Die vollständigen Werke Menno Simons

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17  Ein klarer Bericht und Schriftanweisung über die Exkommunikation, zum Dienst aller frommen und gottesfürchtigen Kinder Gottes

Menno Simons wünscht allen wahren Glaubensgenossen, Brüdern und Schwestern in Christo Jesu, Gnade und Friede von Gott, unserm himmlischen Vater, durch Jesum Christum, seinen lieben Sohn, unsern Herrn, der uns geliebt und in seinem Blute von unsern Sünden gewaschen hat. Ihm sei Lob, Ehre und Preis, Reich, Kraft und Majestät, von Ewigkeit zu Ewigkeit, Amen.

Da ich erfahren habe, werte Brüder, dass seit einiger Zeit des Bannes halber bei etlichen viel Uneinigkeit geherrscht hat und zwar in so hohem Maße, dass ich fürchte, die brüderliche Liebe hat dadurch bei vielen mehr gelitten als gewonnen und der christliche Friede und die Einigkeit mehr ab- als zugenommen, wie es leider zu gehen pflegt, wo man durch eigne Weisheit verführt, nach solchen verderblichen Disputationen Verlangen trägt (1Tim 6,5). Einige haben diese Ansicht von dem Banne: dass man nicht den Gebannten selber, sondern bloß seine falsche Lehre und sein arges Leben meiden soll. Sie sehen aber nicht, wie tief sie selbst schon in eine falsche Lehre verfallen sind; denn ihre Ansicht missachtet gänzlich diese deutliche Verordnung Christi:

»Hört er die Gemeinde nicht, so halte ihn als einen Heiden und Zöllner!« (Mt 18,17)

, und die ausdrücklichen Worte der heiligen Apostel (Röm 16,17; 1Kor 5,2; 2Th 3,14; Tit 3,10).

Andere meinen, dass man den Bann nur in Bezug auf evangelische Gebräuche, wie das Brotbrechen, den Kuss des Friedens, usw. in Anwendung bringen solle. So verdrehen sie die deutlichen Worte der Schrift, um sie ihrer Sache dienstbar zu machen, nämlich:

»Ihr sollt nichts mit ihnen zu schaffen haben […] Mit denselbigen sollt ihr auch nicht essen!« (1Kor 5,11)

»…halte ihn als einen Heiden und Zöllner.« (Mt 18,17)

, und solcher Sprüche mehr.

Auch gibt es einige, welche die Verordnung Christi und die Lehre der heiligen Apostel hinsichtlich des Bannes wohl für recht und gut anerkennen, aber dennoch derselben nicht nachkommen. Einige handeln auf diese Weise, wie ich glaube, aus Nachlässigkeit, andere aus fleischlicher Zuneigung oder Liebe, die sie den Abgefallenen zutragen, oder deren Blutsfreunde oder Nachbarn sie sind oder um alter Bekanntschaft und früherer Freundschaft willen und solcher Ursachen mehr.

Da denn die ausdrückliche Verordnung Christi und seiner heiligen Apostel hinsichtlich des Bannes von den Ersten und auch von den Zweiten jämmerlich missachtet, verdunkelt und verdreht und von den Dritten mit sehenden Augen übertreten und entehrt wird und dadurch allem Verderben ungehinderter Eingang gewährt und öffentlich gegen alle Liebe gehandelt wird, nämlich, erstens gegen die Liebe Gottes und Christi, da sie sein heiliges Wort, Willen und Verordnung verschmähen und beiseite setzen; zweitens gegen die brüderliche Liebe, da sie (ihre Brüder) durch ihre Widerspenstigkeit und Verachtung über alle Maßen geärgert und betrübt werden; drittens, gegen die Liebe ihrer eigenen Seelen, da sie sich mutwillig aller Gefahr des Verderbens aussetzen; viertens, gegen die Liebe zu dem Gebannten, da sie den Rat des heiligen Geistes gänzlich verachten und Ersteren nicht zu beschämen suchen, um ihn zu bekehren; fünftens, auch gegen die gemeine Liebe, da sie durch solche Gemeinschaft mit den Abgefallenen diejenigen, die draußen sind, auf die Vermutung bringen, dass wir mit den Abgefallenen und Verkehrten ein Volk und eine Gemeinde ausmachen, durch welchen mutwilligen Ungehorsam ihrerseits das edle Gotteswort und seine heilige Gemeinde von vielen gelästert und geschändet werden; so habe ich mich beflissen, aus rechter christlicher Gesinnung und brüderlicher Liebe (dessen Gott mein Zeuge sei), allen meinen lieben Brüdern und Mitgenossen in Christo Jesu zu einem wohlgemeinten Dienst, den eigentlichen Grund des Bannes mit göttlicher Wahrheit anzuweisen – wie er von Christo Jesu eingesetzt, von seinen heiligen Aposteln ausgelegt und gelehrt worden ist und was für Früchte und Ersprießlichkeit demselben innewohnen. Die Beurteilung meiner Belehrung aber überlasse ich denjenigen, die Gott von Herzen suchen und fürchten und im Geiste von Gott erleuchtet und gelehrt sind. Wer seinen Gott von Herzen sucht und es wohl meint mit seinem Nächsten, wird bald erkennen, ob diese meine Belehrung mit Gottes Grund, Absicht, Wort und Willen in Übereinstimmung ist.

Meine herzlich geliebten Brüder und Schwestern in Christo Jesu, ich, euer armer und unwürdiger Diener und Mitgenosse im Glauben und an der Trübsal Christi, wünsche und bitte, um des roten Blutes unseres Herrn Jesu Christi und um aller Liebe willen, dass doch niemand absichtlich gegen Christum und sein heiliges Wort und auch nicht gegen sein eignes Gewissen streite, um seinen Unverstand zu behaupten, damit er nicht schamrot vor den Menschen dastehen müsse. Ich hoffe zuversichtlich, dass ein wahrer Christ niemals suchen wird, jemand nach dem Fleische zu beschämen; denn die reine und wahre Liebe sucht stets, den fehlenden und irrenden Bruder wieder zu finden und ihn für Christum zu gewinnen (Jak 5,19). Ebenso wünscht auch der Gottesfürchtige, wenn er irrt, wieder auf den rechten Weg zu gelangen; wenn er gefallen ist, wieder aufzustehen und wenn er verwundet ist, wieder zu genesen (Jer 8,4). Und wenn er dann durch Gottes Gnade und mit des Herrn Wort von seinem Unverstand und Irrtum erlöst ist, schämt er sich nicht, sondern fühlt über die Maßen froh und dankt seinem Gott, dass er jetzt von dem krummen Wege wiederum auf den rechten und von seinem Unverstande wiederum zu einem rechten und heilsamen Sinn und Verstand gekommen ist. Er sucht von ganzem Herzen diejenigen, welche er zuvor mit falscher Lehre und Irrtum verführt hat, davon loszumachen und zu befreien; denn die reine Liebe sucht nicht das Ihre, sondern was ihres Gottes und ihres Nächsten ist. Wer daher Ohren hat, zu hören und ein Herz, zu verstehen, der höre und fasse, was des Herrn Wort uns für eine Exkommunikation in großer Klarheit lehrt und vorträgt.

Christus Jesus spricht:

»Sündigt aber dein Bruder an dir, so gehe hin und strafe ihn zwischen dir und ihm allein. Hört er dich, so hast du deinen Bruder gewonnen. Hört er dich nicht, so nimm noch einen oder zwei zu dir, auf dass alle Sache bestehe auf zweier oder dreier Zeugen Mund. Hört er die nicht, so sage es der Gemeinde. Hört er die Gemeinde nicht, so halte ihn als einen Heiden und Zöllner. Wahrlich, ich sage euch: Was ihr auf Erden binden werdet, soll auch im Himmel gebunden sein; und was ihr auf Erden lösen werdet, soll auch im Himmel los sein.« (Mt 18,15–18)

Hier steht, getreue Brüder, der feste Grund Gottes als ein unbeweglicher Stein oder Berg, an welchem ein jeder, der ihn umzustoßen und als nichtig in den Wind zu schlagen sucht, sich verwunden wird. Hier wird deutlich gesagt, dass wir die Abtrünnigen, wenn sie alle mit treuem Herzen auf sie verwandten, brüderlichen Dienste und Ermahnungen verschmähen und, nachdem man nach Christi Lehre und in reiner Liebe mit ihnen verfahren ist, dennoch halsstarrig in ihrem Irrtum beharren, meiden sollen, gleichwie die Juden zu Christi Zeit die Heiden und offenbaren Sünder gemieden haben.

Erstens haben die Juden, zufolge des vom Herrn durch Mose gegebenen Befehls (2Mo 12,48), die unbeschnittenen Heiden nicht zu ihrem Osterlamme zugelassen, noch zu ihrem Gottesdienst, wie aus den Schriften der Apostel hervorgeht; denn sie waren Fremde und außer der Bürgerschaft Israels und Israel allein gehörte der Gottesdienst (Eph 2,12; Röm 9,4).

Zweitens haben sie dieselben auch in ihrem täglichen Umgang gemieden, da sie es auch für unrein ansahen, in ihre Häuser zu gehen und mit ihnen zu essen und zu trinken. Mit gleichen Augen betrachteten sie auch die offenbaren Sünder (Apg 10,28; 11,3; Mt 9,11; Joh 4,9). Gleichwie denn die Juden die Heiden und offenbaren Sünder nicht zu ihrer geistlichen Gemeinschaft, noch zu ihrem täglichen oder geselligen Umgang zuließen, sondern sie mieden, in eben solchem Abscheu, sagt und will Christus, sollen wir einen abgefallenen und unbußfertigen Bruder halten, wie oben schon einmal gesagt worden ist. Dass dies der wahre Sinn der Worte Christi ist, beweist wohl der heilige Paulus, welches später ausführlicher behandelt werden soll.

Ein jeder, meine Brüder in dem Herrn, welcher den angezeichneten Sinn der oben angeführten Worte Christi recht versteht und fassen will, dass Christus uns hier nicht hinweist auf den Gebrauch, welchen die Juden zu Moses und der Propheten Zeit gegen die Heiden und offenbaren Sünder einhielten, sondern auf den Gebrauch seiner eigenen Zeit, muss erstens die Heiden und offenbaren Sünder voneinander trennen und dieselben nicht für ein Volk halten und dann mit der Schrift genau forschen und in Erwägung ziehen, wie sie (die Juden) zu Moses und der Propheten Zeiten, ehe das Zepter von ihnen genommen wurde und sie unter römische Herrschaft kamen, mit diesen beiden Klassen verfahren sind.

Erstens kann nicht geleugnet werden, dass die Heiden nicht aus dem Samen Abrahams, Isaaks und Jakobs, sondern unbeschnitten, ohne Gott, Gottesdienst und Gesetz waren – ein Volk, das kein Volk war, wie Mose sagt (Eph 2,12; 5Mo 32,21). Zweitens kann nicht in Abrede gestellt werden, dass die Zöllner und Sünder aus den Juden waren, denn Lukas sagt:

»Es kamen auch die Zöllner, dass sie sich taufen ließen.« (Lk 3,12)

So auch:

»Die Zöllner gaben Gott Recht und ließen sich taufen mit der Taufe des Johannes.« (Lk 7,29)

Und:

»Es nahten aber zu ihm allerlei Zöllner und Sünder, dass sie ihn hörten.« (Lk 15,1)

Die Heiden aber sind nicht zu Johannes und Christus gekommen. Hieraus folgt, dass die Zöllner und Sünder keine Heiden, sondern Juden gewesen sind. Auch geht dies hervor aus jener Sünderin und dem Zöllner Matthäus, der vom Herrn zu einem Apostel angenommen worden ist. Dass aber aus den Heiden keine zu Aposteln berufen worden sind, ist einleuchtend und unumstößlich.

Da denn die Heiden und offenbaren Sünder zwei verschiedene Klassen sind, wie gesagt worden ist, und wir uns nun zu dem Gesetz zu kehren haben, um damit die Freiheit, welche die Juden neben den Heiden gehabt haben, zu bestimmen, so müssen wir sicherlich auch auf dieselbe Weise ergründen, wie sie neben den offenbaren Sündern nach dem Gesetz gelebt und gehandelt haben; denn das eine Wort gilt gewiss nicht weniger als das andere, da beide aus dem Mund der ewigen Weisheit hervorgegangen sind.

Wir wissen wohl, liebe Brüder, dass Mose in seinem Gesetz dem äußerlichen Israel im Handel mit den heidnischen Völkern viel Freiheit, wie z. B. im Kaufen, Verkaufen, Wuchern etc. gewährt hat. Doch wissen wir auch, dass er die mutwilligen, offenbaren Sünder, wenn ihre Schuld durch zwei oder drei Zeugen bewiesen war, mit seinem Gesetz ohne Barmherzigkeit sofort mit dem Tode strafte (5Mo 17). Paulus berührt dies in Hebr 10. Wollte man aber die angeführten Worte Christi in Mt 18 nach der vollen Strenge und Anweisung des Mosaischen Gesetzes auslegen, so müsste erstens unwiderleglich aus dem Wort Heiden folgen, dass wir Freiheit haben, mit den Abgefallenen äußerlich zu verkehren und zwar im gleichen Maße, wie solches Israel mit den Heiden gestattet war; und zweitens, aus den Worten offenbare Sünder, dass wir die Abgefallenen, deren Schuld durch zwei oder drei Zeugen bewiesen ist, steinigen und töten müssen. Es würde sich aber gewiss ganz und gar nicht reimen, mit viel Freiheit mit jemandem zu verkehren und zugleich ihn zu töten. Töten ist auch ganz außer der Art und Natur Christi;

»denn des Menschen Sohn ist nicht gekommen, der Menschen Seelen zu verderben, sondern zu erretten.« (Lk 9,56)

Auch muss ein jeder sich hüten, dass er nicht das Wort Heiden allein und für sich nehme und es nach dem mosaischen Gesetz auslege und nicht auch die Worte offenbare Sünder; denn damit würde er nicht den Menschen, sondern dem Sohne Gottes Gewalt antun und ihn in seinem heiligen Worte und Wahrheit zunichte machen, denn er sagt nicht: Halte ihn als einen Heiden – sondern:

»als einen Heiden und Zöllner« (Mt 18,17; 1Kor 5,10)

Christus sagt:

»Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen.« (Lk 21,33)

Darum möchte ich einem jeden raten, dass er nicht Christum in seinem Wort zunichte mache, sondern seinen eignen, fleischlichen Verstand austilge, die Wahrheit bekenne, seine Ohren öffne, Christum höre, ihm glaube und gehorche. Tut er dies, so wird er dem klugen Zimmermann gleich sein; wo nicht, so wird sein Haus fallen und dessen Fall groß sein.

Weiter, liebste Brüder, ist es uns kein Geheimnis, da es einige gibt, welche diese Worte Christi so verstehen, dass wir nicht verpflichtet seien, einen abgefallenen und unbußfertigen Bruder mehr zu meiden, als wir, die Gläubigen aus den Heiden, die Heiden, Hurenjäger, Ehebrecher und Trunkenbolde meiden, welche sie vielleicht die offenbaren Sünder nennen. Solche möchte ich aus dem innersten Grund meiner Seele bitten und ermahnen, dass sie doch zum Ersten wohl betrachten, ehe sie solches für einen gewissen Grund annehmen, glauben und üben, zu welchem Volke Christus von Anfang gesandt ward und unter welchem Volk er begonnen hat, seine Gemeinde zu bauen und aufzurichten. Christus selbst erklärt dies genügend, indem er sagt:

»Ich bin nicht gesandt, denn nur zu den verlorenen Schafen von dem Hause Israel.« (Mt 15,24)

Paulus sagt:

»Ich sage aber, dass Jesus Christus sei ein Diener gewesen der Beschneidung (das ist, im Judentum), um der Wahrheit willen Gottes, zu bestätigen die Verheißung, den Vätern geschehen.« (Röm 15,8)

Weil er denn von Anfang zu den Juden gesandt war und diesen gepredigt und sie gelehrt hat und nicht die Heiden, so können die Worte Christi gewiss nicht verstanden werden, dass man einen Abgefallenen so halten soll, wie jetzt ein ungläubiger Heide bei den Gläubigen aus den Heiden gehalten wird, sondern so, wie derselbe von den buchstäblichen Juden zur Zeit Christi gehalten ward; denn Christus,sage ich, hat nicht den Heiden, sondern den Juden gepredigt und darum mit den erwähnten Worten auf nichts anderes, als auf den Bann der Juden, nämlich, wie sie die Heiden und offenbaren Sünder zu seiner Zeit gemieden haben, hingewiesen.

Zweitens wünsche ich, dass ein jeder Gottesfürchtige in seinem Gewissen wohl bedenken möge, was die volle Bedeutung des Wortes Heiden sei: Ob nicht alle Hurenjäger, Eidbrüchigen, Geizhälse, Ungläubigen, Meineidigen, Götzendiener, Mörder und Trunkenbolde unter diesem Worte zu verstehen sind? Paulus sagt, dass sie ohne Christus seien; keinen Gott haben; dem Leben, das aus Gott ist, entfremdet, tot in ihren Sünden und Kinder des Zorns seien (Eph 2,12; 4,18). Da denn alle offenbaren Sünder unter den Heiden auch mit dem Wort Heiden bezeichnet werden, indem die Heiden die Christum nicht haben, auch sämtlich offenbare Sünder und außer der Gnade sind und Christus hier sowohl von Heiden als von offenbaren Sündern spricht und jedes Wort Christi voll Gewicht und Inhalt ist, so können seine Worte gewiss nicht ausgelegt werden, dass wir jetzt einen abgefallenen Bruder ebenso halten sollen, wie einen andern Heiden, der des Herrn Wort niemals empfangen oder erkannt hat.

Drittens wünsche ich, dass ein jeder wahre Bruder, der nach des Herrn Namen genannt ist, des Herrn Wort nicht mit Wissen und Willen verfälsche, sondern demselben die ihm gebührende Ehre zukommen lasse und erkenne, dass die Zöllner und Sünder, von welchen die Evangelisten reden, nicht aus den Heiden, sondern aus den Juden gewesen sind, wie deutlich hervorgeht aus (Mt 9,10; Mk 2,15; Lk 5,30; 7,34; 15,2) und oben schon genugsam dargetan worden ist. Da es denn nicht bestritten werden kann, dass die erwähnten Zöllner und Sünder aus den Juden und so, nach dem Gesetze, des Todes waren und Christus hier sowohl auf die Zöllner als auf die Heiden hinweist, so folgt unwidersprechlich daraus, dass jene Worte nicht auf die Zeit gedeutet werden können, da Israel noch in seinem Verkehr mit den Heiden jene Freiheit genoss, welche ihnen Mose in seinem Gesetze gewährt hatte; denn damals mussten die offenbaren, nach dem Gesetz überführten Sünder ihre Schuld mit dem Tode bezahlen, aus welchem unwiderstehlich folgen müsste, dass jetzt alle Abgefallenen, nach dem Verstande gerichtet, durch unsere Hände sterben müssten. Doch nein! Denn wir wissen, dass solch ein Blutbann vor Gott ein Gräuel ist und auch unter den Christen nicht gekannt, noch viel weniger gebraucht wird.

Wenn daher jemand es dennoch auf diese gegenwärtige Zeit deuten wollte, nämlich, dass man einen Abgefallenen halten solle, wie wir jetzt einen Heiden halten und nicht auf die Zeit Christi, wie damals ein Heide von den Juden gehalten wurde, so müsste er auch das jüdische Volk mit seinem Gesetz und Gottesdienst und auch ihre offenbaren Sünder auf unsere Zeiten herab bringen, welches aber unmöglich ist. Dies wird wohl ein jeder zugeben.

Da denn das Wort Heiden nicht auf jene Zeit, da Israel die Heiden noch nicht so gänzlich mied, bezogen werden kann, denn sonst müssten wir die Abgefallenen mit den Worten offenbare Sünder auch zum Tode verurteilen; und auch nicht auf diese gegenwärtige Zeit, da wir die offenbaren Sünder aus den Juden nicht mehr haben, so kann gewiss von niemand mit göttlicher Wahrheit widerlegt werden, dass es auf die Zeit Christi bezogen werden muss, in der man die offenbaren Sünder nicht getötet, sondern beide, Heiden und offenbare Sünder, auf gleiche Weise abgesondert und gemieden hat.

So haben wir denn den Frommen und Gottesfürchtigen hinlänglich bewiesen, dass Christus jene Worte auf keine andere als seine eigene Zeit bezogen hat. Nun wollen wir auch in einfachen schlichten Worten erstens die eigentlichen Ursachen angeben, warum die Juden die Heiden so ernstlich mieden und hernach, warum sie die offenbaren Sünder mieden und sie nicht nach dem Gesetze mit dem Tod straften.

Es ist jedem Leser der heiligen Schrift bekannt, wie Gott der Herr Israel mit großer Treue warnte, kein Bündnis noch Freundschaft mit den Kanaanitern, Hetitern usw. zu schließen, noch Umgang mit ihnen zu haben, damit sie nicht von denselben verführt würden und anderen Göttern nachfolgten (5Mo 7). Josua sagt:

»Wo ihr euch aber umwendet und diesen übrigen Völkern anhangt und euch mit ihnen verheiratet, so dass ihr unter sie und sie unter euch kommen, so wisst, dass der Herr, euer Gott, wird nicht mehr alle diese Völker vor euch vertreiben; sondern sie werden euch zum Strick und Netz und zu Geißeln in euren Seiten werden und zum Stachel in euren Augen, bis dass er euch umbringe von dem Lande, das euch der Herr, euer Gott, gegeben hat.« (Jos 23,12–13)

Da nun die Juden diese väterliche Warnung Gottes nicht zu Herzen nahmen, sondern sich gegen dieselbe mit den fremden Völkern in freundschaftlichen und geselligen Umgang einließen, so ist auch über sie gekommen alles, was der Herr ihnen durch seine treuen Diener, Mose und Josua, gedroht hatte. Manchmal wurden die Juden durch Umgang mit Fremden, mit ihren Weibern und Götzen zu großem Abfall gebracht, wofür sie dann vom Herrn hart gestraft und geschlagen wurden (4Mo 25,14). Selbst der hochbegabte Salomo, der Ruf von dessen Weisheit sich so weit ausbreitete, ließ sich so sehr von heidnischen Weibern bezaubern, dass er dem Herrn, seinem Gott, der ihm zweimal erschienen ist, untreu wurde und sein Herz fremden Göttern zuneigte (1Kön 11,1; 3,5; 9,2). Dieses, meine lieben Brüder, ist wohl die rechte Belohnung derer, welche des Herrn Rat verachten.

Da sie aber so oft, durch die List der Heiden betrogen, gegen ihren Gott sündigten (4Mo 25,2) und deshalb vielmals mit seiner gerechten Strafe von ihm heimgesucht wurden (4Mo 33,56; Jos 23,13), haben sie endlich die erwähnte Warnung, welche Gott durch Mose und Josua ihnen gegeben hatte, ernstlicher als zuvor befolgt und ihrem Umgang mit den Heiden entsagt. Sie gingen sogar so weit, dass sie sich mehrerer Freiheiten, die Mose ihnen zugelassen hatte, begaben; ja, sie hielten es für unrein, ihre Häuser zu betreten oder mit ihnen zu essen, wie man deutlich ersehen kann. Dies taten sie darum, damit sie nicht mehr wie vorher von den Heiden verführt und von ihrem Gott abgekehrt würden und ist dieses auch die Ursache, warum die Juden allen Verkehr mit den Heiden ausschlugen und mieden. Ob diese Ursache richtig genug gewesen ist, möge der wahre Gottesgelehrte mit Gottes Geist und Wort beurteilen.

Dass die Juden die offenbaren Sünder bloß gemieden und nicht getötet haben, geschah aus der Ursache, dass die Prophezeiung des Erzvaters Jakob nun in Erfüllung gegangen war, nämlich, dass das königliche Zepter durch Pompejus den Großen von Juda entwendet und an die Römer gekommen war (1Mo 49,10), und auch weil die Römer ihre eigenen Amtsleute und Statthalter in Judäa hatten, welche die Regierung verwalteten. Die Juden konnten daher nicht länger ein Todesurteil vollstrecken und die mutwilligen, offenbaren Übertreter nach ihrem Gesetz strafen, da solches dem Zepter zustand, welches damals in den Händen der Römer war. Dass dies der Fall war, haben die Juden selbst vor Pilatus erklärt, als sie sagten:

»Wir dürfen niemand töten.« (Joh 18,31)

Nach dem Gesetz war es ihnen schon erlaubt, ja, strenge geboten, aber das verlorene Zepter wehrte diesem. Die römischen Diener Herodes, Pilatus, usw., welche damals für die Römer das Zepter führten, wollten nicht nach dem jüdischen Gesetze sondern nach den Rechten und Statuten der Römer, in deren Namen sie regierten und denen sie Gehorsam geschworen hatten, urteilen. Wenn daher ein Jude schon gegen das Gesetz Moses, aber nicht gegen die Verordnungen der Römer handelte, haben ihn die erwähnten Amtsleute des mosaischen Gesetzes halber nicht am Leben gestraft. Und da die Juden den Übertreter aus oben erwähnter Ursache nicht nach ihrem Gesetze strafen konnten, so sonderten sie ihn von ihrer Gemeinschaft ab, schlossen ihn von ihren Synagogen aus und mieden ihn mit allem Ernste.

Seht, meine treuen Brüder, aus den angegebenen Ursachen haben zu Christi Zeiten die Juden beide, die Heiden und die offenbaren jüdischen Sünder, gemieden: Die Heiden, auf dass sie nicht mehr von ihnen verführt und betrogen würden und die offenbaren Sünder, weil diese nach dem Gesetz des Todes schuldig waren, sie dieselben aber, des verlorenen Zepters wegen, nicht töten und von ihnen ausrotten konnten.

Vielleicht aber wird von einigen eingeworfen werden: Warum haben sie denn die Apostel gegeißelt, Stephanus gesteinigt, viele Heilige durch Paulus getötet und die Gemeinde verwüstet, da doch das Blutrecht von ihnen genommen war? Meine Antwort ist: Alles was auf solche Weise geschehen ist, ist nicht ohne den Willen und die Genehmigung der Römer geschehen; denn sie selbst (die Juden) bekannten vor Pilatus: »Wir dürfen niemand töten.« Die Steinigung des Stephanus aber geschah nicht in Übereinstimmung mit dem Gesetz, sondern während eines Aufruhrs, wie Lukas deutlich bezeugt, indem er sagt: Exclamantes autem voce magna, continuerunt aures suas, et impetum fecerunt unanimiter in eum, welches die von Zürich so verdeutscht haben:

»Sie schrien aber laut und hielten ihre Ohren zu und stürmten einmütig zu ihm.« (Apg 7,57)

Dasselbe hatten sie beabsichtigt, mit Christus und Paulus zu tun (Apg 7,57; 21,30; 23,12; 26,10; Lk 4,29; Joh 10,31).

Was die Verwüstung der Gemeinde durch Paulus anbelangt und die Tötung so vieler Heiligen, wie er vor Agrippa aussagte, so dürfen wir für gewiss annehmen, dass solches nicht ohne Genehmigung der Obrigkeit geschah; denn es ist offenbar und kann nicht bestritten werden, dass das Zepter das Recht, die Todesstrafe zu vollstrecken, in sich schloss, weshalb sie auch sagten: »Wir dürfen niemand töten.« Denn das Zepter war von ihnen genommen und in die Hände der Römer übergegangen. Hätten die Juden das Recht gehabt, Todesurteile zu vollstrecken, so hätten sie Christus dem Pilatus nicht überliefert, Lysias hätte nicht Paulus den aufrührerischen Juden entrissen und Herodes hätte Petrus auch nicht gefangen genommen und Johannes den Täufer und Jakobus getötet (Apg 12,1–3); denn es würde sich gewiss nicht in einer weltlichen Regierung schicken, wenn der eine dem andern in das Amt greifen würde; solch eine Regierung und Ordnung würde auch ohne Zweifel bald zugrunde gehen.

Es ist uns wohl bekannt, liebe Brüder, dass es solche gibt, welche diese jüdische Meidung oder Bann, auf welchen Christus uns hier gewiesen hat, einen pharisäischen Sauerteig nennen und frei heraus sagen: Wir wollen auf keinen Sauerteig gewiesen sein, sondern auf die Schrift. Wir bitten alle, welche dieser Gesinnung sind, um des Herrn Willen zum Ersten, dass sie doch wohl bedenken wollen was sie sagen; denn mich dünkt, dass sie ihre eigenen Worte nicht verstehen. Sagt Mose nicht:

»Wer des Propheten Worte nicht hören wird, von dem will ich’s fordern?« (5Mo 18,19)

Sagt nicht Jeremia, dass er das Recht und Gerechtigkeit auf Erden anrichten würde (Jer 23,5)? Sprach nicht der Vater aus der Höhe:

»Dies ist mein lieber Sohn, an welchem ich Wohlgefallen habe, den sollt ihr hören?« (Mt 17,5; Jes 42,2)

Sagt nicht Paulus, dass in Christo verborgen liegen alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis (Kol 2,3)? Dessen bin ich gewiss, dass Christi Wort und Unterweisung allen Frommen Schrift genug ist und er ist es, sage ich, der seine Gläubigen mit dem Bann auf diesen Gebrauch hinweist und nicht ich. Wer bist du, der du es wagst, mit Gott zu hadern?

Ist aber irgendein Bruder unter dem ganzen Himmel imstande, mir eine andere als die Zeit Christi aufzuweisen, worauf jene Worte Christi in göttlicher Wahrheit bezogen werden können und die Schrift unangetastet bleibe, so will ich mich gerne unterweisen lassen und meine Ohren der Wahrheit öffnen; denn ich begehre nicht gegen die Wahrheit, wenn sie auch gegen mich zeugt, zu streiten, sondern für die Wahrheit. Denn um der Wahrheit willen habe ich lange Jahre viel hören und leiden müssen und stehe auch jetzt noch durch des Herrn Gnade bis in den Tod bereit, seiner heiligen Wahrheit Zeugnis zu geben. Ich weiß aber sehr wohl, dass man sie, ohne Christi Wort und Schrift Gewalt anzutun, auf keine andere Zeit deuten kann, wie wir dem gottesfürchtigen Leser mit zahlreichen Gründen und Schriftstellen dargelegt und erklärt haben.

Zweitens verlange ich auch um Gottes willen, dass meine lieben Brüder nach der Schrift ermessen wollen, was Sauerteig ist und was darunter in der Schrift verstanden wird, ehe sie den erwähnten jüdischen Bann, auf welchen Christus hier hinweist, einen pharisäischen Sauerteig nennen (2Mo 13,6–7; Gal 5,9; Mt 16,11). Dieser Ausdruck wird erstens gebraucht für das Wort selbst und seine Kraft oder, wenn ihr lieber wollt, für den Glauben und dessen Kraft. Zweitens wird es genommen für ein böses, gottloses Wesen oder einen solchen Menschen (Mt 13,33). Drittens, für eine verführerische, durchsäuernde und verderbliche Lehre (1Kor 5,6). Ist nun der jüdische Bann oder Meidung, auf welche Christus hinweist, ein Sauerteig gewesen, wie viele aus gröblichem Irrtum vorgeben, so müssen sie durch die heilige Schrift beweisen, was für Versäuerung oder Verderben er neben dem reinen Wort in dem Gewissen der Juden zuwege gebracht habe. Denn obwohl der Herr den Juden durch Mose einige Freiheiten in ihrem Umgang mit den Heiden zugelassen hat, wie im Anfang gesagt worden ist, so hat er ihnen dennoch kein Gebot gegeben, dass sie mit den Heiden handeln sollten, sondern hat sie vielmehr vor ihnen gewarnt. Jetzt, durch viele und gefährliche Erfahrungen belehrt, nahmen sie die treuen Warnungen Gottes (2Kor 6,14; 5Mo 7,25; 1Kön 11; Jos 23,12–13) ernstlich zu Herzen und vielleicht machten welche unter ihnen von den ihnen gegönnten Freiheiten keinen Gebrauch, damit sie nicht mehr durch solche Freiheiten von den Heiden bestrickt und in ihren Gewissen gefangen werden möchten. Urteilt nun alle, die da geistlich sind, ob dies, nach der Schrift, Sauerteig genannt werden kann, da sie Gottes Gesetz und Gebot dadurch nicht versäumt, sondern im Grunde unverändert gelassen und sich so vor dem Verderben gehütet haben.

Will man daher, meine herzlich geliebten Brüder, den jüdischen Bann oder Meidung, auf welchen Christus hinweist, einen Sauerteig nennen, weil es vielleicht solche gab, die um ihrer Gewissen willen sich einiger Freiheiten freiwillig begaben, welche man zu lassen oder zu tun doch frei ist, weil es sonst keine Freiheiten sein würden und welche Handlungsweise nicht gegen das Gesetz, sondern vielmehr in Übereinstimmung mit den in Gottes Wort enthaltenen, treuen Warnungen, Ratgebungen und Ermahnungen gewesen ist, so folgt daraus, dass der heilige Prophet Jeremia die Rechabiter mit Recht als Sauerteige gestraft haben könnte, weil sie um des Gebotes ihres Vaters Jonadab willen (Jer 35,14) keinen Wein tranken, keine Weinberge pflanzten, keine Äcker besäten und keine Häuser bauten, obwohl solches ihnen nach Gottes Gesetz gänzlich frei stand, denn all dieses bildete ein Teil der Segnungen die Israel mit dem Lande verheißen waren. O nein! Es ist ihnen vom Herrn nicht als Sauerteig gerechnet, sondern sie sind dafür, dass sie ihres Vaters Wort in Ehren hielten, sehr gelobt worden und haben vom Herrn deshalb eine Verheißung empfangen (Jer 35,18–19; 33,17–18).

Ferner sage ich, wenn das Sauerteig genannt werden kann, dass ich um meines eigenen Gewissens oder meiner Brüder willen, von der mir verliehenen Freiheit keinen Gebrauch mache, so darf Freiheit nicht länger Freiheit heißen und Paulus selbst muss ein unsauberer Sauerteig gewesen sein, da er so nachdrücklich darauf gedrungen hat, dass auch wir, wenn die Umstände dies erheischen, um unserer Brüder willen, unseren Freiheiten entsagen sollen (Röm 14,13; 1Kor 8,13; 9,4,12; 10,23). Aus allem diesem geht gewiss ganz klar hervor, nach der Einsicht in des Herrn Wort die ich empfangen habe, dass es eine schreckliche Lästerung ist, die ein gottesfürchtiger Christ keineswegs kennt, dass wir Christum, Gottes ewige Weisheit, lehren und meistern wollen, wie er uns lehren und worauf er uns hinweisen solle und das, worauf er uns hinweist Sauerteig zu nennen. Wir wissen aber, dass der Bann eine starke und tröstliche Schutzmauer gegen das Eindringen des Verderbens und der Verführung und darum nicht gegen das Gesetz, sondern mit demselben in Übereinstimmung war; denn wäre ein Sauerteig wider das Gesetz gewesen, wie einige vorgeben, so würde Christus Jesus keineswegs für gut gefunden haben, darauf hinzuweisen und zu sagen: »Halte ihn als einen Heiden und offenbaren Sünder!«, indem er sonst den Seinen so ernstlich anbefohlen hat, sich vor dem Sauerteig zu hüten (Lk 12,1).

Vielleicht werden aber einige einwerfen und sagen, dass die Meidung, welche die Juden gegen die Heiden übten, indem sie nicht mit ihnen essen wollten, wenn die Speisen auch rein waren, klar wider das ausdrückliche Gebot des Gesetzes gewesen sind, weil Mose Israel befohlen hatte, dass sie auch die Fremdlinge, die unter ihnen wohnten, zu den Opferwochen und Laubhüttenfesten einladen und mit ihnen fröhlich vor dem Herrn sein sollten, gleichwie mit dem Knecht, der Magd, dem Leviten, den Witwen und Waisen (5Mo 16,11).

Diesen antworte ich: Diese Fremdlinge waren auch verpflichtet, den Sabbat zu feiern und genossen auch, zusammen mit den Leviten, Witwen und Waisen, die Zehnten des dritten Jahres und die ersten Früchte des Landes, wie auch das, was überblieb auf den Äckern, Ölbäumen und in den Weinbergen, zusammen mit den Witwen und Waisen (2Mo 20,10; 5Mo 14,29; 26,12; 24,19). Der Fremdling hat aber auch mit Israel für die durch Unwissenheit begangenen Sünden zu opfern und musste auch zur Zeit des Freijahres das Gesetz hören, gleichwie Israel (4Mo 15,27; 5Mo 31). Es folgt daher aus diesen und gleichen Schriftstellen, dass diese Fremdlinge in der Bürgerschaft Israels und nicht unbeschnittene Heiden gewesen sind (2Mo 12,48; 4Mo 9,14). Sie wurden schon unter Israel gerechnet, als sie noch in der Wüste umherzogen, wie Mose sagt:

»Ihr steht heute alle vor dem Herrn, eurem Gott, die Obersten eurer Stämme, eure Ältesten, eure Amtleute, ein jeder Mann in Israel, eure Kinder, eure Weiber, dein Fremdling, der in deinem Lager ist, beide, dein Holzhauer und dein Wasserschöpfer; dass du einhergehen sollst im Bunde des Herrn, deines Gottes und in dem Eide, den der Herr, dein Gott, heute mit dir macht.« (5Mo 29,9–11)

Diese angeführten Schriftstellen, meine Brüder, beweisen nach meiner Meinung gewiss hinreichend, dass jene darum Fremdlinge genannt wurden, weil sie nicht aus dem Samen Israels waren und auch keinen Anteil in der Austeilung des Landes unter Israel hatten. Und darum gebietet Mose den Israeliten, dass sie dieselben zu den Zehnten des dritten Jahres, den übergebliebenen Früchten auf den abgeernteten Äckern, den Ölbäumen und in den Weinbergen und zu den ersten Früchten des Landes zulassen sollten, wie wir hier aus Mose eigenen Kapiteln angeführt und bewiesen haben.

Zweitens wird man vielleicht fragen, warum wir die Abgefallenen meiden sollen, da doch Christus gesagt hat: Halte ihn als einen Heiden und offenbaren Sünder und es offenbar ist, dass Christus selber mit den offenbaren Sündern gegessen hat? Meine Antwort ist: Was für Sünder jene gewesen sind, mit welchen Christus gegessen hat, wird von den Evangelisten deutlich erklärt; denn als die Pharisäer murrten, sprach Christus:

»Die Starken bedürfen des Arztes nicht, sondern die Kranken. Geht aber hin und lernt, was da sei: Ich habe Wohlgefallen an Barmherzigkeit und nicht am Opfer. Ich bin gekommen, die Sünder zur Buße zu rufen und nicht die Frommen.« (Mt 9,12–13)

Was für Sünder Matthäus, die Sünderin und Zachäus geblieben sind, nachdem sie Christum gehört haben, ist kein Geheimnis.

Weiter sagt Lukas, dass alle Zöllner und Sünder zu Christum kamen, um ihn zu hören und mit solchen hat er gegessen. Darum sprach er auch zu den murrenden Pharisäern:

»Welcher Mensch ist unter euch, der hundert Schafe hat und so er deren eins verliert, der nicht lasse die neunundneunzig …« (Lk 15,4)

Dass er mit den Samaritern aß, ist kein Wunder, denn sie nahmen sein Wort an und glaubten an ihn (Joh 4); dass er aber in einer samaritischen Herberge Unterkunft gesucht habe, folgt nicht aus dem lateinischen Text, der nicht recht übersetzt ist. Der lateinische Text hat: Misit nuncios ante conspectum suum, et euntes intraverunt in civitatem Samaritanorum, ut pararent illi, et non receperunt eum, quia facies ejus erat euntis Hierosolymam. Welches übersetzt so lautet:

»Und er sandte Boten vor ihm hin; die gingen hin und kamen in eine samaritische Stadt, um für ihn bereit zu machen; und sie nahmen Ihn nicht an, darum, dass er sein Angesicht gewendet hatte, zu wandeln gen Jerusalem.« (Lk 9,52–53)

Was dies für ein Bereiten gewesen ist, kann man, denke ich, deutlich ermessen aus dem, was im folgenden Kapitel erzählt wird von den zweiundsiebzig Jüngern, die er paarweise vor sich her sandte, um in allen Städten und Örtern, da er hinkommen wollte, bereit zu machen nicht um Herberge zu bestellen, sondern um Vorbereitung zu treffen, dass er das Reich Gottes predigen könnte. »Aber sie nahmen ihn nicht an,« sagt die Schrift. Es heißt nicht, dass der Wirt ihn nicht empfangen wollte, sondern dass sie, das heißt die Bürger der Stadt, welchen er das Evangelium zu predigen vorhatte, ihn nicht annahmen und zwar darum, weil, wie Lukas sagt, er nach Jerusalem gehen wollte; denn es herrschte zwischen den Juden und den Samaritern fortwährend eine bittere Feindschaft wegen der Anbetung und des Gottesdienstes, so dass die Samariter von den Juden als Gebannte betrachtet wurden (Joh 4,9).

Und wenn es nun auch so wäre, dass er Herberge gesucht hätte, so ist es doch offenbar, dass die Samariter keine eigentlichen Heiden, sondern ein Überbleibsel der zehn Stämme, welche von Salmanasser in die Gefangenschaft geführt wurden, waren; denn das samaritische Weib sprach zu Christus: »Bist du mehr, denn unser Vater Jakob?«Und dass Jakob nicht der Vater der Heiden war, ist offenbar. Auch wartete sie auf Christum, welchen die Heiden nicht kannten; denn sie sagte: »Ich weiß, dass Messias kommt, der da Christus heißt.« So auch kam Philippus, nachdem Stephanus gesteinigt worden war, in eine samaritische Stadt und predigte ihnen Christum. Und zu dieser Zeit war es ihnen (den Aposteln) in ihrem Herzen noch nicht frei, den Heiden das Evangelium zu predigen und zu ihnen einzugehen. Hieraus geht gewiss deutlich hervor, dass die Samariter, welche den Patriarchen Jakob für ihren Vater hielten und den Messias erwarteten und denen sie bereits das Evangelium gepredigt hatten, ehe sie (die Apostel) noch in ihrem Gewissen sich frei fühlten, zu den Heiden einzugehen, nicht Heiden, sondern übergebliebene Israeliten gewesen sind, wie zuvor gesagt worden ist. Darum würde es auch gar kein Wunder sein, wenn er bei ihnen Herberge gesucht hätte; hatte er doch nicht gesagt: Halte ihn als einen Samariter, sondern »als einen Heiden und offenbaren Sünder.«

Seht, meine lieben, werten Brüder, dass, wie man diese Worte auch kehren oder wenden möge, man sie doch auf keine andere als die Zeit Christi hindeuten und verstehen kann, nämlich, dass, gleichwie die Juden zu jener Zeit einen Heiden und offenbaren Sünder hielten, auch wir einen Abgefallenen, der Christum Jesum und sein heiliges Wort entweder durch eine falsche Lehre oder durch ein unreines und schändliches Leben entehrt, verwirft und zu Schanden macht, so halten sollen.

Jetzt, meine liebsten Brüder, nachdem wir unsere Meinung von den erwähnten Worten Christi auseinandergesetzt haben, möchten wir wünschen, dass ein jeder Christ fleißig untersuchen würde, ob nicht auch Paulus in 1Kor 5 jene Worte auf dieselbe Weise verstanden hat. Wahrlich, wer Acht gibt, wird finden, dass Paulus seine Lehre von der Absonderung in allen Einzelheiten auf diese Regel Christi gegründet hat.

Paulus spricht:

»Es gehen ein gemein Geschrei, dass Hurerei unter euch ist, und eine solche Hurerei, da auch die Heiden nicht von zu sagen wissen, dass einer seines Vaters Weibe habe. Und ihr seid aufgeblasen, und habt nicht vielmehr Leid getragen, auf dass, der das Werk getan hat, von euch getan würde.« (1Kor 5,1–2)

An einer andern Stelle lehrt Paulus, dass

»Christus geliebt hat die Gemeinde, und hat sich selbst für sie gegeben; auf dass er sie heiligte und hat sie gereinigt durch das Wasserbad im Wort, auf dass er sie ihm selbst darstellte eine Gemeinde, die herrlich sei, die nicht habe einen Flecken oder Runzel, oder deß etwas, sondern dass sie heilig sei und unsträflich.« (Eph 5,25–27)

Wenn daher solche offenbaren Schandflecken, Hurer, Eidbrecher, Trunkenbolde, Schelter, Geizhälse, Streitstifter und Götzendiener bei uns zugelassen und nicht gemieden werden, müssen wir dann nicht fortwährend diese strafenden Worte Pauli hören, dass wir aufgeblasen und nicht betrübt sind und solche offenbaren Übertreter von uns absondern? Ach, Brüder! Ich fürchte sehr, dass diese Ermahnung Pauli mancherorts von vielen nicht genug gewürdigt wird. Weiter sagt Paulus:

»Ich zwar, als der ich mit dem Leibe nicht da bin, doch mit dem Geist gegenwärtig, habe schon als gegenwärtig beschlossen über den, der solches so getan hat, in dem Namen unseres Herrn Jesu Christi, in eurer Versammlung, mit meinem Geist und mit der Kraft unseres Herrn Jesu Christi, ihn zu übergeben dem Satan, zum Verderben des Fleisches, auf dass der Geist selig werde am Tage des Herrn Jesu.« (1Kor 5,3–5)

Aus diesen Worten des Apostels lernen wir drei Dinge verstehen. Erstens, die große Liebe, welche der treue Diener Paulus hatte für seine Jünger und Kinder; denn obwohl er nicht körperlich unter ihnen zugegen war, so trug er doch in seinem Geist, als ob er gegenwärtig wäre, väterliche Sorge für sie und hat sie beständig zum Besten ermahnt, gelehrt und beraten.

Zweitens, in wessen Namen, wie und durch wen die Absonderung geschehen soll, nämlich, in dem Namen, das ist nach dem Befehle und der Verordnung, unseres Herrn Jesu Christi; denn Paulus unternahm es niemals, etwas einzusetzen, das er nicht vorerst von Christus empfangen hatte, wie er selbst sagt. Wäre Paulus nicht vorher von Christo gelehrt worden, so hätte er denen von Thessalonia nicht im Namen unseres Herrn Jesu Christi gebieten dürfen, dass sie sich von jedem Bruder, der unordentlich und nicht nach des Herrn Verordnungen wandle, entziehen sollen (2Th 3,6). Denn das bloß kann recht in Christi Namen geschehen, was mit seinem heiligen Wort und Willen übereinstimmt.

Die Absonderung soll aber von der Gemeinde geschehen, das heißt, es soll nicht ein jeder absondern nach seinem eigenen Gutdünken und für sich selber, sondern es soll in der Versammlung Gottes geschehen, nach gebührender Ermahnung, die mit allem Eifer, in aller Liebe und Treue angewendet worden ist und mit Christi Kraft, das ist mit dem schließenden oder öffnenden Schlüssel des göttlichen Wortes und des heiligen Geistes. Wenn aber die Absonderung ohne das Wort und den Geist geschieht, ohne Liebe und brüderlichen Eifer, sondern aus Bitterkeit, Zorn oder einem falschen Gerücht zufolge, um Sachen, die den Bann nicht verdienen, so ist es kein Werk Gottes, keine Arznei für die Seele, noch eine Frucht der reinen Liebe, sondern ein Werk des Satans, ein Verderben, eine Pest des Gewissens und eine offenbare Frucht des Fleisches; in einem Wort, ein Fluch, Gestank und ein Gräuel vor Gott. Lasst einen jeden diese Worte Pauli wohl überdenken und er wird durch Gottes Gnade einsehen, wie nachdrücklich diese Absonderung in der Schrift befohlen ist und wie sie durch die Kraft Christi, mit seinem Wort und Geist, in der Gemeinde geübt werden muss.

Drittens, dass man einen abgefallenen und unbekehrbaren Übertreter dem Satan übergeben soll. Dies meint nicht, meine Brüder, dass er nicht schon vor der Absonderung des Satans gewesen sei, nein; denn sobald er sein Herz von dem Herrn abwendete und gottlos wurde, ist er des Satans Eigentum geworden, gleichwie ein bußfertiger Sünder das Eigentum Christi wird. Aber durch den Bann wird ihm mit leiblicher Stimme durch die Gemeinde die Gemeinschaft Christi und seiner Gemeinde abgesagt und erklärt, dass er jetzt das Eigentum Satans sei, bis er wiederum Früchte einer wahren Buße vor Gott und der Gemeinde hervorbringe; auf dass durch solches ausgesprochene Urteil und die Meidung der Frommen sein hurerisches, geiziges, widerspenstiges und abgöttisches Fleisch zur Einsicht gebracht werden und sich von Herzen schämen möge und er seinem Fleische, das heißt, seinen fleischlichen Lüsten, absterbe und gänzlich entsage, auf dass er wiederum Buße tue und seine Seele selig werde am Tage des Herrn Jesu.

Hier in diesen angeführten Worten Pauli hat nun der gottesfürchtige Leser den ersten Grund, warum der heilige Geist den Bann im Hause Gottes verordnet hat, nämlich zur Bekehrung und nicht zum Verderben. Wenn daher der Verderbte alle in treuer Liebe an ihn gewandten, brüderlichen Dienste und Ermahnungen als nichtig in den Wind schlägt, sich nicht bekehren lässt, soll man ihm, nach der Verordnung des heiligen Geistes, in aller Traurigkeit sein Urteil ankündigen und ihn von der Gemeinde absondern, auf dass er so beschämt werden möge zu seiner Bekehrung.

Der Apostel spricht von dieser Beschämung noch an einem andern Platze, indem er sagt:

»So aber jemand nicht gehorsam ist unserm Wort, den zeichnet an durch einen Brief und habt nichts mit ihm zu schaffen, auf dass er schamrot werde.« (2Th 3,14)

Merkt wohl, liebe Brüder, dass die wahre evangelische Absonderung eine Frucht der reinen Liebe und nicht ein Gesetz des Hasses ist, wie einige aus großem Unverstand klagen und vorgeben.

Ach, meine werten Brüder! Wenn wir recht von Gott gelehrt und durch den heiligen Geist erleuchtet wären, und unsere Nächsten mit göttlicher Liebe liebten, wie fleißig würden wir sein, jenen treuen Rat des heiligen Geistes in aller Billigkeit pünktlich und liebevoll zu befolgen; ohne Unterschied, ob es sich um Vater, Mutter, Schwester, Bruder, Mann, Frau, Kind oder irgendeinen andern Blutsfreund oder Bekannten handelte, an dem wir unsere größere geistliche Liebe beweisen sollten. Jetzt aber suchen leider viele nicht, was des Geistes, sondern was des Fleisches, nicht was des Nächsten, sondern was das Ihrige ist. Geschieht dies aus Unverstand, so möge sie der gnädige Vater durch seinen heiligen Geist erleuchten und in alle Wahrheit leiten; ist es aber eine mutwillige Verkehrtheit, so wissen wir, dass geschrieben steht:

»Fleischlich gesinnt sein, ist der Tod.« (Röm 8,6)

Drittens sagt Paulus im nämlichen Kapitel:

»Euer Ruhm ist nicht fein. Wisst ihr nicht, dass ein wenig Sauerteig den ganzen Teig versäuert? Darum fegt den alten Sauerteig aus, auf dass ihr ein neuer Teig seid, gleichwie ihr ungesäuert seid. Denn wir haben auch ein Passahlamm, das ist Christus, für uns geopfert. Darum lasst uns das Passah halten, nicht im alten Sauerteige, auch nicht im Sauerteige der Bosheit und Schalkheit, sondern in dem Süßteige der Lauterkeit und der Wahrheit.« (1Kor 5,6–8; Gal 5,9)

In diesen Worten bestraft Paulus erstens die Korinther und mit ihnen alle Gemeinden, welche sich rühmen die Gemeinde Jesu Christi und das geistliche Haus Israels zu sein, dennoch aber solchen schändlichen und verderblichen Sauerteig wie jene Korinther und andere solche Schandflecken unter sich dulden und damit Gemeinschaft halten. Denn wie können wir uns der Frömmigkeit der Gemeinde rühmen und die, welche außer der Gemeinde sind, für ihr gottloses Lehren und Leben strafen, solange wir den nämlichen Sauerteig der Lehre und des Lebens unter uns dulden und nicht von uns absondern? Sind wir ungesäuert, wie Paulus sagt, warum fürchten wir uns denn nicht vor jenem Sauerteig, da der Apostel uns doch sagt, dass »ein wenig Sauerteig den ganzen Teig versäuert?«

Zweitens setzt er uns hier das äußerliche Israel zu einem Vorbild; denn so oft die Israeliten ihr Osterfest feierten, hatten sie sieben Tage lang kein gesäuertes Brot in ihren Häusern. Die Seele desjenigen, in dessen Haus es gefunden ward, musste ausgerottet werden aus Israel (2Mo 12,19). Weder ein Unbeschnittener, noch Unreiner durfte davon (von dem Passahlamm) essen (4Mo 9). Ach, Brüder! Musste schon die Figur und der Schatten so rein sein, wie viel mehr muss es das wahre Wesen selbst! Denn das für uns geopferte Passahlamm ist nicht ein vierfüßiges Lämmchen, sondern das unbefleckte Lamm Gottes, Christus Jesus. Unser Passahfest dauert auch nicht sieben Tage, wie das Israels, sondern ewiglich, nämlich von der Opferung Christi bis an den jüngsten Tag. Es wird auch nicht gefeiert mit ungesäuertem, aus Mehl gebackenem Brote, sondern mit dem ungesäuerten Brote der Gerechtigkeit und mit dem Worte der ewigen Wahrheit.

Lasst uns darum, liebe Brüder, dieses Osterfest heilig und unbefleckt halten nach allem unserem Vermögen und lasst uns, im Namen unseres Herrn Jesu Christi, alle, die da wandeln in der Vorhaut ihres Herzens, alle die ein unreines Leben führen, das ist alle offenbaren Übertreter, als einen durchsäuernden, anhaltenden Sauerteig von uns absondern, auf dass wir das heilige Israel Gottes seien, besprengt mit dem Blute des Lammes und sicher vor dem tötenden Engel Gottes und so in aller Aufrichtigkeit und Wahrheit uns in dem Herrn freuen und ihm dienen mögen alle Tage unseres Lebens.

Weiter mögen alle Frommen aus diesen Worten Pauli, nämlich, dass ein wenig Sauerteig den ganzen Teig versäuere, die zweite Ursache lernen, warum diese Absonderung dem Hause Gottes so nützlich ist und wie es ohne dieselbe nicht bestehen kann. Dies haben wir an Israel deutlich gesehen. Mose, der treue Diener Gottes, hatte dem Volke Gottes in aller Strenge geboten, dass sie die mutwilligen Übertreter, nachdem diese durch zwei oder drei Zeugen ihrer Schuld überführt waren, ohne Barmherzigkeit ausrotten sollten. So auch sollten sie einen jeden Propheten, der mit Zeichen und Wundern sich erheben und das Volk zu andern Göttern zu führen versuchen würde, nicht hören, sondern ihn töten. Gleichermaßen sollte in solchen Fällen der Vater seines Kindes und der Mann seiner Frau nicht schonen, sondern seine Hand sollte zuerst die Schuldigen treffen. So auch sollten sie eine ganze Stadt, die andern Göttern nachhurte, gänzlich vertilgen und zu einem Haufen machen, auf dass ganz Israel solches hören, Gott fürchten und sich von solcher Bosheit in Zukunft fern halten möchte (5Mo 13). Dies, meine ich, war wohl eine harte Absonderung, welche Israel befohlen war. Hätten sie bei derselben beharrt und ihres Gottes Gebot, Rat, Lehre und Ermahnung nach der Schrift befolgt und die falschen Propheten samt den Götzendienern ausgerottet, so würden sie sich nie so sehr von Gott entfremdet und zu solcher tödlichen (nach dem Gesetze) Hurerei und zu solchem Abfall gekommen sein. Aber die Verschmähung von Gottes Rat und Willen kann nicht ungestraft bleiben.

Aber nun lehrt uns der heilige Geist, dass wir nicht wie Israel die Bösen töten, sondern, obwohl mit trauerndem Herzen, von der Gemeinde absondern sollen und zwar im Namen des Herrn, mit der Kraft Christi und des heiligen Geistes; denn »ein wenig Sauerteig versäuert den ganzen Teig.« Es ist ein wohlbekanntes Sprichwort: Ein räudiges Schaf macht viele räudig. Die Aussätzigen konnten unter dem gesunden Israel keinen Platz haben, sondern mussten sich an abgelegenen Orten aufhalten, bis sie wiederum genesen waren (3Mo 13,46). Ach, Brüder in dem Herrn, der Aussatz der Seele ist schlimmer als alle andern, sei es in der Lehre oder im Leben. Er frisst um sich wie der Krebs und versäuert den ganzen Teig, wie Paulus lehrt. Darum hat uns der heilige Geist so vielfach gelehrt und geraten, dass wir denselben von uns weg tun und nicht den Worten der falschen Propheten horchen, denn sie betrügen uns (Jer 23,16); dass wir uns absondern von denen, die wider die apostolische Lehre Ärgernisse und Streit anstiften; dass wir diejenigen meiden, die sich mit den heilsamen Worten und Lehren unseres lieben Herr Jesus Christus nicht begnügen, sondern Zank und Streit lieben; dass wir auf der Hut seien vor den Hunden, bösen Arbeitern und Zerschneidern (Phil 3,2); dass wir des Fremdlings Stimme fliehen und einen ketzerischen Menschen oder Sektenmeister, nachdem er ein- oder zweimal ermahnt worden ist, scheuen (Joh 10,5; Tit 3,10); dass wir den, der uns nicht die Lehre Christi bringt, nicht grüßen, noch in unsere Häuser aufnehmen (2Joh 10); und dass wir uns von einem jeden Bruder, der unordentlich lebt und nicht nach der apostolischen Lehre wandelt, entziehen (2Th 3,6). Paulus sagt:

»Wollte Gott, dass sie auch ausgerottet würden, die euch verstören.« (Gal 5,12)

Es dünkt mich, werte Brüder, dass Gottes heiliger Geist, was Ermahnen, Warnen, Lehren und Gebieten anbelangt und auch mit Bezug auf die Meidung der Sektierer und Abgefallenen, seines Amtes, der göttlichen Liebe unter seinen Auserwählten, durch Mose und die Propheten, Christus und die Apostel, fleißig und getreu gewaltet hat. Wollen wir aber jetzt aus Eigensinn oder unachtsamer Verkehrtheit, gegen den treuen Rat und Gottes Lehre und Ermahnungen, mit den Aussätzigen umgehen und uns mit ihnen vermengen, so haben wir nur zu gegründete Ursache, zu glauben, dass wir mit derselben Krankheit behaftet sind. Es ist Sünde, wenn einer, der die Natur einer Krankheit kennt, sich dennoch nicht vor derselben hütet.

Sagt doch, meine Allerliebsten, ist es nicht eine mutwillige Torheit und verderbliche Waghalsigkeit den Mördern mit Wissen und Willen in die Hände zu laufen oder ihnen sein Haus oder seine Geschäftsstube zu öffnen, wenn man doch nichts als Stehlen, Rauben und Morden erwarten kann?

Ach, möchte doch der fromme Leser das Gebot, die Lehre, den Rat und die Ermahnungen, welche der heilige Geist uns so treulich gegeben hat, annehmen! Meide alle Sektierer (ich meine solche, die von uns ausgegangen sind) und Abgefallenen nach des Herrn Wort, ohne Rücksicht ob es Vater, Mutter, Frau oder Kind sei, alle, welche euch von Gott und seinem Worte abzuwenden oder durch ihre Lehre oder ihr Leben euch zu versäuern suchen. Wer irgendetwas lieber hat als seinen Gott, kann des Herrn Jünger nicht sein. Habt darum Glauben an Jesum Christum und fürchtet ihn in seinem Wort von ganzem Herzen und ihr werdet seinen Rat und seine Lehre befolgen. Wenn ihr euch aber daran ärgert, so dürft ihr eure gewisse Strafe erwarten; denn ich weiß wohl, durch Gottes Gnade, was es heißt, des Herrn Wort und Willen zu verachten und was ich in der Hinsicht mit meinen Händen gegriffen und mit meinen Augen gesehen habe.

Viertens sagt Paulus:

»Ich habe euch geschrieben in dem Briefe, dass ihr nichts sollt zu schaffen haben mit den Hurern. Das meine ich gar nicht von den Hurern in dieser Welt oder von den Geizigen oder von den Räubern oder von den Abgöttischen; sonst müsstet ihr die Welt räumen. Nun aber habe ich euch geschrieben, ihr sollt nichts mit ihnen zu schaffen haben; nämlich, so jemand ist, der sich lässt einen Bruder nennen und ist ein Hurer oder ein Geiziger oder ein Abgöttischer oder ein Lästerer oder ein Trunkenbold oder ein Räuber; mit demselbigen sollt ihr auch nicht essen.« (1Kor 5,9–11)

Aus diesen Worten des Apostels geht hervor, dass er die Korinther in einem früheren Schreiben ermahnt hatte, dass sie die Hurer, Geizhälse etc. meiden sollten, sie aber hatten es auch verstanden von den Hurern dieser Welt. Hierüber ermahnt sie Paulus in diesem Brief und sagt, dass dies nicht durchaus seine Meinung gewesen sei; denn wenn sie diese meiden und sich nicht mit ihnenvermengen wollten, so müssten sie aus der Welt gehen. Der Apostel meinte aber solche, die Brüder genannt wurden, wie er in deutlichen Worten sich ausspricht, indem er sagt: »So jemand ist, der sich lässt einen Bruder nennen und ist ein Hurer, […] mit dem selbigen sollt ihr auch nicht essen!« Gleichwie die Juden zur Zeit Christi mit den Heiden und offenbaren Sündern nicht aßen und keine Geselligkeit noch Gemeinschaft mit ihnen pflegten; denn Christus und Paulus sind eins und nicht geteilt.

Ich meine, Brüder, dieser Text ist so deutlich, dass er gar keinen Widerspruch duldet; dennoch wird er von vielen bekämpft und zerstückelt.

Erstens behaupten sie, dass Paulus keine Macht gehabt habe, uns Gesetze aufzubürden, die nicht Christus zuvor gelehrt und zu geben befohlen habe. Hierauf antworten wir: Laß einen jeden jene Worte Christi recht verstehen und auslegen, nämlich: »halte ihn als einen Heiden und Zöllner« und er wird durch des Herrn Gnade beurteilen können, ob Paulus diese Verordnung von Christo empfangen habe oder nicht.

Zweitens sagen sie: Da Paulus hier des jüdischen Osterfestes erwähnt und dabei sagt, dass wir jetzt nicht mehr in dem alten Sauerteig Ostern halten sollen, so muss dies und auch jene anderen Worte: »Mit ihnen sollt ihr nichts zu schaffen haben!« und »Mit demselbigen sollt ihr auch nicht essen!«, nicht anders als von einer geistlichen Vermengung oder Gemeinschaft und von des Herrn Abendmahl verstanden werden. Auf dies antworte ich folgenderweise: Israel hatte ein Passahfest von sieben Tagen, wir aber haben ein ewiges. Und gleich wie unser Osterlamm und dessen Opfer ewig ist, so müssen wir denn auch dasselbe fortwährend heiligen und feiern; fortwährend müssen wir sein Fleisch essen, fortwährend mit seinem Blute besprengt sein und fortwährend uns fleißig in Acht nehmen vor jenem gottlosen verderblichen Sauerteige, beides, der Lehre und des Lebens. Wenn daher unser Osterfest geistlich und nicht buchstäblich, ewig und nicht zeitlich ist, wie kann es denn auf das Abendmahl des Herrn, welches nicht mehr als eine Stunde dauert, bezogen werden?

Zweitens antworten wir: Wären diese Worte von einer geistlichen Gemeinschaft gesprochen, so müsste im griechischen Text choinonia und im lateinischen communicatio stehen; denn das bedeutet eine geistliche Gemeinschaft, gleichwie Christus mit uns und die Glieder Christi mit Christo in Gemeinschaft stehen; auch bedeutet es Gütergemeinschaft (2Kor 6,14; Apg 2,44; Hebr 13,6). Der griechische Text hat aber ein anderes Wort und im Lateinischen heißt es: commiscere, sive commercium habere, welches niemals eine geistliche, sondern eine äußerliche, leibliche Gemeinschaft ausdrückt. Es geht weiter noch deutlicher aus den Worten Pauli hervor, dass er hier von einer äußerlichen Gemeinschaft und Geselligkeit und von keiner geistlichen spricht. Denn er verbietet uns diese Gemeinschaft mit den Abgefallenen, gestattet uns aber dieselbe mit der Welt, welche doch, unleugbar, ganz und gar keine geistliche Gemeinschaft mit uns hat, noch haben kann. Ja, wenn uns der Umgang und die Vermengung mit der Welt verboten wären, so könnten wir die Welt nicht zu unserer Notdurft gebrauchen, sondern müssten unser Leben in Armut, Hunger, Trübsal und Elend durchbringen.

Drittens antworten wir, dass Paulus hier von gewöhnlichem Essen und nicht vom Abendmahl spricht, denn er nennt es in Lateinisch cibum capere (Speise nehmen) und nicht panem frangere (Brot brechen) und es ist offenbar, dass das Abendmahl nirgendwo in der Schrift cibum capere genannt wird. Wenn es von dem Abendmahl gesprochen wäre, wie einige mit großem Unverstand behaupten, so würde daraus ohne Widerspruch folgen, dass wir auch die Welt zu unserem Abendmahl einladen, dieselben mit dem Kuss des Friedens grüßen und ein Leib mit ihr sein dürfen; da diese Gemeinschaft mit den abgefallenen Brüdern für uns unrein und verboten, nach den Worten Pauli aber mit der Welt rein und gestattet ist. Doch nein! Gleichwie die Juden zu jener Zeit mit den Heiden und Zöllnern nicht gemeinschaftlich essen wollten und Christus die Seinigen auf diesen Gebrauch hingewiesen hat, so folgt auch Paulus hierin der Lehre und Anweisung seines Herrn und Meisters Jesus Christus und sagt, dass wir mit solchen keine Speise essen sollen.

Ich glaube gewiss, dass hiermit allen Frommen genugsam bewiesen ist, dass die erwähnten Worte Pauli auf keine geistliche Vermengung noch auf das Abendmahl, sondern allein auf eine äußerliche Gemeinschaft und äußerliches Essen gedeutet werden müssen. Ist diese Gemeinschaft daher nicht erlaubt in äußerlichen oder fleischlichen Dingen, wie viel weniger muss sie erlaubt sein in innerlichen oder geistlichen Sachen!

Hier will ich euch, werte Brüder im Herrn, in aller Demut bitten und ermahnen, dass ihr doch wohl ermessen wollt, was dieses commercium, wovon Paulus hier redet, eigentlich sagen will und wie man es verstehen muss, auf dass ihr den ruchlosen Gewissen nicht zu viel Freiheit einräumt und dadurch ihr Verderben herbeiführt, noch die beschränkten Gewissen zu hart bindet, wo ihr kein bindendes Wort dafür habt. Denn ich höre und sehe und habe während vieler Jahre leider nur zu viel gesehen, dass in dieser Hinsicht allerwärts bei vielen weder Maß noch Ziel gehalten wird, welches auch die Ursache ist, dass in Betreff der Absonderung immer so viele Streitigkeiten und Schwierigkeiten vorgekommen sind. Möge der Herr doch einmal seine göttliche Gnade schenken, zum Frieden, zur Einigkeit und zur Aufbauung seiner heiligen Gemeinde, Amen.

Da ich, ein unwürdiger und einfacher Diener im Hause Gottes, mitberufen bin und aus Herzensgrunde gerne das Allerbeste an meinen lieben Brüdern und Mitgenossen sehen möchte, so will ich auch nach meiner kleinen Gabe meine Ansicht, mit der ich an jenem Tage vor dem Stuhl meines Herrn Jesu Christi zu erscheinen wünsche, in Betreff dieser Gemeinschaft oder Vermengung mit wenig Worten auseinandersetzen und dann das Urteil Gottes Wort und den Gelehrten anheimstellen. Meine Meinung daher ist, dass commisceri oder commercium haberi, das ist, sich vermengen oder Gemeinschaft haben, wovon Paulus hier spricht, eine tägliche Gemeinschaft, Gesellschaft, Umgang, Vermengung, Beieinandersein, Gebrauch, Unterhaltung und Verkehr in sich schließt und dass es nicht im Geringsten verbietet, zufälligerweise mit einem zu sprechen oder ein notwendiges Geschäft, wie z. B. eine Erbschaft zu teilen, eine Schuld zu bezahlen oder zu empfangen und dergleichen Sachen mehr mit einem abzumachen oder ihm in der Not behilflich zu sein; denn das Wort commercium hat keine so beschränkte Bedeutung. Darum irren einige nach meinem Dafürhalten nicht wenig, wenn sie die Worte »nichts mit ihnen zu schaffen,« so aufs Äußerste treiben wie die Worte: Du sollst nicht stehlen, nicht huren etc., von welchen Paulus bezeugt, dass diejenigen, welche diese Dinge tun, das Reich Gottes nicht ererben werden. Ja, meine Brüder, wenn die Sache so stände, dann weiß ich nicht, wer vor seinem Gott bestehen könnte.

Wollte man uns mit dem Worte commercium, welches in unserer Sprache Vermengung oder Gemeinschaft bedeutet, so einhegen und beschließen, dass wir mit einem Abgefallenen kein Wort sprechen noch ein notwendiges Geschäft in Ehren abschließen dürften, so würde man dem Worte commercium Gewalt antun, manches fromme Kind in großen Nachteil bringen, manchen schriftwidrigen Handel herbeiführen und den treuen Paulus, der sagt:

»Haltet ihn nicht als einen Feind, sondern ermahnt ihn als einen Bruder!« (2Th 3,15)

sehr zurücksetzen. Außerdem würden wir dem Evangelium Christi auch keinen guten Namen machen.

Auch kann nicht geleugnet werden, dass offenbare Sünder und auch Heiden in Judäa gewohnt haben: Denken wir z. B. nur an Herodes, Pilatus, Philippus, Lysanias, Festus, vor welchen die Juden auch hin und wieder zu erscheinen hatten. So mussten sie auch, um ihre Abgaben zu entrichten, vor die Römer kommen und haben wohl zuweilen ein paar Worte mit ihnen gesprochen und notwendige Geschäfte mit ihnen abgemacht, obwohl sie dieselben im täglichen Umgang, Gespräch, beim Essen sorgfältig gemieden haben.

Liebe Brüder, seht euch doch wohl vor, dass ihr den heiligen Geist nicht meistert und verachtet und durch Menschenweisheit den Weg enger oder breiter macht, als des Herrn Wort, Geist und Beispiel uns denselben macht, lehrt und vor bahnt.

Fünftens sagt Paulus:

»Denn was gehen mich die draußen an, dass ich sie sollte richten? Richtet ihr nicht, die da drinnen sind? Gott aber wird die draußen sind richten. Tut von euch selbst hinaus, wer da böse ist.« (1Kor 5,12–13)

Hier geht Paulus näher auf seine vorigen Worte ein, dass er im ersten Briefe nicht diejenigen genannt habe, welche draußen seien und deren Richter nicht wir, sondern Gott sei. Es ist unsere Pflicht, die Bösen, die unter uns sind, von uns abzusondern; die Welt aber sollen wir dem Herrn anbefehlen.

Seht, meine treuen Brüder, wie vollkommen Christus und Paulus in Betreff der Meidung der Abgefallenen übereinstimmen und wie ernstlich der heilige Apostel Paulus diese Absonderung gelehrt und zu derselben ermahnt hat, so dass er in diesem kurzen Kapitel sechs Mal aufgefordert hat, dass man diesem Banne nachkommen solle.

  1. »Ihr seid aufgeblasen und habt nicht vielmehr Leid getragen, auf dass, der das Werk getan hat, von euch getan würde.«
  2. »Ihn zu übergeben dem Satan.«
  3. »Fegt den alten Sauerteig aus, auf dass ihr ein neuer Teig seid.«
  4. »Ich habe euch geschrieben in dem Briefe, dass ihr nichts sollt zu schaffen haben mit den Hurern.«
  5. »Mit dem selbigen sollt ihr auch nicht essen.«
  6. »Tut von euch selbst hinaus, wer da böse ist.«

Alles dieses fasst er in dieses kurze Kapitel; zudem hat er noch den Römern, Galatern, Philippern, Thessalonichern, dem Titus und dem Timotheus hinsichtlich dieses Gegenstandes Lehren, Gebote und Ermahnungen erteilt. Auch Johannes hat uns in kurzen Worten seine Ansicht betreffs dieser Sache dargelegt. Ich weiß gar nicht, wie ein gottesfürchtiges Gewissen gegen die Meidung, die doch so viel Frucht und Nutzen mit sich bringt, denken und sprechen darf; doch es scheint, dass dieser Weinstock allezeit seinen Wurm haben muss.

Die Widerspenstigen machen auch hier eine Einwendung und sagen: »Wenn jemand von der Gemeinde abgesondert worden ist, dann ist es nicht länger notwendig, ihn zu meiden, denn er wird fortan kein Bruder mehr genannt.« Diesem antworten wir, dass sie erstens bedenken sollen, dass ein solcher, der des Herrn Wort und Wahrheit bekannt, eine Zeitlang ein frommes, evangelisches Leben geführt und auf das Bekenntnis seines Glaubens die Taufe empfangen hat, wenn er von der Wahrheit abfällt, nachher aber wieder aufrichtige Buße tut, nicht noch einmal getauft wird, denn die Schrift lehrt nur eine Taufe; hingegen derjenige, der sich zum ersten Mal von der Welt bekehrt, wird nach der Bekehrung getauft, da er vorher weder Wort, Buße, Glauben, Gerechtigkeit noch Taufe gekannt hat. Es ist also hierin ein großer Unterschied und werden die Abgefallenen am jüngsten Tage vom Herrn auch streng gestraft werden (2Pt 2,20).

Zweitens sagen wir, da die Welt sie gleichwohl für Brüder hält und auch viele von ihnen noch gerne als Brüder gegrüßt sein wollen, so ist es sehr notwendig, dass man sie meide, auf dass beide, die Welt und auch sie, wissen und erkennen mögen, dass wir die nicht für Brüder halten, die in Lehre oder Leben so unrein und strafbar sind, damit des Herrn Wort und Gemeinde nicht um ihretwillen bei der unverständigen Welt in Verachtung stehe.

Drittens sagen wir, dass Israel die offenbaren Sünder, sowie die Korinther ihre Hurer, nicht gemieden haben, solange sie noch nicht von der Gemeinde abgesondert waren und es ist auch nicht Sitte noch Gebrauch der Schrift, jemanden zu meiden, während er noch in der Gemeinde geduldet und getragen wird. Die Absonderung muss daher der Meidung vorhergehen; sonst führen wir einen Bann, den die Schrift weder kennt noch etwas davon erwähnt.

Viertens sagen wir, dass, so wir nach der Absonderung mit den Abgefallenen noch Gemeinschaft halten und im geselligen Umgang mit ihnen leben, wir durch die Taten beweisen, dass wir Gottes Wort, Gebot, Rat, Lehre und Ermahnung verachten, des Abgefallenen billige, schriftmäßige und zur Besserung zielende Beschämung nicht suchen und uns auch vor dem Verderben unserer Seelen nicht hüten.

Hiermit hoffe ich zuversichtlich, einen jeden Gottesfürchtigen betreffs der Worte Christi in Mt 18,17 und des im 5. Kapitel des 1. Korintherbriefes Enthaltenen zufrieden gestellt zu haben, so dass er fernerhin nicht mehr solche unnützen Verdrehungen, Einwendungen und losen Ausflüchte suchen wird, um dieselben zur Freiheit seines Fleisches vorzuschützen, da sie ebenso wenig wie die Stoppeln vor dem Feuer und das Eis vor der Wärme bestehen können. Ja, aus diesen Worten Christi und Pauli geht klar hervor, wie, wann, wo, mit was für einem Geiste, von wem, an wem und zu welchem Zwecke dieser Bann geübt werden soll. Ich halte diesen Grund für so fest, dass man ihn durchaus nicht, weder mit christlicher Billigkeit noch mit göttlicher Wahrheit, umstoßen oder zerstören kann. Ein jeder fürchte und liebe seinen Gott von ganzem Herzen, dann wird er ohne Zweifel zu einem richtigen Verständnis in dieser Sache gelangen und dem schriftgemäßen, gottgefälligen Gebrauch in rechter Form und Ausdehnung nachkommen.