Die vollständigen Werke Menno Simons

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31.2 Eine freundliche Bitte an den Leser

Ehrsamer Leser, ein altes, bekanntes Sprichwort lautet: So mancher Mann, so mancher Sinn. Ein jeder will gewöhnlich nach seiner eigenen Vorliebe und seinem Gutdünken richten, wodurch manchmal ein unvernünftiges, böses Urteil gegeben wird, besonders wo die blinde, halsstarrige Partei die Oberhand hat.

Da ich, da nun unsere Gegner vor der Kraft und Schärfe des heiligen, göttlichen Wortes mit ihrer falschen Lehre nicht bestehen können, mit der hellen Tat befinde, dass sie sich mit allem Fleiße darauf verlegen, uns zu verleumden und unsere Worte in einen verdrehten Sinn zu verkehren, damit wir mit der Wahrheit in Schanden und sie mit der Lüge in Ehren bei der Welt bleiben mögen, so richte ich die freundliche Bitte an alle unparteiischen Leser, dass sie sich doch nicht ärgern wollen, wenn sie sagen sollten: Dies oder jenes hat uns Menno nicht recht nachgeschrieben.

Ich hoffe mich nach Christi Lehre darin zu erfreuen, wenn ich von den Lügenhaften ein Lügner gescholten werde (Mt 5,11; Lk 6,22). Diejenigen, welche aus der Wahrheit geboren sind, werden solches hoffentlich nicht von mir denken; denn ich habe die Wahrheit seit einundzwanzig Jahren mir zur Mutter erwählt und verlange auch als ein gehorsames Kind in meiner Schwachheit ohne alles Zurückblicken und Ärgernis auf ihrer Straße zu wandeln, solange ich auf der Erde lebe. Für dies sollen mir wider alle meine Feinde meine Hand und mein Mund, mein armes, nichtiges Leben samt meiner lang dauernden, großen Bedrücktheit, schweren Betrübnis, Armut, Elend, Kreuz und Tod im Gerichte Christi meine Zeugen sein. Habt Acht darauf.

Dass ich die ganze Besprechung, welche Micron verschwiegen oder auf einen verkehrten Sinn gedrungen hat, buchstäblich wie es geschehen ist, beschreiben hätte sollen, so halte ich dies für eine Unmöglichkeit. Es haben die heiligen Apostel und Evangelisten, welche die Lehre und die Werke Christi durch den heiligen Geist niedergeschrieben haben, solches auch nicht getan; denn der eine erzählt zuweilen ein und dasselbe Ereignis oder Wort so und der andere so. Es war ihnen genug, dass sie den Grund der Wahrheit anwiesen, was auch mir genug ist. Mir ist um keine Wortfechterei zu tun, sondern ich suche einzig und allein dem Leser zu zeigen, dass der gekreuzigte Christus Jesus Gottes erst- und eingeborner, eigener, wahrer Sohn ist und wie ganz ungetreu Micron die Besprechung berichtet und seine Leser mit offenbaren Lügen betrogen hat.

Zweitens bitte ich, dass es mir niemand verkehren wolle, dass ich Johannes a Lasco auch angeführt habe. Aus Hass oder Ungunst ist es nicht geschehen, sondern der Eifer für den Ruhm Gottes und Christi seines Sohnes, die Ehre der ewigen Wahrheit und die herzensgründliche Liebe für eure Seligkeit haben mich getrieben es zu tun, weil Micron bekennt, dass sie in der Lehre eins seien; wie man aber hässlicher von dem gekreuzigten Christo glauben, lehren, schreiben, sprechen, halten oder fühlen sollte, als er in seiner Verteidigung gegen mich getan hat, weiß ich nicht. Er ist überdies, wie ich höre, ein Mann des Blutes geworden, ungeachtet er mit seinem eigenen Munde bekannt hat, dass man des Glaubens halber niemandem ein Leid zufügen müsste.

Es soll nun aber heißen, wie ich es verstehe, nicht des Glaubens, sondern unseres Ungehorsams halber. Wie triebsandig der Grund ist, ebenso beschaffen ist auch die Bewährung, welche sie vorbringen. Die Obrigkeit gebiete uns vernünftige Dinge, die dem Evangelium Christi und der Liebe des Nächsten gleichförmig sind; weigern wir uns dann, so ist es Recht, dass sie straft. Dass sie aber die armen Herzen darum zum Lande hinausweisen sollten, weil diese Gott fürchten, den gekreuzigten Christum für den Sohn Gottes bekennen, seine heilige Taufe recht nach seinem Befehle und der Apostel Lehre und Gebrauch empfangen, ihr Zeugnis und Wort nach Christi Gebot mit ja und nein dartun, ein bußfertiges, frommes Leben in der Gerechtigkeit führen, so will ich allen freundlichen und verständigen Obrigkeiten als vor Gott in Christo Jesu zu bedenken geben, ob sie dies nach der Schrift oder gegen die Schrift gebieten.

Da ich wohl weiß, dass viele einfältige Herzen weit mehr auf Johannes a Lasco und die Gelehrten, als auf Christum und seine Apostel sehen, so habe ich ihn deshalb wegen dieses Artikels in seinen Fehlern und Irrtümern angeführt, auf dass alle gottesfürchtigen Leser sehen mögen, was für Schreiber und Lehrer es sind, die bei den Menschen in so hohen Ehren gehalten werden und deren Namen so große Würde genießen.

Drittens bitte ich, dass mir niemand die Worte, dass ich nicht mehr um einen öffentlichen Handel zu bitten gedächte, so aufnehmen wolle, als ob ich keinen Mut mehr hätte, öffentlich zu handeln. Nein, dies meine ich nicht; allein ich habe ganz und gar keine Lust, heimlich oder öffentlich zu handeln mit solchen Leuten, als ich im Briefe erwähnt habe, noch mit solchen, die meine Worte und Zeugnisse so unehrlich verfälschen, verändern, brechen und aufs Schlimmste deuten und uns so manche hässliche Lüge an den Hals hängen, wie Micron vom Anfang bis ans Ende seines Schreibens getan hat; denn ich finde mich von ihnen an allen Ecken betrogen, weil es eine Klasse ist, die gewöhnlich ein träges, schlemmerisches Leben führt und des Herrn Kreuz nicht gerne tragen will.

Wenn aber irgendwelche Obrigkeiten in ihrem Herzen betreffs der Schrift bekümmert wären und ins Nachdenken über ihre Prediger und Lehrer gerieten, und also, um die Wahrheit recht zu wissen, auf einen öffentlichen Handel mit mir drängen, so sollte mir dies eine so frohe Kunde sein, als ich auf Erden hören könnte und würde mir solches, wie ich hoffe, von den Gottesfürchtigen, in deren Hände und Rat ich mich stets willig begebe, nimmermehr abgeraten oder ich daran verhindert werden; denn wir sind gewiss, dass wir die Schrift und die Wahrheit haben.

Viertens bitte ich, dass niemand es mir als Schelten und Lästern aufnehmen wolle, dass ich Micron an einigen Stellen etwas hart mit der Wahrheit angreife. Es ist aus keiner andern Ursache geschehen, denn damit er und seinesgleichen durch diese ernsten, auf Grund der Schrift vorgebrachten Worte ihren verführerischen, lügenhaften Geist recht kennen lernen, ein Missfallen an ihrem hässlichen Wesen bekommen und so ihre bösen Wege verlassen mögen; sowie dass die einfältigen, guten Herzen, welche sie an den Stricken der Ungerechtigkeit gebunden halten, zu des Herrn Preis los und ledig werden mögen.

Es ist aus dem gleichen Geiste geschehen, mit welchem die heiligen Apostel und Propheten, ja, auch Christus Jesus selbst an vielen Stellen gestraft haben. Wenn mich nun jemand wegen meiner Schärfe strafen will, so strafe er zuerst Christum und alle seine Boten; denn sie sind es, welche mir und allen Lehrern, die dem Rechten folgen und nachtrachten, solches hinterlassen und gelehrt haben.

Wo man in der Schrift die offenbare Lästerung und die mutwillige Verachtung Gottes und seines Wortesfindet, da findet man gewöhnlich auch des heiligen Geistes Urteil und scharfe Rügung beigefügt, wie alle, welche die heilige Schrift verstehen, wohl wissen.

Da es denn offenbar ist, dass Micron sich nicht schämt, eine grobe Lüge an die andere zu knüpfen, eine eigene Übersetzung nach seinem Belieben zu machen, Gott den Vater, Christum Jesum seinen Sohn, den Engel Gabriel, samt allen andern Zeugen des neuen Testamentes in ihrem Zeugnisse Lügen zu strafen, der Obrigkeit und der Welt nach dem Mund zu sprechen, der Menschen Gunst und Ehre zu suchen, die armen Seelen, für welche des Herrn kostbares Blut vergossen ist, zu verführen, so ist es gewiss kein Unrecht, dass ich ihn nenne, wie er in der Schrift von des Herrn Geist geschildert wird. Die Wahrheit geht ihre gerade Straße fort; sie weicht weder Kaiser noch König, viel weniger noch einem falschen Propheten oder Lehrer, welcher der Schlange Wort führt, das Zeugnis Gottes in die Lüge verkehrt und um seiner eitlen Ehre und seines armen Bauchs willen den Gottlosen stärkt und viele Frommen in Leid bringt. Wer ein gesundes Urteil hat und weiß, was des heiligen Geistes Weise und Gebrauch in der Schrift ist, muss sagen, dass ich recht schreibe.

Fünftens bitte ich, dass mir doch niemand mein Schreiben deuten wolle, als ob ich Micron Böses mit Bösem vergelten wollte. Ach nein! Die Rache überlasse ich ihm, der aller Welt Richter ist (5Mo 32,35; Hebr 10,30; 1Pt 2,23). Ich habe es Micron und allen Irrenden zum Dienste getan, auf dass sie sich bekehren und Christo, dem Sohne Gottes, seinen gebührenden Preis und seine Ehre geben mögen.

Die Wahrheit ist ihnen durch Gottes Gnade in solcher Kraft und Klarheit vorgestellt, dass kein Mensch sie mit der Schrift brechen oder mit Vernunft danieder werfen kann. Es wäre daher kein übler Rat, dass unsere Gegner die Sache mit etwas klareren Augen betrachteten, auf dass sie mit allen Heiligen dem zukünftigen Urteil entrinnen und am Tage seiner Erscheinung mit ewiger Freude vor dem Stuhle seiner Majestät bestehen möchten.

Wenn sie es aber nicht tun, sondern sich dessen weigern, halsstarrig und parteiisch bleiben, Gutes mit Bösem und Liebe mit Hass vergelten; ihre Hilfe, da sie mit der Schrift zu schwach sind, bei der weltlichen Gewalt und Macht suchen und mit Lügen und Erdichtungen auf der Gottesfürchtigen Verderben und Unglück lauern, wie dies leider noch von vielen geschieht; so müssen wir es dem Herrn anheimstellen, unsere Seelen in Geduld fassen und an Christi Worte denken:

»So haben sie verfolget die Propheten, die vor euch gewesen sind.« (Mt 5,12)

Letztens will ich auch alle meine Leser und Zuhörer, groß und klein, reich und arm, günstig und ungünstig, als vor Gott treulich gewarnt und in Christo Jesu in Liebe gebeten haben, diese unsere unwidersprechliche, gründliche Antwort und Erklärung mit unparteiischem Herzen lesen, mit der Waage des heiligen göttlichen Wortes recht wägen und dem ungereimten Grund und der Lehre unserer Gegner gegenüber halten zu wollen, auf dass sie, erleuchtet durch die Wahrheit, den rechten Weg zum Leben finden mögen.

Niemand glaube mir, sondern der Wahrheit, die ich ihm nach der heiligen Apostel, Evangelisten, Propheten und Christi unglossierter, eigener, reiner Lehre mit meiner kleinen Gabe in unüberwindlicher Kraft und Klarheit platt und klar dargestellt habe. In Christo Jesu seid gewarnt. Glaubt es, wenn ihr wollt, ihr werdet mit der Lehre unserer Gegner jämmerlich an eurer Seele betrogen; denn sie ist ein rechter Rauch aus dem Brunnen des Abgrunds (Offb 9,2), welcher die edle, klare Sonne Christus Jesus und die Luft seines heiligen Wortes verfinstert. Sie ist die Lüge der alten Schlange, ja, ihr Ei und ihre Brut. Isst man von ihren Eiern, so muss man sterben; zertritt man es aber, so fährt eine Otter heraus (Jes 59,5). Sie ist der geistliche Mist, mit welchem Hesekiel eine Zeit lang sein Brot backen musste (Hes 4,12). Kurz, sie ist der abscheuliche Gräueltrank im schönen goldenen Becher des bluttrunkenen, babylonischen Weibes, mit dem sie beschenkt hat alle, die auf Erden wohnen (Offb 17,4).

Denn ihre Lehre und Bekenntnis lautet klar und offenbar, dass der gekreuzigte Christus Jesus nicht Gottes wahrer Sohn gewesen sei, denn sie sagen, dass er keinen Vater gehabt habe. Er wird nur um ihrer erdichteten Vereinigung willen so genannt. Christi Taufe verwerfen, ja, verfolgen und lästern sie und richten sich eine andere zu, die ihnen von der Schrift weder befohlen noch gelehrt ist. Dem Unterschied, welchen Christus hinsichtlich des Eidschwörens zwischen Mose und sich selbst zieht, widersprechen sie heftig und sagen: »Recht schwören muss man schon; es ist ein heiliges und gutes Werk.« Wer klugen Herzens ist, der verstehe,was wir sowohl im Buche als im Briefe erklärt haben.

»Das Wort ward Fleisch,« sagt Johannes (Joh 1,14).

»Groß ist das gottselige Geheimnis: Gott ist geoffenbart im Fleisch […] erschienen den Engeln, gepredigt den Heiden, geglaubt von der Welt, aufgenommen in die Herrlichkeit.« (1Tim 3,16)

Weil wir diese und alle andern Zeugnisse, welche den sichtbaren, greifbaren und gekreuzigten Christus für den Sohn Gottes bekennen, glauben und von Herzen bekennen, dass sie recht und wahr sind, darum müssen wir leider bei unsern Gegnern und der ganzen Welt Sektenmacher und Ketzer heißen. Es wäre wohl Zeit, dass sie zusähen. Gute Leser, nehmt es wahr. Gott gönne euch seine Gnade, Amen. Lest es mit Einsicht und urteilt unparteiisch, Amen.