten, wenn man diese töten würde, so sollten sie ihre Heimat verlassen. Einmal hat man sie, die Brüder und Schwestern alle zwölf, zusammen gelassen, bei welcher Gelegenheit sie von vier Uhr morgens bis zehn Uhr abends beieinander verweilten, auch fröhlich und guten Mutes waren, sich miteinander aus des Herrn Wort unterredeten, und anfingen, Gott zu bitten und zu loben.

Der Bruder Hans, als der Diener, betete ihnen vor, so laut als er konnte, sodass das Volk herbeilief und zuhörte. Als solches aber vor die Herren kam, sandten sie den Amtmann dahin; dieser fragte, warum sie ein solch lautes Geschrei gemacht hätten; sie hätten, antworteten sie, gebetet; doch waren sie eben am Ende, als er ankam. Ein Bruder, Mattheis, sagte: Wir wollen Gott anrufen, mag uns jemand verbieten oder nicht. Des Nachts um zehn Uhr führte man sie wieder voneinander; da haben sie mit Freuden durch die Stadt gesungen und ihren Glauben bekannt gemacht. Einige Ratsherren waren blutdürstig und wollten sie töten, einigen aber war es zuwider, denn sie wurden es gewahr und erkannten es, daß sie unschuldig wären. Der Scharfrichter kam wohl fünfmal in der Meinung, sie zu richten, aber der Rat war noch nicht mit sich einig. Sie waren Willens, den Diener und den Bruder Henrich zuerst zu richten, denn diese hatten sich am meisten verantwortet und ihnen widersprochen, ob etwa die andern dadurch abgeschreckt werden möchten. Als der Diener von seinem Tode hörte, fing er freudig an zu singen, dankte daneben Gott und bat ihn von Herzen, er wolle an ihm einen Wohlgefallen haben.

Den 23. August wollten sie den Diener Hans und den Bruder Henrich hinrichten; man führte sie vor Gericht ins Gewölbe bei dem Pranger, wo viel Volk zulief, worunter auch einige waren, die ihnen zugehörten und ihnen Speise und Trank zugeschickt hatten. Sie gingen mit lachendem Munde durch das Volk nach dem Richtplatze hin, und als sie den großen Zulauf des Volkes von allen Orten sahen, sagte der Diener: O welch eine schöne Hochzeit werden wir nun haben, weil so viel Volk zusammenkommt! Sie waren sehr froh und hofften, denselben Tag nach ins Paradies zu kommen zu ihren Brüdern und Schwestern, die vorhergegangen, mit allen Frommen, von welchen er viele gekannt hatte. Es kamen noch zwei Mönche, die sie noch mit einer falschen Lehre zu verführen suchten; diesen widersprach der Diener ein wenig und wies ihnen ihren Beruf nach, womit sie umgingen; zuletzt aber wollte er nicht mehr mit ihnen reden und sagte: Ich will ja bei der Wahrheit bleiben; die Stunde meines Abschieds ist vorhanden; ich habe nun etwas anderes zu tun, als dir zu widersprechen. Als sie nun zum Tode verurteilt werden sollten, konnten die sieben Ratsherren über das Urteil nicht einig werden und ließen ihnen sagen, sie wollten ihnen noch einen gelehrten Mann zusenden, um sie zu unterrichten; wenn sie denselben hören würden, so sollte zu ihrem Besten die Sache noch aufgeschoben werden, sonst aber müssten sie des Todes sterben, wiewohl sie (die Ratsherren) es ungern sehen würden; aber Hans und Henrich sagten unerschrocken, sie wollten standhaft bleiben und von der Wahrheit weder zur rechten noch zur linken Seite abweichen; ihretwegen dürfte man sie nicht verschonen noch länger zögern; sie könnten wohl das Urteil fällen; wenn sie aber dadurch eine schwerere Anklage beabsichtigten, so wären sie ja mit demjenigen zufrieden, was die Herren zu tun beliebten. Die Herren steckten die Köpfe zusammen und ließen das umstehende Volk wieder davongehen. Als nun diese beiden bemerkten, daß das Recht nicht vollzogen wurde, waren sie betrübt, denn sie hatten sich ganz dem Tode übergeben und meinten, daß sie gegen die Schlangenlist genug gestritten hätten. Also ging die Menge auseinander, jeder zu den Seinen, wie ein Volk, das die Schlacht verloren hat, und als der Abend kam, mussten die Angeklagten wieder ins Gefängnis gehen, worüber sie traurig waren, denn sie meinten, sie würden nun die Wahrheit mit ihrem Blute bezeugen, aber sie mussten auf eine andere Zeit warten. Da man sie aber wieder nach dem Gefängnisse führte, hat solches dem Volk viel Nachdenken verursacht; einige sagten, Gott hätte dem Handel widerstanden und ihn verhindert.

Einer von den Ratsherren hatte sich fest vorgenommen, man sollte sie nach Verlauf von acht Tagen richten, und nicht länger verziehen, aber es ging doch nicht vor sich, denn sie lagen noch bis in den Herbst im Gefängnisse, mussten auch noch viel leiden und mancherlei Anfechtungen erdulden; endlich hat man sie verurteilt und hingerichtet.

Hans Schmid, als der Diener, wurde zuerst hingerichtet. Als nun derselbe durch die Stadt hinausgeführt wurde, sang er freudig, hat auch nachher nicht viel mehr geredet, sondern ist als ein geduldiges und stummes Lämmlein eilend nach dem Richtplatze gegangen, wo man ihn mit einem Stricke an dem Pfahle erwürgt, ihn dann mit einer Kette daran befestigt und mit Feuer versengt hat; so hat er sein Opfer verrichtet den 19. Tag im Oktober, im Jahre 1538. Drei Tage darauf führte man die andern vor und verurteilte sie zum Tode, nämlich: Henrich Adams und seinen Schwager Hans Beck. Es war einer unter den Ratsherren zu Aachen den Brüdern allezeit sehr aufsässig; daher hat es sich einmal zugetragen, daß, als sie mit Henrich handelten, und er sich nicht bewegen lassen wollte, dieser Ratsherr zornig wurde und sagte: Weg mit ihnen, weg mit ihnen, zum Tode, zum Feuer, denn es ist alles verloren; man sollte ihnen keine Gnade mehr anbieten; aber der Bruder Henrich sagte zu ihm: Du wirst den Tag nicht erleben, wo du meinen Tod sehen wirst; dies ist auch geschehen, denn er ist drei Tage vor dem Henrich gestorben, an eben demselben Tage, als der Diener Hans Schmid hingerichtet wurde. Als er auf dem Totenbette lag, hat er allen Trost verloren. Er raufte sich mit seinen Händen den Bart aus und rief schrecklich, daß er viel Volk verurteilt, woran er sich gewiss versündigt hätte, daß er auch von Gott wegen seiner Blutdürstigkeit gestraft werden würde, und dergleichen Reden noch mehr.

Als man nun den Bruder Henrich Adams mit den andern zum Tode führte, band der Scharfrichter seine Hände so fest zusammen, daß seine Finger davon schwarz wurden; er aber erhob seine Hände zu Gott, und lobte ihn, daß er gewürdigt wäre, solches zu leiden; unterdessen wurden die Bande an seinen Händen locker, welche aber so fest wie zuvor wieder gebunden wurden; es half aber nichts, denn wenn er seine Hände wieder erhob, so fielen sie abermals ab. Solches ist einige Male geschehen, sodass der Richter endlich zornig wurde und zum Scharfrichter sagte, er sollte ihn fester binden; der Scharfrichter aber sprach: Du siehst ja wohl, daß kein Binden an ihm etwas hilft; das letzte Mal warf Henrich das Band unter das Volk, sodass er auch nicht mehr gebunden wurde, und sagte: Gott will nicht haben, daß ich gebunden sein soll. Er sagte auch, daß solche Gewalt Gott zuwider wäre, und hat ferner freimütig geredet bis ans Ende. Nachher hat man diese beiden Brüder, Henrich Adams und seinen Schwager (gleichwie zuvor dem Diener geschehen) mit einem Stricke am Pfahle erwürgt, sie sodann mit einer Kette daran gebunden und mit Feuer versengt, welches den 22. Tag des Monats Oktober im Jahre 1558 geschehen ist. Es war aber eine große Menge Volk gegenwärtig, sowie auch nachher, als die Brüder Mattheis Schmid und Dilman Schneider auf den 4. Januar, im Anfange des Jahres 1559, hingerichtet wurden. Also haben diese fünf die göttliche Wahrheit tapfer und standhaft mit ihrem Blute bezeugt, obschon einige noch nicht mit der Gemeinde vereinigt waren.

Der sechste Bruder, der mit den andern gefangen war, ist durch viele Verhandlungen mit den Gottlosen zum Abfalle von seinem Glauben bewogen worden; als er aber freigelassen ward, hat er seinen Abfall herzlich beweint, ernstliche und rechtschaffene Buße getan und sich wieder zu der Gemeinde begeben. Die sechs Schwestern, welche auch mit gefangen waren, wurden scharf mit Ruten gegeißelt und so ließ man sie ihres Wegs ziehen; sie sind aber freudig im Herrn und standhaft im Glauben wieder bei ihren bekannten Glaubensgenossen angekommen.