Der Märtyrerspiegel

Teil II - Kapitel 2.391

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2.391  Der zweite Brief von Christian Langedul.

Der zweite Brief von Christian Langedul, worin er erzählt, wie grausam er gepeinigt worden und wie sein Leib nach der Folter zugerichtet gewesen sei, und eine Schilderung seiner festen Hoffnung und seines Vertrauens auf den Herrn:

Mein liebes Weib, wisse, daß ich gestern um drei Uhr dir einen Brief geschrieben habe, den ich dir jetzt sende, weil ich ihn damals nicht bestellen konnte, denn kurz darauf kam der Markgraf hierher, um uns zu peinigen; deshalb konnte ich den Brief nicht senden, indem wir alle vier damals, einer nach dem andern, sehr gefoltert worden sind, sodass wir gegenwärtig wenig Lust zu schreiben haben; doch können wir es nicht lassen; wir müssen euch schreiben.

Cornelius Schuhmacher war der Erste, der gepeinigt wurde; ihm folgte Hans Symonß. Als der Hauptmann mit diesem in das Foltergewölbe ging, dachte ich: Nun werden wir rechtschaffen daran müssen, um seinen Willen zu tun; unterdessen kam die Reihe an mich; du kannst denken, wie mir zu Mute war. Als ich nun an die Folter zu den Herren kam, hieß es: Entkleide dich, oder sage, wo du wohnst. Ich sah betrübt aus, wie man wohl denken kann, und sagte: Wollt ihr mich denn nachher nichts mehr fragen?, worauf sie stille schwiegen.

Da dachte ich: Ich sehe wohl, was es sein soll, man wird meiner nicht schonen; darauf entkleidete ich mich und übergab mich dem Herrn zum Tode. Hiernächst haben sie mich jämmerlich ausgespannt und gewunden; ich meine, es rissen zwei Stricke an meinen Schenkeln und Schienbeinen; auch wurde ich ausgespannt, und es wurde mir viel Wasser in meinen Leib, in die Nase und auch auf das Herz gegossen; dann ließen sie mich los und fragten mich: Willst du noch nichts sagen? Sie baten mich auch, und bald redeten sie wieder hart mit mir; aber ich tat meinen Mund nicht auf, so fest hatte ihn Gott geschlossen.

Darauf sagten sie: Greift ihn noch einmal rechtschaffen an, was sie auch taten, und jene riefen: Fort, fort, spannt ihn noch um einen Fuß aus. Ich dachte, ihr könnt mich nur töten. Als sie nun mein Haupt, das Kinn, die Schenkel und Schienbeine bedeutend ausgespannt hatten, ließen sie mich so liegen und sagten: Sage, sage.

Da plauderten sie untereinander wegen meiner Rechnung, die I. T. wegen der Leinwand geschrieben hatte, die auf 655 Pfund gerechnet wurde. Darauf sagte der Markgraf: Er versteht gut französisch, ich aber lag in der Pein. Da hieß es abermals: Willst du nichts sagen? Ich tat meinen Mund nicht auf. Sie sagten: Sage uns wo du wohnst, dein Weib und Kinder sind ja doch nicht mehr dort. Ich redete aber nicht ein Wort. Sie sagten: Welch eine schreckliche Sache, so sehr hat mir der Herr den Mund bewahrt, daß ich ihn nicht aufgetan habe; endlich, als sie es lange versucht hatten, mich zum Reden zu zwingen, ließen sie mich los.

Darauf trugen mich ihrer zwei, der Scharfrichter und sein Knecht, von der Folterbank; gedenkt, wie sie mit uns umgegangen seien, auch wie uns zu Mute war und noch ist. Hiernächst haben sie mich aus dem Foltergewölbe teils getragen, teils geschleppt, bis ich hinauf in des Kerkermeisters Kammer kam; dort war ein gutes Feuer von Eichenholz; auch gaben sie mir ein- oder zweimal Rheinwein zu trinken, und ich kam wieder einigermaßen zu mir selbst; als ich mich nun etwas erwärmt hatte, schleiften sie mich hinauf über des Pförtners Kammer; sie hatten großes Mitleiden mit mir; sie schenkten mir abermals Wein ein, gaben mir Kraut, und von allem, was du mir gesandt hattest, das mir sehr gute Dienste leistete; sie ließen Wein holen, und halfen mir in mein Bett; aber die Leintücher waren sehr grob und verursachten mir an den Schenkeln und Schienbeinen sehr große Schmerzen; doch kamen bald nachher die Leintücher und das Kopfkissen an, welche du mir sandtest, und wobei auch zwei oder drei Schnupftücher waren; dann deckten sie mich mit den Tüchern zu, welche mir ebenso nützlich waren, als das Kraut. Wären die Tücher nicht gekommen, ich weiß nicht, wie ich es die Nacht gemacht hätte, so aber habe ich recht gut geschlafen; doch kann ich noch nicht gut stehen, denn meine Füße sind von dem Ausspannen als ob sie tot wären; doch hoffe ich durch des Herrn Gnade, daß es wohl sein werde.

Wir haben einen solchen starken Gott, daß er mich nicht über mein Vermögen hat versucht werden lassen; ich hoffe auch, er werde es fernerhin nicht tun, solch ein festes Vertrauen habe ich zu ihm, denn ich weiß gewiss, daß bis in Ewigkeit kein anderer Weg, noch eine andere Wahrheit erfunden werden wird. Darum halte an, es sei zur rechten Zeit oder zur Unzeit.

Deinen Brief habe ich empfangen, und danke dir sehr, daß du meiner zum Besten gedenkst, wie du allezeit getan hast. Ich habe dir in meinem ersten Briefe, ehe ich den deinigen empfing, eine rechte Antwort auf deinen Brief, den du mir gesandt hast, geschrieben; ich hätte dir wohl noch viel zu schreiben, aber für jetzt kann ich es nicht gut ausführen; es geht zu schnell.

Matthäus ist nach mir gefoltert worden; er hat sein Haus angegeben und auch die Straße, auf welcher wir wohnen, und gesagt, in einer Winkelgasse, wiewohl ich meine, daß keine Winkelgasse mehr in der Straße sei; darum zieht von dort weg, wenn ihr noch nicht ausgezogen seid, denn ich glaube, der Herr werde dahin kommen. Lasst auch niemanden in das Haus gehen, der in Gefahr steht, gefangen zu werden, auch hat er R. T. Haus genannt, und auch die Straße, auf welcher F. V. St. wohnt; eile hierin, das Beste zu tun; aber er ist hierüber sehr betrübt.

Cornelius und Hans haben auch nichts gesagt; ich hätte noch viel zu schreiben, aber die Zeit ist zu kurz; ich hoffe heute noch zu schreiben, wenn es dem Herrn gefällt. Ich hätte es gern, daß H. T. einmal heraus käme. Ich grüße euch sämtlich sehr herzlich. Es war gut, daß I. T. gestern fortging, denn der Markgraf kam bald darauf; aber ich kann dir nicht viel sehr schreiben, denn die Zeit ist zu kurz bis an den Tag.

Hiermit sei dem Herrn anbefohlen und dem Worte seiner Gnade. Bitte doch den Herrn ernstlich für uns, denn wer bittet, der empfängt. An die Kinder und an dich darf ich nicht viel Denken; es fällt mir gar schwer, davon zu scheiden. Stelle doch alle Freunde zufrieden, so gut als du kannst, denn ich bin auch sehr zufrieden, wiewohl ich um ihretwillen sehr betrübt bin, es ist jedoch von dem Herrn so verordnet.

Von mir, deinem schwachen Manne, Christian Langedul, im Gefängnisse zu Antwerpen auf dem Steine, den 12. August 1567. Ich bin nach dem Foltern noch nicht völlig wieder hergestellt, wie man wohl denken kann; aber ich hoffe, es wird wohl sein; betrübe dich nicht zu sehr darüber. Es wäre mir lieb, wenn I. T. mein Rechenbuch mitbringen könnte; ich wollte ihm noch einmal alles zeigen oder aufschreiben; bringe uns etwas, um Briefe damit zu verschließen.