Der Märtyrerspiegel

Teil I - Kapitel 19

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19  Der blutige Schauplatz oder Märtyrer-Spiegel der Taufgesinnten oder wehrlosen Christen, welche in dem elften Jahrhundert gelitten haben, von dem Jahre 1000 an bis zu dem Jahre 1100 nach Christi Geburt

19.1  Kurzer Inhalt von den Märtyrern dieses elften Jahrhunderts

Ein Gleichnis von dem Mondlichte und den Steinen, welche in der dunkelsten Nacht das meiste Licht von sich geben; dieses ist bei Anfang unserer Beschreibung, womit der Zustand dieser Zeit geschildert wird.

Vierzehn Personen, unter welchen der Vornehmste Stephanus genannt wird, werden um des Zeugnisses der Wahrheit willen, zu Orleans in Frankreich, von den Papisten als Ketzer verbrannt im Jahre 1022.

Hierauf folgt eine Bemerkung über die Beschuldigungen, womit jene Personen belastet wurden, und eine ausführlichere Bemerkung über diese vierzehn Märtyrer, nach dem Berichte verschiedener papistischer und anderer Schreiber, in dem 2. Buche der Verfolgungen, Fol. 437, Col. 3–4 angeführt.

Die große Arglist des Papisten Gretserus, welcher die Überschriften der alten Bücher zum Nachteile der Waldenser (von welchen mehrgenannte Märtyrer die Erstlinge genannt werden) verfälscht, ist an demselben Orte in einer Anmerkung ausführlich nachgewiesen.

Einige fromme Christen, die von den Papisten Manichäer genannt werden, sind zu Goslar, um der Bekenntnis der evangelischen Wahrheit willen, erwürgt worden, im Jahre 1052.

Unterdessen wird nebenbei gemeldet, 1. dass sie vorgaben, ein wahres apostolisches Leben zu führen; 2. dass sie weder lügen noch schwören wollten; 3. dass das Sakrament des Altars nichts anderes als Brot sei; 4. dass sie die Kindertaufe leugneten. Unterdessen wird auch in Ansehung des Zeugnisses dieser Leute ein Papist gegen den andern gesetzt, als: Thuanus gegen Radulphus.

Henricus und Alsuardus, zwei gute Christen, werden, weil sie die evangelische Lehre behauptet, der eine in den Gegenden von Schweden enthauptet, der andere unter den Normannen totgeschlagen, im Jahre 1067.

Hier ist in einem Zusatze in Ansehung ihrer Lehre eine nähere Erörterung gegeben worden.

Bruno, Bischof zu Angiers, und Berengarius, sein Diakon, werden, um ihres Zeugnisses gegen die Kindertaufe, Verwandlung des Brotes, der Messe in verschiedenen Konsilien von dem römischen Papst verdammt; das erste Mal beide zugleich um das Jahr 1050, das letzte Mal Berengarius allein, um das Jahr 1079.

Unterdessen wird die Unbeständigkeit des Berengarius in einigen Stücken erzählt, doch wird auch seine Reue darüber und sein Beharren bis ans Ende nachgewiesen, weshalb ihm der Name eines Märtyrers beigelegt wird.

Viele Nachfolger des Berengarius, welche man Berengarianer genannt hat, werden zu Piazenza in Italien auf päpstlichen Befehl im Jahre 1095 verbannt und nachher bis auf den Tod verfolgt, um das Jahr 1100. Hiermit wird dieses elfte Jahrhundert abgekürzt und geendigt.

Gleichwie der schimmernde Mond und die glänzenden Sterne in den dunkelsten Nächten das meiste Licht ausströmen, und die blaue Ausdehnung des Himmels auf das erhabenste schmücken, so hat es sich auch in geistlichen Sachen, welche die Ehre Gottes und der Menschen Seelen Seligkeit betreffen, nachdem tausend Jahre nach der Geburt Christi verflossen, zugetragen.

Denn in und um die tausendjährige Zeit und auch viele Jahre zuvor und nachher, insbesondere damals, war die Welt, wie in der nördlichen halbjährigen Nachtzeit, durch die tiefe und handgreifliche Finsternis, die aus dem römischen Pfuhle dicke Dämpfe des Aberglaubens entwickelte, in ein schwarzes Dunkel versenkt; es haben jedoch unter Berücksichtigung der damaligen Zeitverhältnisse einige unbefleckte Männer als reine Himmelszeichen und Sterne um desto mehr zu leuchten angefangen, und ihr Licht des evangelischen Wahrheit durch die dunkeln Nächte der päpstlichen Irrtümer leuchten lassen; ja, einige sind (wie der Nordstern) Zeichen gewesen, wonach man den Lauf der Schiffe bestimmt; ich meine um die Reise nach dem himmlischen Vaterlande durch die ungestümen Wellen der verkehrten Gottesdienste und Menschensatzungen wohl und gottselig zu vollenden.

Andere haben wie die Morgensterne, oder wie die schöne liebliche Morgenröte, den künftigen Tag angekündigt; wir wollen damit sagen, dass sie den wahren Tag des christlichen und evangelischen Gottesdienstes verkündigt, und denjenigen Menschen, die in der Finsternis der Irrtümer befangen waren, nach Vermögen offenbart haben.

Wir wollen nicht mehr in Gleichnissen reden; unsere Ansicht ist, dass in diesen verwirrten Zeiten auch Menschen gewesen sind, welche die Wahrheit Gottes in verschiedenen Stücken nach den Bedürfnissen der damaligen Zeiten behauptet, und nicht nur mit dem Munde, sondern auch mit der Tat, ja, mit ihrem Blute und Tode bezeugt und versiegelt haben.

Vierzehn Personen, unter welchen der Vornehmste Stephanus genannt wird, werden um des Zeugnisses der Wahrheit willen zu Orleans in Frankreich von den Papisten im Ausgange des Jahres 1022 als Ketzer verbrannt Im Jahre unseres Herrn 1022 (wie es scheint in dem Ausgange des Jahres) oder spätestens im Jahre 1023 sind in Frankreich in Gegenwart des Königs Robert, um der Ketzerei willen (wie die Papisten sagen), vierzehn Personen gefangen genommen und öffentlich verbrannt worden, von denen einige geringe Leute, andere von adeliger Herkunft gewesen, und unter welchen Stephanus als der Vornehmste bezeichnet wird.

Diese wurden beschuldigt, dass sie von Gott und von den heiligen Sakramenten, nämlich von der heiligen Taufe, übel gesprochen (verstehe die Kindertaufe, denn dieselbe war bei den Papisten allgemein im Gebrauche, worüber auch oftmals Streit entstand), dass sie ferner von dem Leibe und Blute des Herrn (nämlich dem Sakramente des Altars, welches die römisch Gesinnten des Herrn Leib und Blut zu nennen pflegten) und dass sie endlich von dem Ehestande sich üble Nachrede erlaubt.

Dieses scheint, berichtet der Schreiber, das erste Todesgericht über diejenigen gewesen sein (nämlich durch das Feuer), die von der römischen Kirche der Ketzerei beschuldigt wurden.

In dem Nachfolgenden spricht er: Wir finden in einem alten Buche aufgezeichnet, dass diese genannte Ketzerei über See in diese Länder gebracht (nämlich von Bulgarien), und von da in andere Länder ausgebreitet worden sei, woselbst sie nachher sehr in Aufnahme gekommen ist, hauptsächlich aber in Languedoc bei Toulouse in Glascogne.

Dabei berichtet er, dass man die Leute, welche genannte Lehre behaupteten, Albigoisen genannt habe; sie wurden aber auch Bulgaren genannt, weil sie aus Bulgarien hergekommen.

Vignierii Hist. Eccl., Anno 1022 aus Glarbor und Massonius in den Jahrbüchern, und einem andern alten Schreiber. Verglichen mit A. Mellin., Fol. 381, Col. 2 und Fol. 436, Col. 1.

Was die Beschuldigungen betrifft, womit vorgenannte vierzehn Personen belegt wurden, so bestanden dieselben, wie berichtet wird, darin, dass sie dem Artikel von Gott, den Sakramenten der Taufe und des Altars, und dem Ehestande widersprochen haben, weshalb sie den abscheulichen, grausamen und qualvollen Tod des Feuers erlitten.

Wie sie aber in diesen Stücken geglaubt und geredet haben (unparteiischem Berichte zufolge), soll nachher in dem Bekenntnis der Albigenser und Waldenser, welche zusammen dieselbe Lehre gehabt haben, ausführlicher erörtert werden, weil dafür gehalten wird, dass diese Personen die ersten gewesen, welche die Lehre der Albigenser (wiewohl lange zuvor, ehe sie allgemein geworden) behauptet haben. Siehe die oben angeführten Schreiber, insbesondere den letztgenannten Schreiber an dem oben angeführten Orte.

Dann 1 werden wir sehen, dass dieselben von Gott nicht anders geglaubt oder gesprochen haben, als heutigen Tages bei uns geglaubt und gesprochen wird; dass sie die Gläubigen getauft und die Kindertaufe verworfen, dass sie das Abendmahl nach der Einsetzung Christi gehalten, dagegen aber die Messe und die Verwandlung des Leibes und des Blutes Christi verworfen und dass sie endlich die Gegenwehr, den Eidschwur, die Ohrenbeichte, die Anrufung der verstorbenen Heiligen, das Fegefeuer verleugnet haben.

Genauere Nachricht von den vorgenannten vierzehn Märtyrern, nach dem Berichte verschiedener papistischer und anderer Schreiber, aufgezeichnet in Abr. Mellin., 2. Buch der Verfolgung, Fol. 437, Col. 3–4 Von den vorgenannten Märtyrern von Orleans bezeugt Robertus Altisiodorensis, dass sie von den besten oder vornehmsten (Clerken) Geistlichen von Orleans gewesen, und dass um dieser Ursache willen ein Konsilium gegen sie daselbst gehalten worden sei, in welchem sie einstimmig verurteilt, als Ketzer zum Feuer verdammt und lebendig verbrannt worden seien.

Dieser Bericht wird durch Johannes, einem Mönch von Floriar, bestätigt, welcher davon in seinem Briefe an Oliva, oder Olivarius, einen Abt der Kirche von Ausana, spezielle Angaben macht, indem er sagt: Inzwischen benachrichtige ich dich von der Ketzerei (so nennt er den rechtsinnigen Glauben dieser Leute), welche auf den Tag der heiligen unschuldigen Kinder in der Stadt Orleans vorgekommen ist, denn was du gehört hast, ist die Wahrheit: Der König Robert hat vierzehn der besten (Clerken) Geistlichen oder der Vornehmsten des gemeinen Volkes (Laien) dieser Stadt lebendig verbrennen lassen, welche (O große Lügen!) bei Gott, nicht weniger bei dem Himmel und der Erde, verhasst gewesen, und die Gnade der heiligen Taufe (er will sagen die Kindertaufe, denn darin wird den Kindern die Gnade der Seligkeit zugesagt, welche sie leugneten) und die Einweihung des Leibes und Blutes des Herrn hartnäckig geleugnet haben; sie leugneten auch, dass man dadurch Vergebung der Sünden erlangen könne, wenn man Schelmenstücke begangen. Masson in seinen fränkischen Jahrbüchern, Buch 3 in Hugo und Robertus, angeführt von Papirus.

Glaber Radulphus (in der Gesch. von Frankreich, Buch 3, Cap. 8) beschreibt die Geschichte von diesen Märtyrern noch viel weitläufiger und erzählt nicht nur, wie diese genannte Ketzerei entdeckt, sondern auch, wie sie nach Orleans gebracht und fortgepflanzt worden sei, welches wir, um Weitläufigkeiten zu vermeiden, übergehen wollen.

Unter andern macht er zwei dieser Leute, Heribertus und Lisojus, namhaft, welche von dem Könige und den Herren des Reiches sehr hoch geachtet und geliebt wurden, ehe noch ihr Handel an den Tag kam.

Ferner erzählt Glaber, wie sie entdeckt worden seien: Unterdessen, sagt er, haben sie zu Rouen einen Priester auf ihre Seite zu bringen sich bemüht, und zwar durch einige, welche sie mit Vorsicht an ihn abgefertigt hatten, um diesem Priester das Geheimnis ihrer Leute deutlich zu erklären; sie führten auch Beweggründe an und sagten, dass das ganze Volk bald ihrer Meinung zufallen würde.

Als der Priester dieses vernommen, ist er auf frischer Tat zu Richard, dem Stadtgrafen, gegangen, und hat ihm den ganzen Handel ordentlich erzählt, worauf der Graf sofort Briefe an den König Robert mit einem außerordentlichen Boten abgefertigt und hat durch denselben ihm diese heimliche Pest (so nennt er den wahren Glauben) wissen lassen.

Der König Robert, der sich hierüber sehr betrübte, hat ohne Verzug eine Versammlung von vielen Bischöfen, Äbten und anderen gottesfürchtigen Personen (so nannte er den blutdürstigen Rat) zusammen gerufen und durch dieselben, sowohl den Urhebern als auch den Häuptern, genannter Ketzerei genau nachforschen lassen. Nachdem man unter den Geistlichen Untersuchung angestellt wurde, welchen Glaubens und welcher Meinung ein jeder von ihnen sei, so haben sich die erwähnten Heribertus und Lisojus selbst sogleich offenbart, dass sie eine andere Meinung hegten, als die von der römischen Kirche und nachher haben sich mehrere andere erklärt, dass sie Heribertus und Lisojus zugetan wären, und haben auch von deren Gemeinschaft und Lehre nicht abgebracht werden können. Als man sie genauer prüfte, woher und von wem diese Vermessenheit ihnen zugegangen sei, haben sie die Antwort gegeben: Von denjenigen, welche ihr vorlängst eine Sekte genannt habt, welches ihr nun, wiewohl zu spät, erkannt; wir aber haben lange darauf gewartet, dass ihr, wie auch alle anderen Menschen, von welchem Gesetze und Stande sie auch sind, dieser Sekte zufallen möchten, und sind auch noch der Ansicht, dass es geschehen werde.

Darnach haben sie sogleich ihre Meinung an den Tag gegeben, ohne Zweifel nach der Weise der Albigenser und Waldenser, wie nachher gemeldet werden soll.

Als der König und alle, welche zugegen waren, sahen, dass sie von ihrer Meinung nicht abgebracht werden konnten, so gab er den Befehl, dass man in der Nähe der Stadt ein großes Holzfeuer anzünden sollte, damit sie etwa dadurch erschreckt werden und von ihrer Meinung ablassen möchten. Als man sie aber zu dem Feuer hinausführen wollte, haben sie überlaut gerufen, dass sie alle sehr darnach verlangten, und übergaben sich selbst in die Hände derer, welche sie zu dem Feuer führen sollten. Hierauf sind dreizehn dem Feuer übergeben worden, und alle diejenigen, von denen es sich nachher ausgewiesen, dass sie deren Anhänger gewesen, sind mit derselben Strafe belegt und dem Tode durch die Flammen übergeben worden.

Glab. Rudol. in der Geschichte von Franck, Buch 3, Cap. 8.

Ferner in den Schriften der Pfarrkirche zu Orleans, welche St. Maximi Kirche genannt wird, ist auch die Zeit beschrieben, wann solches geschehen sei. Dieses ist (wird daselbst berichtet) öffentlich zu Orleans in dem Jahre nach der Geburt unseres Herrn Jesu Christi 1022, in dem achtundzwanzigsten Jahre des Königs Robert, auf den 5. der römischen Zinszahl geschehen, dass der Erzketzer Stephanus mit seinen Mitgesellen zu Orleans verdammt und verbrannt worden sind.

Papirus in der oben angezogenen Stelle. Item Abr. Mellinus, 2. Buch von der Historie der Verfolgung und Marter, gedruckt 1619, Fol. 436, Col. 3–4.

Diese oben angeführten Stellen sind selbst aus den Schriften der Papisten genommen, deshalb soll der Leser gewarnt sein, in Ansehung der Beschuldigungen, welche diese heftigen Widersacher gegen die frommen Zeugen Jesu Christi auf das Bitterste ausgespien haben, nach der Art der Liebe zu beurteilen.

Wir haben oben erzählt, dass die genannten vierzehn Märtyrer von den Alten für die Erstlinge der Waldenser angegeben worden, aber die Papisten nennen dieselben Ketzer, doch ist solches kein Wunder, weil sie hernach die Ketzer und Waldenser mit einem Namen zu nennen pflegten. Hiervon wollen wir einige Proben anführen. Der Priester Reinerius hat ein Buch geschrieben, welches er Summa contra Haereticos genannt, das ist der ganze Inhalt gegen die Ketzer, gleich als ob alle Irrtümer, welche darin angefochten werden, den Waldensern eigen wären, welches eine solche Unwahrheit ist, als wohl die Lügen selbst. Vergleiche das Buch Reinerius, mit Abraham Mellinus Historie, 2. Buch, gedruckt 1619, Fol. 437, Col. 4.

Everhardus Berthunensis gab sein Buch heraus unter dem Titel Antiheretismus, als ob man sagte (insgemein) gegen die Ketzer, aber der Jesuit Gretserus, als er dasselbe an den Tag gab, nannte es Everhardus contra Waldenses, eben als ob Everhardus allein gegen die Waldenser geschrieben hätte; da doch das wenige gegen sie streitet. Doch hat man mit diesem Titel gesucht, die armen Waldenser aller Ketzereien zu beschuldigen, welche nämlich in genanntem Buche berührt werden. Siehe das oben angeführte Buch. Hernach hat Ermegardus ein Buch gegen die großen Irrgeister geschrieben, welche behaupteten, dass die Welt und alle sichtbaren Dinge nicht von Gott, sondern (o eine verlogene und grausame Sache) von dem Satan geschaffen seien, welche Meinung fast von allen alten Schreibern den Manichäern zugeschrieben wird; doch hat vorgemeldeter Verfälscher, nämlich Gretserus, sich nicht gescheut, über jedes Blatt desselben Buches zu setzen Ermegardus gegen die Waldenser, worin der Schreiber insbesondere die Manichäer, mit welchen die Waldenser nichts gemein gehabt, widerlegt hat. Siehe die oben angeführten Schreiber und Bücher. Item Balthazar Lydii Anmerkungen über die Streitigkeiten dieser Leute.

Deshalb folgt aus dem Vorhergehenden, dass es dem Leser nicht fremd dünken müsse, dass die Papisten die rechtsinnigen Waldenser, oder zum wenigsten solche Leute, die der römischen Lehre samt den Pfaffen und Mönchen widersprachen, mit dem sehr verhassten Namen der Manichäer, Häreticos oder Ketzer belegt haben, gleichwie öfters geschehen und auch alsbald soll gezeigt werden an den guten Märtyrern, welche durch die Bosheit der päpstlich Gesinnten zu Goslar erwürgt worden sind.

Einige fromme Christen, die von den Papisten Manichäer und Ketzer genannt wurden, werden zu Goslar um des Bekenntnisses der evangelischen Wahrheit willen im Jahre 1052 erwürgt oder aufgehängt Es ist uns leid und jammert uns bis in die Seele, dass wir, in Ansehung der Zeugnisse der heiligen Märtyrer, uns mit den Schriften der Papisten behelfen müssen, welche doch ihre heftigsten Feinde und Widersacher sind und dass uns ferner nur solche Schriftsteller zu Gebote stehen, die mit uns im Glauben nicht einstimmig gewesen sind und deshalb die richtigen Verhandlungen der frommen Zeugen Jesu, unseres Seligmachers, nach ihrem Sinne gebeugt und ihrer eigenen Meinung ausgelegt haben.

Dieses Unglück ist uns oft widerfahren, und trifft uns jetzt wieder die Reihe; doch hoffen wir, dass der verständige und aufmerksame Leser das Licht von der Finsternis unterscheiden und ohne Parteilichkeit, nach christlicher Art, davon urteilen werde.

Hermanus Contractus, Graf von Beringen, schreibt um das Ende seines Lebens, kaum ein oder zwei Jahre vor seinem Tode, dass gewisse Personen zu Goslar, welche von ihren Widersachern, nämlich den römisch Gesinnten, beschuldigt worden sind, dass sie Manichäer seien, denn man wusste zu der Zeit die wahren Christen, welche der römischen Kirche entgegen waren, mit keinen besseren oder anderen Namen zu nennen, obgleich dieselben mit der Meinung der Manichäer durchaus keine Gemeinschaft hatten, und demnach hat dieser Hermanus Contractus, welcher sehr eifrig an der päpstlichen Religion hielt, diese Personen, nach römischer Art, auch Manichäer genannt und gesagt: Der Kaiser Henricus, der Dritte oder Zweite, hat im Jahre 1052 zu Goslar den Geburtstag unseres Herrn gehalten und daselbst einige Ketzer, so nennt er die wahren Christen, welche außer andern verkehrten Meinungen, gleichwie die Sekte der Manichäer, auch einen Abscheu hatten, Fleisch zu essen, welches er, wie gezeigt werden soll, ihnen mit Unrecht aufbürdet, mit allgemeiner Zustimmung und Bewilligung (verstehe der Bischöfe oder Herren des Reiches) und welche daher für Ketzer erklärt worden sind, damit ihr Grund nicht weiter um sich greife und viele andere anstecke, an den Galgen hat aufhängen lassen. Herm. Contr., Chron., Anno 1052.

Aber 2 es ist ihnen, schreibt Abraham Mellinus, nicht so sehr um das Fleischessen zu tun gewesen, als um vieler anderer Lehrpunkte willen, welche Hermanus Contractus mit Stillschweigen übergeht, nämlich solche, von welchen Radulphus Ardens Erwähnung tut, indem er anführt, dass zu Ende desselben Jahrhunderts einige sogenannte Manichäer zu Agen in Frankreich gewesen, von welchen er sagt (in der Predigt über den 8. Sonntag nach Trinitatis), dergleichen sind heutigen Tages die Manichäischen Ketzer, welche mit ihrer Ketzerei unser Vaterland Agen besudelt haben; sie geben vor, schreibt er, dass sie ein wahres apostolisches Leben führen, dass sie nicht lügen und nicht schwören; unter dem Scheine der Mäßigkeit und Enthaltung, so fährt er fort, verwerfen sie das Fleischessen und behaupten, dass das Sakrament des Altar nichts anderes als bloßes Brot sei; auch leugnen sie die Taufe (nämlich die Kindertaufe, denn hierüber war die Frage) und sagen, es könne niemand selig werden, der nicht durch ihre Hände getauft sei.

Es ist freilich wahr, dass derselbe papistische Schreiber ihnen noch verschiedene andere Stücke aufbürdet, die zu ihrem Glaubensgrunde gehört hätten; wir halten es jedoch für unnötig, hierüber etwas zu sagen, weil schon der obengenannte Mellinus für uns dieses getan, wenn er sagt (in dem 2. Buche von der Martergeschichte, Fol. 437, C), alle diese Irrtümer, ohne den von der Taufe, von der Messe, oder der Verwandlung des Brotes (ist zu verstehen gegen die Messe und Verwandlung des Brotes) werden ihnen von dem papistischen Schreiber mit Unrecht aufgebürdet, gleichwie Thuanus, wenn er von den Waldensern schreibt, selbst bekennt (in der Geschichte seiner Zeit, im Jahre 1550). Sodann führt er aus Thuanus das Bekenntnis dieser Leute an, worin durchaus keine Irrtümer, viel weniger Manichäische Ketzereien gefunden werden, sondern größtenteils nur solche Dinge, wie sie bei uns noch heute öffentlich gelehrt und mit Macht und Nachdruck der heiligen und göttlichen Schrift gegen den Aberglauben des Papsttums behauptet werden.

Nachdem Mellinus das Bekenntnis dieser Leute aus Thuanus angeführt, fährt er fort: Dieses ist ja ein offenes ungeheucheltes Bekenntnis des Thuanus, welches für sich genug ist, alle vorhergegangenen Lästerungen, welche nämlich den heiligen Märtyrern vorgeworfen wurden, zu widerlegen. Abr. Mellinus in der Geschichte, Pag. 437, Col. 3.

Wir sehen also, dass selbst nach dem Zeugnisse dieses papistischen Mellinus, die obengenannten Märtyrer keiner Manichäischen Irrtümer schuldig gewesen sind, sondern dass sie der römischen Kirche widersprachen. Dies ist von ihnen hauptsächlich in dem Artikel der Taufe (und das nämlich der Kindertaufe, wovon die Frage gewesen); ferner über die Messe oder die Verwandlung des Brotes geschehen, weshalb dieselben mit unter die wahren Zeugen Jesu Christi gezählt werden mögen, die ihren lebendigen Glauben nicht nur mit dem Munde, sondern auch mit dem Blute, ja, mit dem Tode bezeugt haben und welche der Herr auch in der Auferstehung der Gerechten nach seiner Verheißung lohnen und krönen wird (Offb 2,10).

Allhier setzen wir einen Papisten gegen den andern; Thuanus gegen Radulphus. Unterdessen sind wir genötigt, von diesen zwei streitenden Parteien das beste Zeugnis, betreffend diese Märtyrer, anzunehmen, weil sie doch beide nichts anderes zum Zwecke gehabt, als etwas zur Beschwerung derselben Leute hervorzubringen. Es wird, sagt Thuanus, berichtet, dass ihre Lehrpunkte folgende gewesen: Dass die römische Kirche den wahren christlichen Glauben verlassen habe; dass sie die babylonische Hure sei und der dürre Baum, welchen Christus selbst verflucht und geboten abzuhauen; dass man daher dem Papste und den Bischöfen, welche in seine Irrtümer einwilligen, keineswegs gehorchen müsse. Dass das Mönchsleben ein rechter unreiner Wasserkanal sei, worin aller Unflat der römischen Kirche zusammenfließet, ja, ein rechter höllischer Pfuhl; dass alle Klostergelübde eitel und umsonst seien und zu nichts anders als zur Unzucht dienlich.

Dass die Orden der Priesterschaft Kennzeichen des großen Tieres seien, wovon in der Offenbarung Johannes gemeldet wird, dass das Fegfeuer, die Messen, die Kirchweihen, die Verehrung der Heiligen, die Seelenmessen für die Toten rechte Erfindungen und Einsetzungen des Satans seien.

Dieses sind, sagt der Schreiber, die vornehmsten und gewissen Glaubensartikel ihrer Lehre.

Die andere als von dem Ehestande (nämlich, dass sie denselben sollten als böse geachtet haben); von der Auferstehung, dass sie dieselbe sollten geleugnet haben; von dem Zustande der Seelen nach dem Tode, dass sie davon ungeziemend sollten gesprochen haben; und von der Speise, dass sie alles Fleischessen sollten verworfen haben, solches wird ihnen mit Unrecht aufgebürdet. Thuanus, in der Historie von den Waldensern, im Jahre 1550, verglichen mit Abr. Mellinus in dem 2. Buche, gedruckt 1619, Fol. 347, Col. 3.

Dieses haben wir desto weitläufiger angeführt, um die Unschuld vorgemeldeter Märtyrer zu erweisen, und dass ihre Lehrsätze keine Manichäischen Ketzereien gewesen, sondern Bestrafungen der römischen Kirche, worüber die Papisten, als welche hierdurch erbittert wurden, ihre Galle von allerlei Beschuldigungen, wie es scheint, gegen diese armen Leute ausgespien haben.

Henricus und Alfuardus, zwei fromme Christen, werden, weil sie die evangelische Lehre behauptet, der eine in der Gegend von Schweden enthauptet, der andere unter den Normannen totgeschlagen, im Jahre 1067 In dem Jahre 1067 nach Christi Geburt war ein gottesfürchtiger Mann mit Namen Henricus, der von den römischen Geschichtsschreibern ein Fremdling genannt wird, vielleicht weil er sich unter den Römischen im Verborgenen oder als ein Fremdling hat aufhalten müssen.

Von diesem wird berichtet, dass er in den äußersten Gegenden das Evangelium Christi gepredigt habe und als er darüber ergriffen worden, sei er um des Namens Christi willen enthauptet worden.

Ein anderer frommer Christ, namens Alfuardus, hat nicht einmal, nachdem er lange heimlich, aber doch heilig, unter den Normannen sein Leben zugebracht, im Verborgenen Christi Eigentum verbleiben können.

Dieser, weil er seinen Feind zu beschirmen oder ihm Gutes zu tun suchte, wird von seinen Freunden, oder doch von denen, die seine Freunde hätten sein sollen, totgeschlagen.

Adam, in der Geschichte von Schweden über das Jahr 1067, betreffend die schwedische und nordische Geschichte, verglichen mit Abr. Mellinus, Fol. 334, Col. 3, meistens von Wort zu Wort ausgezogen.

Weil die beschriebenen Verhandlungen dieser zwei Märtyrer Henricus und Alfuardus sehr kurz sind, sintemal der Schreiber, wie er selbst berichtet, von der Wahrheit der Sache nichts hat zu- noch abtun wollen, sondern es also berichtet, wie es ihm angezeigt worden, welches ein Kennzeichen von der Gewissheit der Sache ist, so haben wir auch nicht weiter in der Erzählung dieser Sache fortgehen dürfen, oder zur Ausdehnung den Verstand anderer Schreiber dazufügen können; wiewohl solches auch ganz unnötig ist, weil in derselben Beschreibung, obgleich sie kurz ist, dennoch genug erzählt worden, was zum Unterrichte wegen derselben Märtyrer nötig ist.

Dann wird von Henricus gesagt, dass er das Evangelium Christi, das sind keine Pfaffen Satzungen, gepredigt, und darüber ergriffen worden. Von Alfuardus meldet der Schreiber, dass er sich lange heimlich, doch heilig, unter den Normannen aufgehalten habe; desgleichen, dass er nicht länger im Verborgenen Christi Eigentum habe bleiben können, verstehe, nicht dem Papste eigen, oder der sogenannten Mutter, der römischen Kirche. Hiervon könnte ein mehreres gesagt werden, aber es würde zu lang fallen, auch achten wir das, was gesagt worden, dem gutmeinenden Leser als genug zu sein.

Bruno, Bischof zu Angiers, und Berengarius, sein Diakon, werden um ihres Zeugnisses willen gegen die Kindertaufe, Verwandlung des Brotes und der Messe in verschiedenen Konsilien von den römischen Papste verdammt, das erste Mal um das Jahr 1050, das letzte Mal um das Jahr 1079 Wir haben in unserer Beschreibung der heiligen Taufe auf das Jahr 1060 von Bruno, Bischof zu Angiers, und seinem Diakon Berengarius, und nach dem Berichte mehrerer Schreiber, folgendes gemeldet:

Dass sie gegen die allgemeine Ansicht im Papsttume die Kindertaufe und Verwandlung des Brotes, und das, was damit in Verbindung steht, vernichtet und geleugnet haben, wie aus Bepertus und einem ungenannten Schreiber an erwähntem Orte erwiesen worden ist.

Von Bruno finden wir keine Beschreibung weiter, als er in seinem Verhöre geantwortet, wie erzählt worden, und dass seine Meinung, so wie auch die des Berengarius, von dem Papste Leo des Neunten in zwei besonderen Zusammenkünften, die eine zu Rom und die andere zu Vercell, verdammt worden sei.

Was ihm aber weiter nach dieser päpstlichen Verdammung begegnet, dessen gedenken die Alten nicht; uns zum wenigsten ist darüber nichts zur Kenntnis gekommen.

Siehe die Einleitung, gedruckt 1631, Pag. 48, Col. 2.

Von Berengarius aber wird berichtet:

Dass er außer den erwähnten beiden Verdammungen des Papstes Leo, welche ihm und Bruno widerfahren, noch drei Verhöre und Verurteilungen, wie auch drei nacheinander folgende geistliche Versammlungen, eine zu Tours und zwei zu Rom, ausgestanden. Siehe das oben angezogene Buch.

Doch zu unserem großen Leidwesen können oder mögen wir es nicht verschweigen, dass er sich in letzten drei Verhören, sei es aus Furcht des Todes oder aus andern Ursachen, nicht männlich oder christlich genug gezeigt hat; denn, wenn anders die Alten uns hierüber zuverlässige Mitteilungen gemacht haben, so hat er in einem jeden Verhöre seine Meinung widerrufen, obgleich er dieselbe bald nach dem Widerrufe, als er nämlich wieder frei geworden, aufs Neue bekannt, indem er hierzu durch sein Gewissen getrieben wurde.

Sein Widerruf, aus welcher Ursache er auch geschehen sein mag, ist ein großer Mangel an ihm gewesen, welcher selbst nicht bei einem gewöhnlichen Christen, vielweniger bei einem Märtyrer geduldet werden sollte, es sei denn, dass man ihn des Namens eines guten Christen oder Märtyrers berauben wollte.

Doch in Erwägung seiner aufrichtigen Reue und Betrübnis, welche er immer bewiesen, und weil er, wie früher, das Volk lehrte, und zwar, wie von vielen berichtet wird, bis ans Ende seines Lebens, so möchte ihm der Name eines Christen, ja, auch eines Märtyrers, obschon in der Schwachheit, um seines vielen Ungemachs willen, welches ihm um seines Zeugnisses wegen begegnet, zugeeignet werden.

Der heilige Apostel Petrus, nachdem er Christum dreimal verleugnet, ist gleichwohl von ihm, obwohl es eine erschreckliche Sünde gewesen, als er herzliche Reue zeigte, nicht verworfen worden, indem ihm der Herr nachher befohlen, seine Schafe und Lämmer zu weiden; ja, er sagte ihm, dass er um seines Namens willen gebunden werden und Gott mit seinem Tode ehren, das ist, dass er als ein Märtyrer sterben sollte, was ihm unter der Regierung Neros im ersten Jahrhundert auf das Jahr 68 widerfahren ist.

Berengarius ist nach dem Urteile des Papisten Baronius in die neunzig Jahre alt geworden und ist, dessen Berichte zufolge, bis ans Ende seines Lebens 3 von der römischen Kirche abgesondert geblieben; auch hat er zu Spaltungen Veranlassungen gegeben, wiewohl Bellarminus hierüber anders urteilt, welchem wir dies bis dahin anheim geben wollen, dass solches aus der Meinung eines Mönchs von Mamelsburg, woher es Bellarminus, wie es scheint, genommen, besser erwiesen werden mag.

Vergleiche Bellarm. in seiner Chronik über das Jahr 1058 mit der Historie von England, Buch 3, betreffend die Meinung des Mönchs von Mamelsberg.

Die Zeit seines Todes wird auf das Jahr 1088, auf den Tag der Ankunft der Weisen aus Morgenland, welchen man drei Könige nennt, angegeben.

Die letzten Worte, welche er gesprochen haben soll, werden von einem gewissen Bischofe von Cenomana, genannt Hildeberg, in dem dritten Buche der englischen Geschichte angeführt, wo er erzählt, dass Berengarius sehr tief geseufzt und gesagt habe:

Heute auf diesem Tag der Ankunft wird mir um meiner Bußfertigkeit willen mein Herr Jesus Christ entweder zur Verherrlichung erscheinen, wie ich hoffe, oder aber, wie ich fürchte, zur Strafe.

Angeführt von Abr. Mellinus, Fol. 395, Col. 1.

Diese Worte werden, wie es scheint, von dem Mönche zu Mamelsburg insofern übel gedeutet, als ob Berengarius, indem er von seiner Bußfertigkeit und guten Hoffnung redet, solches um deswillen gesprochen haben sollte, weil er in den oben angeführten Stücken zu der römischen Kirche wieder zurückgekehrt sei, und dass seine Äußerung in betreff seiner Furcht vor der Strafe, welche er zu befürchten gehabt, auf die Meinung, die er gegen den Papst und die römische Kirche behauptet hatte, bezogen werden müsse; aber abgesehen davon, dass wir in des vorgenannten Mönches Meinung keinen klaren Beweis sehen, so können auch diese Reden des Berengarius sehr füglich in einem andern und guten Sinne genommen werden, indem er von seiner Bekehrung und guten Hoffnung zu der Erscheinung Jesu Christi ein Vertrauen gehabt, dass ihm der gütige Herr, sein geliebter Seligmacher, weil er nun bekehrt, und seinen Widerruf, wozu ihn die Papisten gezwungen haben, bereuet, seine Sünden in Gnaden vergeben würde, weil der Herr seinem Jünger Petrus, als ob derselbe in gleiche, oder wohl noch ärgere Sünden der Verleugnung gefallen, und er solches bereute, alles vergeben habe.

Doch sei er, redet der Mamelburger Mönch weiter, auf der andern Seite nicht ganz ohne Furcht gewesen, weil er in dem obigem Widerrufe allerdings sein Gewissen verletzt, und dass der Herr, gleichwie er gütig, so auch gerecht sei, besonders in Ansehung der Strafe der Sünden, welche gegen das Gewissen oder mit Vorbedacht getan wurden.

Dessen ungeachtet kann man auch aus diesen Worten wahrnehmen, wenn sie sonst richtig angeführt worden, dass seine Hoffnung größer als seine Furcht gewesen, weil er seiner Hoffnung, seiner Reue oder Bekehrung, ja, auch der Herrlichkeit der Seligen zuerst erwähnt. Denn, indem er redet, was hätte er wohl anders zu erkennen geben wollen, als:

Heute, auf diesen Tag wird mir mein Herr Jesus Christus, um meiner Bußfertigkeit willen, wie ich hoffe, zur Herrlichkeit erscheinen.

Was die nachfolgenden Worte der Furcht betrifft, so sind dieselben, wie es scheint, aus christlicher Sorgfalt und Demut hinzugefügt, weil kein lebender Mensch vor der Gerechtigkeit Gottes bestehen könnte, wenn er nicht gnädig wäre, noch viel weniger jemand, der sich an der göttlichen und allerheiligsten Majestät schwer versündigt hat; welches mit Joh 9,41; Ps 130,3; 143,2 übereinkommt.

Indessen haben die Menschen über den Tod des Berengarius verschieden geurteilt; denn einige, welche hart römisch und papistisch gewesen, haben, wie es scheint, eine böse Ansicht von ihm gehabt, deshalb sie auch nichts Gutes von ihm reden konnten, wie solches aus der Beschreibung Papirius Massonius in seiner Historie von Frankreich auf das Jahr 1088 erhellt, wenn er sagt:

In diesem Jahre, auf den Dreikönigstag ist der verdorbene Erzketzer Berengarius, welcher die Kirche, nämlich die römische, so oft mit einer falschen Buße oder Reue wegen seiner Meinung betrogen hat, aus diesen Leben geschieden. Jahrbücher von Franc., Buch 3.

Aber andere, welche seine guten Freunde gewesen, haben zu ihm ein besseres Vertrauen gehabt, zu welchen Hildebertus, von welchem oben erzählt worden, besonders gehört; dieser hat, wie einige angeführt, eine sehr schöne und treffliche Grabschrift auf seinen Tod gemacht, wovon die letzten Worte so lauten:

Er, nämlich Berengarius, ist in Wahrheit ein weiser und in allen Beziehungen vollkommen seliger Mann gewesen, welcher den Himmel mit seiner Seele und die Erde mit seinem Leibe bereichert; Gott gebe, dass ich nach meinem Tode mit ihm leben und mit ihm ruhen, und dass mein Los oder Erbteil nicht besser als das Seinige sein möge.

Siehe das oben angeführte Buch, verglichen mit Abr. Mellin., Fol. 395, Col. 1–2.

Wir wollen nun hiervon abgehen, und Gott seine Sachen befehlen; inzwischen hat die Gemeinde Gottes, oder wenigstens das kleine Häuflein der Gläubigen, durch seinen Tod viel an ihm verloren; daher mögen wir wohl, wie früher jemand, kläglicher Weise sagen:

Der Todestag des Berengarius ist ein schädlicher Tag gewesen.

Sam. Beltius in dem Geschlechtsregister der Succession, gegen die römischen Päpste; gedruckt 1649, Pag. 128, aus Epic. Canon in Epith. Bereng.

Viele von Berengarius’ Nachfolgern, welche man Berengarianer nannte, werden in Italien zu Piacenza auf päpstlichen Befehl im Jahre 1095 verdammt, und hernach bis auf den Tod verfolgt, um das Jahr 1100 Nach Berengarius Tode hat sich seine Lehre, wovon oben gemeldet worden ist (die Taufe und das Abendmahl, gegen die Meinung der römischen Kirche betreffend), unter seinen Nachfolgern, welche man Berengarianer nannte, sehr ausgebreitet, sodass England, Frankreich, Italien, Spanien, Hochdeutschland, ja, auch ein Teil der Niederlande, damit angefüllt worden sind.

Denn (wie ein gewisser Schreiber sagt) sie hingen an Berengarius nicht wie an einem Rohre, welches von dem Winde hin und her bewegt wird, auch war ihr Glaube auf keinen Menschen gegründet, wie hochgelehrt und gottselig sie auch gewesen sein mochten, sondern auf das lautere Wort Gottes, welches in Ewigkeit bleibt. Siehe die oben angeführte Stelle.

Daher hat der Papst Urbanus der Zweite im Jahre 1095 (welchen die Not hierzu getrieben) eine große Zusammenkunft gegen dieselben in der Stadt Piacenza in Italien gehalten, wozu sich viele Bischöfe aus Italien, Burgund, Frankreich, Deutschland, Bayern und andern Landschaften versammelt, sodass keine Kirche für alles Volk Raum genug hatte, sondern dass sie ihre Versammlung außer der Stadt auf freiem Felde halten mussten.

In dieser Zusammenkunft, sagt Bertoleus Constantiensis, ist unter andern ein Canon oder Regel aufgesetzt worden, worin des Berengarius Meinung, welche man eine Ketzerei nannte, wiederholt, wie zuvor zu verschiedenen Malen geschehen, anathematisiert oder verbannt, die Meinung der römischen Kirche aber als eine hochwürdige Sache bestätigt worden.

Vergleiche Berol. Constant. in Chron., Anno 1095. Baron Annal. Tom. II., Anno 1095. Abr. Mell., Historie der Verfolgung, gedruckt 2619, Fol. 395, Col. 2–3, unter dem Titel von Berengarius Anhange nach seinem Tode.

Hieraus hat sich eine große Verfolgung und jämmerliche Not insbesondere um das Jahr 1100 über die zuvor genannten Berengarianer angesponnen; denn sie sind zuerst hier und da aus dem römischen Gebiete verbannt wurden; einige wurden mit dem Tode gestraft, ja, selbst mit dem Tode durch die Flammen, wie in der Beschreibung der Märtyrer in dem folgenden Jahrhundert ausführlicher berichtet werden soll. Unterdessen siehe Abr. Mell., Fol. 395, Col. 3, ausgezogen aus Thuanus in der Vorrede; ferner Historie Heinrichs des Vierten.