Der Märtyrerspiegel

Teil II - Kapitel 2.277

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2.277  Verrat des Jaques d’Auchi.

Außer dem Obigen wollen wir dem Leser berichten, wie dieser gemeldete Jaques d’Auchi verraten, gefangen worden und in der Tyrannen Hände gefallen sei; desgleichen auch, welche Strafe der gerechte Gott an diesem Tyrannen und Verräter ausgeübt hat, allen Tyrannen und Verrätern zur Lehre und denkwürdigem Exempel.

Es hat zu Harlingen ein Ratsherr, namens Herr von der Waal gelebt; dieser hat nach dem Jaques scharfe Nachsuchung gehalten, hat ihn mit freundlichen Worten angeredet und ihn in sein Haus genötigt unter dem Vorwande, daß er einen Brief an ihn hätte. Als Jaques dahin kam, hieß er ihn freundlich willkommen, nötigte ihn auch sehr, bei ihm zu Gaste zu bleiben (denn, um der alten Bekanntschaft willen, schien er große Liebe für ihn zu empfinden). Als er aber merkte, daß Jaques nicht bleiben wollte, hat er mit freundlichen Worten, doch aus einem Judasherzen, von ihm begehrt, er sollte zu ihm kommen und von seiner Ware und Arbeit mitbringen (denn Jaques trieb die Krämerei, und es schien, als hätte er von ihm etwas kaufen wollen); unterdessen hat er heimlich einen Boten nach Leeuwaarden an den Rat gesandt und sich einen Commissarius und Türwächter erbeten. Als nun Jaques wieder zu ihm kam, hat er ihn freundlich gegrüßt, und unterdessen nach dem Türwächter geschickt; als nun derselbe ankam, hat der Verräter mit spitzigen Worten gesagt: Fange ihn, siehe, dies ist der Mann. Darauf haben sie unbarmherzig Hand an ihn gelegt und gesagt: Halte fest!, und haben ihn genau untersucht. Da sprach Jaques: O, mein Herr! Was hast du nun getan, daß du mich so verraten hast, denn ich habe dir mein Leben mit all meinem Gute anvertraut; warum trachtest du mir nach dem Leben und dürstest so nach meinem Blute? Er erwiderte: Sei zufrieden und laß dich binden, denn du musst mit mir auf das Haus gehen; auch (sagte er) daß er solches tun müsste, um seinem Eide Genüge zu tun, darum hat er auch ihm, dem Jaques, seinen grausamen, tyrannischen Befehl vorlesen lassen, außerdem auch sehr scharf nach vier andern Männern gefragt. Jaques antwortete, er wolle niemanden verraten oder betrügen; hätte er aber über ihn oder sonst jemanden klagen gehört, das könnte er offenbaren. Der Verräter gab zur Antwort, er habe solches nicht gehört, und daß er nicht wegen einer Missetat gefangen sei, sondern nur darum, weil er der Ketzerei angehangen hätte; er hat ihn auch gefragt, ob er nicht ein Wiedertäufer wäre. Jaques hat sowohl verneint, daß er der Ketzerei angehangen habe, als daß er ein Wiedertäufer sei, sondern gesagt, daß er, nach des Herrn Wort, auf seinen Glauben nur einmal getauft worden sei. Als er ihn wegen der römischen Kirche fragte, hat Jaques geantwortet, daß dieselbe nicht aus Gott sei. Da hörte man diesen Verräter betrübten Blicks zum Scheine tief aufseufzen und sagen: Ach Jaques, musst du in meine Hände fallen? Jaques antwortete: Mein Herr, ich hatte auf dich all mein Vertrauen gesetzt, um der alten guten Bekanntschaft willen und weil ich so lange mit dir Umgang gehabt; aber ich will es dir von Herzen vergeben; und es ist mein ernstliches Begehren, daß dir der Herr gnädig sein wolle. Er dankte Jaques für diese Gunst, und meinte, er hätte vor Gott keine Schuld, weil er nach seinem Eide getan hätte. Jaques sagte: Dünkt dieser Handel dich vor Gott und Menschen recht zu sein? Die Zeit wird kommen, daß du es anders finden wirst. Da sandte er Jaques in die Kammer und sagte zu ihm: Man wird dich zu Leeuwaarden wegen deines Glaubens und deiner Lehre untersuchen.

Als Jaques dort gefangen saß, ist sein Weib zu ihm gekommen, worüber sich dieser Freund Gottes sehr gegrämt und betrübt hat, daß er sie in großer Betrübnis gesehen hat, denn sie war schwanger. Der Türhüter hatte sie mit großer Ungebühr von sich gestoßen, viele der umstehenden Menschen aber haben bitterlich mit ihr geweint und den Türhüter gebeten: Ei, lasse sie doch zu ihm kommen; aber es konnte nicht lange währen. Jaques hat zu ihr gesagt: O meine Geliebte!, gehe nach Hause und tröste dich in dem Herrn, denn ich bin hier gefangen um des Wortes Gottes willen; solches wird dir nicht zur Schande und Unehre gereichen, denn ich habe niemanden beleidigt; sie entgegnete: Der Herr wolle dich stärken in der Wahrheit, denn nach diesem Streite ist dir die Krone in der Ewigkeit bereitet. Ach, möchte ich mit dir sterben und mit dir das selige Leben ererben, dann wäre mein Herz erfreut. Jaques sagte: Ach, Schwester in dem Herrn, laß dich dieses nicht bekümmern, wenn ich auch ein wenig vorausgehen muss, das geschieht nach des Herrn Willen. Der Türhüter konnte solches nicht leiden, sondern sprach: Mache dich eilends davon. Jaques sagte ihm hierauf in bittendem Tone: Ach, laß doch Gott eine kleine Zeit mit uns machen. So sind diese zwei lieben Schäflein voneinander geschieden, hofften aber in der Auferstehung der Gerechten wieder zusammen zu kommen, wo in Ewigkeit keine Klage oder Scheidung vernommen werden wird. Er ist aber, nachdem er durch die Gnade Gottes mancherlei Anstoß, viel Untersuchungen und Bedrohungen der Blutgierigen ausgestanden und ertragen hat, um des Zeugnisses Jesu Christi willen in großer Standhaftigkeit gestorben, jedoch nicht auf dem Richtplatze, sondern er ist während der Nacht heimlich ermordet worden. In jener Zeit sind noch glaubwürdige Personen am Leben gewesen, welche, als er vor Mitternacht ermordet worden ist, ihn des Morgens früh in seinen ledernen Kleidern erwürgt und erstickt in seinem Blute liegend gesehen haben; derselbe ruht nun unter dem Altare Jesu, und erwartet mit Gottes Auserwählten eine selige Auferstehung und das ewige Leben.

Dieser vorgedachte Verräter (Herr von der Waal) ist nicht lange nach dieser Tat zur Strafe für seine mörderische Verräterei von Gott sehr hart getroffen worden, wodurch es herbeigeführt ist, daß er ein schreckliches Ende in dieser Welt genommen hat, zum warnenden Vorbilde und ernstlichen Berücksichtigung für alle diejenigen, die gleiche Gesinnungen mit ihm haben und solche etwa zur Ausführung bringen möchten, denn er ist aus Leeuwaarden unter großer Schmach und unter dem Gespötte des gemeinen Volkes in größter Schnelligkeit vertrieben worden, sodass sowohl der Schiffer, der ihn fortschaffen sollte, als auch er selbst sich in der größten Lebensgefahr befanden und nur durch Bitten und Flehen ihr Leben retten konnten, denn dieser Verräter ist von dem gemeinen Volke und selbst von den Kindern sehr unbarmherzig gesteinigt und seine Verräterei ihm unter Schimpfreden vorgeworfen worden, sie schimpften ihn einen Schelm, Judas, Bösewicht und Erzketzer; auch sangen sie über ihn unter großen Beschimpfungen und Vorwürfen die nachfolgenden Verse, welche von Jaques gedichtet worden sind:

Er sprach: Ich habe dich gefunden,
Mein Eid hat nun sein Ziel erseh’n;
Ergib dich d’rein und wird’ gebunden,
Du musst mit mir auf’s Haus hingeh’n.

Und ferner:

Sollt’ wohl dieser Handel frommen
Vor Gott und der Menschen Schaar;
Wenn die Zeit wird endlich kommen,
Wird dies werden offenbar.

Auch hat ihn Gott mit einem bösen Aussatze gestraft, welche Krankheit ihm in sehr beleidigenden Ausdrücken vorgeworfen worden ist, denn wenn sie einen Vers des obigen Liedes gesungen hatten, so riefen sie wieder schmähender Weise: Du aussätziger Judas und verräterischer Schelm, wird es dir jetzt nicht offenbar? Die Steinwürfe haben immer überhand genommen, sodass der Schiffer, der ihn fortschaffen sollte, in Lebensgefahr ausrief, daß er auf Befehl des Herrn ihn wegführen müsse. Also ist er mit großer Schmach und Unehre aus Leeuwaarden vertrieben worden, und ist mit großer Schande und Verachtung hie und da von einem Orte zum andern geflüchtet, bis ihn endlich der Aussatz verzehrt und aufgerieben hat, sodass er, wie Antiochus und Herodes, ein schreckliches und unzeitiges Ende genommen hat, allen seinen Nachfolgern zum Spiegel. Die Sage über diesen Vorfall unter dem gemeinen Volke lautet noch bei weitem schrecklicher, als wir ihn hier geschildert haben.