Der Märtyrerspiegel

Teil II - Kapitel 2.15

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2.15  Leonhard Schiemer, 1528, nach ihm wohl noch siebzig.

Im Jahre 1528 wurde Leonhard Schiemer von Vöklaburg gefangen genommen; er war ein Diener Gottes und ein sowohl in der Heiligen Schrift als auch in der lateinischen Sprache erfahrener Mann, welcher die wahre Taufe Christi und seiner Apostel und das wahre Abendmahl des Herrn, wie auch die Artikel des christlichen Glaubens, ja das Wort Gottes getreulich lehrte und gegen die Kindertaufe, wie auch gegen das abscheuliche Sakrament und andere Gräuel des Antichristentums zeugte. Anfänglich ist er ungefähr 6 Jahre lang ein Barfüßermönch gewesen, nachdem er aber das Leben der Mönche und Pfaffen mit dem Worte Gottes abgemessen und sowohl ihre Unreinigkeit und ihren Mutwillen, als auch ihre Scheinheiligkeit und Laster eingesehen hat, so ist zu Judenburg in Österreich aus dem Kloster gegangen und nach Nürnberg gezogen, wo er das Schneiderhandwerk erlernt hat, worauf er dann gewandert und nach Nicolsburg in Österreich gekommen ist. Daselbst hat er von Balthasar Hubmaier und von dessen Tode gehört und vernommen, dass einige dieses Glaubens, zu Veyen versammelt seien; diesen hat er nachgeforscht, ist zu ihnen gekommen, hat sie gehör und sich daselbst unter Oswalds Begleitung taufen lassen. Hierauf ist er nach Steyen gezogen, um daselbst sein Handwerk zu treiben. Dort hat er gelehrt und getauft, indem er von ihnen zum Lehrer erwählt worden ist; hat auch hin und wieder in Bayern bis nach Rotenburg im Inntale gelehrt und getauft. Hier ist er um seines Glaubens willen gefangen genommen und untersucht worden und hat viel mit seinen Widersachern gehandelt. Von diesen hat er verlangt, dass, wenn man seine Lehre und seinen Glauben für falsch und für Ketzerei halten wollte, so sollte man gelehrte Leute, Doktoren, Mönche und Pfaffen vor ihn kommen lassen, um mit ihm zu disputieren; wenn nun in dem Wortstreite mit wahrem Grunde aus Heiliger Schrift befunden würde, dass er unrecht hätte, so möchte man ihn deshalb als einen Ungerechten strafen. Auch hat er, um sowohl die Wahrheit als auch seine Schriften und Reden noch mehr zu befestigen, sich erboten, dass, wenn einige Gelehrte mit der Wahrheit der Heiligen Schrift ihn überzeugen würden, dass seine Lehre der Heiligen Schrift nicht ähnlich wäre, so sollte man ihm durch den Scharfrichter, indem er von ihnen überwunden sei, jedes Glied einzeln von seinem Leibe abschneiden und wenn er keine Glieder mehr habe, so sollte man die Rippen aus seinem Leibe herausholen, bis dass er seine Seele ausgehaucht; falls er aber nicht zum Verhöre und zur Disputation gelangen könnte und man ihn unverhört richten oder töten lassen wollte, so bäte er alle, die Zeugen seines Todes seien und alles umstehende Volk, dass sie hierin vor Gott am jüngsten Tage seine Zeugen sein wollten. Nichtsdestoweniger ist er nach des Kaisers, auch Königs von Ungarn und Böhmen, ausgegangenem Befehle zum Tode verdammt und dem Scharfrichter übergeben worden, welcher ihn den 14. Januar des erwähnten Jahres zu Rotenburg um des Zeugnisses Jesu willen, wovon er nicht abweichen wollte, enthauptet und zu Asche verbrannt hat. Nachher haben an demselben Orte nach diesem Leonhard an siebenzig Personen eben dasselbe mit ihrem Blute bezeugt.

Dieser Leonhard Schiemer hat unter anderem die nachfolgende Ermahnung an alle diejenigen, welche um des Namens Christi willen im Leiden sind, zum Troste hinterlassen:

Wir bitten dich, o ewiger Gott, neige deine gnädigen Ohren zu uns, Herr Zebaoth! Du Fürst der Heerscharen, höre doch unsere Klagen, denn großes Ungemach und Plage hat die Oberhand genommen und der Hochmut ist in dein Erbe gekommen; und dazu haben sich viele vermeinte Christen verbunden und haben so den Gräuel der Verwüstung aufgerichtet. Sie toben und zerstören das Heiligtum der Christen. Sie haben es zertreten und der Gräuel der Verwüstung lässt sich als Gott anbeten. Sie haben deine heilige Stadt zerstört, deinen heiligen Altar umgeworfen und die Knechte darin, wo sie dieselben ergreifen konnten, ermordet. Und als wir als ein kleines Häuflein übergeblieben sind, haben sie uns mit Schmach und Schande in alle Länder vertrieben. Wir sind zerstreut wie Schafe, die keinen Hirten haben; wir müssen Haus und Hof verlassen und gleichen den Nachtvögeln, die sich in den Steinfelsen aufhalten. In Höhlen und Steinklippen sind unsere Kammern, man stellt uns nach, gleich den Vögeln, die in der Lust fliegen. Wir gehen in den Gebüschen umher, man sucht uns mit den Hunden. Man führt uns wie stumme Lämmer, die ihren Mund nicht auftun, gefangen und gebunden. Man verschreit uns als Aufrührer und Ketzer. Wir werden als Schlachtschafe zur Schlachtbank geführt. Auch sitzen viele betrübt in Banden, welche an ihrem Leibe verderben. Einige sind durch die strenge Pein umgekommen und ohne alle Schuld gestorben. Hier ist die Geduld der Heiligen auf Erden. Deshalb müssen wir hier durch Leiden geprüft werden. Man hat die Gläubigen hier an die Bäume aufgehängt, erwürgt, in Stücke zerhauen, heimlich und öffentlich ertränkt; nicht nur die Männer, sondern auch die Frauen und Jungfrauen haben hier gleichfalls die Wahrheit bezeugt, dass Jesus Christus die Wahrheit und der einzige Weg zum ewigen Leben sei. Gleichwohl rast die Welt und ruht nicht, sie wütet wie unsinnig; sie erdichten Lügen gegen uns und hören nicht auf zu brennen und töten, sie machen uns die Welt zu enge. O Herr! Wie lange willst du doch dazu schweigen? Wie lange willst du das Blut deiner Heiligen nicht rächen? Laß es vor deinem Throne aufsteigen! Wie köstlich ist das Blut deiner Heiligen vor deinen Augen. Darum haben wir zu dir allein in allen unsern Nöten eine tröstliche Zuversicht und keinen Trost, keine Ruhe oder keinen Frieden bei sonst jemand auf dieser Erde. Wer aber auf dich hofft, der wird in Ewigkeit nicht zu Schanden werden. O Herr! Es ist keine Trübsal so groß, dass sie uns von dir scheiden könne, darum rufen wir dich ohne Aufhören an, durch Christum, deinen Sohn, unsern Herrn, welchen du uns zum Troste aus lauter Gnade gegeben hast, der uns die schmale Bahn und den Weg zum ewigen Leben zubereitet und bekannt gemacht hat. Ewige Glorie und Triumph, Preis und Ehre werden dir gegeben von nun an bis in Ewigkeit und deine Gerechtigkeit bleibe ewig. Alle Völker segnen deinen heiligen Namen durch Christum, den zukünftigen gerechten Richter der ganzen Welt. Amen.