Der Märtyrerspiegel

Teil II - Kapitel 2.404

Zum Inhaltsverzeichnis

2.404  Dieser Henrich Maelschalck hat einen Brief aus dem Gefängnisse zu Gent geschrieben, den 26. Januar 1568, welcher lautet, wie folgt:

Die überschwängliche Gnade, Freude, Friede, Barmherzigkeit und das ewige Heil, wünschen wir euch von Gott, unserm himmlischen Vater, und unserm Herrn Jesu Christo, der sich selbst für unsere Sünden dahingegeben hat, damit er uns von dieser gegenwärtigen argen Welt erlöste, nach dem Willen Gottes, unsers Vaters, welchem sei Lob, Preis und Ehre, Kraft und Dank, von Ewigkeit zu Ewigkeit, Amen.

Nach Anwünschung aller Gnade und alles Heils wollen wir euch berichten, nämlich Goelken, unserer lieben Freundin in dem Herrn, und allen lieben Freunden, die den Herrn fürchten, daß wir vier Gefangene zu Gent um des Zeugnisses unseres Herrn Jesu Christi willen, dem Fleische nach, noch wohlauf sind; dem Geiste nach aber danken wir dem Herrn, und loben ihn, daß er uns durch seine Gnade in solcher Weise so stärkt, denn unser Gemüt und unser Vorsatz ist noch dahin gerichtet, daß wir allezeit bei dem Herrn bleiben und durch seine Gnade und Barmherzigkeit nicht von ihm abweichen, weder um des Lebens noch um des Todes willen. Lob und Dank sei dem Herrn gesagt, der uns durch seine Gnade auf solche Weise stärkt, wenn wir schwach und elendig sind. Aber bis hierher haben wir das Vermögen gehabt, durch des Herrn Hilfe, und hoffen noch durch seine Hilfe bis ans Ende auszuhallen, denn worin er selbst versucht worden ist, kann er auch helfen und diejenigen erlösen, die versucht werden, indem er gesagt hat: Ich will dich weder verlassen noch versäumen; darum dürfen wir getrost sagen: Der Herr ist mein Helfer, wie der Apostel sagt.

Nun, herzlich geliebten Brüder, ist Gott mit uns, wer mag wider uns sein, denn alle Menschen sind nur Werke seiner Hände; er hat alles geschaffen, und hat auch Macht wieder zu vernichten, wenn es ihm gefallen wird; warum sollten wir uns vor sterblichen Menschen fürchten? Billig sollten wir diesen Gott vielmehr fürchten, denn er ist es allein, der selig machen oder verdammen kann, und wenn wir auch der Menschen Hände entliefen, so können wir doch Ihm nicht entlaufen. Darum wollen wir lieber mit Susanna sagen: »Es ist besser in der Menschen Hände zu fallen, als vor des Herrn Angesicht zu sündigen.«

Darum, meine lieben Freunde, hoffen wir, den Herrn keineswegs zu verlassen, sondern allezeit nach dem verheißenen Lande fort zu wandeln, welches aller Güter voll ist, um es einzunehmen; dazu wolle der Herr uns und alle, die Ihn fürchten und aufnehmen, durch seine Gnade und Barmherzigkeit stark, kräftig und tüchtig machen.

Ich, Henrich, habe euch allen, ihr lieben Freunde, ein wenig von unserm Gemüte geschrieben. Ferner ist es meine freundliche Bitte an euch, daß ihr doch allezeit in der Furcht des Herrn standhaft sein wollt, denn, die den Herrn fürchten, werden Gutes tun, und die Ihn lieben, werden sich befleißigen, Ihm zu gefallen und sich vor Ihm demütigen. Fürchtet ihr Gott, sagt der Prophet, so weicht nicht von Ihm, sondern geht zur ewigen Freude und Wonne ein. Die den Herrn fürchten, werden in der äußersten Not wohl sein, und auf den Tag ihres Sterbens gesegnet werden. Darum, liebe Freunde, lasst uns den Herrn stets von ganzem Herzen und Gemüte fürchten, lasst uns Ihm gehorsam sein und sein Wort halten, denn selig sind, die Gottes Wort hören und dasselbe bewahren; das sind auch diejenigen, die Ihn lieben und sein Wort halten, und wer Ihn liebt, der ist von Ihm erkannt; wer aber sagt: Ich kenne Ihn, und hält Gottes Gebote nicht, der ist ein Lügner, und in ihm ist die Liebe Gottes nicht vollkommen. Darum, meine lieben Freunde, lasst uns Ihn lieben, denn er hat uns zuerst geliebt, gleichwie Paulus bezeugt, daß er arm geworden sei, während er reich war, damit wir durch seine Armut reich würden; ja, er hat den, welcher von keiner Sünde wusste, für uns zur Sünde gemacht, daß wir in Ihm die Gerechtigkeit würden, die vor Gott gilt. Da wir nun aber wissen, daß uns der Herr so geliebt, daß er auch seine Gnade so überschwänglich für uns ausgegossen hat, so lasst uns alle wohl zusehen, daß seine Gnade an uns nicht vergebens sei, denn wir sind seiner teilhaftig geworden, wenn wir anders den Anfang seines Wesens bis ans Ende festhalten.

Darum, liebe Freunde, gleichwie ihr den Herrn Jesum Christum angenommen habt, so wandelt auch in Ihm, und seid gewurzelt und erbaut in Ihm, und seid fest im Glauben, wie euch gelehrt ist, sagt der Apostel, die ihr wohl wisst, daß es die rechte Gnade Gottes sei, worin ihr steht. Darum wendet allezeit Fleiß an, euern Beruf und eure Erwählung zu befestigen, wenn ihr das tut, werdet ihr nicht fallen, sagt Petrus, und dadurch wird euch der Eingang in das Reich unseres Herrn und Heilandes Jesu Christi reichlich zubereitet werden. So lasst uns denn an dem Bekenntnis der Hoffnung fest und unverändert halten, und lasst uns allezeit ernstlich wachen, und auf den Herrn warten, als ein guter und getreuer Knecht, damit er uns nicht zur ungelegenen Zeit komme, sondern daß wir allezeit, wie die fünf klugen Jungfrauen, die ihre Lampen gerüstet hatten, und zur Hochzeit eingingen, bereit sein mögen; aber die fünf törichten Jungfrauen mussten draußen bleiben. Darum, liebe Freunde, lasst uns nicht den Törichten gleich sein, sondern den Weisen. Hiermit befehlen wir euch unserm lieben Herrn, und dem tröstlichen Worte seiner Gnade; er wolle euch und auch uns alle in aller Wahrheit und Gerechtigkeit stark und kräftig machen, Amen.

Ferner, herzlich geliebte Freundin Goelken, und alle ihr andern Freunde, die ihr dieses lest, nehmt mir doch diese meine Schwachheit zum Besten auf, denn ich fühle mich unwürdig, euch zu ermahnen, indem ich wohl weiß, daß ihr von Gott zur Genüge unterrichtet seid, aber ich habe dieses aus Liebe getan, weil ich gehört hatte, daß ihr gerne etwas von uns haben wolltet, deshalb nehmt denn dieses mit Dank hin. Wenn ihr etwas von unserer Gefangenschaft zu wissen verlangt, ob es nicht bald mit uns ein Ende nehmen werde, so lassen wir euch wissen, daß wir gegenwärtig nicht viel davon hören. Wir meinten unser Opfer noch vor Christmeß zu tun, denn solches hörten wir plötzlich sagen; jetzt aber wissen oder hören wir nichts davon, sondern sind dessen stets gewärtig, durch des Herrn Gnade. Herzlich geliebte Freunde in dem Herrn, bittet doch für uns, damit wir bis ans Ende standhaft bleiben und dem Herrn ein tüchtiges Opfer verrichten mögen; wir hoffen, nach unserer Schwachheit, auch ein Gleiches für euch zu tun. Ferner senden wir euch auch drei neue Lieder zum herzlichen und freundlichen Gruße, und wenn sie auch einfältig sind, so nehmt sie doch mit Dank auf, denn es ist aus Liebe geschehen. Gehabt euch wohl bis in Ewigkeit, Amen. Grüße uns deinen Mann sehr herzlich, auch deine Schwester Grietchen und Bet. und Cor. Versw. und Anna von L., auch lässt Susanneken euch alle sehr grüßen; wir grüßen euch alle, die den Herrn fürchten.

Geschrieben von mir, Henrich Maelschalck, gefangen zu Gent um des Zeugnisses unseres Herrn Jesu Christi willen, den 26. Januar, im Jahre 1568.

Herzlich geliebte und sehr werte Freunde; der Herr hat recht gesagt, daß er wie ein Dieb in der Nacht kommen werde, denn gestern hatte ich diesen Brief geendigt und zugesiegelt, in der Absicht, ihn euch zuzusenden; es ist aber geschehen, daß wir alle vier Tags darauf des Morgens verhört worden sind, wovon wir wenig wussten, als wir unser vorgemeldetes Schreiben endigten. Darum sage ich, daß der Herr mit Recht gesagt habe, daß er wie ein Dieb in der Nacht kommen werde; wir sind alle vier, einer nach dem andern, in Gegenwart zweier Verordneten verhört worden; sie taten viele schlechte Fragen an uns, die ich der Kürze wegen übergehen will; nach unserem Glauben aber haben sie nicht weiter gefragt, als ob wir nicht getauft oder wiedergetauft wären. Jan von Paris sagte, daß er getauft wäre; Lorenz, daß er nicht nach der Schrift getauft wäre; Pierken sagte, daß er nicht getauft wäre, und ich sagte, daß wir keine Wiedertäufer wären, und daß ich nicht getauft wäre; sie fragten Pierken, ob er sich taufen lassen wollte, wenn er frei würde; er erwiderte: Ja, wenn ich dazu tüchtig wäre. Auch fragten sie ihn, ob er von seiner Meinung ablassen wollte; er antwortete: Ich halte es für keine Meinung, sondern für den rechten Glauben. Darauf fragten sie mich, ob ich von meinem Glauben oder meiner Meinung nicht abstehen wollte; ich entgegnete: Ich wäre von den Lügen abgestanden, und wäre der Wahrheit nachgefolgt; sollte ich nun abstehen, so müsste ich von der Wahrheit abweichen, wobei ich aber, durch des Herrn Gnade zu bleiben hoffe. Dergleichen Fragen taten sie mehr, doch will ich sie auf sich beruhen lassen. Zum Jan von Paris sagten sie, daß wir bald abgefertigt werden würden, wir sollten noch neun oder zehn Tage Geduld haben; sie sagten auch, sie wollten uns Männer zusenden, die uns unterrichten sollten; wollten wir, sagten sie, dieselben anhören, so könnten wir es tun; wir sind also nun der Pfaffen gewärtig, aber wir hoffen uns vorzusehen, denn wir wissen wohl, was sie suchen. Dem Herrn sei ewig Lob und Dank, wir sind alle wohlgemut, liebe Freunde, und hoffen den Glauben zu erhalten, es sei im Leben oder im Sterben, durch die Gnade des Herrn. Wir hoffen auch, liebe Freunde, nicht lange mehr zu sitzen, denn es scheint, daß wir den Herrn des Rates schon übergeben seien, und daß sie von dem Herzoge von Alba Befehl haben, uns das Urteil zu fällen, und daß sowohl der Amtmann, als die Herren des Gerichtes nichts mehr mit uns zu tun haben; darum nehmen wir unsern Abschied von euch allen, liebe Freunde und bitten euch, allezeit Fleiß anzuwenden. Wir hoffen voranzugehen; der Herr wolle uns darin stärken, und uns tüchtig machen, durch seine Gnade und Barmherzigkeit, Amen. Geschrieben den 27. Januar 1568. Von mir, Henrich Maelschalck.

Fürchtet nicht diejenigen, die den Leib töten, sondern den, der Macht hat beides, Seele und Leib in die ewige Finsternis zu werfen.