Der Märtyrerspiegel

Teil II - Kapitel 2.671

Zum Inhaltsverzeichnis

2.671  Noch ein Brief von Hans Vret, geschrieben an seine geliebte Mutter den 5. Juli 1576.

Die unaussprechliche Liebe, Gnade und der Friede Gottes, unsers lieben himmlischen Vaters, der ein Vater voller Gnade und Wahrheit ist, reich und überschwänglich an Barmherzigkeit und Güte, durch das bittere Leiden und Sterben seines einigen Sohnes, unsers Heilandes und Seligmachers, der uns geliebt und von allen unsern Sünden in seinem Blute gewaschen hat, und von aller Ungerechtigkeit die wir begangen haben, wie auch die Kraft des Heiligen Geistes stärke und tröste dich in aller deiner Trübsal, deiner Betrübnis und deinen Schmerzen, die du um des Wortes und der Wahrheit Christi willen hast, in deiner Verfolgung und deinem Leiden, und in deiner Betrübnis, die du etwa, wie ich höre, um meinetwillen hast, nach dem Fleische. Er stärke dich in dem Glauben der Wahrheit, worin du nun stehst, welche dir von Gott aus Gnaden offenbart ist, damit du alle Betrübnis des Fleisches, die du etwa haben möchtest, überwinden mögest. Solche wünsche ich dir, dein Sohn, meine auserwählte Mutter, von ganzem Herzen zu deiner Seele Heil, damit wir dereinst miteinander versammelt werden mögen; und die frohe und fröhliche Stimme des einigen Sohnes Gottes mit allen, die bis ans Ende in dem Glauben der Wahrheit standhaft geblieben sind, hören mögen: Kommt her, ihr Gesegneten, ererbt das Reich meines Vaters, das euch von Anbeginn der Welt bereitet ist, Amen.

Meine herzgründlich geliebte Mutter, die ich von Herzen liebe, ich befehle mich dir von ganzem Herzen an, und lasse dich wissen, meine auserwählte Mutter, daß ich nicht gemeint hätte, daß ich diesen Brief noch schreiben würde; aber da es dem guten Gott so gefallen hat, mich noch bis auf diese Stunde in diesem Leben zu erhalten, so kann ich nicht unterlassen, meine geliebteste Mutter, diesen meinen Abschiedsbrief an dich zu schreiben, wenn es vielleicht der letzte wäre in meinem Leben, und sage dir, meine liebe Mutter, gute Nacht. Wie ich höre, ist die Zeit meiner Erlösung sehr nahe, wiewohl ich bis auf diese Stunde noch nicht weiß, wenn es geschehen wird, nur daß ich glaube, daß ich morgen mein Todesurteil hören werde; ich habe gehört, daß morgen einigen das Todesurteil eröffnet werden soll, und ich hoffe, einer von denen zu sein, wenn es dem Herrn gefällt. Wir haben solches schon oft gehört; ob sie es aber tun, um uns zu erschrecken, das weiß ich nicht; ich habe es nicht von den Leuten hier im Hause gehört, sondern von einer Jungfer vom M. Volke, die hier gefangen sitzt; sie hat es mir gesagt; ist es des Herrn Wille, so soll es geschehen; ich bin damit wohl zufrieden, dem Herrn sei gedankt, der mich armen, schwachen Menschen hier in diesen meinen Banden stärkt durch seinen Heiligen Geist, um allein zu widerstehen, was mir an meiner Seele hinderlich oder schädlich sein möchte. Denn es ist der Tag, wonach mich verlangt, der Herr gebe mir Stärke bis ans Ende, damit ich meinen Streit mit Freuden vollenden und den Sieg erhalten möge zum Lobe, Preise und Ehre des heiligen Namens des Herrn.

Nachdem es denn nun, meine liebe Mutter, dem guten Gott so gefallen hat, mich, deinen Sohn, würdig zu achten, um seines Namens willen zu leiden, damit ich die Zahl der Frommen erfüllen helfen möchte, die unter dem Altar liegen und ruhen, bis die Zahl ihrer Brüder erfüllt ist, die auch ebenso, wie sie, getötet werden müssen, so wollest du dich denn, liebe Mutter, hiermit trösten, und um meinetwillen bitte ich dich, nicht betrübt zu sein. Denn, liebe Mutter, der Herr hat mich zu einem bessern Platz berufen, als in dieser bösen, argen Welt zu bleiben, obgleich es dem Fleisch schwer fällt; ich will das jedoch um der Freude willen, die ich mit allen Frommen Gottes genießen werde, nicht achten, denn ich sage mit Paulus: Ich halte dafür, daß dieser Zeit Leiden der Herrlichkeit nicht wert sei, die an uns offenbart werden soll.

Ach, meine geliebteste Mutter! wer sollte kein Verlangen haben nach der Herrlichkeit? Wen sollte nicht darnach gelüsten? und mit Paulus zu sagen: Ich seufze, und mich verlangt aus diesem Fleisch zu sein, denn ich erwarte eine andere Wohnung, die nicht mit Händen gemacht ist, sondern die ewig ist im Himmel. Dann werden wir, wie Johannes sagt, den sehen, an welchen wir jetzt glauben, und ihn doch nicht sehen; dann werden wir ihn mit unsern Augen anschauen, der heller leuchtet als die Sonne. Wer sollte nun dieses Leiden oder diese Pein achten, die man dem Fleisch antun mag, und doch nicht ohne des Herrn Zulassung, denn, wenn sie alles getan haben, was sie vermögen, nach den Worten Christi, so können sie nur den Leib töten, an der Seele aber haben sie keine Macht, denn wir lesen im Buch der Weisheit, daß die Seelen der Gerechten in des Herrn Hand seien.

Wer wollte wohl diese zeitliche Pein achten, die die Menschen unserm Leibe zufügen mögen, da doch solche Freude dafür verheißen ist, für eine geringe Pein eine große, unaussprechliche Freude; für ein geringes, zeitliches Leben ein ewiges Leben? Denn Christus sagt: Wer sein Leben um meinetwillen verliert, der wir es dereinst wieder finden.

Betrachte einmal, meine liebe Mutter, wie viele ihr Leben um Christi Wort und Wahrheit willen gelassen haben, und bedenke einmal, was des Menschen Leben sei, das so bald dahin ist; es ist nur, wie Jakobus sagt, einem aufsteigenden Dampfe zu vergleichen, denn, wenn der Dampf verschwindet und sich verzieht, so sieht man ihn nicht mehr, was schnell geschieht; ja, es ist einer Wasserblase zu vergleichen, welche schnell vergeht. Warum sollte man nun dieses zeitliche Leben hochachten? Es ist nicht mit dem ewigen Leben zu vergleichen.

Solltest du nun, liebe Mutter, über meinen Schmerz, den man mir an dem Leibe antun möchte, betrübt sein, was doch um des Glaubens und der Bekenntnis des heiligen Wortes Gottes und der Wahrheit Willen geschieht? O nein! meine Mutter, lass dich solche Betrübnis nicht überfallen, sondern, ich bitte dich, meine herzgründliche, liebe Mutter, sei getrost; ich hoffe, mit des Herrn Hilfe, daß deine Trübsal sich in Freude verwandeln soll.

Ach, meine geliebte Mutter, lass dir es gehen, wie es Abraham ging, der nur einen einzigen Sohn hatte, den ihm Gott in seinem Alter gab. Sieh, wie Gott diesen frommen Mann prüfte, als er ihm befahl, daß er seinen einzigen Sohn Isaak ihm aufopfern sollte; wir lesen nicht, daß er um des Befehles willen betrübt gewesen sei, noch auch, als ihn sein Sohn fragte: Mein Vater, hier ist Holz, aber wo ist das Opfer? Abraham sprach mit väterlicher Stimme zu seinem Sohne, indem er sein Vertrauen auf den allmächtigen Gott setzte: Der Herr wird es ihm ersehen. Also ist Abraham dem Gebot Gottes nachgefolgt, und ließ seinen einzigen, geliebten Sohn Isaak auf das Holz niederknien, zog das Schwert aus der Scheide, und wollte den Streich ausführen, um seinem Sohne das Haupt abzuschlagen, und ihn aufzuopfern; aber der Engel sagte zu ihm, er sollte das Schwert in die Scheide stecken, und das Kind nicht beschädigen. Wir finden nirgends geschrieben, daß dieser fromme Mann in all dieser Zeit, bis auf die letzte Stunde, sich betrübt habe und erschrocken gewesen sei, dem Gebot Gottes nachzufolgen. Meine liebe Mutter, warum willst du nun betrübt sein? Der Herr prüft dich ja noch nicht auf solche Weise, daß du deinen Sohn töten sollst, sondern Er lässt es von Kains Geschlecht geschehen, die allezeit nach der frommen Abeliten Blute dürsten, indem solche dem Herrn gefallen. Meine Mutter, vertraue auch dem Herrn, wie der fromme Mann Abraham, und sage: Der Herr wird es ihm ersehen, denn obgleich dein ältester Sohn, den du jetzt hast, geopfert wird, so kann der Herr wohl einen andern erwecken, wenn es Ihm gefällt. So sei nun hierin zufrieden; es geht mir nicht anders, als es allen Frommen ergangen ist, an denen Gott von Anfang der Welt bis hierher einen Gefallen gehabt hat.

Überlege es, wie es dem Propheten Jeremia geschehen ist, der viel Trübsal erlitt, weil er, nach des Herrn Befehl, die Städte wegen ihrer Sünde strafte; er wurde gefangen, in einen Morast geschmissen, ja, viel Trübsal überfiel ihn, wie die Schrift hiervon zur Genüge zeigt, sodass er sich vornahm, nicht mehr im Namen des Herrn zu predigen. Sieh, solcher Trübsal war der Mann Gottes unterworfen, der doch in Mutter Leib von Gott erwählt war, seinen heiligen Willen zu predigen.

Nicht weniger sieh Johannes an, welcher in seiner Mutter Leib geheiligt und vor allem Volk bekannt war, daß er ein Prophet wäre; demselben hat Herodes um einer Hure willen im Gefängnis das Haupt abschlagen lassen, der doch (nach Christi Worten) der größte Prophet war, der jemals von Weibern geboren worden ist.

Sieh, meine liebe Mutter, ist es denen so ergangen, die so würdig vor dem Herrn gewandelt sind; haben sie dieselben getötet, was werden sie uns dann tun?

Betrachte es, daß sie sich nicht gescheut haben, Christum Jesum zu töten, der doch der einige Sohn Gottes und der Sohn des Menschen ist, ja, der (nach der Schrift Zeugnis) wahrer Gott und Mensch, Gottes Sohn und des Menschen Sohn ist, denn Er nennt sich selbst an vielen Orten des Menschen Sohn, wird auch bekannt und ist der wahre lebendige Sohn Gottes, der uns von der Gewalt des Satans, vom ewigen Tode und Verdammnis erlöst, der unsere Augen geöffnet hat, als wir tot waren in unsern Sünden und Ungerechtigkeiten, und der uns zu dem wunderbaren Licht gebracht hat; Er hat uns sein Wort und seine Wahrheit, das Evangelium, offenbart, welches (wie Paulus sagt) eine Kraft Gottes ist, die alle diejenigen selig macht, die daran glauben.

So hat uns nun der gute Gott, durch seine unaussprechliche Gnade und Güte, sein Wort und seine Wahrheit offenbart, wodurch unsere finstern Augen geöffnet worden sind, und hat uns gegeben, an den zu glauben, durch welchen wir ewig leben mögen, der Christus Jesus ist, welchem das Schlangengeschlecht viel Pein und Qual angetan hat, wie die vier Evangelisten davon im Überfluss zeugen, wie sie Ihn gegeißelt, verspottet, geschlagen, sehr jämmerlich misshandelt, und eine Dornenkrone auf sein Haupt gesetzt haben. Er hat sein Kreuz, woran sie Ihn genagelt haben, selbst tragen müssen; sie haben Ihn mit Essig und Galle getränkt; sie haben mit einem Speer in seine Seite gestochen, woraus Wasser und Blut kam. Ach, wie jämmerlich sind sie mit Ihm umgegangen! Alle die vorbeigingen, sperrten den Mund auf und spotteten seiner, sodass Er der Verachtetste auf Erden war. Er war, wie der Prophet David sagt und weissagt: Ich bin ein Wurm und kein Mensch; ich bin der Verachtetste unter allen Menschen; sie sperren den Mund auf nach mir; sie werfen das Los über meine Kleider.

Ach, liebe Mutter, wie bitter ist das Leiden des unbefleckten Lammes Gottes zu beschreiben, das so vielem Leiden und so vielen Schmerzen unterworfen war; wer kann wohl sein Leiden beschreiben, das es um unsertwillen erlitten hat; sollten wir denn nicht ein wenig um seinetwillen leiden, da Er doch alle, die um seinetwillen leiden, so herrlich belohnen wird; denn Er sagt: Selig sind die, die um der Gerechtigkeit willen leiden; und abermals: Selig sind, die um meines Namens willen Schmach leiden, denn ihr Lohn ist groß im Himmel. So kannst du nun merken, daß der Herr diejenigen nicht unbelohnt lassen wolle, die um seines Wortes und seiner Wahrheit willen leiden; wer im Leiden standhaft bleibt, bei seinem Evangelium bis ans Ende, die nicht von seinem Wort und seiner Wahrheit weichen, das Er mit seinem Mund gesprochen hat, die nicht von dem engen Weg abtreten, der zum ewigen Leben führt, die sich nicht geschämt haben, die Wahrheit vor dem ehebrecherischen Geschlecht zu bekennen, die diejenigen nicht gefürchtet haben, die den Leib töten, sondern die vielmehr denjenigen gefürchtet haben, der Seele und Leib in die Hölle, in die ewige Finsternis und Pein werfen kann, wo allezeit Heulen und Zahnklappen sein wird, wo die Flamme nicht verlöschen, wo der Rauch von Ewigkeit zu Ewigkeit aufgehen, wo der Wurm nimmermehr sterben wird, die (wie Petrus sagt) dem Hunde nicht nacharten, der wieder verschluckt, was er ausgespien hatte, oder der Sau, die gewaschen ist und sich wieder im Kot wälzt, die nicht das Licht für die Finsternis bekennen, und die Finsternis für das Licht, die die Wahrheit nicht für Lügen erkennen, und die Lügen für die Wahrheit, die mit Eleasar auszuhalten und nicht zu heucheln gedenken, die die Wahrheit nicht verwerfen, da sie doch wohl wissen, daß es die Wahrheit sei, die der teuflischen Lehre der Papisten kein Gehör geben, die nicht den Priestern Isabels folgen, welche nach der Frommen Blut dürsten, die Gott lieben und Ihm dienen, und Ihn von ganzem Heizen und von ganzer Seele wert halten, die Christi Fußstapfen nachzufolgen und nach seinem Willen zu leben und zu wandeln suchen, die Ihm und nicht den Menschen zu gefallen suchen; denn Jakobus sagt: Wer Gottes Freund sein will, der muss der Welt Feind sein; derjenige, der den engen Weg zu betreten und darauf zu wandeln sucht, der die Ungerechtigkeit zu verlassen und der Gerechtigkeit nachzukommen begehrt, der den Rat des Fleisches verlässt und dem Rat des Geistes folgt, der das irdische Gut verlässt und das himmlische sucht, der das Zeitliche wie nichts achtet und das ewig Unvergängliche sucht, der nicht auf das Sichtbare sieht, sondern auf das Unsichtbare hofft, der dieses Leben nicht achtet, sondern das ewige Leben zu erlangen sucht, der keinen Gefallen hat an der zeitlichen Freude und Lust, sondern an ewiger Freude und Wonne. Diesen, die so sind, ist verheißen und zugesagt, daß sie immer und ewig das Land der Verheißung, das ewige Leben ererben sollen, wo sie mit großer Herrlichkeit werden gekrönt weiden; sie werden springen, wie Maleachi sagt, wie die jungen Mastkälber; es werden ihnen Palmzweige in ihre Hände gegeben werden; sie werden, wie Johannes sagt, das neue Lied vor dem Thron Gottes singen; sie werden mit weißer Seide angetan werden, sie werden wie die Sonne glänzen, sie werden ewig in Freuden sein; solche Freude (wie Paulus sagt), die kein Ohr gehört, kein Auge gesehen hat, noch eines Menschen Herz hat begreifen können, die Freude, welche die Frommen genießen werden, die bis ans Ende standhaft bleiben. Wer wollte, nun um irgendeiner Schmach und Verachtung willen weichen? Wer wollte nun um Verfolgung, oder Trübsal, oder des zeitlichen Lebens willen weichen?

Ach, es ist besser, Fleisch und Blut an einem Pfahl zu lassen, als sich der ewigen Seligkeit seiner Seele, seines Vaters Erbteils, berauben zu lassen, das wir durch Christum erlangen. Darum sagt Paulus: Wer will uns von der Liebe Gottes scheiden, die in Christo Jesu ist? Trübsal, oder Angst, oder Verfolgung, oder Hunger, oder Blöße? Wir können mit dem Apostel sagen: Wir sind gewiss, daß weder Tod noch Leben, weder Engel noch Obrigkeiten, noch Mächte, noch Gegenwärtiges, noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes, noch irgendeine andere Kreatur, uns von der Liebe Gottes scheiden kann. So lass uns denn nicht furchtsam sein, meine Geliebteste, weil nichts ist, das uns von Gott scheiden kann – wer Ihn nur von Herzen liebt; denn Johannes sagt: Furcht ist nicht in der Liebe, denn die Liebe treibt die Furcht aus; dies kannst du auch aus den Worten Pauli abnehmen, wenn er sagt: Und wenn ich allen Glauben hätte, daß ich Berge versetzen könnte, ja, wenn ich all mein Gut den Armen gäbe und ließe meinen Leib verbrennen, hätte aber die Liebe nicht, so wäre es mir nichts nütze. So muss denn eine brennende Liebe zu Christo sein; unsere Lampen müssen wir mit den klugen Jungfrauen brennen lassen und so unsern Bräutigam erwarten, das ist, wir müssen mit einer brennenden Liebe entzündet sein und also Christum Jesum, unsern Bräutigam, erwarten bis Er kommt.

Siehe, hieran wird man erkennen, wer Christum lieb hat, denn Er sagt: Wer mich liebt, wird mein Gebot halten, und der Vater wird zu ihm kommen, und wir werden Wohnung in ihm machen; darum kann man, ohne Christum zu lieben und seine Gebote zu halten, nicht zum Leben eingehen; denn Er sagte selbst: Willst du zum Leben eingehen, so halte meine Gebote. Was ist aber sein Gebot anders, als Ihn zu lieben? Wer Ihn nun liebt, der wird nicht um irgendeiner Pein willen, die an dem Fleisch geschehen könnte, von Ihm weichen, wie ich zuvor von den Worten Pauli erzählt habe, die er an die Römer geschrieben hat: Wer aber Christum nicht liebt, dessen Glaube ist nichtig und kann Gott nicht gefallen; denn Paulus sagt: Das ist ein rechtschaffener Glaube, der durch die Liebe tätig ist, das ist, durch die Liebe, die man zu Gott hat, wenn man sein Gebot und seinen Befehl hält; darum sagt der heilige Jakobus, daß der Glaube ohne die Werke tot sei. Das kann man auch wohl einsehen; denn wo der wahre Glaube ist, da werden auch gute Früchte hervorkommen; ein guter Baum wird gute Früchte bringen, aber von einem bösen Baum werden böse Früchte aufwachsen, denn ein guter Baum kann keine bösen Früchte bringen, und ein böser Baum kann keine guten Früchte bringen; ebenso ist es auch mit dem Menschen, der einen rechtschaffenen Glauben hat; dieser wird gute Früchte hervorbringen, die dem Herrn gefallen. Aber, wo ein nichtiger Glaube ist, der nicht rechtschaffen ist, da wirst du keine guten Früchte spüren, sondern allein böse; denn Jakobus sagt, daß der Teufel auch glaube, und zittere.

Nun kann man abnehmen, wie viel derer seien, die einen nichtigen Glauben haben, und sich dennoch rühmen, daß sie recht glauben, ja, auch diese Papisten, sie können wohl sagen: Ich glaube an Jesum Christum, daß Er gekreuzigt und gestorben sei; aber sie nehmen Ihm seine Ehre. Um es kurz zu machen, sie kennen Ihn nicht, sie haben einen Unglauben; sie folgen Ihm nicht in dem, das Er ihnen gebeut; sie tun nach den Lüsten ihres Vaters, des Teufels, sagt Christus, denn er ist ein Lügner und Betrüger von Anfang her.

Ach, wie ist es zu bejammern, daß einige solchen Lügnern und Betrügern Gehör geben, und bekennen, daß die teuflische Lehre Christi Lehre, Wort und Wahrheit sei, da doch Gott durch den Propheten sagt: Verflucht ist, wer einen Abgott macht und ehrt. Ach, was machen doch diejenigen, die da sagen, daß der wahre Leib Christi in dem Häuslein sei, womit sie über die Straßen gehen, samt ihren Schellen, Fackeln und Laternen. Ach, wie abscheulich ist es, solches für die Wahrheit zu erkennen, da es doch nur Brot und Wein ist! Weil ich hier bin (meine Mutter), so singe ich bisweilen ein geistliches Liedlein; wird es mir aber verboten, so will ich es darum nicht aufgeben, solange sie meine Zunge frei lassen, ja, wenn ich oft einige Lieder von des Menno Volk singe, so singen die Knechte ein schändliches Lied, damit man die guten nicht hören mochte.

Ach, ich bin so froh, daß mein allerliebster Bruder in dem Herrn, den ich auf Erden habe, mich armen Gefangenen mit einem Liedlein und einem Briefe von seiner eigenen Hand bedacht hat! Es erfreute mich in meiner Seele so sehr, daß ich es dir nicht schreiben kann. Ich bitte dich, danke ihm herzlich und bitte ihn, daß er noch einmal schreibe, und, schreibe du auch, denn mich dünkt, daß ich hier wohl noch acht Tage sitzen werde; aber, als ich anfing, dir diesen Brief zu schreiben, meinte ich nicht, daß ich noch so viel an dich schreiben würde, denn ich dachte, ich würde mein Urteil schon gehört haben. Weil es aber dem Herrn so gefallen hat, daß ich noch hier in diesem Gefängnis bleiben soll, so hoffe ich die Zeit mit Geduld (nach Paulus Rat) zu erwarten, bis es dem Herrn gefallen wird, und so, nach den Worten Christi, meine Seele in Geduld zu fassen; denn ich übergebe mich in des Herrn Hände, daß mir nach seinem göttlichen Willen geschehe, zum Lob, Preis und zur Ehre seines heiligen Namens und zur Seligkeit meiner Seele, von nun an bis in Ewigkeit.

Nun denn, meine liebe Mutter, ich sage dir noch einmal gute Nacht, gute Nacht, meine auserwählte Mutter; gute Nacht, meine würdige Mutter, die mich in Pein und Schmerzen geboren hat; ich bitte dich, meine liebe Mutter, sei mit den Werken des Herrn zufrieden; sei um meinetwillen nicht betrübt, sei doch wohlgemut, weil es unser Gott so mit mir verordnet hat, mich von dir abzusondern, sodass du mich in diesem Fleisch nicht mehr sehen wirst. Sei damit zufrieden, denn es widerfährt mir nichts Arges ohne die Zulassung des Herrn, denn der Herr ist mein Behüter, Schutz und Beschirmer, indem der Prophet David sagt: Der Engel des Herrn lagert sich um die her, die Ihn fürchten. Denke nicht, daß jemand sei, der mich beschädigen könne, denn Christus sagt, die Haare unseres Hauptes sind alle gezählt; es fällt nicht ein Vogel vom Baum ohne seinen Willen, wie viel höher sind wir aber geachtet als die Vögel? Darum hat man mich auch um des Wortes und der Wahrheit Christi willen ins Gefängnis geworfen, damit ich seinen Namen vor diesen grausamen Menschen bekennen, auch Verachtung und Schmach leiden möge, voll Verdrusses, ja, wenn ich auch zuletzt von ihnen getötet werde, so freue dich darüber, nach den Worten Christi, wenn Er sagt: Freut euch, wenn euch die Menschen schmähen und viel Übels von euch reden um meinetwillen, wenn sie daran lügen.

Denke daran, was Petrus sagt: Lasst euch nicht befremden, als ob euch etwas Neues geschehe; warum doch? weil es allen Kindern Gottes so ergangen ist, an denen Gott jemals einen Gefallen hatte, denn Christus sagt: In der Welt habt ihr Angst, aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden. So soll es uns denn (nach den Worten Petrus) nicht fremd dünken, denn die Schrift bezeugt solches zur Genüge; darum sagt auch Paulus: Uns ist es nicht allein gegeben an Christum zu glauben, sondern auch um seines Namens willen zu leiden. Betrachte, was der Prophet David sagt: Der Gerechte muss viel leiden.

Sieh, Christus selbst, der Herzog des Glaubens, hat leiden und also zu seiner Herrlichkeit eingehen müssen; haben sie aber den Hausvater Beelzebub genannt, was werden sie wohl seinen Knechten tun? Haben sie auch den Erben ausgestoßen und getötet, was werden sie dann den Gesandten tun? Darum klagt der Herr über Jerusalem und sagt: O Jerusalem, Jerusalem, die du tötest die Propheten und steinigst, die zu dir gesandt werden, wie oft habe ich deine Kinder versammeln wollen, wie eine Henne ihre Kücklein unter ihre Flügel versammelt, aber du hast nicht gewollt. Sieh, wie sie allezeit diejenigen, die von Gott gesandt waren, getötet haben und noch töten. Christus sagt zu seinen Jüngern: Sie werden euch in den Bann tun, und wer euch tötet, wird meinen, er tue Gott ein Opfer daran.

Wer nun ein guter und getreuer Jünger Christi sein und dem Herrn treulich dienen will, der muss alles willig ertragen, was ihm um des Herrn willen auferlegt wird, denn Paulus sagt: Alle, die gottselig leben wollen in Christo Jesu, müssen Verfolgung leiden, und abermals, wir müssen durch viel Trübsal und Leiden ins Himmelreich eingehen.

Weil denn nun das Himmelreich durch viel Leiden und Drangsal eingenommen werden muss, so lass uns mit Paulus uns erfreuen in dem Leiden, das wir um des Namens Christi willen leiden, denn wir sehen wie Petrus und Johannes, als sie vom Rate kamen, erfreut waren, weil sie um Christi willen Schmach litten und gegeißelt worden sind. So freue dich denn auch, meine liebe Mutter, mit mir und danke dem guten Gott, daß Er einen armen, schwachen, unwürdigen Menschen tüchtig achtet, um seines Wortes und seiner Wahrheit willen zu leiden.

Lobe und preise den Herrn für seine Gnade, singe ihm Lob für seine Wohltaten, sage mit mir: Dank sei dem Gott Abrahams, dem Gott Isaaks und dem Gott Jakobs für seine unaussprechliche Barmherzigkeit und Güte, die Er an uns armen Menschen erwiesen hat. Sage mit David: Wo ist ein Gott, wie unser Gott, demselben sei Preis und Lob, von Ewigkeit zu Ewigkeit, Amen.

Ich sage gute Nacht, meine geliebteste Mutter, gute Nacht, wenn ich dir nicht mehr schreiben sollte; und sollte dieses der letzte Brief sein, so sage ich dir gute Nacht, meine geliebte Mutter, und nehme meinen Abschied von dir, meine Mutter, die ich liebe. Gute Nacht, denn ich verlasse dich um des Herrn willen, und hoffe auch um seinetwillen mein Leben zu lassen, denn der Herr hat mir ein anderes Leben verheißen, das ewig währen und nimmermehr vergehen wird, nicht wie dieses Leben, das doch vergehen muss, denn dieses Leben, oder die zeitliche Lust dieser Welt ist nicht mit der Freude und Wonne zu vergleichen, die den Frommen verheißen ist, die bis ans Ende standhaft bleiben, wo ein Tag (wie David sagt) besser ist, als hier tausend in Freude und Ergötzlichkeit.

Ich hoffe mit der Hilfe des Herrn die ewige Freude bald zu genießen; dann werde ich von allem Seufzen, Weinen und Trübsal erledigt werden; dann wird mich nicht mehr hungern oder dürsten, dann werde ich weder Hitze noch Kälte mehr fühlen, dann werde ich von allem befreit werden und mit dem Lamme ewig triumphieren. So sei denn nicht betrübt, weine und seufze auch nicht, obgleich ich dir vorangehe, denn wir werden wieder zusammenkommen; sei nur getrost, meine auserwählte Mutter; der Herr tröste dich mit seinem Heiligen Geist in all deinem Druck und Trübsal.

Ich sollte wohl mehr betrübt sein als du um deinetwillen, denn ich lasse dich hier in dieser bösen Welt, wo du aller Trübsal, Druck und Leiden unterworfen bist, und scheide aus dieser Trübsal in die Freude, aus diesem Leben in das ewige Leben; aber wir sollten mit des Herrn Werken nicht betrübt, sondern zufrieden sein, denn Paulus sagt: Alle Dinge dienen den Gläubigen zum Besten, darum denke an das Gebet, wenn wir bitten: Herr, dein Wille geschehe auf Erden wie im Himmel.

So lass uns denn zusehen, daß wir nichts gegen den Willen des Herrn wollen, sondern daß wir in allem geduldig und leidsam sein mögen, damit in uns der Spruch der Offenbarung Johannes erfüllt werde: Hier ist Geduld der Heiligen. So sei denn, liebe Mutter, in allem geduldig, was dich jetzt überfallen hat und was dich noch überfallen möchte.

Gehabe dich wohl, meine herzgründlich geliebte Mutter, ich bitte dich auch, wenn du dein Gebet zu Gott tust, daß du an mich armen, schwachen Menschen, deinen Sohn (der um des Zeugnisses des einigen Sohnes Gottes willen hier gefangen ist), denken wollest, wie ich denn auch hoffe, daß du tun wirst, und zweifle nicht daran, denn Jakobus sagt, daß des Gerechten Gebet viel vermöge, wovon er auch ein Exempel anführt und sagt: Elia war ein Mensch wie wir und er bat, daß es nicht regnen sollte, und es geschah; abermals bat er, daß es regnen sollte, und es geschah. Dieses erzählt der heilige Jakobus, um zu beweisen, wie kräftig das Gebet der Gläubigen sei.

Christus sagt auch: Alles, was ihr in eurem Gebet bittet, habt nur Glauben und zweifelt nicht, so wird es euch gewährt. Die Schrift bezeugt es im Überfluss, wie das Gebet der Frommen durch die Wolken dringe, sodass sie von dem Herrn erhört werden. Hiermit nehme ich meinen Abschied von dir, liebe Mutter, es möchte vielleicht das letzte Mal sein, und befehle dich dem Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs; der Gott des Trostes tröste dich, der starke Gott stärke deinen Glauben, um allen feurigen Pfeilen des Bösewichts zu widerstehen; der Herr bewahre deinen Aus- und Eingang immer und ewig, Amen.

Gute Nacht, meine allerliebste Mutter, gute Nacht in dieser Zeit, bis wir einander im ewigen Leben sehen bei Christo, unserm einigen Haupt und Bräutigam, Amen.

Grüße mir meinen allerliebsten Bruder, den ich auf Erden habe, in dem Herrn Christo Jesu; grüße mir ihn sehr herzlich und auch meinen auserwählten lieben Meister, wenn er da ist, wo du bist. Meinen geliebten B. D. B. grüße mir, wenn du an ihn schreibst. Meine Mutter, halte mir dieses mein schlichtes Schreiben zu gut, denn ich habe es aus Liebe getan, nach meinem geringen Verstand, den der Herr mir unwürdigen Menschen aus Gnaden gegeben hat; der Herr sei mit uns allen, Amen.

Von mir, deinem Sohn, den du wohl kennst, Hans Vret, gegenwärtig gefangen und verschlossen auf dem Stein in Antwerpen den 7. Juli im Jahre 1576 um des Evangeliums und des Bekenntnisses des einigen Sohnes Gottes, Christi Jesu, unseres Heilandes, willen, welchen die Welt nicht kennt, sondern verleugnet.